Skip to main content
Klinische Neurologie
Info
Publiziert am: 08.02.2020

Metabolisch-toxische Myopathien

Verfasst von: Ilka Schneider, Berit Jordan und Stephan Zierz
Eine Vielzahl therapeutisch verwendeter Substanzen und exogener Toxine kann zu einer Schädigung der Muskulatur führen. Zu den wichtigsten exogen-toxisch vermittelten Myopathien zählen die Alkoholmyopathie und statininduzierte Muskelbeschwerden. Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind bei vielen Stoffen bekannt, wobei diese auch kombiniert auftreten können: Es kann eine direkte toxische Wirkung auf den Muskel stattfinden, eine lokale Schädigung bei intramuskulärer Injektion oder die indirekte Schädigung infolge endokriner, metabolischer oder immunologischer Mechanismen. Zudem führen einige Noxen auch zu einem myasthenen Syndrom durch Wirkung an der motorischen Endplatte. Neben der gründlichen Anamnese und dem klinischen Befund ist die Muskelhistologie ein entscheidender Faktor für die Diagnose.
Eine Vielzahl therapeutisch verwendeter Substanzen und exogener Toxine kann zu einer Schädigung der Muskulatur führen. Zu den wichtigsten exogen-toxisch vermittelten Myopathien zählen die Alkoholmyopathie und statininduzierte Muskelbeschwerden. Die zugrunde liegenden Pathomechanismen sind bei vielen Stoffen bekannt, wobei diese auch kombiniert auftreten können: Es kann eine direkte toxische Wirkung auf den Muskel stattfinden, eine lokale Schädigung bei intramuskulärer Injektion oder die indirekte Schädigung infolge endokriner, metabolischer oder immunologischer Mechanismen. Zudem führen einige Noxen auch zu einem myasthenen Syndrom durch Wirkung an der motorischen Endplatte. Neben der gründlichen Anamnese und dem klinischen Befund ist die Muskelhistologie ein entscheidender Faktor für die Diagnose.
In Tab. 1 sind die Charakteristika arznei- und rauschmittelinduzierter Myopathien zusammengefasst.
Tab. 1
Charakteristika arznei- und rauschmittelinduzierter Myopathien
Erkrankungen
Substanzen
Klinik
Serum-CK
Myoglobinurie
Pathologie
Akute/subakute schmerzhafte proximale Myopathie
Myalgien/Myokymien/
Schwäche/Krampi
Normal/↑
Normal
 
Nikotinsäure
Clofibrat
Cimetidin
Salbutamol
Suxamethonium
Nifedipin
D-Penicillamin
Vincristin
Proximale Myalgien/Atrophie/
Reflexausfall/Schwäche
?
?
 
Zidovudin
Myalgien/Schwäche/
Reflexausfall
+/–
Myopathisch
Mitochondrienanomalien
(Ragged-red-Fasern)
Myalgien/Schwäche/
Reflexe auslösbar
↑↑
+/–
Myopathisch/ Spontanaktivität
Nekrosen und Regeneration
Lovastatin
Clofibrat
Gemfibrozil
Subakute/chronische schmerzlose proximale Myopathie
Atrophie/Schwäche
Normal
Myopathisch
Typ-2-Faseratrophie
Reflexausfall durch Begleitpolyneuropathie
↑↑↑
Myopathisch/ neuropathisch
Vakuoläre Myopathie
Heroin
Amiodaron
Alkohol
Myotones Syndrom
Propranolol
Myotone Symptome
Normal
Myotone Veränderungen
 
Suxamethonium
Pindolol
Fenoterol
Furosemid
Entzündliche Myopathie
D-Penicillamin
Proximale Myalgien/
Schwäche/ggf. Hautveränderungen
Myopathisch/
± Spontanaktivität
Entzündung/Nekrosen/
Regeneration
Penicillin
Levodopa
Cimetidin
Propylthiouracil
Akute Rhabdomyolyse
Muskelschwellung/
Myalgien/schlaffe Tetraparese/
↑↑↑
+++
Myopathisch/
vorherrschend Spontanaktivität
Nekrosen und Regeneration
Heroin
Diazepam
Isoniacid
Fenfluramin
Lovastatin
Clofibrat
Gemfibrozil
Hypokaliämie
Schwäche, periodisch/
Reflexabschwächung
↑↑
+/–
Myopathisch
Vakuoläre Myopathie/Nekrosen und Regenerationen
Laxanzien
Amphotericin B
Alkohol
Suxamethonium
Muskelrigidität/
Hyperthermie/Acidose/
Hyperkaliämie/
Nierenversagen
↑↑↑
(↑ bei Risikopatienten)
+++
Myopathisch bei Betroffenen, oft auch bei Verwandten
Nekrosen
Chloroform
Halothan
Enfluran
Methoxyfluran
Cyclopropan
Diethylether
Fokale Myopathie
Intramuskuläre Injektionen
↑/–
Fokale Nekrose
Muskelfibrose und Kontrakturen
Heroin
Induration/Kontraktur der injizierten Muskeln
–/↑
Myopathisch/variable Spontanaktivität
Fibrose in Injektionsarealen

Nekrotisierende Myopathien und Rhabdomyolyse

Häufigstes Bild einer toxischen Schädigung des Skelettmuskels ist die nekrotisierende Myopathie, wobei sich histologisch Nekrosen der Muskelfasern mit Abräumung durch Makrophagen und nachfolgend die Regeneration der Muskelfasern darstellt (Abb. 1). Laborchemisch ist der Muskelzerfall durch eine massive CK-Erhöhung gekennzeichnet. Die Rhabdomyolyse ist die schwerste Form der Muskelfasernekrose und kann durch eine exzessive Myoglobinurie zu Nierenversagen und lebensgefährlichen Elektrolytstörungen führen.
Klinisch zeigen sich akute oder subakute lokale oder generalisierte Muskelschmerzen und -schwäche, wobei die Muskelreflexe in der Regel nur bei schwerem Verlauf abgeschwächt oder erloschen sind.
Die Pathomechanismen, die zu Nekrose und Rhabdomyolyse führen, lassen sich grundsätzlich in folgende Hauptgruppen unterscheiden:
  • Metabolisch: z. B. HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (z. B. Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin; cave: deutlich erhöhtes Risiko in Kombination mit Ciclosporin), Clofibrat, Gemfibrozil, Nikotinsäurederivate, Alkohol, Etretinat, ε-Aminokapronsäure, Organophosphate, Emetin, Hypervitaminose E, Heroin; Propofol(Mitochondrientoxizität)
  • Direkte Effekte an der Muskelfasermembran und deren Rezeptoren: z. B. verschiedene Schlangengifte, Toluen, Suxamethonium
  • Elektrolytstörung mit Hypokaliämie: z. B. Laxanzien, Diuretika, exzessiver Lakritzverzehr, Carbenoxolon, Lithium, Amphotericin B, Alkohol
  • Exzessiver Energiebedarf bei motorischer Überaktivität und Fieber: z. B. Neuroleptika, Theophyllin, Amphetamin, Tetanustoxin, Typhustoxin, Staphylokokkustoxin
  • Verminderte Sauerstoffzufuhr und Ischämie: z. B. Kokain, Vasopressin

Myopathie und Lipidsenker

Myopathien gehören zu den bedeutendsten unerwünschten Nebenwirkungen der Statine. Es wird geschätzt, dass ca. 10–15 % der mit Statinen behandelten Patienten betroffen sind, wobei Fluvastatin (5,1 %) und Pravastatin (10,9 %) mit einer geringeren Häufigkeit einhergehen als Atorvastatin (14,9 %) und Simvastatin (18,2 %) (Bruckert et al. 2005). Zu beachten ist dabei jedoch, dass die klinische Charakteristik sehr variabel ist und von asymptomatischer HyperCKämie und unspezifischen Myalgien bis zu Paresen und Rhabdomyolyse reichen kann. Pathogenetisch steht die toxisch vermittelte Myopathie im Vordergrund, wobei diese bei 1:10.000 Patienten pro Jahr auftritt, mit einem CK-Anstieg und proximalen Paresen einhergeht und mehrheitlich nach Absetzen des Statins remittiert.
Daneben können Statine aber auch eine immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (INM) durch Anti-HMG-CoA-Reduktase-Antikörper triggern (Kap. „Entzündliche Myopathien“) (Mammen und Amato 2010). Die Toxizität der Statine ist stark dosisabhängig. Demnach sind Risikofaktoren für die Entstehung einer Statinmyopathie höhere Medikamentendosierungen oder eine Kombinationstherapie mit Fibraten und Statinen. Andererseits führt auch ein gestörter Metabolismus durch eingeschränkte Nierenfunktion oder die gleichzeitige Behandlung mit Medikamenten, die mit den Statinen um den hepatischen Abbau über das Zytochrom-P450-System konkurrieren, zu einer Prädisposition. Kürzlich wurde eine Variante des SLCO1B1-Gens auf Chromosom 12 identifiziert, dessen Produkt – das Polypeptid OATP1B1 – die Aufnahme von Statinen in die Leber reguliert. Diese Variante ist verantwortlich für 60 % der statininduzierten Myopathien bei Patienten, die hohe Statindosierungen einnahmen (SEARCH Collaborative Group et al. 2008).
Die toxische Wirkung der Statine wird zum einen auf eine Erniedrigung des Coenzym-Q-Serumspiegels im Rahmen der Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren zurückgeführt. Es wird zudem angenommen, dass auch die Cholesterinsenkung schädigend durch eine veränderte Fluidität und elektrische Erregbarkeit der Muskelfasermembran wirkt. Auch die Exazerbation einer latenten hereditären Myopathie (z. B. Minicore-Myopathie, Glykogenose Typ McArdle, Carnitin-Palmityl-Transferase-Mangel) durch die Statinwirkung wird diskutiert (Tomaszewski et al. 2011). Therapeutisch muss bei entsprechenden Beschwerden eine Reduktion der Statindosis oder Absetzen der Medikation erfolgen. Ein empfohlener Algorithmus ist in Abb. 2 dargestellt. Häufig persistiert die CK-Erhöhung nach Absetzen des Medikamentes bis zu Jahren.

Ethanolinduzierte Myopathien

Die alkoholinduzierte Myopathie ist die häufigste Form der toxischen Myopathie. Sie tritt meist mit weiteren Alkoholfolgeerkrankungen wie Polyneuropathie, Leberzirrhose mit hepatischer Enzephalopathie und Kachexie auf. Es sind unterschiedliche Verlaufsformen bekannt (Kuhm und Klopstock 2014):

Akute nekrotisierende Myopathie (alkoholische Rhabdomyolyse)

Diese Form der alkoholischen Myopathie, deren Pathogenese ungeklärt ist, kann bei bestehendem chronischem Alkoholabusus akut in zeitlichem Zusammenhang mit einem Alkoholexzess oder in einer Entzugssituation auftreten. Klinisch ist sie durch akut einsetzende starke Myalgien, Muskelkrämpfe, Muskelschwellung und Paresen der Oberschenkel- oder Wadenmuskulatur charakterisiert. Differenzialdiagnostisch muss aufgrund der Schwellung immer an eine Thrombophlebitis gedacht werden. Ausgeprägte Rhabdomyolysen können zu einer Myoglobinurie mit der Gefahr des Nierenversagens führen. In der Akutphase der Erkrankung sind die muskulären Serumenzyme erhöht, normalisieren sich aber meist rasch innerhalb von 5–7 Tagen. Unter Alkoholabstinenz bilden sich die Paresen bei leichteren Fällen meist nach 10–14 Tagen zurück, bei wenigen Patienten kann noch nach 6 Monaten trotz Alkoholkarenz eine Muskelschwäche bestehen.

Akute hypokaliämische Myopathie

Eine Sonderform der alkoholinduzierten Myopathie ist die hypokaliämische Alkoholmyopathie infolge gastrointestinaler Kaliumverluste (z. B. Erbrechen oder verminderte Resorption) bei exzessivem Alkoholkonsum. Klinisch manifestiert sie sich subakut durch schmerzlose proximale Paresen. Laborchemisch auffällig im Serum ist neben der CK- und Aldolaseerhöhung eine ausgeprägte Hypokaliämie. Histologisch werden in der Biopsie Einzelfasernekrosen und Vakuolen gefunden. Nach intravenöser Kaliumgabe sind die Paresen innerhalb weniger Tage regredient.

Chronische alkoholische Myopathie

Langjähriger Alkoholkonsum kann bei bis zu zwei Dritteln der Alkoholabhängigen zu einer chronischen Myopathie führen, wobei das Ausmaß der Myopathie mit der Gesamtalkoholdosis positiv korreliert. Klinisch führend sind schmerzlose, proximal betonte Paresen. Eine CK-Erhöhung besteht nur selten. Im MRT lassen sich Muskelatrophien nachweisen, deren histopathologisches Korrelat häufig eine Atrophie der Typ-2-Fasern darstellt. Therapeutisch führte eine strikte Alkoholkarenz und eine begleitende Physiotherapie zu einer gewissen Besserung.

Alkoholische Kardiomyopathie

Eine myokardiale Schädigung kann als chronische alkoholische Kardiomyopathie auftreten, für die die toxischen Effekte des Alkohols direkt verantwortlich gemacht werden. Durch einen sekundären Vitamin-B1-Mangel ist die nutritive Kardiomyopathie (Beriberi-Herz) bedingt.

Entzündliche Myopathien

In sehr seltenen Fällen können Medikamente und Toxine zu einer immunvermittelten Myositis führen. So wurde eine akute oder subakute Polymyositis oder Dermatomyositis unter Therapie mit D-Penicillamin unabhängig von Dosis und Therapiedauer beschrieben, bei der in Einzelfällen auch eine kardiale Mitbeteiligung zu verzeichnen war. Nach Absetzen des Medikamentes war die Myositis meist regredient, selten war eine Kortikosteroidtherapie notwendig.

Myopathien mit Strukturveränderungen

Selten können externe Toxine zu Myopathien führen, die durch ultrastrukturelle Veränderungen im Muskel bedingt sind.
Antimikrotubuläre Myopathie
Vincristin und Colchicin können eine vakuoläre Myopathie mit membranösen Einschlüssen verursachen. Ursache dafür soll eine Störung des myotubulären Zytoskeletts sein, die zu einer veränderten Beweglichkeit oder Lokalisation der Lysosomen und damit zu einer Akkumulation autophagischer Vakuolen führt. Die proximal betonte und gewöhnlich mit einer Polyneuropathie einhergehende Myopathie bildet sich nach Absetzen des Medikamentes prompt zurück.
Myloidkörperformation
Über 50 amphiphile Medikamente sind bekannt, die mit sauren oder anionischen Phospholipidgruppen der Membranen der Muskelfaser interagieren. Als Folge dieser Medikament-Lipid-Komplexe können sich Myloidstrukturen ausbilden, die nicht mehr lysosomal abbaubar sind. Diese Strukturen ähneln denjenigen, die bei lysosomalen Speichererkrankungen (z. B. Zeroidlipofuszinosen) gefunden werden. Amphiphile Substanzen, die zu derartigen morphologischen Veränderungen führen, sind u. a. Chloroquin, Amiodaron, Imipramin und Clomipramin. Das klinische Bild ist von einer langsam progredienten, anfangs proximalen Muskelschwäche mit leichter Polyneuropathie geprägt, die sich nach Absetzen des Medikamentes nur langsam zurückbildet.
Myopathie bei Emetin-Intoxikation
Eine Intoxikation mit Emetin führt myopathologisch zu myofibrillären Veränderungen, zu Muskelfasernekrosen mit Regeneration und Typ-2-Faseratrophie sowie zu einem histochemisch nachweisbaren fokalen Verlust der oxidativen Enzymaktivität. Klinisch führt Emetin, das zur Behandlung der schweren Amöbiasis und als Emetikum bei Intoxikationen eingesetzt wird, zu einer reversiblen, oft schmerzhaften generalisierten Muskelschwäche.
Fallbeispiel
Ein 66-jähriger Mann stand aufgrund einer Herztransplantation nach schwerer Myokardischämie seit 14 Jahren unter der Dauertherapie mit Ciclosporin (150 mg/Tag), Prednisolon (7,5 mg/Tag) und Mycophenolat (500 mg/Tag). Vier Monate nach einer Erhöhung der Medikation mit Simvastatin (von 30 mg auf 60 mg/Tag) und zusätzlicher Einnahme von Colchizin (1,2 mg/Tag) zur Therapie eines Gichtanfalls entwickelte der Patient proximale Paresen, Muskelschmerzen und Gewichtsverlust. Es erfolgte daraufhin die stationäre Aufnahme, bei der sich eine Erhöhung der Kreatinkinase auf 2,5 U/ml zeigte (Normwert: <0,2 U/ml). Daraufhin wurde die Medikation mit Colchizin und Simvastatin sofort gestoppt und der Wert der Kreatinkinase sank wieder. Der Patient entwickelte jedoch eine respiratorische Schwäche, die eine Beatmung notwendig machte. Zur Sedierung wurde nun Propofol in einer Dosis von 30 μg/kg KG und min eingesetzt. Das EMG zeigte myopathische Veränderungen. Eine Muskelbiopsie bot ausgeprägte Muskelfasernekrosen, sarkoplasmatische Vakuolenbildung und Mitochondrienstörungen, jedoch ohne Zeichen für Entzündung. Daher wurde die Verdachtsdiagnose einer medikamentös induzierten toxischen Myopathie gestellt. Interdisziplinär wurde entschieden, die potenziell myotoxische Ciclosporin-Medikation unter enger Spiegelkontrolle wegen der drohenden Abstoßungsreaktion des Herztransplantats dennoch fortzuführen. Im Folgenden kam es zu Rhabdomyolyse mit Anstieg der Kreatinkinase auf den Peak von 33580 U/ml und zum akuten Nierenversagen, in dessen Folge der Patient letztlich verstarb (Francis et al. 2008).

Myopathien durch antiretrovirale Medikamente

Nukleosidische/Nukleotidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI/NtRTI)
NRTI wie Zidovudin oder Lamivudin hemmen die reverse Transkriptase des HIV durch Substratkompetition. Durch ihre ähnliche Struktur wird jedoch auch gleichzeitig die mitochondriale DNA-Polymerase γ (POLG) gehemmt und dadurch auch die Replikation der mitochondrialen DNA. Dies kann eine Myopathie mit vorwiegend schmerzhaften Paresen verursachen. Histologisch finden sich mitochondirale Störungen wie Ragged-red-Fasern und Zytochrom-C-negative Fasern (Lewis und Dalakas 1995).
Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)
NNRTI wie Efavirenz sind ebenfalls Bestandteil der HIV-Therapie, jedoch ohne dass bisher Myopathien beschrieben wurden.
Proteaseinhibitoren
Zu dieser Gruppe gehören z. B. Indinavir, Ritonavir und Atazanavir. Sie verursachen deutlich seltener als NRTI muskuläre Beschwerden. Allerdings gibt es zahlreiche Nebenwirkungen mit anderen myotoxischen Medikamenten, die bedacht werden müssen (Apostolova et al. 2011).
Die Differenzierung zwischen HIV-Myopathie und medikamentös-toxischer Myopathie im Rahmen der antiviralen Therapie ist häufig nicht einfach, hat aber relevante therapeutische Konsequenzen. Essenziell für die Unterscheidung ist die Muskelbiopsie: Die HIV-Myopathie weist dabei histologisch überwiegend entzündliche Veränderungen auf, während sich bei der medikamentös-induzierten Myopathie (v. a. bei NRTI, Ziduvudin) mitochondriale Veränderungen mit Ragged-red-Fasern und ultrastrukturell abnormen Mitochondrien im Vordergrund stehen. Biochemisch lassen sich erniedrigte Enzymaktivitäten mitochondrialer Enzyme und ein verminderter mitochondrialer DNA-Gehalt nachweisen. Therapeutisch führt das Absetzen des Virustatikums bei der medikamentös-toxischen-Myopathie zur raschen Besserung. Andererseits muss beim Nachweis einer floriden HIV-Myopathie die antivirale Therapie ggf. intensiviert werden.

Störungen der neuromuskulären Überleitung

Myasthenia gravis
Eine Vielzahl von Medikamenten kann entweder durch Behinderung der präsynaptischen Acetylcholinausschüttung oder durch eine postsynaptische Blockierung der Acetylcholinwirkung eine klinisch noch inapparente Myasthenie manifest werden lassen oder bei bereits bekannter Myasthenie die Symptomatik bis hin zur myasthenen Krise verschlechtern (Kap. „Myasthenia gravis“).
Schlangengifte
Störungen der neuromuskulären Überleitung durch verschiedene Schlangentoxine resultieren entweder aus einer verminderten präsynaptischen Acetylcholinfreisetzung (z. B. β-Bungarotoxin, Crotoxin) oder aus einer postsynaptischen Blockierung des Acetylcholinrezeptors (z. B. α-Bungarotoxin).

Facharztfragen

1.
Wie ist das Spektrum der muskulären Nebenwirkungen von Statinen?
 
2.
Welche Medikamente können zur myohistologischen Fehldiagnose einer Mitochondriopathie führen?
 
3.
Welche pathologische Auswirkung auf die Muskeln hat der chronische Alkoholabusus?
 
Literatur
Apostolova N, Blas-Garcia A et al (2011) Mitochondrial interference by anti-HIV drugs: mechanisms beyond Pol-gamma inhibition. Trends Pharmacol Sci 32(12):715–725CrossRef
Bruckert E, Hayem G et al (2005) Mild to moderate muscular symptoms with high-dosage statin therapy in hyperlipidemic patients – the PRIMO study. Cardiovasc Drugs Ther 19(6):403–414CrossRef
Francis L, Bonilla E et al (2008) Fatal toxic myopathy attributed to propofol, methylprednisolone, and cyclosporine after prior exposure to colchicine and simvastatin. Clin Rheumatol 27(1):129–131CrossRef
Kuhm C, Klopstock T (2014) Toxische Myopathien. Arzneimitteltherapie 32:87–92
Lewis W, Dalakas MC (1995) Mitochondrial toxicity of antiviral drugs. Nat Med 1(5):417–422CrossRef
Mammen AL, Amato AA (2010). Statin myopathy: a review of recent progress. Curr Opin Rheumatol 22(6): 644–6650CrossRef
SEARCH Collaborative Group E. Link, et al. (2008). SLCO1B1 variants and statin-induced myopathy – a genomewide study. N Engl J Med 359(8): 789–7799
Steinmetz A, Degen H (2014) Wenn Statine krank machen. Der Allgemeinarzt 17:48–52
Tomaszewski M, Stepien KM et al (2011) Statin-induced myopathies. Pharmacol Rep 63(4):859–866CrossRef