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Klinische Neurologie
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Publiziert am: 24.01.2019

Periphere Nervenläsionen an der unteren Extremität

Verfasst von: Peter Berlit und Manfred Stöhr
Psoashämatome können zu Läsionen von Beinplexus oder N. femoralis führen. Die Meralgia paraesthetica ist das häufigste Kompressionssyndrom der unteren Extremität gefolgt von der Peroneuslähmung am Fibulaköpfchen. Im Bereich des Fußes sind das mittlere und das vordere Tarsaltunnelsyndrom sowie die Morton-Metatarsalgie zu unterscheiden.
Psoashämatome können zu Läsionen von Beinplexus oder N. femoralis führen. Die Meralgia paraesthetica ist das häufigste Kompressionssyndrom der unteren Extremität gefolgt von der Peroneusdruckschädigung am Fibulaköpfchen. Im Bereich des Fußes sind das mittlere und das vordere Tarsaltunnelsyndrom sowie die Morton-Metatarsalgie zu unterscheiden.

Beinplexus

Aufgrund der anatomisch geschützten Lage sind traumatische Schädigungen des Beinplexus deutlich seltener als Armplexusläsionen. Inkomplette Läsionen können als Schädigung einzelner Nerven fehlgedeutet werden, v. a. als Femoralis- oder als Ischiadikusparese. Entscheidend ist die klinische Prüfung der differenzialdiagnostisch bedeutsamen Gluteal- und Adduktorenmuskulatur.
Anatomie
Der Plexus lumbosacralis rekrutiert sich aus den ventralen Ästen der Spinalnerven L1–S3 sowie aus dem N. subcostalis – dem unter der 12. Rippe gelegenen ventralen Ast des 12. Thorakalnerven – und dem N. coccygeus, dem kaudalsten Spinalnerven (S4) (Abb. 1). Der Plexus lumbosacralis besteht aus dem Plexus lumbalis ([Th12] L1–L4) und dem Plexus sacralis (L5–S4), welcher den Plexus ischiadicus (L5–S3) und den Plexus pudendus (S2–S4) enthält.
Die Plexusanteile erstrecken sich von retroperitoneal paraspinal über die Hinterwand des kleinen Beckens bis in die Leiste und das Foramen infrapiriforme.
Der Plexus lumbalis läuft zwischen dem M. psoas major und dem M. psoas minor und versorgt beide Muskeln sowie den M. quadratus lumborum mit kurzen Nervenästen. Aus dem Plexus lumbalis entspringen in kraniokaudaler Reihenfolge folgende Nerven, die an der Lateralseite des M. psoas hervortreten: die Nn. iliohypogastricus, ilioinguinalis, cutaneus femoris lateralis und femoralis. Der N. genitofemoralis erscheint dagegen an der Ventralseite des M. psoas. Schließlich tritt am medialen Rand des M. psoas etwa in Höhe von LWK5 der N. obturatorius hervor. Durch den Plexus lumbalis laufen somit Nervenstränge für motorische und sensible Funktionen der ventralen Seite des Oberschenkels.
Dagegen sind die Axone, die durch den Plexus sacralis ziehen, für die motorischen und sensiblen Funktionen der dorsalen Seite des Oberschenkels sowie für den gesamten Unterschenkel und Fuß verantwortlich. Die Axone der Ansa lumbalis V, einer Nervenschlinge mit Anteilen der Spinalnerven L4 und L5, verbinden sich mit den Sakralnerven zum Plexus sacralis. Der Plexus liegt retroperitoneal im kleinen Becken, vor dem M. piriformis und hinter den Ureteren und somit mediokaudal des Plexus lumbalis. Die proximalsten Abgänge sind die der Nn. glutaeus superior und inferior. Als Unterabschnitt des Plexus sacralis entsteht der Plexus ischiadicus, aus dem kleine Muskeläste den M. piriformis, die Mm. gemelli und den M. quadratus femoris versorgen. Hauptnerv ist der N. ischiadicus (L4–S2), der durch das Foramen infrapiriforme zieht. Ist der N. ischiadicus bereits hier in seine Anteile, den N. tibialis und den N. peroneus, aufgezweigt, so durchbohrt Letzterer fast immer den M. piriformis – eine Tatsache, die für die Entstehung des „Piriformissyndroms“ entscheidend ist.
Der Plexus pudendus formt sich aus den Ventralästen der Spinalnerven S2–S4. Aus ihm gehen Muskeläste für den M. levator ani und den M. coccygeus ab; sein Hauptnerv, der N. pudendus, versorgt schließlich die Haut und die Muskeln der Anogenitalregion.
Für die klinische Differenzialdiagnose von Beinplexusschädigungen und radikulären Läsionen ist die Untersuchung der autonomen Funktionen entscheidend. Im Plexus lumbosacralis verlaufen sympathische Nervenfasern, im Plexus pudendus zusätzlich parasympathische Fasern. Eine Störung der Schweißsekretion im Bereich der Extremität ist somit immer auf eine Schädigung des Plexus oder weiter distal gelegener Nerven zurückzuführen, sofern eine Störung des sympathischen Grenzstranges ausgeschlossen ist.
Die Blutversorgung der verschiedenen Plexusanteile erfolgt über Äste der Aa. lumbales (segmentale, der Bauchaorta entspringende Gefäße) oder aus dem R. lumbalis der A. iliolumbalis. Die gute Gefäßversorgung des Plexus erklärt das seltene Auftreten von ischämischen Beinplexusschädigungen. Anatomische Nachbarschaft und auch kleine Gefäßäste zu Plexusanteilen bestehen zu und von der A. iliaca und ihren Ästen, den Aa. glutea superior und inferior sowie der A. pudenda interna.
Klinik
Schädigungen des Plexus lumbalis führen zu einer schlaffen Parese der vom N. femoralis und vom N. obturatorius versorgten Muskeln. Es kommt zu Paresen der Hüftbeugung, der Hüftadduktion sowie der Kniestreckung. Der Quadrizeps- und der Adduktorenreflex sind abgeschwächt oder erloschen. Sind die proximalen Plexusanteile mitbetroffen, findet sich eine Sensibilitätsstörung unterhalb der Leiste (N. ilioinguinalis und N. iliohypogastricus; Abb. 2). Die Gefühlsstörung betrifft sonst die Vorderinnenseite des Oberschenkels (N. femoralis), die Vorderaußenseite des Oberschenkels (N. cutaneus femoris lateralis) und die Innenseite des Unterschenkels (N. saphenus).
Schädigungen des Plexus sacralis führen zu einer Parese der ischiokruralen Muskulatur (also der Kniebeugung) sowie zu einer Parese der Unterschenkel-, Fuß- und Zehenmuskulatur. Wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium zur Ischiadikusschädigung ist das Betroffensein der Glutealmuskulatur.
Eine Parese der Hüftabduktion (N. glutaeus superior, Mm. glutaeus medius und minimus) zeigt sich in einem positiven Trendelenburg-Zeichen: Beim Stand auf dem von der Parese betroffenen Bein kippt das Becken der Gegenseite nach unten ab.
Eine Schädigung des N. glutaeus inferior führt zu einer Lähmung der Hüftstreckung (M. glutaeus maximus). Das hypästhetische Hautareal umfasst die Rückseite des Oberschenkels sowie die Haut des Unterschenkels und des Fußes mit Ausnahme des vom N. saphenus versorgten medialen Unterschenkels. Abgeschwächt oder erloschen sind der Biceps-femoris-Reflex, der Tibialis-posterior-Reflex und der Triceps-surae-Reflex.
Globale Plexusschädigungen resultieren in einer schlaffen Parese der gesamten Bein- und Gesäßmuskulatur und stellen eine Kombination der beiden aufgeführten Plexusschädigungen dar.
Bei der differenzialdiagnostischen Einschätzung einer vermuteten Beinplexusläsion zu einer polyradikulären Schädigung oder zu einer lateralisierten Cauda-equina-Läsion ist die Störung der Schweißsekretion in dem von der Sensibilitätsstörung betroffenen Areal wegweisend – bei der klinischen Untersuchung oder im Ninhydrintest nach Moberg.
Diagnostik
Elektromyografisch finden sich je nach Akuität und Dauer der Schädigung pathologische Spontanaktivität in den betroffenen Muskeln oder Zeichen des chronisch-neurogenen Umbaus. Neurografisch zeigt sich Befund der infraganglionären Läsion mit Amplitudenminderungen der motorischen Muskelaktionspotenziale und der sensiblen Nervenaktionspotenziale.

Spezielle Krankheitsbilder

Eine Übersicht über die Ursachen von Läsionen des Beinplexus gibt Tab. 1.
Tab 1
Ursachen von Beinplexusläsionen
Ursache
Schädigungsart
Trauma
- Beckenringfrakturen, Azetabulumfraktur
- Sprengung des Sakroiliakalgelenks
- Stumpfes Unterbauchtrauma (direkt oder durch Psoashämatom)
- Einklemmung durch dislozierte Knochenanteile
- Traktionsschäden
- Geburtstraumatisch (bei der Mutter)
- Aortenaneurysma; Iliakalarterienaneurysma
- Schwangerschaft, Geburt (Austreibungsphase)
- Retroperitoneales Hämatom
- Raumforderung im Bereich des M. psoas (Hämatom oder Abszess)
Schädigung durch Tumoren (durch Kompression oder Infiltration)
- Tumoren des weiblichen Genitale, osteogene Tumoren des Beckens, retroperitoneale Tumoren (Lymphome), kolorektales Karzinom, Sarkom, Mammakarzinom, Nierentumoren, Tumoren der Nebennierenrinde, Neurofibrome des Plexus (sehr selten, auch als Strahlenspätschaden), Metastasen
Ischämie
- Nach Ligatur der A. iliaca
- Intraarterielle Injektion in Gluteal- oder Iliakalarterien
- Bei Neugeborenen Injektion in die A. umbilicalis
- Mikroangiopathie (diabetische Plexopathie)
Entzündung und Infektion
- Psoasabszess
- Tuberkulöse Senkungsabszesse
- Immunologisch bedingt (idiopathische Plexusneuritis)
Iatrogen
- Intraoperative Dehnungsverletzung bei Hüftoperationen
- OP im Bereich der Aorta oder der Iliakalarterien
- Intraarterielle Injektion (Chemotherapie)
- Strahlenschäden
Sonstige Ursachen
- Dehnungsverletzung durch langes Knien und Hocken: „Rübenzieherneuritis“
- Drogen (i. v.-Injektion von verunreinigtem Heroin)

Traumatische Schädigungen

Wegen der geschützten Lage des Beinplexus im Bereich des kleinen Beckens sind direkte Traumafolgen selten. Bei stumpfen Bauchtraumen, selten auch bei einem Sturz aus großer Höhe, kann es zu einer direkten Plexuskontusion oder zu einem Psoashämatom kommen, welches den Plexus lumbalis schädigt. Gelegentlich kann dieses Hämatom im Unterbauch palpiert werden. Die Patienten halten das Bein in einer Schonstellung außenrotiert und flektiert.
Wenn Knochenverletzungen im Bereich des Beckens vorliegen, muss geprüft werden, ob die Plexusschädigung durch eine Kontusion, durch begleitende Hämatome oder durch Knochenkanten oder -fragmente ausgelöst wurde. Wenn es bei Beckenringfrakturen zu einer Verletzung des Plexus sacralis kommt, muss umgehend eine Reposition vorgenommen werden. Auch Azetabulumfrakturen und Sakroiliakalsprengungen können den Beinplexus schädigen. Diagnostisch wegweisend ist in der Akutsituation ein CT des Beckens; klinisch werden die Paresen häufig durch die bestehenden Schmerzen überlagert, sodass auf Sensibilitätsstörungen in dem betroffenen Bein besonders geachtet werden muss.

Kompressionssyndrome

Ein Aortenaneurysma kann sowohl zu einer Druckschädigung wurzelnaher Plexusanteile als auch zu einer ischämischen Schädigung des Beinplexus führen. Durch Kompression führt es im Frühstadium oft zu Schmerzen im Rücken oder Unterbauch, ggf. mit Ausstrahlung entlang der Nn. iliohypogastricus, ilioinguinalis oder genitofemoralis. Palpation des Aneurysmas, Sonografie, MRT oder CT des Unterbauches bestätigen die Diagnose.
Am Ende der Schwangerschaft, v. a. aber auch in der Austreibungsperiode, kann es durch den Kindskopf zu einer Kompression des Beinplexus gegen die Linea terminalis des Beckens kommen. Betroffen sind in der Reihenfolge der Häufigkeit der Peroneusanteil, der Tibialis-, der Obturatorius- oder der Glutaeus-superior-Anteil. Oft fallen die Paresen erst nach der Entbindung auf. Kleinwüchsige Mütter mit schmalem Becken sind prädestiniert für diese Schwangerschaftskomplikation. Ist es bereits einmal zu einer Plexusschädigung durch diesen Mechanismus gekommen, muss beim Auftreten erneuter Symptome im Zuge einer nachfolgenden Schwangerschaft eine Sectio caesarea erfolgen. Die Prognose einer Plexusdruckschädigung ist in den meisten Fällen gut; lediglich bei schweren axonalen Schäden ist sie aufgrund der langen Reinnervationsstrecke schlecht. Neurografische und myografische Untersuchungen erlauben die frühzeitige prognostische Abschätzung.
Menstruationsabhängige Schmerzen und intermittierende motorische und sensible Defizite im Bein sollten an eine Endometriose denken lassen, die selten auch einmal Kontakt zum Beinplexus haben kann.
Retroperitoneale Hämatome im Zusammenhang mit Flankentraumen, nach Ruptur eines Aortenaneurysmas, als Komplikation von Blutgerinnungsstörungen oder unter Therapie mit Antikoagulanzien führen zu einer Druckschädigung des Plexus mit ausgeprägten, in die Leiste einstrahlenden Schmerzen. Betroffen ist der N. femoralis, wenn das Hämatom auf den M. iliacus begrenzt ist. Ist der M. psoas mitbetroffen, kommt es auch zu Ausfällen der Nn. obturatorius und cutaneus femoris lateralis.
Tumoren können zu einer Druckschädigung des Beinplexus und – seltener – zu einer diffusen Infiltration des Beinplexus führen. In drei Viertel der Fälle handelt es sich um Primärtumoren im Bereich des kleinen Beckens, sonst um Metastasen eines entfernt lokalisierten Primärtumors. Die einzelnen Tumoren sind in Tab. 1 aufgeführt. In 50 % der Fälle ist der Plexus sacralis betroffen, in 30 % der Plexus lumbalis und in 20 % der gesamte Beinplexus. Fast immer ist die Schädigung schmerzhaft; ähnlich wie beim Armplexus ist dies ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium zum Strahlenspätschaden. Seltener kommt es zur Schädigung umschriebener Plexusanteile: Eine im Bereich des Plexus weit kranial gelegene Raumforderung in der Nähe der Wurzel L1 führt zu isolierten Schädigungen im Bereich des N. genitofemoralis, des N. iliohypogastricus oder des N. ilioinguinalis. Rektumtumoren können zu einer isolierten Schädigung des Plexus coccygeus führen (Chad und Bradley 1987).

Ischämische Beinplexusläsionen

Aortendissektionen und arteriosklerotisch bedingte Stenosen der A. iliaca interna oder ihrer Äste können ischämische Beinplexusläsionen verursachen. Die intraarterielle Injektion vasotoxischer Substanzen in eine Glutealarterie führt zu einer toxischen Angiopathie mit sich ausbreitenden Gefäßspasmen. Ein diagnostischer Hinweis ist das Auftreten von Hautnekrosen im Gesäßbereich. Bei Neugeborenen kommt dieser Schädigungsmechanismus bei der Injektion in die A. umbilicalis vor. Iliakalarterienaneurysmen und Aortenaneurysmen können zur Verlegung von versorgenden Gefäßen führen, und auch nach Ligatur der A. iliaca interna sind Beinplexusläsionen beschrieben.

Entzündliche Beinplexusläsionen

Ein Abszess im Bereich des M. psoas oder des M. iliacus geht mit Fieber einher, laborchemisch finden sich Entzündungszeichen (CRP, Leukozytose). Der tuberkulöse Senkungsabszess ist heute selten. Psoasabszesse führen nicht immer zu neurologischen Ausfällen. Die Therapie besteht in der operativen Ausräumung und Drainage sowie gezielter Antibiose. Auch die lumbosakrale Radikuloplexopathie bei der Neuroborreliose wird antibiotisch behandelt.
Systemische Vaskulitiden (Panarteriitis nodosa, EosinophileGranulomatose mit Polyangiitis) verursachen oft eine Mononeuritis multiplex, nur selten auch eine Beinplexusneuritis.
Immunologisch bedingt ist die schmerzhafte lumbosakrale Plexopathie. Analog zur „neuralgischen Schulteramyotrophie“ treten nach Beinschmerzen Paresen vorwiegend der vom Plexus lumbalis versorgten Muskulatur auf. Paravertebrale Denervierungsaktivität im EMG zeigt eine Beteiligung der Nervenwurzeln an. Neben Kortikoiden können Immunglobuline gegeben werden. Innerhalb von Wochen bilden sich die Schmerzen zurück; die Rückbildung der Paresen kann wegen der langen Reinnervationsstrecke bis zu 2 Jahre dauern.

Iatrogene Schädigungen

Am häufigsten ist die intraoperative Dehnungsverletzung durch das forcierte Ziehen am Bein bei Einsatz einer Hüftprothese. Dabei sind der lumbale und der gluteale Plexusanteil stärker betroffen. Der gleiche Mechanismus spielt eine Rolle bei der Reposition traumatischer Hüftgelenkluxationen, bei Hüftgelenkarthrodesen, bei Umstellungsosteotomien, bei der Osteosynthese von Azetabulumfrakturen und bei der operativen Versorgung von Schenkelhalsfrakturen.
Erschwert wird die Diagnose durch eine postoperative Schmerzschonung des Beines und durch die Tatsache, dass oft kaum Sensibilitätsstörungen bestehen. Reflexbefund und Elektromyografie helfen weiter. Eine operative Reintervention ist nur bei Kontinuitätsdurchtrennung oder bei einem den Plexus komprimierenden großen Hämatom indiziert. Die Prognose ist abhängig vom Ausmaß der Schädigung. Eine gute bis mäßige Reinnervation wird bei 75 % erreicht, kann jedoch bis zu 3 Jahre dauern.
Eine ischämische Plexopathie wird nach Operation im Bereich der Aorta oder der Iliakalarterien sowie nach gynäkologischen Operationen beschrieben.

Bestrahlungsfolge

Strahlenschäden des Beinplexus entstehen nach Bestrahlung von Tumoren im kleinen Becken. Die Latenz zwischen Beendigung der Therapie und Auftreten der ersten Symptome sowie die Progredienz der Erkrankung sind abhängig von der applizierten Strahlendosis, dem Behandlungszeitraum und der Fraktionierung. Ab einer Strahlendosis von 40 Gy können Plexusschäden auftreten. Die Latenzen zwischen Bestrahlungsende und Auftreten erster Symptome betragen 1–17 Jahre. Neben direkten Bestrahlungsfolgen spielen die Strahlenvasopathie und Strahlenfibrosen eine Rolle.
Der Beinplexus ist in der Hälfte der Fälle beidseitig betroffen. Schmerzen bestehen bei jedem zweiten Patienten, wobei eine schmerzlos auftretende Parese eher auf eine Strahlennekrose als auf ein Tumorrezidiv hinweist. Betroffen sind meist der N. femoralis und in absteigender Häufigkeit der N. ischiadicus, die Glutealnerven und der N. obturatorius. Für eine radiogene Plexusschädigung spricht der Nachweis von repetitiven Serienentladungen im EMG.
Eine kausale Therapie der radiogenen Plexusläsion existiert nicht. Symptomorientiert erfolgen Schmerztherapie, krankengymnastische Behandlung und die Behandlung eines Lymphödems.

Diabetische Plexopathie

Das schmerzhafte und subakut innerhalb von wenigen Tagen auftretende Krankheitsbild betrifft die proximale Beinmuskulatur mit rasch auftretenden Paresen von Hüftbeugung und Beinstreckung mit Ausfall des PSR. Eine wichtige Fehldiagnose ist der Bandscheibenvorfall L3/4. Bei genauer Untersuchung sind aber weitere Beinplexusanteile betroffen und es fehlen die typischen radikulären Sensibilitätsstörungen. Die diabetische Plexopathie tritt auch bei gut eingestelltem HbA1c-Wert auf und ist in erster Linie Folge der diabetischen Mikroangiopathie und damit eine ischämische Nervenschädigung.

Sonstige Ursachen von Beinplexusläsionen

Bei der „Rübenzieherneuritis“ handelt es sich um Paresen der vom Plexus sacralis versorgten Muskeln nach langem Knien oder Hocken durch Überdehnung der um die Mm. gemelli und den M. obturatorius externus ziehenden Plexusanteile. Derselbe Mechanismus kann auch zu einer bilateralen Peroneusparese führen.

Nervenläsionen im Beckenbereich

Glutealnerven

Anatomie
Beide Glutealnerven entstammen dem Plexus lumbosacralis und führen ausschließlich motorische Fasern. Der N. glutaeus superior (L5) kommt nach Verlassen des kleinen Beckens durch das Foramen suprapiriforme zwischen den Mm. glutaeus medius und minimus zu liegen, die beide von ihm innerviert werden. Der Endast innerviert den M. tensor fasciae latae. Der N. glutaeus inferior (S1 und S2) verlässt das Becken gemeinsam mit dem N. ischiadicus und dem N. cutaneus femoris posterior durch das Foramen infrapiriforme und innerviert den M. glutaeus maximus.
Ätiologie
Eine Druckläsion des N. glutaeus inferior und des N. ischiadicus wird bei einem Hämatom im M. piriformis beschrieben. Der N. glutaeus superior kann im Bereich des Foramen suprapiriforme zwischen dem M. piriformis und dem M. glutaeus superior oder durch ein Aneurysma der A. iliaca komprimiert werden. Beide Glutealnerven können durch langes Liegen auf einer harten Unterlage geschädigt werden.
Häufigste Ursache einer N.-glutaeus-superior-Parese ist die nicht korrekt durchgeführte intragluteale Injektion durch zu weit medial lokalisierte Einspritzung. Auch bei korrekter Injektionstechnik in den oberen äußeren Quadranten kann es zu einer Schädigung kleiner Nervenäste kommen, die dann zu einer inkompletten Parese der Hüftabduktion führt. Die heute zum Glück seltene Spritzenlähmung des N. glutaeus inferior geht meist mit einer Ischiadicusparese einher (Abb. 3).
Bei Hüftgelenkersatzoperationen können die Glutealnerven durch Traktion bei Lateralisation des Femurs geschädigt werden, wobei meistens andere Beinnerven mitbetroffen sind.
Klinik
Eine isolierte Schädigung des N. glutaeus superior führt zu einer Lähmung der Hüftabduktion. Klinisch zeigt sich dies in einem positiven Trendelenburg-Zeichen, wobei beim Stand auf dem von der Parese betroffenen Bein das Becken der Gegenseite nach unten abkippt. Beim Gehen resultiert daraus ein Watschelgang. Die Prüfung der Muskelkraft gelingt am besten in Seitenlage. Eine Parese des M. tensor fasciae latea kann zu einer Instabilität des Kniegelenks führen.
Die isolierte Schädigung des N. glutaeus inferior führt zu einer Parese der Hüftstreckung. Besonders deutlich zeigt sich dies beim Treppensteigen. Die klinische Prüfung führt man am besten in Bauchlage durch. Häufig ist wegen der engen anatomischen Beziehung die Schädigung des N. glutaeus inferior mit einer Ischiadikusparese vergesellschaftet.

N. iliohypogastricus, N. ilioinguinalis und N. genitofemoralis

Anatomie
Alle drei Nerven entstammen dem Plexus lumbalis und führen motorische und sensible Fasern. Sie verlaufen bogenförmig oberhalb bzw. innerhalb der Beckenschaufel nach ventral und kaudal. Dabei hinterkreuzen N. iliohypogastricus und N. ilioinguinalis die Nierenkapsel, während der weiter kaudal liegende N. genitofemoralis den M. psoas durchbohrt, um über den R. genitalis sensibel das Skrotum und die großen Schamlippen sowie motorisch den M. cremaster zu innervieren. Die sensiblen Areale der 3 Nerven im Bereich der Leiste sind aus Abb. 2 ersichtlich. Der N. iliohypogastricus und der N. ilioinguinalis beteiligen sich an der motorischen Innervation der kaudalen Bauchmuskulatur.
Ätiologie
Beim Ilioinguinalissyndrom kommt es zu einer Kompression des Nervs bei seinem Durchtritt durch die Bauchwandmuskulatur mit Kreuz- und Leistenschmerzen sowie einer vornübergebeugten Schonhaltung, um die Anspannung der Bauchmuskulatur zu vermeiden.
Raumfordernde Prozesse der Niere oder des Nierenlagers (Tumoren, paranephritische Abszesse und Hämatome) führen zu einer Druckschädigung der Nn. iliohypogastricus und ilioinguinalis. Der N. genitofemoralis kann bei Psoashämatomen und -abszessen mitbetroffen sein.
Häufig sind iatrogene Schädigungen. Im proximalen Abschnitt sind der N. ilioinguinalis und der N. iliohypogastricus im Rahmen von Nierenoperationen durch Flankenschnitt bzw. dessen narbige Verheilung gefährdet. Eingriffe im Bereich der Leiste oder des Beckenkamms (Knochenmarkbiopsie) können die distalen Abschnitte aller 3 Nerven betreffen. Das Risiko besteht bei Punktionen der A. femoralis oder Operationen von Leistenhernien. Varikozelenoperationen können zu einer Schädigung des R. genitalis des N. genitofemoralis führen.
Klinik
Schädigungen des N. iliohypogastricus und des N. ilioinguinalis proximal des Abgangs der Muskeläste resultieren in einer Lähmung der kaudalen Bauchmuskulatur, die sich besonders im Stehen manifestiert und bei Untersuchung im Liegen ohne Anwendung der Bauchpresse leicht zu übersehen ist. Schädigungen der Nerven im Bereich der Leiste führen nur zu Sensibilitätsstörungen in den entsprechenden Hautarealen, wobei dann die seitliche Hüftregion wegen des proximal abgehenden R. cutaneus lateralis des N. iliohypogastricus verschont bleibt. Eine Läsion des N. genitofemoralis führt neben den Sensibilitätsstörungen zu einem Ausfall des Kremasterreflexes.
Oft bestehen Schmerzen in den betroffenen Hautarealen, die durch Hüftstreckung mit Dehnung der Nerven provoziert werden können. Diagnostisch hilfreich sind dann Leitungsblockaden proximal der vermuteten Läsionsstelle.
Therapie
Bei den oft ausgeprägten Schmerzen erfolgt zunächst eine neurothymoleptische Schmerztherapie, ggf. mit transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS). Die operative Neurolyse ist vorwiegend bei dem beschriebenen Engpasssyndrom erfolgreich. Eine perkutane Rhizotomie der Hinterwurzeln Th12 und L1 (N. iliohypogastricus) bzw. L1 und L2 (Nn. ilioinguinalis bzw. genitofemoralis) mittels Thermokoagulation kommt alternativ in Frage. Eine Bauchwandparese wird krankengymnastisch behandelt, ggf. wird ein stützendes Mieder verschrieben.

N. pudendus

Anatomie
Der N. pudendus als größter Ast des Plexus pudendus ist ein gemischter Nerv und entstammt den ventralen Ästen der Wurzeln S1–S4. Er tritt gemeinsam mit den gleichnamigen Gefäßen, dem N. ischiadicus, dem N. cutaneus femoris posterior, den Nn. und den Vasa gluteae inferiores durch das Foramen infrapiriforme aus dem kleinen Becken aus, zieht anschließend um das Ligamentum sacrospinale nach kaudal, um durch das Foramen ischiadicum minus wieder ins Becken einzutreten. Dort verläuft er mit seinen gleichnamigen Gefäßen im Alcock-Kanal und teilt sich in 3 Endäste, die die motorische und sensible Versorgung im Anogenitalbereich übernehmen. Der N. rectalis inferior innerviert motorisch den M. sphincter ani externus, sensibel den unteren Anteil des Analkanals und ist gemeinsam mit dem N. puborectalis für die Stuhlkontinenz wichtig. Für die Harnkontinenz von Bedeutung sind der vom N. dorsalis penis bzw. clitoridis innervierte M. transversus perinei profundus und die Mm. sphincter urethrae. Penis und Klitoris werden vom N. dorsalis penis bzw. clitoridis sensibel versorgt, der außerdem afferente Fasern für die Sexualfunktionen führt und mit vegetativen Fasern des N. cavernosus anastomosiert.
Die Haut von Damm bzw. Skrotum sowie die Mm. ischiocavernosus, bulbocavernosus und transversus perinei superficialis werden von den Nn. perinei versorgt.
Ätiologie
Traumatisch kann der Nerv durch eine stumpfe Gewalteinwirkung im Bereich des Gesäßes bei seinem Verlauf um das Ligamentum sacrospinale geschädigt werden. Druckbedingt ist eine Schädigung der sensiblen Nervenäste bei Radfahrern mit vorübergehender Sensibilitätsstörung im Bereich des Dammes.
Iatrogene Nervenschädigungen sind beschrieben nach Hämorrhoidenverödung (wohl ischämisch), nach Samenleiterunterbindung sowie nach Operation einer Rektozele.
Als Engpasssyndrom ist eine perineale Neuralgie durch Kompression der Nerven im Akock-Kanal beschrieben. Durch Dehnung kann der Nerv bei Beckenbodensenkung geschädigt werden und zu einer „idiopathischen Stuhlinkontinenz“ führen.
Klinik
Zu einer Beeinträchtigung der willkürlichen Harn- und Stuhlkontinenz kommt es nur bei beidseitigen Läsionen des N. pudendus und seiner Äste. Dasselbe gilt für Erektion und Ejakulation. Der Analreflex ist dann ausgefallen und der Analsphinktertonus herabgesetzt.
Bei einer einseitigen Läsion bestehen Sensibilitätsstörungen und seltener Schmerzen im entsprechenden sensiblen Versorgungsareal; die Schädigung des motorischen Nervenanteils zeigt sich im einseitigen Fehlen des Analreflexes und im elektromyografischen Nachweis von pathologischer Spontanaktivität im M. bulbocavernosus. Diagnostisch aussagekräftig ist auch ein Ausfall des elektrisch ausgelösten Bulbocavernosusreflexes und die Ableitung der Muskelantwort aus diesem Muskel nach kortikaler Magnetstimulation.
Therapie
Therapeutische Maßnahmen werden sich auf die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache beschränken. Eine perineale Neuralgie kann mit CT-gesteuerter Infiltration des Akock-Kanals behandelt werden.

N. obturatorius

Anatomie
Der N. obturatorius (L2–L4) ist ein vorwiegend motorischer Nerv. Er entsteht in der Muskelmasse des M. psoas und verlässt diesen an seinem medialen Rand, wo er von den Vasa iliaca communes überkreuzt wird und weiter über das Iliosakralgelenk ins kleine Becken zieht. An der Seitenwand des kleinen Beckens unterkreuzt er die Vasa iliaca interna und den Harnleiter in Höhe der Linea terminalis. Anschließend tritt von kaudal die A. obturatoria hinzu, die den Nerv mit der gleichnamigen Vene durch den Canalis obturatorius begleitet.
Im Canalis obturatorius zweigt zuerst der Ast für den M. obturatorius externus ab, anschließend erfolgt die Teilung in R. anterior und posterior. Der R. anterior versorgt motorisch den M. pectineus, die Mm. adductor longus et brevis und den M. gracilis. Sensibler Endast ist der R. cutaneus, der ein handflächengroßes Areal an der Medialseite des distalen Oberschenkels versorgt. Das sensible Innervationsgebiet unterliegt einer großen Variabilität und kann vollständig fehlen.
Der R. posterior zieht zum M. adductor magnus, dessen vorderen Anteil er innerviert, der hintere Anteil wird außerdem vom Tibialisanteil des N. ischiadicus mitversorgt.
Anatomisch wichtige Nachbarschaftsbeziehungen bestehen mit dem Iliosakralgelenk, der Fossa ovarica, Colon sigmoideum und Appendix, gefäßbegleitenden Lymphknoten, dem Harnleiter und den benachbarten knöchernen Strukturen.
Ätiologie
Eine Läsion des N. obturatorius ist eher selten. Als Ursache kommen an erster Stelle Nachbarschaftsprozesse in Frage, die sich aus der Anatomie ableiten lassen: entzündliche Prozesse des Iliosakralgelenks, Raumforderungen oder entzündliche Prozesse im Bereich des Ovars, des Colon sigmoideum und des Appendix, Metastasen, degenerative Veränderungen und Entzündungen im Bereich der benachbarten knöchernen Strukturen. Während des Geburtsvorgangs kann der N. obturatorius durch den Druck des kindlichen Kopfes gegen die Wand des kleinen Beckens gepresst und so geschädigt werden.
Aufgrund der tiefen und geschützten Lage des Nervs sind traumatische Läsionen durch Beckenring- oder Schambeinfrakturen eher selten. Iatrogene bzw. operativ bedingte Obturatoriusläsionen kommen nach Hüftgelenkoperationen, laparoskopischer Lymphadenektomie im kleinen Becken, gynäkologischen und geburtshilflichen Maßnahmen sowie Eingriffen in Steinschnittlage vor. Traktionsschäden sind durch operative Lagerung in Hüftbeugung für längere Zeit durch Zug des Nervs um den knöchernen Anteil des Foramen obturatum möglich.
Klinik
Bei einer isolierten Obturatoriusläsion steht klinisch die Parese der Oberschenkeladduktion im Vordergrund. Eine Restfunktion der Adduktion erfolgt durch Mitversorgung des M. adductor longus durch den N. femoralis und des M. adductor magnus durch den Tibialisanteil des N. ischiadicus.
Das Gangbild bei einer Obturatoriusparese führt typischerweise in der Schwungphase durch Überwiegen der Abduktoren zu einer vermehrten Zirkumzision, das Becken wird nicht mehr durch Zug der Adduktoren am Oberschenkel fixiert; die Folge ist ein breitbasiger und unsicherer Gang und Stand infolge der Beckeninstabilität. Im Sitzen kann das erkrankte Bein nicht über das andere geschlagen werden.
Die klinische Prüfung der Adduktoren erfolgt am liegenden Patienten in Rücken- oder Seitenlage mit gestrecktem Hüft- und Kniegelenk, indem der Patient aufgefordert wird, die Beine gegen den Widerstand des Untersuchers zusammenzuführen. Dabei sollte die maximal kontrahierte Muskulatur im Seitenvergleich palpiert werden. Der Adduktorenreflex ist je nach Paresegrad abgeschwächt oder ausgefallen, kann jedoch nur im Seitenvergleich gewertet werden.
Die sensiblen Ausfälle bei einer Obturatoriusläsion sind durch die variable Mitversorgung durch Hautäste der Nn. femoralis, saphenus und genitofemoralis meist gering.
Schmerzen im sensiblen Versorgungsareal werden als Obturatoriusneuralgie (Romberg-Howship-Syndrom) bezeichnet. Ursächlich ist die Reizung des Nervs durch Narbengewebe oder durch eine Ostitis pubis, gelegentlich mit Auslösung von Adduktorspasmen.
Therapie
Bei schmerzhaften Obturatoriusläsionen kann nach Ausschluss kausal behandelbarer Ursachen eine Infiltration mit Lokalanästhetikum und Methylprednisolon erfolgen.

N. cutaneus femoris lateralis

Anatomie
Der N. cutaneus femoris lateralis (L2, L3) ist ein rein sensibler Nerv. Nach seinem Durchtritt durch den M. psoas verlässt er diesen an seinem lateralen Rand und tritt etwas oberhalb der Crista iliaca ins Becken ein. Dort zieht er nach lateral unten auf die Spina iliaca anterior superior zu. Dabei verläuft er dem unteren Nierenpol, rechtsseitig der Iliozökalregion, links dem Colon descendens und dem Colon sigmoideum benachbart. Er verlässt das Becken medial der Spina iliaca anterior superior und tritt unterhalb des Leistenbandes durch die Lacuna musculorum an die Vorderseite des Oberschenkels. Bevor er die Fascia lata einige Zentimeter unterhalb des Leistenbandes durchbohrt, teilt er sich in 2 Endäste, die gemeinsam die Vorderaußenseite des Oberschenkels versorgen (Abb. 3).
Der Bereich des Leistenbandes stellt für den Verlauf des Nervs einen anatomischen Engpass dar: Nach zuvor horizontaler Verlaufsrichtung knickt er nun fast rechtwinklig ab. Dementsprechend unterliegt er bei Hüftstreckung einer Dehnung, bei Hüftbeugung wird er entlastet.
Gelegentlich wird das Innervationsgebiet des Nervs ganz oder teilweise vom N. femoralis oder genitofemoralis übernommen, selten versorgt er die Vorderinnenseite des proximalen Oberschenkels als klinisch bedeutsame Variante mit.
Ätiologie
Das häufigste Kompressionssyndrom der unteren Extremität ist die Meralgia paraesthetica. Dabei kommt es, gelegentlich auch bilateral, zu einer mechanischen Schädigung des Nervs durch chronische Mikrotraumatisierung beim Durchtritt durch die Fascia iliaca oder durch Fasern des Leistenbandes. Die rechtwinklige Knickbildung beim Austritt aus dem kleinen Becken erklärt die Anfälligkeit gegenüber einer Überstreckung im Hüftgelenk, die beispielsweise durch langes Liegen auf harter Unterlage oder im Anschluss an eine Operation zustande kommt. Weitere disponierende Faktoren sind Schwangerschaft, Adipositas und Aszites. Eher Auslöser als Ursache einer Nervenschädigung durch exogene Kompression sind zu enge Gürtel oder Hosen, Sicherheitsgurte, Korsetts, Thoraxgips, Kompressionsverbände nach transfemoraler Angiografie, längere Bauchlage oder ein lokales Hämatom.
Bei Leprakranken kommt die Meralgia paraesthetica durch entzündliche Infiltration des Nervs vor. Sie wird konservativ und im Rahmen der Grunderkrankung behandelt.
Iatrogene Nervenläsionen sind beschrieben nach Angiografien, bei Beckenkammbiopsie, Hüftoperationen mit ventralem Zugang, bei laparoskopisch durchgeführter Cholezystektomie, Nierentransplantationen, Operation einer retrozökal gelegenen Appendizitis und nach Injektionen in die ventrolaterale Leiste.
Traumatisch kann der Nerv bei einer Fraktur der Spina iliaca anterior superior geschädigt werden.
Schädigungen im intraabdominellen Verlauf des Nervs durch retroperitoneale Raumforderungen, Prozesse des Iliozökalbereichs sowie Colon ascendens und descendens sind selten.
Klinik
Eine Läsion des N. cutaneus femoris lateralis äußert sich in kribbelnden oder nadelstichartigen Parästhesien, einer Hyperpathie und brennenden Schmerzen, die sich in ihrer maximalen Ausdehnung zwischen dem Leistenband und oberhalb des lateralen Knies bewegen. Die Hypästhesie beschränkt sich meist auf ein Hautareal am anterolateralen Oberschenkel von wesentlich geringerer Ausdehnung, das dem autonomen Versorgungsgebiet des Nervs entspricht.
Die Diagnose ergibt sich aus den typischen Beschwerden und dem klinischen Befund. Meist besteht eine Hyperpathie der Oberschenkelvorderaußenseite. Passive Überstreckung im Hüftgelenk provoziert den Schmerz, seltener findet sich ein schmerzhafter Druckpunkt oder ein Hofmann-Tinel-Zeichen unterhalb der Spina iliaca anterior superior. Eine Blockade mit Lokalanästhetika medial und kaudal der Spina iliaca anterior superior, die unter die Fascia lata reichen muss, um den Nerv zu erreichen, kann diagnostisch hilfreich sein.
Diagnostik
Bei Ableitung der kortikalen Reizantworten der somatosensibel evozierten Potenziale im Seitenvergleich nach Stimulation der Haut des anterolateralen Oberschenkels findet sich eine Latenzzunahme der kortikalen Primärantwort mit variabler Amplitudenminderung. Weniger aussagekräftig ist die sensible Neurografie. Die Nervensonografie stellt die Schwellung des Nervs distal des Leistenbandes und ggf. verursachende Pathologien dar.
Differenzialdiagnostisch sind radikuläre Reizsyndrome der Wurzeln L3 und L4 abzugrenzen, welche oft mit Paresen oder Reflexdifferenzen einhergehen. Die Schwerpunktneuropathie bei Diabetes mellitus kann mit sensiblen Reizerscheinungen im Versorgungsbereich des Nervs beginnen. Patienten mit Koxarthrose klagen häufig über Reizerscheinungen am anterolateralen Oberschenkel, aber ohne entsprechenden neurologischen Befund.
Therapie
Die Spontanheilungsrate der Meralgia paraesthetica beträgt 25 %, und 90 % bessern sich unter konservativer Therapie. Auslösefaktoren müssen natürlich ausgeschaltet werden (Vermeidung lokaler Kompression, keine Überstreckung im Hüftgelenk, Gewichtsabnahme). Bei stärkeren Beschwerden Anwendung eines Lidocain-Pflasters lokal. Bei Persistenz Infiltrationsserie mit Lokalanästhetika, die meist dauerhafte Beschwerdefreiheit erbringt. Eine Kryoanalgesie, ultraschallgesteuerte Thermoablation oder operative Neurolyse bzw. Resektion des Nervs kommen in hartnäckigen Fällen in Frage. Eine Überlegenheit der invasiven Verfahren gegenüber der konservativen Therapie ist nicht belegt (Khalil et al. 2012).

N. femoralis

Anatomie
Der N. femoralis ist der größte Ast des Plexus lumbalis. Er entsteht aus den ventralen Ästen der Lumbalnerven L2–L4 in der Muskelmasse des M. psoas major und verläuft nach Austritt aus dessen lateralem Rand einige Zentimeter proximal des Leistenbandes in der Rinne zwischen M. iliacus und psoas durch die Lacuna musculorum lateral der Schenkelgefäßscheide in das Trigonum femorale, wo er sich in seine Endäste aufteilt. In seinem intrapelvinen Abschnitt ist der N. femoralis rechtsseitig der Iliozökalregion, linksseitig dem Colon sigmoideum benachbart und gibt Äste an die Mm. psoas major, psoas minor und iliacus ab. Der R. muscularis für den M. pectineus verläuft unter dem Leistenband hinter den Vasa femoralia zu seinem Zielmuskel.
Die distal des Leistenbandes aus der Verzweigung des Trigonum femorale entstehenden Rr. musculares versorgen die Mm. sartorius, rectus femoris und die Vastusgruppe; die Rr. cutanei anteriores innervieren die Haut der Vorderinnenseite des Oberschenkels. Der N. saphenus als längster und sensibler Endast des N. femoralis versorgt die Haut an der Medialseite des Unterschenkels bis zum medialen Fußrand zwischen dem Innenknöchel und der Sehne des M. tibialis anterior. Da der Faserbestand des N. saphenus im Wesentlichen aus der Lumbalwurzel L4 stammt, entspricht sein autonomes Innervationsgebiet dem Dermatom L4. Er zweigt ebenfalls im Trigonum ab, gibt Rr. articulares zum Hüftgelenk ab, verläuft anschließend lateral der A. femoralis superficialis, kreuzt diese im Adduktorenkanal, durchbricht die Membrana vasoadductoria und zieht am dorsalen Rand des M. sartorius zur medialen Knieseite. Dort gibt er den R. infrapatellaris ab, der die Haut am anteromedialen Knie versorgt. Am Unterschenkel begleitet er die V. saphena magna.
Klinik
Eine Schädigung des N. saphenus unter Einbeziehung des R. infrapatellaris verursacht Schmerzen, Reizerscheinungen und sensible Ausfälle an der Vorderinnenseite des Knies und an der Medialseite des Unterschenkels bis zum medialen Fußrand. Bei Schädigung in Höhe des Trigonums ist die Vorderinnenseite des Oberschenkels mitbeteiligt.
Die häufigste Schädigung des N. femoralis in Höhe des Leistenbandes bedingt außer den genannten sensiblen Reiz- und Ausfallserscheinungen im Versorgungsgebiet des N. saphenus Paresen der Mm. pectineus, sartorius und quadriceps. Funktionell am bedeutsamsten ist die Parese des M. quadriceps, die eine Lähmung der Kniestreckung zur Folge hat. Beim Gehen auf ebener Strecke oder Treppabsteigen kann das Bein noch als Stelze gebraucht werden, beim Bergaufgehen knickt das Bein jedoch ein. Eine oft frühzeitige Atrophie und, je nach Paresegrad, eine Abschwächung oder ein Ausfall des Quadrizepsreflexes sind typisch. Der Ausfall des M. sartorius als Beuger und Außenrotator der Hüfte und des M. pectineus als Adduktor fällt funktionell kaum ins Gewicht.
Bei der selteneren intrapelvinen Femoralisläsion besteht zusätzlich eine Parese der Hüftbeugung durch Beteiligung des M. iliopsoas. Die komplette Femoralisläsion führt jedoch immer nur zu einer Teilparese der Hüftbeugung, da der M. psoas über direkte Plexusäste aus L2 und L3 mitversorgt wird. Im Sitzen ist eine geringe Beugung durch den M. tensor fasciae latae möglich, im Liegen durch die ventralen Adduktoren.
Diagnostik
Die Neurografie erlaubt mit dem Nachweis einer infraganglionären Läsionslokalisation die Differenzialdiagnose zur (poly-)radikulären Schädigung. Das EMG von klinisch nicht eindeutig betroffenen Muskeln ist hilfreich bei der Differenzialdiagnose der proximalen Femoralisschädigung zur Plexusläsion. Bei Kompressionssyndromen hilft oft die Nervensonografie, in Einzelfällen die probatorische Nerveninfiltration.
Hauptdifferenzialdiagnosen sind Plexusläsionen oder eine Schädigung der Wurzeln L3 bzw. L4. Bei radikulären Syndromen fehlt selten die bewegungsabhängige, vertebragene Symptomatik; bei einer Läsion der Wurzel L3 ist zudem eine Beteiligung der Adduktoren und des Adduktorenreflexes zu erwarten.
Ätiologie und Therapie
Eine Übersicht über die Ursachen von N.-femoralis- und N.-saphenus-Schädigungen findet sich in Tab. 2.
Tab. 2
N. femoralis und N. saphenus: Schädigungsursachen
Ursache
Schädigungsart
Trauma
- Beckenfrakturen, Extensionstrauma der Hüfte
- Stumpfes Unterbauchtrauma, direkt oder durch Psoashämatom
- Schuss- und Stichverletzung
- Iliakushämatom, Iliopsoashämatom (N. obturatorius und N. cutaneus femoralis lateralis beteiligt)
- Aneurysma der Bauchaorta, der Iliakalgefäße oder der A. femoralis
- Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas
- Retroperitoneale Abszesse und Raumforderungen
- Heterotope Ossifikationen
- Druckschädigung des Femoralis gegen die Leiste in Steinschnittlage, des N. saphenus bei Druck gegen mediale Knie- oder Unterschenkelseite
- Bauchdeckenspreizer bei abdominellen Operationen
- Geburtstraumatisch (Druck des kindlichen Kopfes gegen das Becken)
- Aortofemorale Kunststoffprothesen
- Osteophyten am Iliosakralgelenk
- Kompression des N. femoralis durch entzündlich vergrößerte Bursa iliopectina und Kompression des R. infrapatellaris bei Bursitis des Pes anserinus
Engpasssyndrome
- Saphenuskompression im Adduktorenkanal
- Kompression des R. infrapatellaris durch den Sartoriusansatz
Schädigung durch Tumoren
- Retroperitoneale Tumoren (Kompression oder Infiltration)
- Neurofibrome, Neurilemmome, neurogene Sarkome
Ischämie
Diabetische Mikroangiopathie
Entzündung und Infektion
- Iliakusabszess, Iliopsoasabszess
- Borreliose, Zoster, Herpes simplex
Iatrogen
- Operative Eingriffe am Becken (Hysterektomie)
- Herniotomie
- Hüftgelenkersatz
- Saphenusläsion bei Varizenstripping, Meniskotomie, Osteosynthesen, Venentransplantaten
- Läsion des R. infrapatellaris bei Eingriffen am medialen Knie
- Radiatio
- Unsachgemäße Injektion in den M. quadriceps
- Transfemorale Angiografie
- Kontakt mit Knochenzement, Elektrokoagulation, Durchtrennung
Retroperitoneales Hämatom
Die häufigste Ursache einer Kompressionsschädigung des N. femoralis ist ein retroperitoneales Hämatom. Dieses kann spontan oder aufgrund von leichten Traumen bei Blutgerinnungsstörungen entstehen, durch Injektionen in die Bauchdecke, Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas, Hyperextensionstrauma des Hüftgelenks oder eine Fraktur des Os ilium.
Aufgrund der vielen Faszienräume zwischen M. iliacus und dem Peritoneum, die sich z. T. bis zum Trigonum femorale nach kaudal ausdehnen, können sich Hämatome, die aus den verschiedensten Kompartimenten stammen, entsprechend der Schwerkraft sammeln und in ihrem kaudalen Anteil zu einer Kompression des N. femoralis führen. Im Rahmen eines Iliakushämatoms ist nur der N. femoralis, bei einem Psoashämatom ist zusätzlich der N. obturatorius betroffen.
Klinisch führend sind akute, heftige Schmerzen in Unterbauch und Leistengegend, die entsprechend der sensiblen Versorgung des N. femoralis und saphenus ausstrahlen.
Das Bein wird zur Entlastung gebeugt, abduziert und außenrotiert gehalten. Es kann sich eine druckschmerzhafte Schwellung mit nach einigen Tagen entstehenden Ekchymosen in der Leistenregion entwickeln. Der neurologische Befund zeigt unterschiedlich schwer ausgeprägte sensomotorische Ausfälle, die Quadrizepsparese steht dabei im Vordergrund.
Das Hämatom lässt sich sonografisch nachweisen; Methode der Wahl zur Bestimmung von Größe und Ausdehnung sind MRT oder CT.
Therapeutisch stehen an erster Stelle die Normalisierung der Gerinnungsverhältnisse, Ruhigstellung und Analgesie. Bei großen Hämatomen kommt die operative Ausräumung in Frage, deren Überlegenheit bezüglich der Prognose jedoch nicht bewiesen ist.
Raumforderungen
Als weitere Ursachen einer Kompression kommen in Betracht: ein Aneurysma der Bauchaorta, der A. iliaca interna oder externa sowie der A. femoralis; retroperitoneale Abszesse oder Neoplasmen oder Pseudoaneurysmen nach transfemoraler Angiografie, eine Entzündung der Bursa iliopectinea mit Zystenbildung.
Engpasssyndrome
Anatomische Engpasssyndrome führen zur Saphenusneuropathie mit schmerzhafter Kompression des Nervs im Bereich des Adduktorenkanals, und zur Neuropathia patellae oder Gonyalgia paraesthetica mit Kompression des R. infrapatellaris im Ansatzbereich des M. sartorius.
Bei Schmerzen kann eine Infiltrationsserie mit Carbostesin versucht werden. Bei Kompression des N. saphenus im Adduktorenkanal bringt die Spaltung des Kanals Beschwerdefreiheit. Im Falle des N. infrapatellaris kommen eine Verlagerung des Nervs ins subkutane Fettgewebe oder die Neurektomie in Frage.
Traumatische Läsionen
Traumatische Schäden gehen auf Beckenfrakturen, Hyperextensionstraumen und seltener auf Schuss- und Stichverletzungen zurück. Bei intraabdomineller Durchtrennung besteht die Möglichkeit der Nervennaht. Alternativ kommt eine Ersatzoperation in Frage, bei der nach Verlagerung des M. semitendinosus und der Mm. biceps nach ventral auf die Patella diese als Kniestrecker fungieren. Traktionsschäden treten v. a. bei Sportverletzungen auf.
Iatrogene Läsionen
Iatrogene Schäden entstehen überwiegend durch transfemorale Angiografie und unsachgemäße Injektion in den M. quadriceps. Im Rahmen einer Herniotomie ist der N. femoralis meist durch eine Naht miterfasst; hier ist eine operative Revision angezeigt. Nicht selten werden Druckschädigungen des Nervs nach Eingriffen in Steinschnittlage durch Kompression gegen das Leistenband infolge übermäßiger Flexion, Abduktion und Außenrotation im Hüftgelenk oder durch Bauchdeckenspreizer bei der abdominellen Hysterektomie beobachtet; ähnlich entstehen ein- oder beidseitige Paresen des Nervs post partum durch den Druck des kindlichen Kopfes auf den an die laterale Beckenwand gepressten Nerv. Beide Formen der Druckschädigung haben in der Regel eine gute Prognose mit spontaner Rückbildung innerhalb von 6–8 Monaten. Auch aortofemorale Kunststoffprothesen können zu Druckläsionen führen. Direkte Nervenschädigungen entstehen durch Elektrokoagulation, Durchtrennung und Kontakt mit Knochenzement.
Der N. saphenus und der R. infrapatellaris sind durch Druck gegen die mediale Knieseite, Knieoperationen (zwei Drittel aller Fälle nach medialer Meniskektomie), Osteosynthesen am Unterschenkel, Varizenstripping und Venentransplantate gefährdet.
Sonstige Läsionen
Bei älteren Patienten ist immer auch an eine ischämische oder diabetische Schädigung zu denken, bei jüngeren Patienten kann es im Rahmen einer Intoxikation mit begleitender Rhabdomyolyse zu einer Nervenschädigung kommen.
Selten sind infektiöse Ursachen wie eine Borreliose oder Herpes- Infektion oder nerveneigene Tumoren wie Neurofibrome, Neurilemmome, neurogene Sarkome und Strahlenspätschäden.

Nn. ischiadicus, tibialis und peroneus

Anatomie
N. ischiadicus
Der N. ischiadicus ist oft bereits bei seinem Durchtritt durch das Foramen infrapiriforme aufgeteilt in seine 2 Äste, den N. peroneus und den N. tibialis. Eine bindegewebige Hülle um beide Anteile vermittelt makroskopisch den Eindruck eines einzelnen Nervs. Der Nerv läuft unter dem M. glutaeus maximus im Spatium subgluteale, in dessen lockerem Gewebe sich Krankheitsprozesse leicht ausbreiten können, unterkreuzt den M. biceps femoris und verläuft auf der Rückseite des Oberschenkels in der Tiefe der Flexorenloge. Spätestens kurz vor Erreichen der Fossa poplitea teilt sich der Nerv in seine beiden Hauptäste auf.
Die Muskeläste des Nervs lassen sich bereits im Bereich des Oberschenkels dem N. tibialis und dem N. peroneus zuordnen. Vom Tibialisanteil werden der M. semitendinosus, der M. semimembranosus, der lange Kopf des M. biceps femoris und der M. adductor magnus, aus dem Peroneusanteil wird der kurze Kopf des M. biceps femoris versorgt. Sensible Äste aus dem Hauptstamm versorgen lediglich das Kniegelenk, während der Oberschenkel von Nervenästen versorgt wird, die direkt aus dem Beinplexus entspringen.
N. peroneus
Der Nerv verläuft in der Fossa poplitea zum Fibulaköpfchen. Hier liegt er direkt auf dem Knochen und ist gelegentlich zu palpieren. Er kommt bogenförmig hinter dem Fibulaköpfchen hervor und passiert eine Lücke zwischen dem proximalen Ansatz des M. peroneus longus am Fibulaköpfchen und dem distalen Ansatz desselben Muskels am proximalen Fibulaschaft. Hier teilt er sich auf in seine beiden Äste, den N. peroneus superficialis und den N. peroneus profundus. Der noch direkt aus dem Peroneusstamm stammende N. cutaneus surae lateralis versorgt die Haut des lateralen proximalen Unterschenkels. Der R. communicans peroneus vereinigt sich mit einem Ast aus dem N. tibialis zum N. suralis (s. unten).
Der N. peroneus superficialis verläuft am lateralen Unterschenkel unter den von ihm versorgten Mm. peroneus longus und brevis. Hautäste versorgen den distalen lateralen Unterschenkel und den Fuß- und die Zehenrücken mit Ausnahme des Versorgungsareals des N. peroneus profundus. Eine für die Neurografie bedeutsame Innervationsanomalie ist der bei einem Viertel aller Individuen vorkommende N. peroneus accessorius; er ist ein Ast des N. peroneus superficialis, verläuft hinter dem Außenknöchel und versorgt den üblicherweise vom N. peroneus profundus innervierten M. extensor digitorum brevis ganz oder teilweise.
Der N. peroneus profundus verläuft zwischen dem von ihm innervierten M. tibialis anterior und dem M. extensor hallucis longus abwärts, zieht unter dem Retinaculum musculorum extensorum hindurch und gibt im Bereich des Fußrückens Nervenäste an den M. extensor digitorum brevis und den M. extensor hallucis brevis ab. Die Endäste versorgen die Haut zwischen der I. und der II. Zehe.
N. tibialis
Der Nerv gibt in der Fossa poplitea den N. cutaneus surae medialis ab. Vereinigt mit dem R. communicans peronei (s. oben) bildet er den N. suralis, der den Fersen- und Fußaußenrand sowie die laterale kleine Zehe versorgt.
Der N. tibialis gibt im distalen Abschnitt der Fossa poplitea Nervenäste an die oberflächlichen Fußflexoren (Gastroknemiusköpfe, M. soleus und M. plantaris) ab, bevor er in die tiefe Flexorenloge zieht. In seinem Verlauf gibt er Nervenäste an die tiefen Fußflexoren ab (M. popliteus, ventraler Anteil des M. soleus, M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus und M. flexor hallucis longus). Schließlich zieht der N. tibialis unter dem Retinaculum flexorum im klinisch bedeutsamen Canalis malleolaris hindurch und teilt sich dort in seine Endäste, die Nn. plantares medialis und lateralis. Der N. plantares medialis versorgt sensibel, ähnlich wie der N. medianus an der Hand, die mediale Fußsohle, die Zehen I–III und die mediale Hälfte der IV. Zehe. Die von ihm innervierten Muskeln liegen an der medialen Seite der Fußsohle (M. abductor hallucis, M. flexor hallucis brevis, M. flexor digitorum brevis, Mm. lumbricales I und II). Der N. plantaris lateralis versorgt sensibel die laterale Fußsohle und die restlichen Zehen sowie motorisch die übrigen Muskeln im Bereich der dorsalen Fußseite.

Ischidiakusläsion

Klinik
Eine komplette Ischiadikusläsion führt zu einer Lähmung der gesamten Unterschenkel- und Fußmuskulatur sowie zu einer Parese der ischiokruralen Muskulatur mit Kniebeugerlähmung. Klinisch ist dies am besten in Bauchlage zu prüfen. Die Patienten können aber noch auf dem betroffenen Bein stehen, da die Kniebeuger hierbei entbehrlich sind.
Die Sensibilitätsstörung umfasst den gesamten Unterschenkel mit Ausnahme der vom N. saphenus innervierten Innenseite. Nur bei sehr proximal gelegenen Schädigungen im Bereich des Foramen infrapiriforme kann es durch gleichzeitige Schädigung des nicht zum N. ischiadicus zählenden N. cutaneus femoris posterior zu einer Gefühlsstörung auf der Oberschenkelrückseite kommen.
Erloschen oder abgeschwächt sind der Triceps-surae-Reflex, der Tibialis-posterior-Reflex und der Biceps-femoris-Reflex. Die erhaltene Kraft der Glutealmuskulatur, der Adduktoren, der Kniestrecker und der Hüftbeuger sowie der erhaltene Quadrizepsreflex erlauben die Differenzialdiagnose zur Plexusläsion.
Häufig ist bei einer Teilschädigung des N. ischiadicus vorwiegend der Peroneusanteil betroffen. Entsprechend muss beim Vorliegen einer Parese der von diesem Nerven versorgten Muskeln immer eine Ischiadikusläsion mitbedacht werden; zur Untersuchung einer Fußheberschwäche gehört daher immer auch die Prüfung der Kniebeugung und die Auslösung des Biceps-femoris-Reflexes.
Ätiologie und Therapie
Tab. 3 enthält eine Auflistung der Ursachen einer Ischiadikusläsion.
Tab. 3
N. ischiadicus: Schädigungsursachen
Ursache
Schädigungsart
Trauma
- Druck- oder Traktionsschädigung durch begleitende Knochenverletzungen: Beckenfrakturen, Hüftgelenkluxationen (v. a. nach dorsal), Hüftgelenkluxationsfrakturen; Femurfrakturen mit Fragmentverschiebung nach dorsal Druckschädigung durch Hämatom; Druckschädigung durch Kompartmentsyndrom
Kompressionssyndrome durch anatomische Engstelle
- Piriformissyndrom
- Muskel- oder Bänderanomalien
Kompressionssyndrome
- Aneurysma der A. glutaealis inferior
- Hämatom im Bereich des M. piriformis bei Antikoagulanzientherapie
- Tumoren
- Retroflektierter Uterus
Schädigung durch Tumoren
- Intraneurale Tumoren: Schwannome, Neurofibrome, Neurofibrosarkome
- Lipom am Beckenausgang
- Sakrale Meningozele
Ischämie
- A.-femoralis-Verschluss bei Herzoperationen
Iatrogen
- Spritzenlähmung, intraoperative Schädigung
Sonstiges
- Heroinintoxikation
- Arteriovenöse Malformationen im kleinen Becken
Traumatische Schädigungen
Eine direkte Schädigung des Ischiadikushauptstamms kommt bei Schussverletzungen vor. Ansonsten handelt es sich meist um eine Druckschädigung oder Zerrung des Nervs. Bei Beckentraumen sind Ischiadikusläsionen häufig und müssen differenzialdiagnostisch von Beinplexusschädigungen abgegrenzt werden. Bei einer Dorsalluxation des Schenkelhalses ist der N. ischiadicus besonders gefährdet. Bricht das Azetabulum, kann der Nerv zwischen dem Femurkopf und der Spina ischiadica eingeklemmt werden. Große Hämatome können auch bei stumpfen Traumen den Nerv komprimieren. Darüber hinaus kann der Nerv direkt durch nach hinten dislozierte Knochenfragmente bei Femurfrakturen verletzt werden. Geburtstraumatisch können beim Kind Traktionsschäden des Nervs und bei der Mutter Druckschäden durch eine Zange oder auch durch den kindlichen Kopf auftreten.
Therapeutisch wird bei jeder scharfen Verletzung des Nervs durch Knochenfragmente, bei jeder Kontinuitätsdurchtrennung und bei einer Einklemmung operativ revidiert. Ist die Parese nicht komplett und durch Druck oder Zerrung bedingt, erfolgt eine konservative krankengymnastische Therapie.
Piriformissyndrom
Das Piriformissyndrom führt zu heftigen Schmerzen im Gesäßbereich mit einem Druckschmerz über dem Austrittspunkt des N. ischiadicus. Die Schmerzen können bis in die Fußsohle ausstrahlen und mit Parästhesien einhergehen. Voraussetzung für die Diagnose sind die Lokalisation der Schmerzen und Parästhesien exakt im Versorgungsbereich des N. ischiadicus und der lokale Palpationsschmerz. Objektivierbare Sensibilitätsstörungen, Paresen oder Reflexabschwächungen fehlen meist.
Zu den klinischen Zeichen des Piriformissyndroms zählen:
  • Freiberg-Manöver: Passive Innenrotation des gestreckten Oberschenkels im Liegen löst den Schmerz durch Dehnung des Muskels aus.
  • Pace-Manöver: Aktive Abduktion und Außenrotation im Sitzen gegen Widerstand löst den Schmerz durch Anspannung des Muskels aus.
  • Beatty-Manöver: Aktives Anheben des betroffenen Knies bei Hüftbeugung in Seitenlage löst den Schmerz durch Anspannung des Muskels aus.
  • FAIR-Test: Aktive Flexion, Adduktion und InnenRotation im Hüftgelenk in Rückenlage löst den Schmerz durch Anspannung des Muskels aus.
Ob tatsächlich Anomalien des Muskels oder des Ischiadikusverlaufs eine Rolle spielen, ist nicht klar.
Die Behandlung erfolgt mittels gezielter Physiotherapie (Kältespray + Dehnung), Injektion von Lokalanästhetika oder Botox-Gabe. Eine operative Neurolyse ist nur selten erforderlich.
Druckschädigung
Eine Druckschädigung des N. ischiadicus wurde beschrieben nach langem Sitzen auf der Toilette, auf harten Steinstufen oder im Sattel; durch Lagerung operierter Patienten in Steinschnittlage oder – bei neurochirurgischen Patienten – in sitzender Position; durch langes Liegen im Bett bei einem Patienten mit einer Poliomyelitis und Verschmächtigung des den Nerv bedeckenden M. glutaeus maximus. Besonders betroffen sind bewusstseinsgestörte und besonders schlanke Patienten. Bei langem Liegen, z. B. bei Drogenabhängigen, treten Nekrosen der Glutealmuskulatur mit Erhöhung der Kreatinkinase hinzu. Je nach Ausmaß der Schädigung bilden sich die Paresen in Stunden bis Monaten wieder zurück.
Aneurysmen der A. glutaealis inferior oder der A. iliaca communis und AV-Malformationen im Bereich des kleinen Beckens können ebenso wie raumfordernde Prozesse des M. piriformis (Hämatome, Myositis) zu einer Druckschädigung führen.
Schädigung durch Tumoren
Intraneurale Tumoren befinden sich meist im Bereich des Oberschenkels; es kann sich um Schwannome, Neurofibrome oder ein Neurofibrosarkom handeln. Beschrieben sind Kompressionen des Nervs durch Lipome im Beckenbereich oder eine sakrale ventrale Meningozele. Eine intraneurale Endometriose wird durch operative Neurolyse und medikamentöse Suppression der Ovarialfunktion behandelt. Natürlich kann auch jeder andere nervennahe Tumor zu einer Nervenkompression führen, so z. B. ein Knochentumor im Bereich des Oberschenkels.
Spritzenlähmungen
Spritzenlähmungen des Nervs im Bereich der Glutealmuskulatur entstehen durch unsachgemäße Injektion, wenn statt in den äußeren oberen Quadranten in senkrechter Stichrichtung entweder in anderer Stichrichtung oder in einen anderen Muskelteil injiziert wird. Gefährdet sind neben dem N. ischiadicus auch der N. cutaneus femoris posterior, der N. glutaeus inferior und der N. glutaeus superior (Abb. 3). Die Nervenschädigung erfolgt entweder durch scharfe Nadelverletzung, durch das injizierte Medikament oder durch indirekte ischämische Nervenschädigung. Die Patienten klagen über einen unmittelbar auftretenden, in das Bein bzw. in die Glutealregion ausstrahlenden Schmerz („Sofortschmerz“) und sensomotorische Ausfälle („Sofortlähmung“); diese betreffen oft nur den Peroneusanteil, seltener den Tibialisanteil oder auch nur wenige Nervenfaszikel. Letzteres führt zu wie ausgestanzt wirkenden Paresen, z. B. ausschließlich Lähmungen der medialen Kniebeuger. Die Schmerzen sind variabel und können zu Beginn trotz schwerer Nervenschädigung sogar fehlen. Oft sind sie auf das Ausbreitungsgebiet der weniger betroffenen Nervenanteile beschränkt. Umgekehrt gibt es auch vorwiegend schmerzhafte Krankheitsbilder mit trophischen Störungen, bei denen sensomotorische Ausfälle im Hintergrund stehen. Bei akutem Auftreten der genannten Symptome wird man die Injektionsstelle zur Verdünnung neurotoxischer Mittel mit 50–100 ml physiologischer Kochsalzlösung infiltrieren. Wenn nach 3 Monaten noch ein kompletter Ausfall des Tibialisanteils mit Anästhesie der Fußsohle besteht, ist ein operatives Vorgehen indiziert. Ansonsten besteht die Therapie in konservativen Maßnahmen wie Krankengymnastik und neurothymoleptischer Schmerzbehandlung der oft quälenden Kausalgien.
Entscheidend ist die Prophylaxe. Die meisten intramuskulär zu applizierenden Medikamente können auch oral oder intravenös verabreicht werden. Wenn intramuskulär gespritzt wird, muss korrekt intragluteal oder in den M. vastus lateralis im distalen Drittel des Oberschenkels injiziert werden.
Iatrogene Läsionen
Ischiadikusläsionen im Rahmen von Operationen sind häufig. Im Krankengut von Yuen und Olney (1995) war die Nervenschädigung im Rahmen einer Hüftprothesenimplantation mit über 20 % der Fälle die häufigste Schädigungsursache. Bei einem Drittel der Patienten setzten die Paresen nicht sofort postoperativ, sondern erst nach einer Latenz ein. Gefährdet ist der Nerv außerdem bei einer Hüftarthrodese, bei der intratrochantären Osteotomie, bei der Osteosynthese von Azetabulum-, Schenkelhals- und Femurfrakturen, bei der Reposition von Femurfrakturen und bei Verlängerungsosteotomien des Femurs. Bei jeder Operation, die einen Zug am Bein des Patienten erfordert, kann der Nerv durch Überdehnung geschädigt werden. Halteinstrumente, Bohrer, abgesprengte Knochenteile und ausgedehnte Hämatome führen ebenfalls zur Nervenschädigung. Klinisch ist oftmals nur der Peroneusanteil betroffen. Dies muss bei der Differenzialdiagnose zur Peroneusdruckschädigung am Fibulaköpfchen berücksichtigt werden. Die Prognose bei konservativer Therapie ist gut, die Rückbildungszeit mit bis zu 3 Jahren lang.
Eine ischämische Neuropathie kommt selten nach Herzoperationen vor, und zwar dann, wenn über die A. femoralis der betroffenen Seite über einen Katheter eine intraaortale Ballonpumpe betrieben wird oder wenn aus anderen Gründen ein Verschluss dieser Arterie vorliegt. Die A. femoralis beteiligt sich über die A. circumflexa femoris lateralis an der Gefäßversorgung des Ischiasnervs. Die intraoperative Ligatur von Vasa nervorum bei Eingriffen im Bereich des mittleren und distalen Femurs kann zu ischämischen Schäden führen. Bei Bauchaortenverschluss wurden bilaterale proximale Ischiadikusparesen beschrieben, bei denen es sich wohl eher um verkannte Plexusläsionen handelte.

Tibialisläsion

Klinik
Bei einer Schädigung des N. plantaris medialis und lateralis resultieren eine Gefühlsstörung im Bereich der Fußsohle und gelegentlich trophische Hautveränderungen in diesem Areal. Die Parese der Fußmuskulatur führt zu einer Minderung der Stabilität des Fußgewölbes und manchmal zu einer Krallenstellung der Zehen. Bereits im Tarsaltunnel erfolgt die Aufteilung des N. tibialis in die beiden Äste, weswegen eine Kompression in diesem Gebiet gelegentlich auch nur einen der beiden Nerven betrifft. Ist auch die Ferse von der Gefühlsstörung betroffen (Rr. calcanei), liegt die Nervenschädigung meist proximal des Tarsaltunnels (distale N.-tibialis-Parese). Liegt die Schädigung im proximalen Unterschenkelabschnitt, so sind die Zehenbeugung und die Fußsupination (M. tibialis posterior) paretisch; liegt sie im Bereich der Kniekehle oder noch weiter proximal, so sind auch der M. gastrocnemius und der M. soleus betroffen, und der Patient kann den Zehenstand nicht mehr ausführen. Unvollständige Läsionen dieses Nervs führen häufig zur Kausalgie, einem quälenden, brennenden Nervenschmerz, der teilweise durch Druck auf die Fußsohle verstärkt wird. Schädigungen des N. suralis führen lediglich zu Sensibilitätsstörungen, selten aber auch zu Neuralgien.
Ätiologie
Die Ursachen einer Tibialisläsion sind in Tab. 4 aufgeführt.
Tab. 4
N. tibialis und N. suralis: Schädigungsursachen
Ursache
Schädigungsart
Trauma
- Proximale Schädigung durch knienahe Knochen- und Weichteilverletzung
- Distale Schädigung durch distale Tibiafraktur oder Luxationsfraktur des Talus
Kompressionssyndrom an anatomischen Engstellen
- Tarsaltunnelsyndrom
- Morton-Metatarsalgie
Kompressionssyndrome durch Druck und Tumoren
- Kompression des N. tibialis durch Verbände am Innenknöchel oder in der Kniekehle
- Lagerungsschäden durch Druck in der Kniekehle
- Lagerungsschäden durch Druck im Bereich des Außenknöchels (N. suralis)
- Druckschädigung durch Ganglion oder Baker-Zyste im Bereich des Knies
Iatrogen
- Druck- und Lagerungsschäden
- Nach Phlebografie oder Varizenverödung
- Intraoperative Schädigung durch Reposition oder Osteosynthese bei Eingriffen am Knie oder in Knienähe
- Suralisläsionen bei Eingriffen am dorsalen Unterschenkel oder am lateralen Sprunggelenk
- Biopsie oder Entnahme des N. suralis
Trauma
Der N. tibialis liegt in der Kniekehle geschützter als der N. peroneus und ist deswegen seltener bei Traumen mitbetroffen. Durch Dehnung oder auch durch Knochenfragmente kann der Nerv bei suprakondylären Femurfrakturen, bei Kniegelenkluxationen und bei Tibiafrakturen geschädigt werden. Im distalen Anteil kann er bei Frakturen des Malleolus medialis und bei Talusluxationsfrakturen in Mitleidenschaft gezogen sein. Durch bindegewebige Narbenbildung oder durch Kallusbildung nervennaher Knochenabschnitte kann es als Spätfolge zu langsam progredienten Lähmungen kommen.
Kompression an anatomischen Engstellen
Als Tarsaltunnelsyndrom wird eine Kompressionsschädigung des distalen N. tibialis bzw. seiner beiden Endäste, der Nn. plantares medialis und lateralis, im Bereich des Durchtritts unter dem Retinaculum flexorum bezeichnet. Posttraumatische oder entzündliche Veränderungen, akzessorische Sehnen und Muskeln, intraneurale Ganglien sowie dilatierte Venen in diesem Gebiet können zur Kompression beitragen. Beschrieben ist dieses seltene Syndrom in Zusammenhang mit einer Hypothyreose und rheumatischen Erkrankungen.
Klinisch bestehen Schmerzen und Parästhesien im Bereich der Fußsohle, die durch Gehen verstärkt werden, jedoch auch bei Ruhe und in der Nacht auftreten. Differenzialdiagnostisch müssen orthopädische Ursachen wie Fußdeformitäten, Arthrose der Fußgelenke, Kalkaneussporn bedacht werden. Treten Sensibilitätsstörungen der Fußsohle oder Paresen der tibialisinnervierten kleinen Fußmuskulatur hinzu oder lassen sich ein umschriebener Nervendruckschmerz und ein Tinel-Zeichen hinter dem Innenknöchel auslösen, ist die Diagnose zuverlässiger zu stellen. Hilfreich ist der neurografische Nachweis einer Amplitudenminderung des sensiblen Nervenaktionspotenzials im Seitenvergleich, eine Verlangsamung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit oder eine verlängerte distal motorische Latenz zum M. abductor hallucis. Das vorübergehende Sistieren der Schmerzen nach einer diagnostischen Lokalanästhesie am Innenknöchel stützt die Diagnose.
Konservative therapeutische Maßnahmen bestehen in der lokalen Injektion eines Steroidpräparates und führen nicht immer zum Erfolg. Nach MR-tomografischem Ausschluss anderer Ursachen muss ggf. operativ das Retinaculum flexorum gespalten werden.
Bei der Morton-Metatarsalgie führt eine mechanische Läsion des N. digitalis plantaris communis zu brennenden Kribbelparästhesien der III. und IV. Zehe. Ursache (oder Folge?) sind kleine Neurome des Nervs, die den charakteristischen Druckschmerz zwischen den Köpfen des 3. und 4. Metatarsalknochens verursachen. Therapeutisch versucht man, durch das Tragen von Schuheinlagen und durch lokale Infiltration mit Lokalanästhetikum und Steroiden zu helfen. In therapierefraktären Fällen muss das Neurom exzidiert werden.
Ebenfalls auf eine Kompression eines Endastes des N. tibialis ist die schmerzhafte Neuropathie des N. calcaneus inferior zurückzuführen, der den M. abductor digiti quinti und das Periost des Fersenbeins innerviert. In 50 % der Fälle liegt ein Kalkaneussporn vor. Konservative Maßnahmen bessern die Beschwerden.
Sonstige Druckschädigung
Im Verlauf des N. tibialis in der Fossa poplitea kann der Nerv durch ein Ganglion oder eine Baker-Zyste komprimiert werden. Lagerungsschäden dort oder im Bereich des Außenknöchels betreffen vorwiegend bewusstseinsgetrübte Patienten. Gipse oder eng anliegende Verbände komprimieren den Nerv an denselben Stellen. Im Vergleich zum N. peroneus sind jedoch Druckschäden des N. tibialis selten. Lagerungsbedingt sind auch Kompressionsschäden des N. suralis über dem Außenknöchel oder am mittleren Unterschenkel. Kompression des medialen Digitalnervs durch zu enge Schuhe führt zu schmerzhaften Gefühlsstörungen in der großen Zehe.
Iatrogene Schäden
Iatrogene Schäden des N. tibialis kommen durch Lagerung, bei knienahen Operationen oder durch Varizenverödung zustande (Tab. 4). Schmerzhafte Parästhesien sind nach einer Suralisbiopsie nicht selten.

Peroneusläsion

Klinik
Eine Schädigung des N. peroneus profundus auf Höhe des Sprunggelenkes führt lediglich zu einer klinisch kaum auffälligen Parese der kurzen Zehen- und Großzehenstrecker sowie zu einer Gefühlsstörung im Bereich des Interdigitalraumes zwischen der I. und der II. Zehe. Eine proximale Schädigung des Nervs führt zu einer zusätzlichen Parese der Fuß- und Zehenheber und damit zum typischen „Steppergang“, bei dem die mangelhafte Fußhebung durch ein stärkeres Anheben des Knies ausgeglichen wird. Isolierte Schädigungen des N. peroneus superficialis sind selten und führen neben der dem Versorgungsgebiet des Nervs entsprechenden Gefühlsstörung zu einer Parese der Fußpronation durch Lähmung der Mm. peroneus longus und brevis mit Neigung zum Umknicken des Fußes nach außen. Die häufigste Lähmung, die des N. peroneus communis, führt zu einem Kombinationsbild dieser beiden Schädigungen. Ist dabei auch der N. cutaneus surae lateralis betroffen, so erstreckt sich die Gefühlsstörung auch auf den proximalen Teil des lateralen Unterschenkels.
Differenzialdiagnostisch müssen bei jeder Peroneusparese die ausschließliche oder vorwiegende Schädigung des Peroneusanteils des N. ischiadicus (Biceps-femoris-Prüfung) und die Wurzelläsion L5 (Tibialis-posterior-Reflex!) bedacht werden.
Ätiologie und Therapie
Eine Übersicht über die Ursachen einer Peroneuslähmung findet sich in Tab. 5.
Tab. 5
N. peroneus: Schädigungsursachen
Ursache
Schädigungsart
Trauma
- Knochen-, Gelenk- und Weichteilverletzungen im Bereich des Knies
- Am Fußgelenk durch Zerrung bei Supinationstraumen
Kompressionssyndrome an anatomischen Engstellen
- Beim Durchtritt des N. peroneus communis durch die Muskelansätze des M. peroneus longus
- Beim Durchtritt des N. peroneus profundus unter dem Retinaculum extensorum
Kompressionssyndrome durch Druck
- Im Bereich des Fibulaköpfchens durch übereinandergeschlagene Beine, Lagerung, Gips oder Verbände, durch rezidivierende Mikrotraumen bei starkem Gewichtsverlust
- In sitzender Haltung zwischen M. biceps femoris und Fibulaköpfchen
- N. peroneus superficialis am Fußrücken
Schädigung durch Raumforderungen
- Ganglien, Raumforderungen ausgehend von Knochen oder Gelenken
- Neurofibrome
- Muskelhernien
Iatrogene Schädigung
- Druck durch Verbände
- Durchtrennung bei Operationen
- Dehnung bei Tibia-Umstellungsosteotomie
Trauma
Bei schweren Knieverletzungen kann es zu einer Schädigung des N. peroneus communis bei allen kniegelenknahen Frakturen durch Knochenfragmente (v. a. Fibulaköpfchenfrakturen), durch Hämatome oder Weichteilschwellungen kommen. Zu einer Traktionsverletzung kann ein schweres Adduktionstrauma des Knies führen. Reißt der laterale Bandapparat, so rupturiert oft gleichzeitig der Nerv und macht eine sofortige operative Readaptation notwendig.
Nerventraktionsschäden am Fibulaköpfchen sind aber auch nach einfachen, abrupten Kniebewegungen sowie nach Fußsupinationstraumen beobachtet worden, so beispielsweise bei Bunjee-Springern.
Im Bereich des Sprunggelenkes kann es durch ein heftiges Supinationstrauma („Umknicken“) zu einer Dehnungsverletzung des N. peroneus communis kommen.
Druckschädigung
Die exponierte Lage des Nervs im Bereich des Fibulaköpfchens führt zu der sehr häufigen Druckschädigung an dieser Stelle. Langes Übereinanderschlagen der Beine kann bereits zu Paresen führen. Häufiger sind Lagerungsschäden in Seitenlage, besonders bei bewusstseinsgetrübten Patienten. Außerordentlich häufig ist auch die Kompression des Nervs durch einen Gips oder einen andersartigen Verband. Im Zusammenhang mit einer raschen Gewichtsabnahme (mehr als 5 kg/Monat) kommt es gehäuft zu Druckschädigungen des N. peroneus, wobei auch eine erhöhte Vulnerabilität des Nervs durch metabolische Faktoren diskutiert wird. Durch langes Sitzen oder Hocken kann der Nerv zudem zwischen der Sehne des M. biceps femoris und dem Fibulaköpfchen eingeklemmt werden. Dabei kommt es zu akuten schmerzlosen Lähmungen, die sich spontan zurückbilden.
Die Diagnose wird klinisch und neurophysiologisch gestellt. Wesentlich ist die Differenzialdiagnose zur Parese des Peroneusanteils des N. ischiadicus durch Untersuchung von tibialisinnervierten Muskeln und M. biceps femoris. Neurografisch wird eine fraktionierte motorische Neurografie mit gesonderter Bestimmung der Leitungszeit des über das Fibulaköpfchen ziehenden Nervenanteils durchgeführt. Beweisend für eine Schädigung im Bereich des Fibulaköpfchens ist der Nachweis eines Amplituden- oder Latenzsprungs bei Anwendung der Inching-Technik, bei der der Nerv mit der Stimulationselektrode in seinem Verlauf um das Fibulaköpfchen sukzessive verfolgt und das Muskelantwortpotenzial des M. extensor digitorum brevis aufgezeichnet wird (Raudino 2004).
Im Bereich des Durchtritts des N. peroneus durch die Ansätze des M. peroneus longus kann es bei einem engen Sehnenbogen zur Kompression v. a. nach langem Verweilen in hockender Stellung kommen. Nachweis mittels Nervensonografie.
Sehr selten ist die Kompression des distalen Anteils des N. peroneus profundus bei seinem Durchtritt unter dem Retinaculum extensorum mit Schmerzen am medialen Fußrücken – vorderes Tarsaltunnelsyndrom.
Seltener und weniger gravierend sind Druckschädigungen der sensiblen Endäste des N. peroneus superficialis im Bereich des Fußrückens, beispielsweise durch übereinandergeschlagene Füße oder enges Schuhwerk. Allen Druckschädigungen gemeinsam ist die gute Prognose bei rechtzeitiger Beseitigung der auslösenden Ursache.
Schädigung durch Raumforderungen
Die Kompression des N. peroneus communis durch Ganglien, die vom proximalen Tibiofibulargelenk, vom Kniegelenk oder der Bursa praepatellaris ausgehen, führt zu einer progredienten, schmerzhaften Peroneusparese. Die Behandlung besteht immer in der operativen Ausräumung des Ganglions.
Selten sind Kompressionen des N. peroneus communis durch Knochentumoren, durch Baker-Zysten des Kniegelenks, durch Exostosen oder Kallusbildung am Fibulaköpfchen oder durch ein Sesambein im lateralen Kopf des M. gastrocnemius.
Iatrogene Schädigung
Neben der Druckschädigung durch Verbände oder intraoperative Lagerung ist eine Durchtrennung des Nervs bei Meniskektomien vorgekommen und macht eine Revision notwendig (Stöhr 1996). Eine Dehnungsverletzung ist die Ursache für eine nach Tibia-Derotationsosteotomie auftretende Peroneusparese, die zunächst konservativ behandelt wird.

Facharztfragen

1.
Nennen Sie die wichtigsten Ursachen einer Beinplexusparese.
 
2.
Welches sind die Leitsymptome und die Ursachen einer Meralgie?
 
3.
Welche Nervenkompressionssyndrome im Bereich des Fußes kennen Sie?
 
4.
Nennen Sie häufige Schädigungsursachen des N. femoralis und des N. saphenus.
 
5.
Erläutern Sie die Differenzialdiagnose zwischen einer Peronaeuslähmung und einem L5-Syndrom.
 
Literatur
Chad DA, Bradley WG (1987) Lumbosacral plexopathy. Semin Neurol 7:97–107CrossRef
Khalil N, Nicotra A, Rakowicz W (2012) Treatment for meralgia paraesthetica. Cochrane Database Syst Rev. https://​doi.​org/​10.​1002/​14651858.​CD004159.​pub3
Raudino F (2004) The value of inching technique in evaluating the peroneal nerve entrapment at the fibular head. Electromyogr Clin Neurophysiol 44(1):3–5PubMed
Stöhr M (1996) Iatrogene Nervenläsionen, 2. Aufl. Thieme, Stuttgart
Stöhr M, Riffel B (1988) Nerven- und Nervenwurzelläsionen. VCH, Weinheim
Yuen EC, Olney RK, So YT (1995) Sciatic neuropathy: clinical and prognostic features in 73 patients. Neurology 45:1429–1430