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Autologe Transplantation (Grundlage und Mechanismen: Hochdosischemotherapie; klinische Anwendungen; Langzeitkomplikationen; MDS und sekundäre Malignome)

Verfasst von: Hartmut Goldschmidt und Anthony Dick Ho
Die Termini „autologe Blutstammzelltransplantation“ (ABSCT) und „Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen“ stehen für weltweit etablierte Therapieverfahren. Die Antitumorwirkung dieser Therapieverfahren beruht auf der Dosiseskalation von stammzelltoxischen Chemotherapeutika oder von Ganzkörperbestrahlung. Diese Therapien führen nicht nur zu einer lang anhaltenden Remission bei bestimmten Tumorarten, sondern auch zu einer dauerhaften oder protrahierten Knochenmarkaplasie. Durch die Transplantation von autologen Blutstammzellen wird die Knochenmarkfunktion wiederhergestellt beziehungsweise die Aplasiephase nach Hochdosistherapie verkürzt. Aufgrund der Standardisierung der Prozeduren ist eine hohe Patientensicherheit gegeben. Insbesondere bei lymphatischen Systemerkrankungen wird die Hochdosistherapie angewendet. Beim multiplen Myelom werden Subgruppen von Patienten mit einer zweimaligen Hochdosistherapie (Tandem-Transplantation) behandelt. Vor und nach Hochdosistherapie kann mit modernen Medikamenten behandelt werden. Neue Methoden zum Monitoring des Therapieerfolges, z. B. Messung der minimalen Resterkrankung, werden zunehmend angewandt. Eine standardisierte Nachsorge sollte erfolgen.

Grundlage und Mechanismen

Die Begriffe „autologe Blutstammzelltransplantation“ (ABSCT) und „Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen“ werden für ein weltweit verbreitetes Therapieverfahren zur Behandlung von Patienten mit malignen und nichtmalignen Erkrankungen genutzt. Das eigentliche Therapieprinzip der autologen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT) ist die Hochdosistherapie (HDT). Die Antitumorwirkung dieser Therapieverfahren beruht auf der Dosiseskalation von stammzelltoxischen Chemotherapeutika, wie Melphalan, Busulfan, BCNU, Carboplatin, Thiotepa und ähnlichen Substanzen, oder von Ganzkörperbestrahlung. Diese Therapien führen nicht nur zu einer lang anhaltenden Remission bei bestimmten Tumorarten, sondern auch zu einer dauerhaften oder protrahierten Knochenmarkaplasie. Durch die Transplantation von autologen Blutstammzellen wird die Knochenmarkfunktion wiederhergestellt beziehungsweise die Aplasiephase nach Hochdosistherapie verkürzt.
Der autologen Transplantation wird auch eine schnellere Rekonstitution des Immunsystems zugeschrieben. Dabei spielen die Anzahl und Qualität der T-Zellen, NK-Zellen und möglicherweise auch der B-Zellen im Transplantat eine wichtige Rolle, wie man aus den ungünstigen Ergebnissen der „gepurgten“ Präparationen entnehmen kann.
Bei den ersten autologen Transplantationen wurde Knochenmark verwendet. Bereits 1962 berichteten Goodman und Hodgson (1962), dass hämatopoetische Stammzellen im peripheren Blut nachweisbar sind. Die Mobilisation von Stammzellen in das periphere Blut erfolgte zuerst im Rebound nach einer Chemotherapie (Körbling et al. 1986). Insbesondere durch den Wachstumsfaktor Granulozyten-stimulierender Faktor (G-CSF) wurde die Stammzellenmobilisation aus dem Knochenmark effektiver. Die Quantifizierung der hämatopoetischen Stammzellen im autologen Transplantat ist mit Durchflusszytometrie schnell und qualitätsgesichert etabliert. Ein autologes Transplantat soll mehr als 2,0–2,5 × 106 CD34+ Stammzellen beinhalten (Haas et al. 1994; Wuchter et al. 2010).
Für einige maligne Erkrankungen konnte als wichtiges Therapieprinzip eine Dosissteigerung der zytostatischen Medikamente belegt werden. Die heute zur Verfügung stehenden Hochdosistherapieprotokolle sind überwiegend in klinischen Prüfungen der Phase II entwickelt worden. Die Sicherheit und Effektivität dieser Protokolle sind sehr gut belegt. Die Indikation zur HDT bei verschiedenen Entitäten ist meist aus klinischen Prüfungen der Phase III abgeleitet. Zwischen 2007 und 2017 stieg die Zahl der autologen Ersttransplantationen von 2439 auf 3490 pro Jahr in Deutschland (Beelen 2017a; Abb. 1). Die zahlenmäßige Entwicklung der autologen Ersttransplantationen in den 4 wichtigsten Krankheitsentitäten (multiples Myelom, Non-Hodgkin-Lymphome, Hodgkin-Lymphom und Keimzelltumoren) ist in Abb. 2 dargestellt (Beelen 2017b). Das multiple Myelom war 2017 mit mehr als der Hälfte der HDT die häufigste Indikation. Insgesamt sind lymphoproliferative Erkrankungen mit über 90 % der Indikationsstellungen bei der autologen Blutstammzelltransplantation führend. Aktuelle Entwicklungen für Deutschland sind unter http://www.drst.de abrufbar.
Die HDT vor ABSCT ist mit einer bedeutsamen Morbidität und Letalität vergesellschaftet. Die Untersuchungen vor HDT sollen Aufschluss über mögliche Komplikationen und eine Kontrolle der Indikationsstellung beinhalten. Um Komplikationsrisiken zu minimieren, sind insbesondere Infektionen auszuschließen oder Infektionsherde zu sanieren. Eine Gesamtbetrachtung der körperlichen Untersuchungsergebnisse und der Organfunktionen hat durch einen erfahrenen Hämatologen zu erfolgen (Straka 2015). Checklisten ermöglichen eine Kontrolle der benötigten Informationen für die Freigabe der Transplantationsindikation. Ein Beispiel für eine weitverbreitete Checkliste findet sich unter http://www.ebmt.org/accreditation/jacie-standards.
Im Folgenden werden die häufigsten HDT Protokolle kurz dargestellt.
Ganzkörperbestrahlung/Cyclophosphamid
Die Ganzkörperbestrahlung (TBI) wirkt in Lokalisationen im Körper, die über den Blutstrom nicht oder nur schlecht von zytostatischen Medikamenten erreicht werden können. Die TBI wird an spezialisierten Zentren umgesetzt und fraktioniert angewendet. Oft wird zur TBI die Substanz Cyclophosphamid addiert. Mit dieser Kombination können Lymphome und akute Leukämien behandelt werden.
Hochdosismelphalan
Die HDT mit Melphalan 200 mg/m2 verteilt auf 2 Tage wird beim multiplen Myelom als Goldstandard angewendet. Basierend auf der guten Wirksamkeit kann bei älteren Patienten oder Patienten mit Komorbidität das Melphalan auch mit 140 mg/m2 appliziert werden. Die Toxizität der Melphalan-HDT ist gut vorhersehbar, sodass die Überwachung der Aplasiephase auch außerhalb des Krankenhauses möglich ist. Weiterhin ist Melphalan ein wichtiger Teil verschiedener anderer HDTs von Lymphomen. Eine Kombination von Melphalan mit einer TBI ist aufgrund der hohen Therapietoxizität und ungenügender Wirkungssteigerung beim multiplen Myelom heute obsolet.
BEAM, BEAC, CBV
Die Kombinationen aus BCNU, Etoposid, Ara-C, Melphalan und Cyclophosphamid, gefolgt von autologer HDT, werden zur Behandlung von Lymphomen mit kurativer Intention genutzt. Bei günstigen Risikofaktoren können bei Lymphomen eine lang anhaltende Erkrankungskontrolle oder Heilung erreicht werden. Bei Lymphompatienten mit einem hohen Risiko werden zunehmend Therapieverfahren angewandt, die immunologische Behandlungsmechanismen inkludieren.
Andere HDT-Protokolle
Unter den nichthämatologischen Neoplasien sind Daten zur erfolgreichen HDT-Therapie von nichtseminomatösen Keimzelltumoren des Mannes publiziert. Die verwendeten HDT-Protokolle basieren auf Cis- oder Carboplatin sowie Etoposid. Teilweise werden diese Protokolle durch Cyclophosphamid oder Ifosfamid ergänzt.
Autologe Transplantate sind in der Regel mit Tumorzellen kontaminiert. Versuche, die Tumorzellen aus den Transplantaten zu entfernen, waren auf Laborebene mit einer Tumorreduktion von 2 Log effizient. In Studien, welche die Anreicherung von hämatopoetischen Stammzellen (Anreicherung von CD34+Zellen) zum Purging untersuchten, zeigte sich durch den Verlust von Immunzellen eine verstärkte Infektionsrate und somit eine erhöhte Toxizität. Ein signifikant besseres progressionsfreies oder Gesamtüberleben konnte durch die Anreicherung von CD34+Zellen nicht erreicht werden (Bouhris et al. 2007), sodass diese Purging-Aktivitäten der Transplantate weitgehend eingestellt sind. Erfolgversprechender ist ein In-vivo-Purging bei CD20-positiven Lymphompatienten. Die Addition eines CD20-Antikörpers in das Mobilisationsregime reduziert den Gehalt an malignen Lymphomzellen in den autologen Transplantaten.
Eine rasante Entwicklung zeigt sich bei der CAR-T-Zell-Therapie (s. Kap. „Zelluläre Immuntherapie“). Es ist zu erwarten, dass diese Immuntherapie und die Weiterentwicklung von Antikörperkonstrukten die Indikation zur HDT gefolgt von ABSCT weitgehend ablösen wird.

Klinische Anwendungen

Der Stellenwert der HDT gefolgt von der ABSCT bei den einzelnen Krankheitsentitäten wird innerhalb der Erkrankungsentitäten dargestellt. Gegenwärtig ist eine rasante klinische Etablierung von immunologischen Behandlungsverfahren zu verzeichnen, sodass sich die Indikationsstellungen zu Therapieverfahren ändern werden.

Lymphome

B-Zell-Lymphome

Die HDT wird häufig bei B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (B-NHL) angewendet. Im Deutschen Register für Stammzelltransplantation sind für das Jahr 2017 1074 autologe Ersttransplantationen (Beelen 2017b) gemeldet. Dem sehr heterogenen Charakter der B-Zell-Lymphome entsprechend wird die HDT als Erstlinien- oder Rezidivbehandlung angewendet. Als Erstlinientherapie wird die HDT bei den Mantelzelllymphomen eingesetzt. Die Studie der nordischen Lymphomgruppe (Geisler et al. 2012) zeigt bei dieser Therapieform ein ereignisfreies Überleben von 56 % nach 7 Jahren. Diese Studie zeigt auch, dass auch nach ABSCT weiterhin Rezidive auftreten und deshalb diese Therapie kaum kurativ sein dürfte. Die HDT wird in der rezidivierten Erkrankungssituation bei aggressiven B-NHL (Philip et al. 1995) angewendet. Patienten, die in der Primärtherapie mit einem CD20-Antikörper behandelt wurden, haben trotz HDT im Rezidiv eine ungünstige Prognose. Bei den indolenten NHL stellt die HDT für jüngere Patienten mit chemosensitivem Rezidiv eine wichtige Therapiemöglichkeit dar.

T-Zell-Lymphome

Die Mehrzahl der Ergebnisse zur Einschätzung der Effektivität der HDT bei T-Zell-Lymphomen beruht auf Phase-II-Daten. Durch die Transplantation als Erstlinientherapie kann ein Langzeitüberleben induziert werden. Bei Patienten, die aufgrund des Ansprechens auf die Chemotherapie eine Autotransplantation erhalten haben, lag die 3-Jahres-Überlebensrate bei 71 %; die Patienten ohne Transplantation hatten ein 3-Jahres-Überleben von 11 % (Reimer et al. 2009).

ZNS-Lymphome

Die Machbarkeit und Effektivität der HDT mit Alkylanzien in der Primärtherapie der primären ZNS-Lymphome konnte durch verschiedene Studiengruppen in Phase-II-Studien belegt werden. Die Intensität der initialen Therapie sowie die Art und Dosis der Substanzen der HDT beeinflussen den Erfolg dieser Therapieform. Kombinationen mit Thiotepa zusammen mit BCNU oder Busulfan scheinen dabei bessere Ergebnisse im Vergleich zum BEAM-Protokoll (s. Kap. 39.3) zu erzeugen. Im Rahmen der Therapie der primär-ZNS werden Antikörper gegen das CD20-Antigen eingesetzt. Auch wenn der Liquorspiegel von Rituximab im Bereich von ca. 1 % der Serumspiegel liegt, kann ein zusätzliches Ansprechen durch diese Therapie erreicht werden.

Hodgkin-Lymphom

Im Gegensatz zu vielen anderen malignen Erkrankungen ist die Prognose für die große Mehrzahl von Patienten mit Hodgkin-Lymphom exzellent. Die HDT gilt als Therapieoption für Patienten mit rezidiviertem oder primär progredientem Hodgkin-Lymphom. Diese Empfehlung beruht auf den Ergebnissen randomisierter Phase-III-Studien. Hervorragende Ergebnisse der Rezidivtherapie mit immunologischen Therapien, insbesondere CAR-T-Zellen (s. Kap. „Zelluläre Immuntherapie“), werden voraussichtlich zu einer rückläufigen Indikationsstellung der HDT beim Hodgkin-Lymphom führen.

Multiples Myelom

Indikationsstellung

Die HDT gefolgt von ABSCT wird für fitte Patienten mit Multiplem Myelom empfohlen. Diese Entscheidung für oder gegen eine HDT sollte vor initialem Therapiebeginn getroffen werden. Sind die Voraussetzungen für eine HDT gegeben, ist der Patient aufzuklären und sollte in einem Transplantationszentrum vorgestellt werden. Lange Zeit wurde das kalendarische Alter für die Indikationsstellung ABSCT genutzt. Gemäß der meisten Empfehlungen soll bis zum 70. Lebensjahr transplantiert werden. Es gibt jedoch Empfehlungen, die keine Altersbegrenzung beinhalten. Um die Toxizität der Hochdosistherapie vorherzusagen, ist eine Analyse der Komorbiditäten notwendig. Zu den Komorbiditäten zählen isolierte Organfunktionsstörungen, Myelom-assoziierte Erkrankungen, ein niedriger Karnofsky-Index, Behinderung oder Gebrechlichkeit. Diese Einschätzung kann durch differenzierte Scores erfolgen. Im Internet sind Webseiten zur Bestimmung von Komorbiditäts-Indices einsehbar. Eine Internetadresse lautet: http://myelomacomorbidityindex.org. Es ist zu erwarten, dass eine auf dem Alter basierende Indikationsstellung für die autologe Transplantation beim multiplen Myelom durch die Einschätzung „fitter Patient“ abgelöst wird. Über die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen eine ABSCT informiert Abb. 3. Im Zeitalter neuer Medikamente wurde in mehreren Phase III Studien der Stellenwert einer initialen Transplantation gegenüber einer Rezidivtransplantation geprüft. In all diesen Studien war das „progression free survival“ (PFS) durch die initiale HDT verlängert. Deshalb wird die initiale ABSCT auch trotz der Möglichkeit, mit neuen Medikamenten initial zu behandeln, weiterhin empfohlen (Offidani et al. 2017). Ein Algorithmus zur Initialtherapie des fitten Patienten mit multiplem Myelom ist in Abb. 4 dargestellt.

Induktionstherapie und Stammzellmobilisation

Vor der HDT soll durch eine medikamentöse Therapie eine Reduktion der Tumormasse erfolgen. Hierzu werden in der Regel medikamentöse Dreier- oder Vierer kombinationen angewendet. Gegenwärtig ist die Induktionstherapie vor HDT meist eine Kombination aus einem Proteasominhibitor, einem Imid und einem Glukokortikoid. Zunehmend wird ein CD38 Antikörper addiert. In Studien wird die Addition von Antikörpern zu diesen Dreierkombinationen geprüft. Die Anzahl der Therapiezyklen vor einer HDT ist durch randomisierte Studien nicht gesichert. In der Regel werden 4–6 Zyklen Induktionstherapie (Wörmann et al. 2018) eingesetzt. Patienten, die während der Induktionstherapie stark progredient und symptomatisch werden, sollen eine Therapieumstellung erhalten. Die Mobilisation der Stammzellen (s. Kap. „Gewinnung und Mobilisierung von Stammzellen“) kann durch die Kombination von Chemotherapie plus Wachstumsfaktor oder die alleinige Wachstumsfaktorgabe erfolgen. In der Primärtherapie sollten mindestens 2 autologe Transplantate gesammelt werden. Aufgrund der Optionen Tandem-Transplantation und Rezidivtransplantation wird die Sammlung von 3 Transplantaten empfohlen.

Single-Transplantation

Fitte Patienten mit einem günstigen ISS-Stadium (ISS = International Staging System) oder R-ISS-Stadium (R-ISS = Revidiertes ISS) (s. Kap. „Multiples Myelom“) sollen nach dem Erreichen einer kompletten Remission nach Transplantation nur einmal mit dieser Therapieform behandelt werden. Wenn durch die HDT keine Reduktion der Tumormasse erreicht wurde, ist eine zweite ABSCT nicht zu empfehlen. Die Toxizität der Ersttransplantation ist für die Indikationsstellung einer zweiten ABSCT zu berücksichtigen.

Tandem-Transplantation

Sehr gute Therapieergebnisse bei der Tandem-Transplantation sind aufgrund der Studienergebnisse von Bart Barlogie publiziert (Barlogie et al. 2014). Bei der „total therapy“ dieser Therapiestudien war die Tandem-Transplantation das „backbone“. In verschiedenen Therapiestudien konnten keine einheitlichen Ergebnisse zur Einschätzung einer zweiten ABSCT erreicht werden. Die jüngste Auswertung einer Metaanalyse europäischer Studienergebnisse zeigt einen Nutzen durch die Tandem-Transplantation insbesondere für Patienten (Cavo et al. 2018), die ein ungünstiges Risikoprofil haben. Für eine Einschätzung von Standardrisikopatienten hinsichtlich einer Tandem-Transplantation sind die Daten nicht ausreichend aussagekräftig.

Konsolidierende Therapie

Die konsolidierende Therapie kann die Remissionstiefe weiter verbessern. Die Toxizität einer konsolidierenden Therapie ist gut beschrieben. Die Ergebnisse randomisierter Studien sind hinsichtlich PFS nicht einheitlich. Deshalb ist eine konsolidierende Therapie außerhalb von Studien nicht zu empfehlen.

Erhaltungstherapie

Der positive Effekt der Erhaltungstherapie mit Thalidomid oder Lenalidomid ist beschrieben. Thalidomid ist aufgrund seiner Toxizität in den Ländern, in denen eine Lenalidomid-Behandlung möglich ist (Wörmann et al. 2018), obsolet. Die Rolle der Proteasomeninhibitoren nach HDT muss weiter evaluiert werden. Es gibt Daten, welche die Wirksamkeit dieser Substanzgruppe bei Hochrisikopatienten belegen.

Rezidivtransplantation

Die Rolle der HDT im Rezidiv des multiplen Myeloms ist durch viele Phase-II-Studien geprüft. Die MRC-Phase-III-Studie (Cook et al. 2016) beschreibt einen signifikanten PFS-Vorteil für transplantierte Patienten im Vergleich zu einer niedrig dosierten Cyclophosphamid-Therapie. Ergebnisse der Phase-III-GMMG-ReLApsE-Studie belegen in einer Landmark-Analyse ebenfalls einen PFS- und Overall-Survival-Gewinn für transplantierte Patienten. In dieser Studie wurde eine Dauertherapie mit Lenalidomid/Dexamethason vs. eine Induktion mit Lenalidomid/Dexamethason gefolgt von HDT und ABSCT mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie verglichen. Der Erfolg einer HDT im Rezidiv korreliert mit der Dauer der Plateauphase (Goldschmidt et al. 2021) nach Initialtherapie. Eine Empfehlung zur Rezidiv-ABSCT wird gegeben, wenn die primäre Remissionsdauer mindestens > 18 Monate betragen hat.

AL-Amyloidose

Die Amyloidose ist in der Regel durch schwere Organdysfunktionen geprägt. Die Einschränkungen der kardialen, hepatischen und/oder nephrologischen Organfunktionen limitieren die Therapieoptionen (Varga und Comenzo 2018). Neue Substanzen vor und nach der HDT verbessern die Remissionstiefe und führen dann in der Regel zu einer Erholung der Organfunktion.

Leukämien

Bei den chronischen Leukämien hat sich Prognose durch die verbesserte medikamentöse Therapie entscheidend verbessert. Deshalb besteht bei der chronisch myeloischen Leukämie und der chronisch lymphatischen Leukämie keine Indikation mehr für die HDT. Bei der akuten lymphatischen Leukämie hat die Einführung eines bispezifischen Antikörpers die Prognose im Rezidiv ebenfalls entscheidend verbessert, sodass die HDT hier auch verlassen wurde. Konsolidierende HDT sind bei der akuten myeloische Leukämie indiziert (s. Kap. „Akute myeloische Leukämie (AML)“).

Andere Indikationen

Bei Hodentumoren kann die HDT eingesetzt werden. Insbesondere in der Rezidivsituation sind positive Studienergebnisse beschrieben. Beim Mammakarzinom und Bronchialkarzinom ist die HDT verlassen.

Immunologisch bedingte Krankheiten

Immunologisch bedingte Krankheiten sind häufig und werden bei bis zu 10 % der Menschen in der westlichen Hemisphäre nachgewiesen. Das Prinzip der HDT beruht auf einer Zerstörung des dysfunktionalen Immunsystems. Das „Immun-Rebooting“ ermöglicht den Neuaufbau eines T- und B-Zell-Repertoires sowie der regulatorischen Zellen. Bei vielen immunologisch bedingten Krankheiten kann eine Reduktion der Aktivität der Immunprozesse durch HDT nachgewiesen werden. Die Ergebnisse beruhen meistens auf Phase-II-Studien und großen Sammlungen von retrospektiven Daten. Obwohl biologische Therapien zunehmend angewendet werden, kam es zu einer erheblichen Zunahme der ABSCT-Indikation in Europa (Alexander et al. 2019). Eine Übersicht über die Indikationen der HDT bei immunologisch bedingten Krankheiten ist in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1
Übersicht über die Indikationen der HDT bei immunologisch bedingten Krankheiten. (Modifiziert nach Alexander et al. 2019)
Multiple Sklerose
1285
Hämatologische Erkrankungen
113
Bindegewebserkrankungen
735
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP)
33
Systemische Sklerose
559
Hämolytische Anämie
27
117
Evans-Syndrom
25
Polymyalgia/Dermatomyositis
18
Andere
28
Sjörgen-Syndrom
5
Vaskulitis
56
6
14
Andere
30
11
Arthritis
186
2
82
3
Juvenile idiopatische Arthritis (JIA):
 
1
• Systemische JIA
59
2
• Andere JIA
18
Andere
23
• Polyartikuläre JIA
17
Andere neurologische Erkrankungen
114
3
Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
52
Andere
7
26
Entzündliche Darmerkrankungen
220
8
182
Andere
28
4
Insulinpflichtiger Diabetes mellitus
20
Andere
34
Andere
51

Langzeitkomplikationen

Um Therapiefolgen und Komplikationen frühzeitig zu erfassen, ist eine regelmäßige Nachsorge umzusetzen (Rovira und Suárez-Lledó 2019). Vorschläge für Kontrolltermine und Inhalte der Vorstellungstermine sind in Tab. 2 aufgeführt. Krankheitsspezifische Faktoren sind zu beachten. Beim multiplen Myelom gewinnt die Quantifizierung der minimalen Resterkrankung (MRD) im Knochenmark zunehmend an Bedeutung. Die Tiefe der MRD korreliert positiv mit der Prognose. Auch PET-CT oder Kernspinuntersuchungen werden in der Myelomnachsorge zur Beurteilung von Osteolysen oder Knochenmarkläsionen vermehrt angewandt.
Tab. 2
Empfehlungen zur Nachsorge nach Hochdosistherapie gefolgt von der Transplantation autologer hämatopoetischer Stammzellen. (Modifiziert nach Rovira und Suárez-Lledó 2019)
Zeitraum
Inhalt des Monitorings
Bis Tag 100 nach Auto-HSZT*
• Klinische Untersuchung
• Blutbild und „Basischemie“
• Transfusionsindikation oder Wachstumsfaktorgabe
• Krankheitsspezifische Faktoren
Ab Tag 100 bis 2 Jahre nach ABSCT alle 6 Monate
• Klinische Untersuchung
• Blutbild und „Basischemie“
• Krankheitsspezifische Faktoren: Labor und/oder Bildgebung
• Minimale Resterkrankung (MRD)**, Immunrekonstitution
• Knochenmarkdiagnostik (Biopsie und/oder Aspiration)
Ab Jahr 2 nach ABSCT alle 12 Monate
• Klinische Untersuchung
• Blutbild und „Basischemie“
• Krankheitsspezifische Faktoren: Labor und/oder Bildgebung
• Ausschluss von sekundären Malignomen oder myelodysplastischen Syndromen
*Häufigkeit der Untersuchungen ist vom Zustand des Patienten abhängig
**Häufigkeit der MRD-Analyse abhängig von der Krankheit und möglichen therapeutischen Konsequenzen

Myelodysplastisches Syndrom (MDS) und sekundäre Malignome

Therapiebedingte myeloische Sekundärmalignome sind in der Regel durch Zytostatika ausgelöst. Auch die Bestrahlung und die Langzeitgabe von immunmodulierenden Substanzen nach HDT erhöhen das Risiko sekundärer Tumoren.
Zytostatika, die überwiegend myeloische Sekundärmalignome induzieren, sind Alkylanzien, Anthrazykline, Topoisomerase-II-Inhibitoren sowie Antimetabolite und Purinanaloga. Kontroverse Mitteilungen sind zu Azathioprin, Methotrexat, Hydroxiurea und 6-Merkatoporin publiziert (Tichelli 2019). Bei der Bewertung der Induktion von sekundären Malignomen durch Melphalan ist zu beachten, dass die Langzeittherapie mit Melphalan im Vergleich zur HDT ein signifikant höheres Potenzial zur Auslösung von Tumoren hat. Deshalb wird konventionell dosiertes Melphalan zunehmend weniger angewendet.
Während der Erhaltungstherapie mit immunmodulierenden Substanzen ist das Auftreten sekundärer Malignome erhöht. Eine Bewertung des Nutzens (verlängertes PFS und „overall survival“ durch Lenalidomid-Erhaltungstherapie) rechtfertigt die Erhaltungstherapie auch unter Berücksichtigung eines erhöhten Zweitmalignomrisikos
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