Epileptische Anfälle
Bei bekanntem
Alkoholismus ist ein Grand-Mal-Anfall
manchmal erstes Symptom eines Entzugs und markiert bei fortgesetzter Abstinenz meist den Beginn eines
Delirs. Insbesondere im Delir treten Grand-Mal-Anfälle sehr häufig auf. Die Verhaltensmaßregeln beim einzelnen Anfall entsprechen denen generalisierter Anfälle im Allgemeinen, bei postiktal auftretenden Zeichen eines Prädelirs/Delirs wird jedoch eine symptomatische Delirbehandlung notwendig, die mit einer antikonvulsiven Behandlung einhergeht. Es muss jedoch auch an seltenere
alkoholassoziierte Erkrankungen wie z. B. das
Marchiafava-Bignami-Syndrom gedacht werden, deren Erstmanifestation Krampfanfälle sein können.
Die alkoholbedingte Spätepilepsie nach jahre- bis jahrzehntelangem Alkoholabusus ist am ehesten durch eine diffuse Hirnparenchymschädigung bedingt. Eine
antikonvulsive Therapie ist nur bei strikter Alkoholabstinenz sinnvoll, da nur dann eine ausreichende
Compliance mit regelmäßiger Einnahme und ärztlicher Überwachung gewährleistet ist, eine Verschlechterung der Leberfunktion mit konsekutiver
hepatischer Enzephalopathie weniger wahrscheinlich ist und die alkoholbedingte Hirnatrophie evtl. reversibel, unter Abstinenz zumindest nicht progredient ist. In der Praxis ist zum Zeitpunkt der Spätepilepsie aber meist eine strikte Abstinenz des Patienten nicht mehr zu erzielen.
Alkoholentzugsdelir
Bei jedem
Delir, gleich welcher Ätiologie, handelt es sich stets um einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand. Neben dem Alkoholentzug sind als auslösende Faktoren das Absetzen von Sedativa, Parkinson-Therapeutika,
Kortikosteroiden,
Antibiotika und andere bekannt (s. Übersicht); die Symptomatik lässt kaum Rückschlüsse auf das auslösende Agens zu. Das Alkohol(entzugs)delir wird nach plötzlicher Abstinenz (z. B. bei Unfällen oder Erkrankungen) oder durch relativen Alkoholentzug bei Infektionskrankheiten nach 2–3 Tagen bei zugrunde liegendem, mindestens monatelangem Alkoholabusus
hervorgerufen und es wird von bis zu 15 % aller Alkoholiker einmal durchgemacht.
Während ein unkompliziertes vegetatives Entzugssyndrom auch auf einer Normalstation unter Überwachung medikamentös behandelbar ist, muss das Vollbild eines Delirs stets intensivmedizinisch betreut werden.
Zu den allgemeinen Maßnahmen zählt neben der Stressulkusprophylaxe die reichliche Flüssigkeitszufuhr, da der Patient durch vermehrtes Schwitzen bei der oft erheblichen Hyperthermie einen stark erhöhten Flüssigkeitsbedarf aufweist. Damit gehen oft
Elektrolytstörungen einher, deren Korrektur behutsam erfolgen sollte (Cave:
zentrale pontine Myelinolyse). Die prophylaktische Gabe von
Magnesium oral oder intravenös unter Serumspiegelkontrolle soll zur Kupierung eines leicht ausgeprägten Delirs bereits ausreichen. Zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie muss eine parenterale Substitution von Vitamin B
1 erfolgen; bei häufig bestehenden gastrointestinalen Erkrankungen ist die orale Applikation zu unsicher. Tachykardie und Tremor können symptomatisch mit β-Blockern behandelt werden.
Vor allem bei medikamentöser Therapie muss eine ständige EKG-Ableitung sowie die Kontrolle der Atemfunktion gewährleistet sein.
Eine weitere wichtige Nebenwirkung ist die Verstärkung der Bronchialsekretion, sodass wegen der zusätzlichen Atemdepression häufig abgesaugt und frühzeitig die Indikation zur Intubation gestellt werden muss. Insbesondere in dieser Phase droht bei i.v.-Gabe eine Hypotonie, die zusammen mit den Flüssigkeitsverlusten durch Schwitzen und Hyperthermie und der Atemdepression zu
Hypovolämie und kombiniertem Herz-Kreislauf-Versagen führen kann. Bei komplikationslosem Verlauf und rückläufiger vegetativer Symptomatik kann nach 2–3 Tagen auf orale Gabe umgestellt werden.
Wernicke-Enzephalopathie und Korsakow-Psychose
Die Wernicke-Enzephalopathie
(Polioencephalitis haemorrhagica superior
) und die Korsakow-Psychose
gelten heute als akute bzw. chronische Verlaufsform derselben Krankheitsentität, treten jedoch häufig isoliert auf. Sie können aus einem
Delir hervorgehen, aber in der Regel entwickeln sie sich eigenständig bei einem vorbestehenden Alkoholabusus. Die klinische Diagnose wird wegen oligosymptomatischer Formen nur in etwa 20 % gestellt, dementsprechend finden sich noch heute viele schwere und fatale, weil über längere Zeit unerkannte Verläufe.
Zentrale pontine Myelinolyse
Die
zentrale pontine Myelinolyse galt lange Zeit als Erkrankung mit infauster Prognose, heute werden dagegen mit der MRT auch leichtere Verläufe diagnostiziert, sodass therapeutischer Nihilismus nicht mehr angezeigt ist.
Subdurales Hämatom
Alkoholismus ist für die Entwicklung subduraler Hämatome
ebenso wie höheres Lebensalter und Stoffwechsel- oder Gefäßerkrankungen ein Risikofaktor. Zum einen sind Kopftraumata in dieser Gruppe häufiger, zweitens bestehen oft hepatogene Gerinnungsstörungen und nicht zuletzt wird auch dem oft begleitenden Vitamin-B
1-Mangel eine pathogenetische Rolle zugesprochen. Es sei insbesondere auf die diagnostischen Schwierigkeiten hingewiesen, die durch die Symptomverschleierung bei gleichzeitigem
Delir oder anderen Alkoholfolgekrankheiten entstehen. Gerade beim chronischen bilateralen subduralen Hämatom sind Symptome wie Antriebsmangel lange unspezifisch. Daraus resultiert, dass die Indikation zu einem CT bei einem alkoholisierten oder bei einem alkoholabhängigen Patienten bei unklarer Situation großzügig zu stellen ist. Eine Röntgenaufnahme des Schädels in 2 Ebenen stellt in dieser Situation keine ausreichende diagnostische Maßnahme dar.
Die in älteren Lehrbüchern noch abgegrenzte Pachymeningeosis haemorrhagica interna stellt keine eigenständige nosologische Einheit dar.
Zerebelläre und zerebrale Atrophie
Der chronische Alkoholkonsum kann zu einer Atrophie des Kleinhirns führen, die von großer klinischer Bedeutung ist. Das Kleinhirn kann isoliert oder auch zusammen mit dem Großhirn betroffen sein.
Klinik