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Klinische Neurologie
Info
Publiziert am: 06.10.2018

Neurosarkoidose

Verfasst von: M. Krämer, H. Wiethölter und J. Faiss
Die Sarkoidose (Morbus Besnier-Boeck-Schaumann) ist eine entzündliche, granulomatöse Multisystemerkrankung meist jüngerer Patienten mit bislang ungeklärter Ätiologie, die bei 5–6 % der Patienten mit einer Beteiligung des peripheren und zentralen Nervensystems sowie der Muskulatur einhergeht.
Die Sarkoidose (Morbus Besnier-Boeck-Schaumann) ist eine entzündliche, granulomatöse Multisystemerkrankung meist jüngerer Patienten mit bislang ungeklärter Ätiologie, die bei 5–6 % der Patienten mit einer Beteiligung des peripheren und zentralen Nervensystems sowie der Muskulatur einhergeht.
Häufigkeit und Vorkommen
Die Sarkoidose tritt in der Bundesrepublik Deutschland mit einer Prävalenz von 20–50 Fällen auf. In den USA wird von einer Inzidenz von 10,9/100.000 bei kaukasischen Amerikanern ausgegangen. Etwa 5–16 % der Patienten mit Sarkoidose entwickeln eine Neurosarkoidose. Die klinisch manifeste Neurosarkoidose soll eine Prävalenz von 1–7 Fällen pro 100.000 Einwohner und eine Inzidenz von 0,4–0,5 aufweisen. Mit leichter Bevorzugung von Frauen liegt der Altersgipfel der Erkrankung zwischen dem 20. und 45. Lebensjahr.
Ätiologie, Pathogenese und Pathologie
Ein bislang unbekannter endo- oder exogener Reiz führt besonders bei genetisch suszeptiblen Menschen zu einer Hyperimmunreaktion mit Ausbildung charakteristischer epitheloidzelliger Granulome (typischerweise ohne zentrale Verkäsung = Nekrose) vornehmlich durch eine Th1-Reaktion, die aus lymphomonozytären Infiltraten mit CD4+Th1-Lymphozyten, mit Makrophagen, Fibroblasten und gelegentlichen Plasmazellen sowie mehrkernigen Riesenzellen bestehen. In den Epitheloidzellen treten mitunter schwach doppelbrechende, kristallähnliche Einschlüsse auf (Schaumann-Körper). Die entzündliche Reaktion steht unter der Kontrolle einer Reihe von Zytokinen (insbesondere Interleukin[IL]-2, Interferon-γ und Tumor-Nekrose-Faktor[TNF]-α).
Bei der Neurosarkoidose sind vorwiegend die basalen Leptomeningen bevorzugt der mittleren Schädelgrube und der Infundibularregion sowie der Boden des 3. Ventrikels entzündlich verändert. Infiltrationen finden sich im N. opticus und Chiasma. In etwa 10 % der Fälle entsteht ein Hydrocephalus aresorptivus. Kleine Granulome können in den Perivaskulärräumen von Gefäßen der Basalganglien und des Pons auftreten, seltener auch die kleinen Gefäße im Sinne einer granulomatösen Vaskulitis infiltrieren (Tab. 1). Im peripheren Nerven findet man Granulome im Epi- und Perineurium und mononukleäre Zellen endoneural.
Tab. 1
Organmanifestationen bei Neurosarkoidose
Organe
Manifestationsform
ZNS
Aseptische Meningitis (granulomatöse Meningitis)
 
Zerebral
Isolierte parenchymatöse Granulome
Diffuse parenchymatöse granulomatöse Entzündung
Granulomatöse Angiitis (kleine Gefäße)
Hypothalamus- und Hypophysendysfunktion
Hirnnervenneuropathien
Spinal
Raumfordernde Granulome
Myelopathie, Konus- oder Kauda-Syndrom
PNS
Sensomotorische Polyneuropathie
Mononeuropathia multiplex
Small-Fiber-Neuropathie
Muskel
Granulomatöse Polymyositiden
Chronische Myopathien
Asymptomatische Muskelgranulome
Klinik
Grundsätzlich lassen sich zwei Verlaufsformen unterscheiden – die akute (Löfgren-Syndrom) und die chronische Verlaufsform.
Akute Verlaufsform
Die akute Sarkoidose (etwa 30–50 %) ist durch ein pathognomonisches Initialsyndrom mit bihilärer Adenopathie, symmetrischen Gelenkschwellungen vorwiegend der unteren Extremitäten und einem Erythema nodosum charakterisiert und wird begleitet von einem deutlichen Krankheitsgefühl, oft hochfebrilen Temperaturen mit Leukozytose und Blutsenkungsbeschleunigung.
Chronische Verlaufsform
Die chronische Verlaufsform wird oft zufällig entdeckt und ist bei 50 % der Erkrankten zunächst symptomlos. Ansonsten stehen uncharakteristische Beschwerden wie Müdigkeit, Anorexie, Schweißneigung und abdominelle Beschwerden im Vordergrund. Später können ein chronischer therapieresistenter Husten sowie zunehmende Dyspnoe und Brustschmerzen hinzutreten. In unterschiedlicher Häufigkeit kommen verschiedene Hauterscheinungen, von denen das Erythema nodosum die häufigste ist, sowie ein Befall fast sämtlicher Organsysteme hinzu (mediastinale Lymphknoten 75 %, Augen, Milz, Leber, Bronchialschleimhaut etwa 25–50 %, Haut und periphere Lymphknoten etwa 30–35 %, Knochen, Herz und Niere zusammen etwa 10 %). Die Gesamtletalität beträgt 4–9 %.
Neurologische Manifestationen
Eine Neurosarkoidose, selten isoliert, findet sich bei etwa 5–16 % der Patienten mit Sarkoidose. Jeder Teil des Nervensystems kann betroffen werden. Neurologische Manifestationen zeigen sich bei 50–75 % der Patienten (in über 50 % als klinische Primärmanifestation), ein Drittel leidet unter multiplen neurologischen Ausfällen. In großen Neurosarkoidose-Übersichten haben 75 % eine Beteiligung des ZNS, 15 % eine Affektion peripherer Nerven und etwa 10 % eine Myopathie. Neurologische Symptome entwickeln sich meist in den ersten 2 Erkrankungsjahren, bevorzugt im Bereich des ZNS, während das periphere Nervensystem und die Muskulatur eher in späteren Krankheitsphasen betroffen sind.
Die klinischen Symptome beim Befall des ZNS sind außerordentlich vielgestaltig und hängen von der Lokalisation der Granulome und dem Ausmaß der entzündlichen meningitischen und angiitischen Reaktion ab.
Hirnnervensymptome
Am häufigsten beginnt die Neurosarkoidose mit Hirnnervensymptomen, bei etwa einem Drittel als Fazialisparese mit spontan kompletter Rückbildung (Tab. 2). In Verbindung mit einer Parotitis, gelegentlich auch Iridozyklitis und Arthritis, wird sie als Heerfordt-Syndrom bezeichnet. Nicht selten sind Läsionen des N. vestibulocochlearis, des N. trigeminus und des N. opticus. Sie können zu akutem Hörverlust, zu Schwindel oder zu einer Optikusneuropathie mit Sehstörungen und anschließender Optikusatrophie führen. Andere Hirnnerven sind weniger häufig beteiligt, etwa in der Reihenfolge N. oculomotorius, trochlearis, abducens, glossopharyngeus, olfactorius, hypoglossus und accessorius. Der Hirnnervenbeteiligung liegt vor allem eine direkte granulomatöse Entzündung der Nerven zugrunde, sie kann aber auch durch eine chronische basale Meningitis oder eine sekundäre Hirndrucksteigerung bedingt sein. Treten Läsionen des N. opticus oder facialis beidseits auf, sollte eine Neurosarkoidose differenzialdiagnostisch immer ausgeschlossen werden.
Tab. 2
Neurologische Manifestationen bei Neurosarkoidose (n = 312)
Klinische Beteiligung
Beteiligung ( %)
Hirnnerven
51
 
N. facialis
31
N. acusticus
12
N. opticus (Atrophie)
12
ZNS
 
 
Enzephalopathie/Vaskulopathie
24
24
Meningitis
21
Hirnstamm-/Kleinhirnsymptome
17
Hypothalamische Störungen
14
Granulomatöse fokale Ausfälle
12
11
Spinale Symptome
7
Enzephalopathie
Die häufigste zerebrale klinische Manifestation ist eine Enzephalopathie mit Symptomen eines milden, ängstlich gefärbten Psychosyndroms bis hin zum demenziellen Abbau mit Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, aber auch produktiv-psychotische Bilder lassen sich beobachten. Verantwortlich dafür ist zumeist eine granulomatöse Vaskulitis v. a. der kleinen perforierenden Markarterien mit typischer periventrikulärer Schädigung, die sich kernspintomografisch nicht ohne Weiteres von den „White matter lesions“ der multiplen Sklerose unterscheiden lassen. Autoptisch finden sich häufig Mikroinfarkte bei Patienten mit Sarkoidose, klinische Berichte über Schlaganfälle oder andere vaskuläre Komplikationen sind aber selten und dann v. a. Folge einer granulomatösen Vaskulitis größerer Gefäße oder arterieller Embolien, aber auch diffuser Meningoenzephalitiden. Ganz vereinzelt wurde auch über intrazerebrale und subarachnoidale Blutungen sowie über Sinusthrombosen berichtet.
Epileptische Anfälle treten bei etwa 15 % der Patienten auf, bei 10 % leiten sie als Initialsymptom die Diagnostik erst ein.
Granulomatöse Meningitis
Die granulomatöse Meningitis, die sich klinisch als rezidivierende lymphozytäre Meningitis zeigt, manifestiert sich ganz überwiegend an den basalen Meningen und lässt sich autoptisch bei einem hohen Prozentsatz auch klinisch nicht Betroffener nachweisen. Sie äußert sich in Kopfschmerzen und Meningismus, geht seltener auch mit einem Papillenödem einher, führt zu Optikusatrophien und anderen Hirnnervenfunktionsstörungen. Klinisch manifeste hypothalamisch-hypophysäre Störungen gehören häufiger zu den neurologischen Komplikationen der Neurosarkoidose. Sie äußern sich als Polydipsie und Polyurie sowie in Störungen der Sexualfunktionen (Galaktorrhö und Amenorrhö, erhöhte Prolaktinspiegel), Wachstumsstörungen, Addison-ähnlichen Bildern, manchmal bis hin zum Panhypopituitarismus. Verantwortlich dafür sind multilokulär auftretende diffuse granulomatös-parenchymatöse Entzündungen am Boden des 3. Ventrikels, dienzephal und hypophysär. Ein Hydrozephalus kann bei etwa 10 % durch verminderte Liquorresorption entstehen.
Myelopathie
Durch extramedulläre, von den Meningen ausgehende, aber auch durch intramedulläre Granulome und durch arachnitische Verklebungen kann es zu einer subakuten oder chronischen Myelopathie kommen. Über Monate oder auch Jahre entwickelt sich eine progrediente Querschnittssymptomatik, die selten allerdings auch innerhalb weniger Tage bevorzugt im mittleren Zervikal- oder Thorakalmark entstehen kann. Auch radikuläre Symptome können das klinische Bild bestimmen, da die Wurzeln häufig mit entzündet sind.
Affektion des peripheren Nervensystems
Das periphere Nervensystem ist zumeist im Sinne einer symmetrischen sensomotorischen Polyneuropathie, seltener als Mononeuropathia multiplex oder als Radikulopathie mitbetroffen. Histologische Untersuchungen belegen die im Vordergrund stehende Vaskulitis mit lymphozytären und granulomatösen Infiltraten in den epineuralen und perineuralen Gefäßen. In der Regel kommt es zu einer vorwiegend axonalen Degeneration mit Schmerzen. Der Verlauf ist chronisch oder subakut, kann aber rezidivieren.
Schwer zu detektieren ist eine Neurosarkoidose mit Erstmanifestation als Small-Fiber-Neuropathie. Hier stehen brennende und stechende, z. T. ubiquitäre Missempfindungen im Vordergrund. Sarkoidosepatienten mit dem HLA-Typ HLA-DQB1*0602 haben ein erhöhtes Risiko, eine Small-Fiber-Neuropathie zu entwickeln.
Myopathie
Auch wenn bei etwa 60–80 % der Neurosarkoidosen eine histologisch fassbare Muskelbeteiligung beschrieben wird, bleibt diese in aller Regel klinisch stumm. Klinisch-symptomatisch werden die granulomatösen Polymyositiden oder eine chronische Myopathie. Sie äußert sich in einer langsam einsetzenden schmerzlosen, proximal betonten Parese. Eine akute Polymyositis kann bei Patienten mit Löfgren-Syndrom auftreten, sie geht mit starken Myalgien und deutlichen Entzündungsparametern einher.
Verlauf
Bei etwa zwei Dritteln der Patienten verläuft die Neurosarkoidose subakut monophasisch, bei etwa einem Drittel ist der Verlauf chronisch rezidivierend. Früher wurden Spontanremissionen und klinische Stillstände auch über viele Jahre berichtet. Bei 70–90 % bessern sich die neurologischen Symptome nach Gabe von Kortikosteroiden, bei den übrigen schreitet die Symptomatik trotz Therapie weiter fort. Mehr als die Hälfte der Patienten kommen in eine komplette Remission. Hirnnervenausfälle bilden sich fast immer zurück, während das Auftreten epileptischer Anfälle eher einen ungünstigeren Verlauf voraussagen lässt. Die Letalität der Neurosarkoidose liegt bei 1–5 %.
Diagnostik
Die Diagnose der Neurosarkoidose gestaltet sich insbesondere dann schwierig, wenn neurologische Symptome als Erstmanifestation auftreten. Bei Verdacht muss nach weiteren Organmanifestationen gefahndet werden (Thorax-Röntgen, Labor, bronchoalveoläre Lavage [BAL], Biopsien).
Eine Sarkoidose sollte möglichst histologisch gesichert werden.
Nur etwa 70 % der Patienten mit Neurosarkoidose haben einen pathologischen Thorax-Röntgenbefund mit typischerweise beidseits vergrößerten Hiluslymphknoten, die sich unter Zunahme pulmonaler Infiltrate zurückbilden. In der Bronchoskopie finden sich unregelmäßig angeordnete helle Plaques, die sich bioptisch bei 70–80 % der Patienten als epitheloidzellige, nicht verkäsende Granulome erweisen. Höchste Sensitivität von mehr als 90 % hat die bronchoalveoläre Lavage, bei der eine erhöhte Zellzahl, v. a. von T-Lymphozyten, mit deutlich erhöhtem T4/T8-Quotienten von mehr als 3,5 (normal 0,8–2,8) spezifisch ist. Für die diagnostische Sicherung einer Neurosarkoidose ist der bioptische Nachweis einer systemischen Sarkoidose erforderlich. Da sich eine Biopsie aus neurogenem Gewebe nur ausnahmsweise anbietet, sind andere für die Biopsie geeignete Stellen zu suchen. Eine Muskelbiopsie ist gelegentlich hilfreich.
Typisch für die Neurosarkoidose ist das Nebeneinander von parenchymatösen und meningealen Gadoliniumanreicherungen in der MRT.
Entsprechend stoffwechselaktive entzündliche Herde können sich durch eine Gallium-67-Ganzkörperszintigrafie (Anreicherung in Speichel-, Tränendrüsen, Lunge, Milz im Sinne eines „Lambda-“ oder „Panda-Zeichens“) sichtbar machen lassen.
Der Kveim-Test (Intrakutantest mit einer Präparation aus humanem Boeck-Gewebe) wird seit Jahren nicht mehr eingesetzt.
Labor
In Abhängigkeit von der Sarkoidoseaktivität wird Angiotensin-Converting-Enzym (ACE) sowie Lysozym (LZM) aus Makrophagen und Epitheloidzellen freigesetzt. Bei Patienten mit unbehandelter aktiver Sarkoidose sind je nach Messmethode in bis zu 60 % der Fälle die Serum-ACE-Spiegel erhöht. Die Spezifität ist dadurch deutlich eingeschränkt, dass auch andere Erkrankungen (z. B. Tuberkulose, Leberzirrhose, lymphoproliferative Erkrankungen, Hepatitis, Diabetes mellitus) für eine ACE-Spiegelerhöhung im Serum verantwortlich sein können. Auch der lösliche Interkeukin-2-Rezeptor ist wie das ACE unspezifisch. Zur Verlaufsbeurteilung werden löslicher IL-2-Rezeptor (sIL-2R) und Neopterin bestimmt. Allerdings kann der sIL-2R bei Niereninsuffizienz auch falsch hoch sein.
Liquor
Einen pathognomonischen Liquorbefund gibt es bei der Neurosarkoidose nicht. Die Konstellation aus mäßiger, v. a. lymphozytärer Pleozytose, diskreter Erhöhung des Gesamteiweißes bei selten erniedrigtem Liquorzucker und fehlenden Zeichen intrathekaler Immunglobulinbildung, insbesondere dem Ausbleiben von oligoklonalen Banden (OKB), ist am häufigsten. Der IgG-Index kann als Ausdruck intrathekaler Immunglobulinbildung allerdings auch erhöht sein, und in etwa 30–50 % der Fälle lassen sich zu irgendeinem Zeitpunkt der Erkrankung OKB nachweisen. Insbesondere aber das Fehlen von OKB spricht für eine Sarkoidose und gegen eine multiple Sklerose.
Bei mehr als der Hälfte der Patienten mit Neurosarkoidose sind ACE (etwa 60 %), Lysozym (etwa 70 %) und β-2-Mikroglobulin im Liquor erhöht. Sie korrelieren nicht eng mit dem neurologischen Verlauf, zeigen aber einen Abfall unter Kortikosteroidtherapie als Hinweis auf einen Behandlungserfolg. Eine ACE-Erhöhung im Liquor findet sich auch bei anderen Meningitiden, bei Hirntumoren und Polyradikulitiden und ist somit nicht spezifisch für die Sarkoidose.
Bildgebung
Die empfindlichste Methode zum Nachweis einer zerebralen Beteiligung ist die kernspintomografische Untersuchung mit einem positiven Befund bei etwa 80 % der Patienten (Tab. 3). Die häufigsten Veränderungen sind leptomeningeale, bevorzugt basale Kontrastmittelanreicherungen (65 %), ihnen folgen multiple periventrikuläre White matter lesions (40–50 %), schließlich raumfordernde parenchymatöse Granulome mit Kontrastmittel(KM)-Anreicherung bei etwa 30 % und bei etwa 10–15 % ein Hydrocephalus aresorptivus. Die Granulome stellen sich in den T2-gewichteten Bildern hyperintens und in den T1-Sequenzen isointens dar. Entscheidend ist die KM-Gabe, die in der Regel homogen anreichert, in der Leptomeninx z. B. in mehr als 80 %. Sie ist Ausdruck einer Schrankenstörung, die sich durch eine ausgedehnte Infiltration der Meningen durch granulomatöses Gewebe ergibt. Ausgehend von der Leptomeninx kommt es zur Invasion des Hirnparenchyms, vermutlich entlang der Virchow-Robin-Räume. Die überwiegende Zahl der granulomatösen Veränderungen entwickelt sich daher nahe dem Liquorraum (Abb. 1). Die Sensitivität wird mit mehr als 90 % angegeben.
Tab. 3
MRT bei Neurosarkoidose. (Nach Lexa und Grossman 1994)
Pathologische Veränderungen
%
Leptomeningeale KM-Anreicherung
65
Hyperintensitäten periventrikulär, Marklager
46
Raumfordernde parenchymatöse Granulome
29
13
Raumfordernde spinale Granulome
13
Mengingeom-ähnliche Granulome
8
Verdickter Hypophysenstiel
8
Spinale Herde können als intramedulläre kontrastaufnehmende Herde das Mark auftreiben, häufiger aber sind extramedulläre Granulome mit begleitender arachnoidaler KM-Anreicherung (Abb. 2).
Größere Granulome lassen sich auch in der CT als hyperdense Strukturen mit gleichmäßiger KM-Aufnahme finden. Ausgedehnte Raumforderungen oder perifokale Ödeme gehören nicht zum Bild. Bei Patienten mit Hirnnervenbefall ist die Bildgebung zu 37 % unauffällig.
Elektrophysiologie
Elektrophysiologische Untersuchungen haben für die Diagnose der verschiedenen ZNS-Manifestationen keine spezifische Bedeutung. Visuell evozierte Potenziale (VEP) sind u. U. auch bei Patienten pathologisch verzögert, die klinisch keine Visusminderung bemerkt haben. Elektromyografie und Elektroneurografie sind allerdings entscheidend für den Nachweis einer sarkoidosebedingten Polyneuropathie oder Myopathie. Fast immer finden sich leichte bis mäßig ausgeprägte Verzögerungen der motorischen und sensiblen Nervenleitgeschwindigkeiten. Ausdruck der vorherrschenden axonalen Degeneration sind eine entsprechende Amplitudenminderung und selten der Verlust der F-Welle. Elektromyografisch stehen neurogene Änderungen im Vordergrund, bei Myositis und Myopathie auch myopathische Veränderungen. Bei der Small-Fiber-Neuropathie ist definitionsgemäß die Elektroneurografie unauffällig. Die Hautbiopsie oder die konfokale Korneamikroskopie kann hier den Weg weisen.
Diagnosesicherheit
Nach den Kriterien von Zajicek (2000) lässt sich eine definitive von einer wahrscheinlichen und möglichen Neurosarkoidose unterscheiden:
  • Definitive Neurosarkoidose: Typisches klinisches Bild und histologischer Nachweis typischer Granulome in Hirn- oder Nervenbiopsie.
  • Wahrscheinliche Neurosarkoidose: Klinisches Bild passt zur Diagnose. Laborchemische Hinweise auf Entzündung des ZNS, typische Befunde in bildgebenden Verfahren, Hinweise auf systemische Sarkoidose unter Abgrenzung anderer Differenzialdiagnosen.
  • Mögliche Neurosarkoidose: Passendes klinisches Bild. Andere Diagnosen wurden ausgeschlossen, oben genannte Kriterien aber nicht erfüllt.
Differenzialdiagnose
Bei zentralem Befall gilt es, zerebrale und spinale Tumoren wie niedrigmaligne Gliome, Astrozytome oder Meningeome abzugrenzen, aber auch ein zerebrales Lymphom oder ein Morbus Whipple müssen u. U. erwogen werden. Bei der peripheren Fazialisparese kommen differenzialdiagnostisch alle anderen Ursachen in Betracht, neben der „idiopathischen“ solche, die im Rahmen einer Lyme-Borreliose, eines Zoster segmentalis oder bei einer basalen Meningitis auftreten. Eine lymphozytäre Meningitis macht differenzialdiagnostisch den Ausschluss von virusbedingten, parasitären, mykotischen und nichteitrigen bakteriellen Infektionen, wie der Neurolues oder tuberkulösen Meningitis, erforderlich – insbesondere bei deutlich erhöhtem Liquoreiweiß. Schwierig kann die Abgrenzung gegenüber der multiplen Sklerose sein, wenn z. B. oligoklonale Banden im Liquor vorliegen. Auch die zerebrale Vaskulitis stellt eine wichtige Differenzialdiagnose dar.
Bei der Abklärung der Polyneuropathie muss die ganze Palette der Ursachen bedacht werden. Bei einer Mononeuropathia multiplex und zusätzlichen entzündlichen Parametern kommen in erster Linie Vaskulitiden und eine Lyme-Borreliose differenzialdiagnostisch in Frage. Um die Myopathie gegenüber einer Polymyositis abzugrenzen, bedarf es nicht selten einer Muskelbiopsie.
Fallbeispiel
Eine 32-jährige Frau leidet seit ca. einem Jahr unter langsam an Intensität zunehmenden Dauerkopfschmerzen (viel privater Stress), einer Amenorrhö, einer leichten Alopezie und einer Hypothyreose.
Die endokrinologische Abklärung erbrachte erniedrigte Gonadotropin- und Estradiolwerte. Unter dem Verdacht auf einen Hypophysentumor erfolgte eine MRT des Kopfes (Abb. 3). Weitere Befunde:
  • Neurologischer Befund: normal bis auf Quadrantenanopsie nach rechts oben
  • Psychischer Befund und neuropsychologischer Befund unauffällig
  • Thoraxröntgen: o. B.
  • Thorax-CT: o. B.
  • EEG: diskontinuierlicher Theta-Verlangsamungsherd frontal links
  • VEP: normal
  • Liquor:
  • Labor:
    • CRP 1,2 mg/l
    • T-Spot negativ (kein Hinweis auf Tuberkulose)
    • IL-2R mit 565 U/ml grenzwertig hoch
    • Hypophysenstimulationstest zeigt inadäquate Stimulation von LH und FSH
    • Fehlende STH- und Prolaktinstimulation, TSH ausreichend stimuliert
  • BAL:
    • C4/C8: 6,08 deutlich erhöht (normal 0,8–2,8)
    • Zytologisch lymphozytäre Alveolitis
Unter Behandlung mit initial hoch dosiertem (100 mg) Prednisolon rasch kombiniert mit Azathioprin 100 mg kam es zu einer deutlichen Rückbildung der MRT-Gd-Herde. Klinisch war die Patientin aber nach 2 Jahren noch nicht kopfschmerzfrei.
Therapie
Eine Neurosarkoidose sollte ausreichend lange behandelt werden. Eine Tuberkulose muss vor der Behandlung unbedingt ausgeschlossen werden.
Anders als die Sarkoidose ohne funktionell bedeutsame Organbeteiligung bedarf die Neurosarkoidose einer Behandlung mit Kortikosteroiden. Kontrollierte Therapiestudien liegen allerdings nicht vor, und die Angaben zu Dosis und Therapiedauer sind sehr variabel.
Therapieempfehlungen
  • Die Initialdosis von 1 mg/kg KG Prednisonäquivalent pro Tag (vermutlich reicht eine Dosis von 40–60 mg aus) wird langsam innerhalb von 3–6 Monaten auf eine Erhaltungsdosis von 20 mg/Tag reduziert. In schweren Fällen ist auch eine 3-tägige Kortikoidstoßtherapie gerechtfertigt.
  • Wegen der Rezidivgefahr muss die Erhaltungstherapie über mindestens 1 Jahr, manchmal auch über mehrere Jahre beibehalten werden. Die Dosisreduktion orientiert sich am klinischen Verlauf und der Rückbildung der Entzündungsparameter (falls möglich auch des ACE, Lysozym, IL-2R, Neopterin und β-2-Mikroglobulin), nicht aber an Veränderungen in den bildgebenden Verfahren.
  • Schreiten neurologische Symptome unter Steroiden (nach 20 mg/Tag Prednison ≥6 Monate) fort, kommen andere immunsuppressive Medikamente wie z. B. Ciclosporin A (4–6 mg/kg KG/Tag), Methotrexat (MTX, 25 mg/Woche), Azathioprin (1–2 mg/kg KG/Tag p.o.) oder Mycophenolatmofetil ggf. additiv zu Steroiden zum Einsatz, um Dosis einzusparen. Gutes Ansprechen von 60 % wird bei MTX beschrieben.
  • Als Medikament gegen TNF-α hat sich eskalierend Infliximab (nach Induktion 5 mg/kg KG alle 6–8 Wochen) als wirksam erwiesen und kann ebenso steroidsparend eingesetzt werden. Es gibt Hinweise auf eine gute Kombinationsmöglichkeit mit Mycophenolatmofetil.
  • Schließlich ist eine fraktionierte Schädelbestrahlung mit insgesamt 20 Gy in täglichen Fraktionen von 1,5 Gy möglich.
Die Auswahl einer alternativen immunsuppressiven Therapie richtet sich vor allem nach Begleiterkrankungen. Ciclosporin ist bei schwerem Hypertonus oder Nierenfunktionsstörungen zu meiden. Azathioprin kann bei Leberfunktionsstörungen oder schweren Anämien nicht eingesetzt werden. Versagen Ciclosporin oder Azathioprin, kommt eine Behandlung mit Methotrexat, Cyclophosphamid und schließlich Infliximab in Betracht. Nur bei lebensbedrohlicher Symptomatik oder ineffektiver medikamentöser Therapie sollte bestrahlt werden.

Facharztfragen

1.
Welche Bedeutung hat die ACE-Bestimmung in der Diagnostik der Sarkoidose?
 
2.
Welches sind die häufigsten Initialsymptome einer Neurosarkoidose?
 
3.
Kann eine bronchoalveoläre Lavage unter Umständen eine bioptische Sicherung der Diagnose ersetzen?
 
4.
Welche Bedeutung haben IgG-spezifische oligoklonale Banden im Liquor?
 
5.
Beschreiben Sie den typischen MRT-Befund bei Neurosarkoidose
 
6.
Wann sollte außer mit Prednison/Prednisolon eine weitere Immunsuppression durchgeführt werden?
 
Literatur
Zitierte Literatur
Lexa FJ, Grossman RI (1994) MR of sarcoidosis in the head and spine: spectrum of manifestations and radiographic response to steroid therapy. Am J Neuroradiol 15:973–982PubMed
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Weiterführende Literatur
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