Verfasst von: Gabriele Escherich, Anja Möricke, Martin Horstmann und Martin Schrappe
Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen dem 2. und dem 5. Lebensjahr stellt mit über 80 % der akuten Leukämien den größten Anteil dieser häufigsten malignen Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Die Prognose von Kindern mit ALL hat sich dramatisch verbessert. Die Einführung einer intensiven Induktions- und Reinduktionstherapie unter Einsatz eines breiten Spektrums leukämiewirksamer Zytostatika zur Vermeidung von Resistenzen, der Einsatz effektiver Supportivmaßnahmen sowie die kontinuierliche Identifizierung von prognostisch bedeutsamen Stratifizierungsparametern waren die Schrittmacher dieser Entwicklung. Der Immunphänotyp ist für die Abgrenzung verschiedener ALL- bzw. AML-Subtypen relevant. Sowohl zytogenetische als auch molekulargenetische Befunde sind für die Therapiestratifizierung und prognostische Beurteilung unabdingbar. T-Zell-Rezeptor- oder Immunglobulin-Genrearrangements, die zum Zeitpunkt der Diagnose individuell identifiziert werden, haben bei der ALL zusätzlich Aufgaben in der Überwachung des Ansprechens und der Remissionstiefe übernommen.
Die akuten Leukämien sind mit 27 % die häufigste maligne Erkrankung im Kindes- und Jugendalter (<18 Jahre). Die akuten lymphoblastischen Leukämien (ALL) machen in dieser Altersgruppe über 80 % der akuten Leukämien mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen 2 und 5 Jahren aus. Das Verhältnis von Jungen zu Mädchen beträgt 1,3:1,0 (Deutsches Kinderkrebsregister 2015).
Inzidenz
38 Erkrankungen/1 Mio. Einwohner < 18 Jahre in Deutschland (Deutsches Kinderkrebsregister 2015).
Ätiologie, genetische Prädisposition
Spontane somatische Mutationen oder präexistierende Keimbahnmutationen sind als wahrscheinlichste Ursache bei der Mehrzahl der Patienten anzunehmen. Die formale Pathogenese der leukämogenen Mutationen ist weitgehend ungeklärt. In ETV6-RUNX1-rearrangierten ALL sind genomische Spuren einer aberranten RAG1/RAG2-Rekombinaseaktivität identifiziert worden, die im Kontext von Infektionen/Entzündungen zu Bruchereignissen außerhalb der Loci für IgH und T-Zell-Rezeptor (TCR) führen können (Papaemmanuil et al. 2014; Swaminathan et al. 2015).
Bereits seit längerer Zeit ist die erhöhte Inzidenz von ALL bei Patienten mit strukturellen Chromosomenanomalien bekannt (z. B. bei Trisomie 21, Bloom-Syndrom, Fanconi-Anämie). Darüber hinaus wird eine Prädisposition für die Entwicklung einer ALL bei Patienten mit angeborenen Syndromen wie z. B. Nijmegen-Breakage-Syndrom oder Ataxia teleangiectasia diskutiert (Schütte et al. 2016).
Screening, Früherkennung, primäre Prävention
Wirksame Screeningprogramme oder Maßnahmen der Früherkennung oder der Prävention sind bislang unbekannt.
Pathogenese, Biologie, Molekularbiologie, Histologie und Zytologie
Klassifikation
Klassifikation der ALL nach WHO (Borowitz und Chan 2008)
B-lymphatische Leukämie/B-lymphatisches Lymphom
B-lymphatische Leukämie/B-lymphatisches Lymphom, nicht näher bezeichnet
B-lymphatische Leukämie/B-lymphatisches Lymphom mit wiederkehrenden genetischen Anomalien
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit t(9;22)(q34;q11.2); BCR-ABL1
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit t(v;11q23); MLL Rearrangment
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit t(12;21)(p13;q22);TEL-AML1 (ETV6-RUNX1)
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit Hyperdiploidie
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit Hypodiploidie (hypodiploide ALL)
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit t(5;14)(q31;q32); IL3-IGH
B-lymphoblastische Leukämie/Lymphom mit t(1;19)(q23;p13.3); TCF3-PBX1
T-lymphatische Leukämie/T-lymphatisches Lymphom
Die Zytochemie hat durch die verfeinerten immunologischen Nachweismethoden bei der ALL an Bedeutung verloren und wird nur mehr im Gesamtkontext der Initialdiagnostik bewertet. Ein Myeloperoxidasenachweis in Blasten schließt eine ALL nicht mit Sicherheit aus, vor allem dann nicht, wenn andere Kriterien wie Immunphänotyp sowie Molekular- und Zytogenetik dafür sprechen.
Abgrenzung der ALL zum Non-Hodgkin-Lymphom
Der Nachweis von Lymphoblasten im Blut oder von ≥25 % Blasten im Knochenmark schließt definitionsgemäß ein Lymphom aus. Patienten mit <25 % Blasten im Knochenmark (Vorläufer-lymphoblastisches Lymphom) werden entsprechend dem gültigen Therapieplan behandelt.
Ausnahme: Patienten mit reifzelliger B-ALL werden nicht nach dem Therapieplan der lymphoblastischen Leukämien, sondern nach der grundsätzlich anders konzipierten Strategie für reife B-Zell-Neoplasien behandelt. Die Diagnose einer B-ALL wird bei Nachweis der 3 folgenden Parameter gestellt:
Immunologischer Nachweis von membranständigen Ig-Rezeptoren mit Leichtkettenrestriktion, d. h. nur κ- bzw. nur λ-Ketten
Zytogenetischer bzw. molekulargenetischer Nachweis von t(8;14) bzw. MYC/IgH, t(8;22) bzw. MYC/IgL oder t(2;8) bzw. IgK/MYC
Immunhistologie
Der Immunphänotyp ist für die Abgrenzung verschiedener ALL- bzw. AML-Subtypen relevant. Mit den aktuell üblichen Nachweismethoden der Vielfarbendurchflusszytometrie wird die Antigenexpression unabhängig vom subzellulären Kompartiment (Oberfläche oder intrazellulär) bei relevanter Deviation von entsprechenden Kontrollen als positiv bezeichnet. Dies entspricht in herkömmlicher Ausdrucksweise einer Positivität auf zumindest ≥10 % der Blasten.
Die AIEOP-BFM-Gruppe hat ein Konsensuspapier für die immunphänotypische Diagnostik der pädiatrischen ALL erstellt (Dworzak et al. 2018). Dabei wurden die in Tab. 1 aufgelisteten Epitope und Antikörperkombinationen festgelegt. Die Linienzugehörigkeit findet sich in Tab. 2. Gemäß ihrer Antigenexpression werden die in Tab. 3 genannten immunphänotypischen Subgruppen definiert.
CD13, CD33, CD64, CD65, CD117, iMPO and BCP-/T-ALL criteria not met
§BCP-ALL needs strong positivity in ≥2 of the four antigens – in the rare case of CD19-negativity, specifically CD10 must be strong positive. Mind that rare cases of MLL-rearranged BCP-ALL may drop out of this scheme due to biology-inherent lack of CD10, as well as weak (i)CD22 and (i)CD79a expression (CD19 is then usually strong positive)
#For T-ALL, (i)CD3 positivity must be either strong, or if rated weak at least one of two additional requirements must be fulfilled:
• (i)CD3 should be expressed on a separate blast population as bright or nearly as bright as on normal T cells (per definition this will then be only a minor blast subset); and/or
• CD2 and/or CD5 should be any positive in addition
CD1aneg, CD8neg usually CD5neg or weak pos and ≥1pos of HLADR, CD11b, 13,33,34,65,117
if CD5strong pos: ≥2pos of HLADR, CD11b,13,33,34,65,117; sCD3weak pos may occur*
#adapted from refs. 8 & 9
§CD10neg/weak B-III is frequently associated with MLL-rearrangements (12)
&light-chainpos cases without FAB L3-morphology and without MYC-translocation are eligible for conventional ALL treatment, and thus must be separated from Burkitt-type mature B-ALL (40–43)
$T-I is very rare and can be reported together with T-II (as T-I/II)
*Dim or even more frequently partial surface positivity with CD3 (e.g. in a minor blast subpopulation) occurs when sensitive methodology is used and should not mislead to diagnose mature T-ALL in the absence of TCR expression
Abgrenzung der ALL zur AML
Leukämiezellen einer jeweiligen hämatopoetischen Zelllinie tragen nicht selten auch Differenzierungsmerkmale jeweils anderer Zelllinien (sog. „Cross-lineage“-Markerexpression). Dies entspringt dem aberranten Genexpressionsmuster der leukämisch transformierten Zellen bzw. hat mit einem stammzellnahen Differenzierungspotenzial in mehrere hämatopoetische Linien zu tun. Je nach gradueller Ausprägung und Markergewichtung lässt sich jedoch zumeist eine dominante Zelllinie festlegen, was für die Therapiewahl von übergeordneter Bedeutung ist. Folgende Konstellationen werden derzeit definiert:
ALL mit Koexpression myeloischer Marker. Immunologischer Phänotyp wie bei ALL mit Koexpression von bis zu 2 myeloischen Markern (auf ≥10 % der Leukämiezellen; typisch CD13, CD15, CD33, CD65 oder CD66c).
AML mit Koexpression lymphatischer Marker. Immunologischer Phänotyp wie bei AML mit Koexpression von lymphatischen Antigenen (auf ≥10 % der myeloischen Blasten; typisch CD2, CD4, CD7, CD19, CD56, iCD79a oder TdT).
Akute Leukämien mit unklarer Linienzugehörigkeit. Hierbei gelingt eine eindeutige morphologische oder immunologische Diagnose weniger leicht. Es muss für eine therapeutisch relevante Einordnung die Zusammenschau aus sämtlichen diagnostischen Verfahren einschließlich Genetik herangezogen werden, um die dominante Linienzugehörigkeit festzulegen. In erster Linie finden sich hierunter Leukämien mit gemischtem Phänotyp: Mixed Phenotype Acute Leukaemia (MPAL) gemäß WHO 2008, früher auch nach EGIL als biliniäre akute Leukämie bzw. biphänotypische akute Leukämie (BAL) klassifiziert (Borowitz und Chan 2008). Definiert nach WHO 2008 gibt es folgende grundsätzliche Erscheinungsformen:
1.
Koexpression bestimmter linienspezifischer Antigene auf einer sonst einheitlichen Leukämiepopulation. Die Immunphänotypisierung muss hierfür mindestens folgende Marker erfassen: MPO, i-Lysozyme, CD11c, CD14, CD64 (myeloische Marker) sowie die B-Linien-Marker CD10, CD19, iCD22, iCD79a und die T-Zell-Marker iCD3 und CD7. Hierdurch lässt sich zumeist eine dominante Linienzugehörigkeit bestimmen. Solche Fälle von MPAL können daher einer der primären Kategorien (ALL oder AML) zugeordnet werden, wobei die Klassifikation MPAL als sekundäres Merkmal nachgeordnet angeführt wird.
2.
Nachweis zweier unabhängiger, liniendifferenter Blastenpopulationen (Doppelleukämie). Sofern es sich um eine Doppelleukämie mit ALL- und auch AML-Anteil handelt, kann naturgemäß keine eindeutige Einordnung entweder als ALL oder AML getroffen werden. Solche seltenen Fälle sollen daher nicht als Protokollpatienten, sondern eher als Beobachtungspatienten an einer ALL- bzw. AML-gerichteten Behandlungsstudie teilnehmen. Der dominierende und damit prognostisch relevante Anteil von Blasten einer Leukämie, die initial bilineär erscheint, ergibt sich manchmal erst nach Einleitung der Therapie, weil dieser Anteil unter Umständen länger persistiert und durch differenzierte FACS-Diagnostik oder sogar durch die Zytomorphologie sichtbar gemacht werden kann.
3.
Genetisch definierte MPAL mit t(9;22)(q34;q11)/BCR-ABL1- oder mit t(v;11q23)/MLL-Rearrangement. Die übrigen Fälle (wie oben) werden als MPAL NOS („not otherwise specified“) eingeordnet (Tab. 4).
4.
Phänotypischer Wechsel der Linienzugehörigkeit vor Erreichen einer Vollremission („lineage switch“).
5.
Akute undifferenzierte Leukämie. Immunologisch finden sich neben der Expression von Unreifemarkern der Hämatopoese keine weiteren Antigene, die für eine bestimmte Linienzugehörigkeit sprechen.
Tab. 4
Organmanifestation der ALL
Organbefall
Häufigkeit (%)
ZNS
2,5
Thymus
8,0
Splenomegalie (>4 cm)a
27,0
Hepatomegalie (>4 cm)a
31,0
Lymphknoten
36,0
Hoden
0,6 (aller Jungen)
aOrganvergrößerung unter dem Rippenbogen in der Medioklavikularlinie
Zytogenetik, Molekulargenetik
Sowohl zytogenetische als auch molekulargenetische Befunde sind für die rasche Artdiagnose in der Regel nicht verfügbar, aber für die weitere Therapie und prognostische Beurteilung inzwischen unabdingbar. Mittels der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH-Untersuchung) lassen sich viele relevante Translokationen erkennen, andere „Next-Generation Sequencing“-(NGS-)basierte Methoden ersetzten diese FISH-Untersuchung zunehmend.
Die größte Subgruppe der ALL bilden die (meist jungen, unter 10-jährigen) Patienten mit t(12;21), dieser Subtyp ist ebenso wie ein hyperdiploider Chromosomensatz mit einer besonders günstigen Prognose assoziiert (Mullighan 2013). Im Gegensatz dazu sind die kleinen Subgruppen von Patienten mit MLL-Rearrangement, einer hypodiploiden ALL (<45 Chromosomen), der Translokationen t(9;22) sowie t(17;19) einem deutlich erhöhten Rezidivrisiko ausgesetzt (Stanulla und Schrappe 2009). TP53-Mutationen treten vorwiegend in niedrig hypodiploiden ALL (32–39 Chromosomen) auf und sind hier ebenfalls mit einer ungünstigen Prognose assoziiert, wobei sie jedoch auch eine zunehmend wichtige Rolle bei Rezidiven spielen (Holmfeldt et al. 2013).
Die Bedeutung neuer, genetisch definierter Subgruppen wird international diskutiert. Hierzu gehören die Patienten mit IKAROS-Mutation oder „B others“ (Patienten ohne klassische genetische Marker), die als prognostisch ungünstig beschrieben sind. Letztere Gruppe weist häufig Mutationen in Zytokinrezeptor- oder Tyrosinkinase-abhängigen Reaktionswegen auf, die einer gezielten Inhibition zugänglich sein könnten. International wird diese Gruppe auch als „BCR/ABL-like“ bezeichnet, da sie ein ähnliches Genexpressionsprofil wie Patienten mit BCR/ABL-Fusion zeigen (Roberts et al. 2014).
Die Molekulargenetik hat bei der ALL zusätzlich Aufgaben in der Überwachung des Ansprechens und der Remissionstiefe übernommen: T-Zell-Rezeptor- oder Immunglobulin-Genrearrangements, die zum Zeitpunkt der Diagnose individuell identifiziert werden, können mithilfe der PCR-Technik mit entsprechenden Genproben auch bei subklinischer Persistenz oder Wiederauftreten des malignen Klones entdeckt werden (Nachweis von minimaler Resterkrankung [MRD]) (van Dongen et al. 1998). Da diese Marker nur bei Erstdiagnose charakterisiert werden können, muss unbedingt Primärmaterial in ein entsprechendes Referenzlabor gesandt werden.
Stadieneinteilung
Eine Stadieneinteilung/TNM-Klassifikation ist bei der aktuen lymphoblastischen Leukämie nicht bekannt.
Diagnostik
Die Labordiagnostik und die apparative Initialdiagnostik müssen darauf abzielen, rasch eine möglichst präzise Diagnose zu stellen, die Organbeeinträchtigung oder eventuelle Funktionsverluste abzuschätzen und frühe Komplikationen (z. B. Nierenversagen oder Blutung) durch unnötige, zeitraubende und belastende Diagnostik zu vermeiden. Die initiale Diagnostik orientiert sich am klinischen Befund und am Zustand des Patienten. Einzelne Untersuchungen können im Einzelfall, z. B. bei sehr kleinen Kindern oder initialer Blutungsgefahr, entfallen. Die Kombination der Ergebnisse sollte eine eindeutige Aussage über die Manifestationsorte der Leukämie erlauben, zugleich aber auch prätherapeutisch Organfunktionen dokumentieren, die hinsichtlich der möglichen Toxizität der nachfolgenden Therapie besonders relevant sein könnten.
Essenziell für die morphologische Diagnose sind Nativausstriche des Blutes und des Knochenmarks (KM) sowie für die übrige Diagnostik EDTA- oder heparinisiertes Blut bzw. Knochenmark. Mit der Ausnahme von z. B. blutungsgefährdeten Patienten oder Patienten mit ausgeprägter Hyperleukozytose ist eine initiale Liquorpunktion zum Ausschluss eines ZNS-Befalls notwendig. Wegen der nicht unerheblichen therapeutischen Konsequenzen bei der ALL ist auf die fachkundige Durchführung der Liquorpunktion und -diagnostik zu achten.
Bei Vorliegen eine Mediastinaltumors mit malignem Pleuraerguss kann eine erste Diagnostik auch durch die Gewinnung von Pleuraflüssigkeit erfolgen.
Folgende Untersuchungen sind im Rahmen der Primärdiagnostik obligat und wenn möglich in einem dafür zertifizierten Referenzlabor durchzuführen:
Optional: kranielles MRT (oder CCT, wenn MRT nicht verfügbar): Ausschluss einer zerebralen Blutung und von leukämischen Infiltraten
MRT von Thorax, Abdomen bzw. des knöchernen Skelettes bei Verdacht auf Organinfiltrate/Raumforderungen: nur erforderlich, wenn Sonografie keine Aussage erlaubt
Spezifische Untersuchungen bei der ALL
Diagnose des ZNS-Befalls
Die Lumbalpunktion ist obligat vor Beginn der zytoreduktiven Vorphase. Nur bei kritisch kranken Patienten wird die diagnostische Lumbalpunktion zurückgestellt. Als initialer ZNS-Befall wird gewertet:
Zellzahl ≥5/mm3 und eindeutig Lymphoblasten; Voraussetzung ist ein nichtblutiger Liquor
Raumforderung im CCT/MRT im Gehirn
Klinisches Bild der Hirnnervenlähmung
Diagnose des Hodenbefalls
Beim Auftreten der typischen Symptomatik mit kurzfristig aufgetretener ein- oder beidseitiger, schmerzloser Hodenschwellung ohne Entzündungszeichen wird eine sonografische Abklärung empfohlen. Auf eine Biopsie kann verzichtet werden, da diese keine therapeutische Konsequenz hat.
Bei einer disseminierten Systemerkrankung wie der ALL ist eine Stadieneinteilung nicht anwendbar. Trotzdem sind Aussagen über den Umfang der Organmanifestation möglich (Tab. 4).
Prognose, prognostische und prädiktive Faktoren
Prognose
In den letzten 40 Jahren hat sich die Prognose von Kindern und Jugendlichen mit ALL dramatisch verbessert (Abb. 1) (Leukemia 2010). Die Einführung einer intensiven Induktions- und Reinduktionstherapie unter Einsatz eines breiten Spektrums leukämiewirksamer Zytostatika zur Vermeidung von Resistenzen, der Einsatz effektiver Supportivmaßnahmen, die Identifizierung von prognostisch bedeutsamen Stratifizierungsparametern, aber auch die konsequente Entwicklung kooperativer Behandlungsansätze im Rahmen von kontrollierten multizentrischen Studien waren die Schrittmacher bei dieser Entwicklung (Pui et al. 2015; Möricke et al. 2010; Escherich et al. 2010).
Die Stratifizierung der Therapie erfolgt anhand einer Kombination prognostischer Faktoren, die bei Diagnose erfasst werden (s. jeweils gültiges Therapieprotokoll). International werden neben seltenen molekulargenetischen Veränderungen vor allem die initiale Leukozytenzahl, das Alter und das Ansprechen auf die Therapie, daneben von einigen Gruppen der Immunphänotyp und die Ploidie als wichtigste Risikofaktoren angesehen. Die Translokationen t(9;22), t(4;11) und t(17;19) gelten als Qualifikationsmerkmale für eine intensivierte Chemotherapie und ggf. Indikation für eine Stammzelltransplantation. Der Nachweis von Hyperdiploidie (>50 Chromosomen) und der Translokation t(12;21) gelten als prognostisch günstige Parameter (Biondi et al. 2012; Nachman et al. 2007; Mullighan 2013).
Das Auftreten der ALL im ersten Lebensjahr ist mit eine Vielzahl prognostisch ungünstiger Faktoren verknüpft: Die Inzidenz der prognostisch ungünstigen Pro-B-ALL beträgt mehr als 50 %, die Koexpression myeloischer Marker wird etwa viermal häufiger beobachtet, und auch die initiale Leukozytenzahl ist durchschnittlich zehnmal höher als bei pB-ALL-Patienten ≥1 Jahr. Die Translokation t(4;11) wird bei circa drei Viertel der Patienten <1 Jahr gefunden. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben der Patienten, die im Rahmen der europäischen Interfantstudie behandelt wurden, betrug 56 % bei einem ereignisfreien Überleben von 46 % (Pieters et al. 2007).
Mögliche neue genetische Prognoseparameter stellen die isoliert oder in Kombination mit weiteren genetischen Veränderungen auftretende IKAROS-Mutation sowie BCR/ABL-like-Genveränderungen dar, die auf Mutationen in Zytokinrezeptor- und Tyrosinkinase-abhängigen Reaktionswegen zurückzuführen sind (Van der Veer et al. 2014; Den Boer et al. 2009; Roberts et al. 2012).
Das unzureichende frühe Therapieansprechen beschreibt die intrinsische In-vivo-Resistenz. Mittels molekulargenetischer Methoden und der Vielfarbendurchflusszytometrie (FACS, „fluorescence-activated cell scan“) stehen für die ALL analytische Verfahren mit hoher Sensitivität und Spezifität zur Überwachung des Ansprechens und der Remissionstiefe zur Verfügung: T-Zell-Rezeptor- oder Immunglobulin-Genrearrangements, die zum Zeitpunkt der Diagnose individuell identifiziert werden, können mithilfe der PCR-Technik mit entsprechenden Genproben auch bei subklinischer Persistenz oder Wiederauftreten des malignen Klons entdeckt werden (Nachweis von minimaler Resterkrankung [MRD]). In Analogie kann durch die FACS-basierte Messung multipler zellulärer Epitope die MRD mit nahezu vergleichbarer Sensitivität bestimmt werden. Im Rahmen prospektiver Studien konnte die prognostische Bedeutung der minimalen Resterkrankung bestätigt werden und hat inzwischen als Stratifizierungsparameter Eingang in die weltweit führenden Protokolle erhalten (s. auch Abb. 2) (van Dongen et al. 1998; zur Stadt et al. 2001; Schrappe 2014).
×
Patienten, die nach den ersten 4–5 Wochen der Induktionstherapie keine morphologische Remission erreichen, zeichnen sich durch eine ungünstige Prognose aus. Bei Induktionsversagen besteht insbesondere für Patienten mit T-ALL-Immunphänotyp sowie für ältere Patienten (>6 Jahre) die Indikation zur Stammzelltransplantation (Schrappe et al. 2012).
Patienten mit einer Trisomie 21 haben neben der ca. 20-fach höheren Inzidenz einer ALL auch ein besonderes Muster an Prognosefaktoren. T-Zell-Leukämien treten nur sehr selten auf, und die oben beschriebenen typischen rekurrenten chromosomalen Veränderungen der pädiatrischen ALL sind relativ seltener. Als häufigste genetische Aberration ist in den ALL-Blasten von Kindern mit Trisomie 21 ein CRLF2-Rearrangement beschrieben. Daneben weisen Kinder mit Trisomie 21 ein hohes Risiko an Therapienebenwirkungen auf, sodass die Prognose insgesamt immer noch unter der von Kindern ohne Trisomie 21 liegt (Buitenkamp et al. 2014).
Die Therapiequalität ist für die Prognose entscheidend; daher sind die in Tab. 5 dargestellten Faktoren nur bei Anwendung adäquater, intensiver Therapiemodalitäten gültig.
Charakteristika der Erkrankung und Krankheitsverlauf
Der Verlauf der Erkrankung hängt von der prätherapeutischen Befundkonstellation, die die Biologie der Erkrankung widerspiegelt, aber auch ganz wesentlich vom initialen Ansprechen auf die Therapie ab. Die Stratifizierung der Therapie in die einzelnen Therapiearme erfolgt anhand einer Kombination prognostischer Faktoren, die im jeweiligen Studienprotokoll festgelegt sind.
Patienten mit hoher initialer Zellmasse und/oder einem Mediastinaltumor sind besonders gefährdet, nicht zuletzt durch das Tumorlysesyndrom. Der möglichen Hyperurikämie sollte durch Gabe von Allopurinol, Alkalisierung und großzügiger Hydrierung oder, insbesondere bei Patienten mit Hyperleukozytose und/oder ausgeprägter Hepatosplenomegalie bzw. Lymphadenopathie, mit Uratoxidase vorgebeugt werden. Andere Patienten sind durch früh auftretende Blutungskomplikationen oder eine Sepsis in Gefahr.
Aufgrund der vermehrten Neigung zu Thrombosen und/oder Blutungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Gabe von Asparaginase in Kombination mit Steroiden, ist in diesen Therapiephasen eine besondere Aufmerksamkeit auch hinsichtlich des Auftretens von Pankreatitiden erforderlich.
Therapie
Chirugie
Chirurgische Therapiemaßnahmen werden bei der Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie nicht eingesetzt.
Strahlentherapie
Im Kontext der modernen ALL-Chemotherapiekonzepte ist der Stellenwert der Schädelbestrahlung zur Vermeidung von systemischen und ZNS-Rezidiven unklar und wird kontrovers diskutiert. Patienten mit initialem ZNS-Befall, wie in Abschn. 4.3 definiert, profitieren auch unter den aktuellen Therapiekonzepten möglicherweise weiterhin von einer Schädelbestrahlung (Vora et al. 2016). Auch gibt es Hinweise, dass bei Patienten mit T-ALL und Hyperleukozytose ohne Schädelbestrahlung ein schlechteres Therapieergebnis erzielt wird (Conter et al. 1997). Insbesondere bei Kleinkindern wird aufgrund des höheren Risikos für eine spätere neurokognitive Beeinträchtigung heutzutage generell auf eine Schädelbestrahlung verzichtet.
Systemische Therapie
Chemotherapie
Die Chemotherapie besteht im Wesentlichen aus 4 tragenden Elementen, in denen die Abfolge und die Dosierung der Zytostatika exakt festgelegt sind (Tab. 6), wobei sich die Steuerung an bestimmten Richtwerten orientiert. Einzelne Substanzen werden sowohl als niedrig dosierte i.v.-Injektion als auch als hoch dosierte Dauerinfusion verabreicht, was besondere Anforderungen an die Überwachung stellt. Die Durchführung orientiert sich an den Empfehlungen des jeweils gültigen Therapieprotokolls.
Tab. 6
Wichtigste Zytostatika der ALL-Therapie (Grundsätzlich kommt nur eine Auswahl der genannten Substanzen in festgelegter Abfolge zum Einsatz)
4. Erhaltungstherapie (bis zum Ablauf von 2 Jahren nach Diagnose)
MP (oder TG) p.o., MTX p.o. + i.th.
*Die Terminologie wird in den Behandlungsprogrammen unterschiedlich verwendet; die angegebenen Zeiten beziehen sich auf die Therapieabschnitte der Studien ALL-BFM und CoALL. Wo.= Wochen
Für Patienten mit t(9;22)-Translokation wird die zusätzliche kontinuierliche Gabe eines Tyrosinkinasehemmers (z. B. Imatinib) empfohlen (Biondi et al. 2012).
Therapie des subklinischen und manifesten leukämischen ZNS-Befalls
Bei allen Patienten ist durch geeignete intrathekale und systemische Therapie die Rezidivwahrscheinlichkeit im ZNS zu minimieren. Hier erscheinen die Therapie mit hoch dosiertem Methotrexat oder mit Cytarabin sowie die intrathekale Applikation von MTX, ggf. von ARA-C und PRED, wirksam (Bürger et al. 2003; Richards et al. 2013). Die Indikation zur Radiotherapie des Neurokraniums besteht nur noch bei ausgewählten Patienten (s. Abschn. 7.2)
Erhaltungstherapie
Die Erhaltungs- oder Dauertherapie wird mit 6-Mercaptopurin p.o. (50 mg/m2/KOF/Tag) und Methotrexat p.o. (20 mg/m2/KOF 1x pro Woche) bis zu einer Gesamttherapiedauer von 24 Monaten einheitlich für alle Therapiezweige durchgeführt. Die Therapie wird anhand der wöchentlich zu bestimmenden Leukozytenzahl gesteuert: Angestrebt wird eine Leukozytenzahl von 2000–3000/mm3. Die randomisierte Prüfung von Dexamethason/Vincristin-Pulsen in der Erhaltungstherapie hat keinen Vorteil dieser Therapie gezeigt (Conter et al. 2007).
Spezifische Therapieoptionen
Therapie bei Vorliegen eines Mediastinaltumors
Ein ausgeprägter Mediastinaltumor findet sich bei etwa der Hälfte der Patienten mit T-ALL, häufig vergesellschaftet mit einer ausgeprägten zervikalen Lymphadenopathie. Ein Mediastinaltumor kann aufgrund einer oberen Einflussstauung und einer Kompression der Atemwege zu akuten lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Liegt bei einem Patienten bereits eine schwere respiratorische Beeinträchtigung vor, sollte sofort mit der zytoreduktiven Therapie mit Prednisolon, ggf. zusätzlich mit Cyclophosphamid, begonnen und invasive diagnostische Maßnahmen wie Knochenmarkpunktion und Liquorpunktion nach Möglichkeit bis zur Stabilisierung des Patienten zurückgestellt werden. Wegen der Gefahr eines Tumorlysesyndroms wird die Gabe von Uratoxidase empfohlen.
Einseitiger/doppelseitiger initialer Hodenbefall
Die unilaterale oder bilaterale Orchiektomie ist nicht vorgesehen. Der Hodenbefall qualifiziert nicht für einen intensiveren Therapiezweig. Bei vollständiger Normalisierung der Hodengröße, des Tastbefunds und des sonografischen Befunds am Ende der Konsolidierung erfolgt keine zusätzliche Hodenbestrahlung.
Stammzelltransplantation
Nur bei eindeutig erhöhtem Rezidivrisiko ist die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) in erster Remission bei vorhandenem HLA-identem Geschwisterspender („matched sibling donor“, MSD) bzw. von einem gut passenden verwandten oder unverwandten Spender („matched donor“) indiziert. Die HSZT sollte innerhalb von etwa 3–4 Monaten nach dem Erreichen der Remission durchgeführt werden. Derzeit gelten alle oder einige der folgenden Indikationen:
Translokation t(9;22) und/oder BCR-ABL-Rekombination in Abhängigkeit vom molekularen Therapieansprechen
Translokation t(4;11) und/oder MLL-AF4-Rekombination in Abhängigkeit vom molekularen Therapieansprechen
Eindeutig ≥5 % Blasten im Knochenmark nach 4- bis 5-wöchiger Induktionstherapie
Bei T-ALL: hohe persistierende MRD-Last im Verlauf der Konsolidierungstherapie
Derzeit werden unter bestimmten, durch ein Studienprotokoll genau festgelegten Kriterien auch nichtverwandte Knochenmarkspender für die allogene Transplantation von ALL-Patienten in erster kompletter Remission zugelassen. Außerdem wird geprüft, ob Patienten mit zytologisch kompletter Remission, die mittels MRD-Nachweis noch eine erhebliche Resterkrankung haben, von einer allogenen HSZT profitieren. Patienten mit spätem, aber sehr gutem Ansprechen (definiert durch MRD) werden unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr transplantiert. Einzelheiten sind dem jeweils gültigen Studienprotokoll zu entnehmen (Peters et al. 2015).
Rezidiv
Diagnose
Isoliertes Knochenmarkrezidiv
≥25 % Lymphoblasten im Knochenmark. Mithilfe der PCR- und/oder FACS-Diagnostik ist bereits vor dem morphologischen Nachweis von Blasten die Möglichkeit gegeben, ein molekulares Rezidiv unterhalb der morphologischen Nachweisgrenze zu detektieren. Aktuell gibt es keine internationale Definition dieses molekularen Rezidivs, es wird jedoch von Experten gefordert, dass der molekulare Nachweis mithilfe der zweiten Methode bestätigt und bei einer kurzfristigen Kontrollpunktion ein Anstieg der Blastenpopulation gesehen wird.
Isoliertes ZNS-Rezidiv
≥5 Zellen/mm3 im Liquor und morphologisch eindeutig identifizierbare Lymphoblasten. Bei einer intrakraniellen Raumforderung im CCT/MRT ohne Blasten in Liquor, Blut oder Knochenmark ist zur Diagnose des isolierten ZNS-Rezidivs die bioptische Sicherung erforderlich.
Isoliertes Hodenrezidiv
Uni- oder bilaterale schmerzlose harte Hodenschwellung (Hodenvolumen >2 „deviation scores“, gemessen mit Prader-Orchidometer). Zur Diagnose des isolierten Hodenrezidivs ist die bioptische Sicherung erforderlich.
Isolierte Infiltrate an anderen Lokalisationen
Beweis durch Biopsie erforderlich.
Kombinierte Rezidive
Simultaner Befall von 2 oder mehr Kompartimenten/Lokalisationen. Bei kombinierten Rezidiven gilt das Knochenmark als mitbefallen, wenn es ≥5 % Lymphoblasten aufweist.
Therapie
Für die Therapie eines ALL-Rezidivs stehen Behandlungsempfehlungen im Rahmen eines nationalen Registers sowie ein internationales Behandlungsprotokoll zur Verfügung. Die Risikostratifizierung erfolgt unter Berücksichtigung von Zeitpunkt und Ort des Rezidivs sowie des Immunphänotyps der Erkrankung. Durch eine erneute Induktionstherapie wird eine zweite Remission angestrebt (Tallen et al. 2010). Patienten mit einem ungünstigen Risikoprofil (frühes/sehr frühes Knochenmarkrezidiv, Rezidiv einer T-ALL) oder einem unzureichenden Ansprechen auf die Induktionstherapie (MRD-Niveau ≥10−3) benötigen zur Intensivierung und zur Remissionserhaltung eine allogene HSZT. Patienten mit günstigem Risikoprofil (späte Rezidive) haben dagegen bei gutem Ansprechen auf die Induktionstherapie (zytologische Remission und ein MRD-Niveau <10−3) mit alleiniger Chemotherapie (Konsolidierung und Dauertherapie) eine relativ gute Heilungschance (Eckert et al. 2013). Für die Durchführung der HSZT steht ebenfalls ein internationales Protokoll zur Verfügung (Bader et al. 2015). Eine lokale Bestrahlung ist bei ZNS- oder Hodenbeteiligung empfohlen.
Die Erfolgsaussichten einer Rezidivtherapie sind deutlich schlechter als bei der Erstdiagnose.
Maßnahmen zur Therapiekontrolle
Überprüfung des Remissionsstatus im Knochenmark
Zu definierten, in den jeweiligen Therapieprotokollen vorgegebenen Therapiezeitpunkten wird das Therapieansprechen mithilfe einer Beurteilung des peripheren Blutes beziehungsweise des Knochenmarks überprüft.
Die erste Kontrollpunktion des Knochenmarks wird 2–3 Wochen nach Therapiestart durchgeführt, eine weitere dann am Ende der Induktionstherapie. Zu diesem Zeitpunkt sollte das Erreichen der Remission belegt werden. Darüber hinaus muss am Ende der Induktion erneut die klinische und bildgebende Überprüfung lokalisierter Infiltrate (z. B. Thymustumor) erfolgen.
Die vollständige Remission gilt als erreicht, wenn
<5 % Blasten im Knochenmark zu identifizieren sind und eine normale oder gering verminderte Zellularität im Knochenmark vorliegt,
keine lokalisierten Leukämieinfiltrate feststellbar sind und
bei der therapeutischen Lumbalpunktion am Ende der Induktion keine Leukämiezellen im Liquor zu identifizieren sind.
Neben der morphologischen Untersuchung des Knochenmarks spielt der Nachweis residueller Leukämiezellen (MRD) mithilfe PCR- oder durchflusszytometriebasierter Methoden eine entscheidende Rolle in den modernen ALL-Therapiekonzepten und ermöglicht eine Beurteilung des Therapieansprechens auch jenseits der morphologischen Nachweisgrenze.
Aktuelle Entwicklungen
In den vergangenen Jahren konnten mehrere zielgerichtete, neue therapeutische Ansätze zur Behandlung evaluiert werden. Ein Therapieansatz besteht in der Immuntherapie von akuten lymphatischen Leukämien. Mehrere unterschiedliche Zielstrukturen sind dabei Gegenstand neu entwickelter Medikamente. CD22 und CD19 waren dabei die am häufigsten verwandten Zielstrukturen gerichteter Immuntherapien. Sowohl monoklonale Antikörper (Epratuzumab gegen CD22) als auch bispezifische Antikörper (Blinatumomab gegen CD19 mit T-Zell-Rekrutierung) beziehungsweise Antikörper gegen CD22 konjugiert mit Calicheamycin (Inotuzumab) sind Gegenstand klinischer Prüfungen. Darüber hinaus gibt es Berichte über den erfolgreichen Einsatz von genetisch modifizierten CAR-T-Zellen, die sich ebenfalls sowohl gegen CD19 ggf. kombiniert auch gegen CD22 richten. Ob und in welchem Therapiekontext diese neuen Substanzen ihren Stellenwert in der Behandlung erlangen können, bleibt abzuwarten (Kantarjian et al. 2016; Lee et al. 2015; Raetz et al. 2015; Stackelberg et al. 2014; Zugmaier et al. 2013).
Eine weitere aktuelle Entwicklung bezieht sich auf den erweiterten Einsatz von Tyrosinkinasehemmern bei Patienten mit Mutationen in Zytokinrezeptor- und Tyrosinkinase-abhängigen Reaktionswegen (Roberts et al. 2014).
Therapieschemata
Alle aktuell aktiven Therapieprotokolle finden sich auf dem Informationsportal für Krebs- und Bluterkrankungen bei Kindern: www.kinderkrebsinfo.de.
Besondere Hinweise
Kontaktangaben der Studienleitungen:
ALL-BFM 2009
Studienleitung: Prof. Dr. M. Schrappe
Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Schwanenweg 20
24105 Kiel
Tel. 0431-597-4033
Fax: 0431-597-4034
Co-ALL 08-09
Studienleitung: Frau PD Dr. G. Escherich, Prof. Dr. Martin Horstmann
Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Universitätsklinik Eppendorf
Martinistraße 52
20251 Hamburg
Tel.: 040-74105-2580
ALL-REZ BFM 2002
Studienleitung: PD Dr. Arend von Stackelberg
Universitätsklinikum Rudolf-Virchow, Kinderklinik, Abt. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Tel.: 030-450-66031
Fax: 030-450-66906
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