Skip to main content
Kompendium Internistische Onkologie
Info
Publiziert am: 13.09.2022 Bitte beachten Sie v.a. beim therapeutischen Vorgehen das Erscheinungsdatum des Beitrags.

Bewertung unerwünschter Ereignisse und Therapienebenwirkungen

Verfasst von: Herbert Sindermann
Im Interesse der Patientensicherheit sind die im Verlauf einer Tumorbehandlung auftretenden unerwünschten Ereignisse (UE; „adverse events“, AE) möglichst exakt zu erfassen und im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang mit diagnostischen und/oder therapeutischen Interventionen zu bewerten, um geeignete Gegen- oder Supportivmaßnahmen ergreifen zu können. Dies gilt für Behandlungen im Rahmen regulärer Therapien mit zugelassenen Arzneimitteln, umso mehr aber für die Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen von klinischen Prüfungen, bei denen die standardisierte Erfassung und Bewertung von unerwünschten Ereignissen eine wesentliche Voraussetzung für aussagekräftige und nachvollziehbare Studienergebnisse darstellt. Bevor das in der Onkologie am häufigsten verwendete Bewertungssystem, die CTCAE-Liste, behandelt wird, werden Definitionen einiger zentraler Begriffe für die Beschreibung möglicher Therapienebenwirkungen vorangestellt.

Einleitung

Im Interesse der Patientensicherheit sind die im Verlauf einer Tumorbehandlung auftretenden unerwünschten Ereignisse (UE; „adverse events“, AE) möglichst exakt zu erfassen und im Hinblick auf einen möglichen Zusammenhang mit diagnostischen und/oder therapeutischen Interventionen zu bewerten, um geeignete Gegen- oder Supportivmaßnahmen ergreifen zu können. Dies gilt für Behandlungen im Rahmen regulärer Therapien mit zugelassenen Arzneimitteln, umso mehr aber für die Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen von klinischen Prüfungen, bei denen die standardisierte Erfassung und Bewertung von unerwünschten Ereignissen eine wesentliche Voraussetzung für aussagekräftige und nachvollziehbare Studienergebnisse darstellt. Bevor das in der Onkologie am häufigsten verwendete Bewertungssystem, die CTCAE-Liste, behandelt wird, werden Definitionen einiger zentraler Begriffe für die Beschreibung möglicher Therapienebenwirkungen vorangestellt. Weitergehende Hinweise zu Begriffsdefinitionen und Anzeigepflichten, auf die hier nicht eingegangen wird, finden sich in maßgeblichen Mitteilungen nationaler Behörden, z. B. für die Bundesrepublik Deutschland in der von Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (PEI) herausgegebenen 6. Bekanntmachung zur Anzeige von Nebenwirkungen und Arzneimittelmissbrauch nach § 63b Absatz 1 bis 9 des Arzneimittelgesetzes (AMG) vom 19.01.2010. Für Meldeverpflichtungen zu Beobachtungen in klinischen Prüfungen sind zurzeit die §§ 12 und 13 der GCP-Verordnung (GCP-V 2012) verbindlich, nach Inkrafttreten der EU-Verordnung 536/2014 deren Angaben in Anhang III (zur EU-Verordnung 536/2014, siehe hierzu auch Kap. „Methoden klinischer Prüfung in der Onkologie“).
Zu Methoden und Instrumenten für Erfassung und Bewertung der Einflüsse von Erkrankung und Therapien auf die Lebensqualität von Tumorpatienten siehe Kap. „Bewertung von Allgemeinzustand des Patienten und Quality-of-Life-Kriterien“.

Begriffsbestimmungen

Unerwünschtes Ereignis (UE; „adverse event“, AE). Jedes unerwünschte medizinische Ereignis, das bei einem Patienten oder bei einem Teilnehmer an einer klinischen Prüfung nach Verabreichung eines Arzneimittels auftritt und das nicht unbedingt in ursächlichem Zusammenhang mit dieser Behandlung steht. Ein unerwünschtes Ereignis kann daher jede ungünstige und unbeabsichtigte Reaktion (einschließlich eines anomalen Laborbefunds), jedes Symptom oder jede vorübergehend mit der Verabreichung eines Arzneimittels (Prüfpräparats) einhergehende Erkrankung sein, ob diese nun mit dem Prüfpräparat in Zusammenhang stehen oder nicht.
Unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW; „adverse drug reaction“, ADR). Im Rahmen der vor der Zulassung gesammelten klinischen Erfahrungen mit einem neuen Arzneimittel bzw. dessen neuen Anwendungsgebieten, besonders wenn die therapeutische Dosierung noch nicht festgelegt ist: Alle schädlichen und unbeabsichtigten Reaktionen auf ein Arzneimittel sollten unabhängig von der Dosis als unerwünschte Arzneimittelwirkungen gelten. Arzneimittelwirkung bedeutet, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem Arzneimittel und einem unerwünschten Ereignis zumindest möglich ist, d. h. ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen wird.
In Bezug auf ein in den Verkehr gebrachtes Arzneimittel gilt: Eine Arzneimittelwirkung, die schädlich und unbeabsichtigt ist und bei Dosierungen auftritt, die üblicherweise beim Menschen zur Prophylaxe, Diagnose oder Therapie von Krankheiten oder zur Veränderung physiologischer Funktionen angewendet werden.
Unerwartete unerwünschte Arzneimittelwirkung („unexpected adverse drug reaction“, UADR). Eine unerwünschte Wirkung, deren Art oder Ausmaß von der vorliegenden Produktinformation abweicht (z. B. Prüferinformation für ein nicht zugelassenes Prüfpräparat oder Gebrauchs-/Fachinformation für ein zugelassenes Produkt).
Schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis (SUE) oder schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkung (schwerwiegende UAW; „serious adverse event“, SAE; „serious adverse drug reaction“, serious ADR). Jedes unerwünschte medizinische Ereignis, das unabhängig von der Dosis
  • zum Tode führt,
  • lebensbedrohend ist,
  • eine stationäre Behandlung des Prüfungsteilnehmers oder deren Verlängerung erforderlich macht,
  • zu bleibenden oder signifikanten Schäden/Behinderungen führt oder
  • eine angeborene Missbildung bzw. einen Geburtsfehler zur Folge hat.
Verdachtsfall einer unerwarteten schwerwiegenden Arzneimittelwirkung („suspected unexpected serious adverse reaction“, SUSAR). Für unerwünschtes Ereignisse, die sowohl die Kriterien für schwerwiegende als auch für unerwartete Arzneimittelwirkungen erfüllen, gelten besondere Mitteilungspflichten. So „hat der Sponsor einer klinischen Prüfung über jeden ihm bekannt gewordenen Verdachtsfall einer unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkung (SUSAR) […] unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntwerden, die zuständige Ethik-Kommission, die zuständige Bundesoberbehörde und die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union […], in deren Hoheitsgebiet die klinische Prüfung durchgeführt wird, sowie die an der klinischen Prüfung beteiligten Prüfer zu unterrichten. Bei lebensbedrohlichen oder tödlichen Ereignissen verkürzt sich die entsprechende Meldefrist auf 7 Tage“ (GCP-V 2012; EU-Verordnung 536/2014).
Kausalzusammenhang („causality“). Es gibt derzeit keine international standardisierte Nomenklatur und Methodik, um die Wahrscheinlichkeit für einen Kausalzusammenhang zwischen der Gabe eines Arzneimittels und einem beobachteten unerwünschten Ereignis zu beschreiben. Weit verbreitet ist das WHO-UMC-System (UMC: Uppsala Monitoring Centre). Tab. 1 zeigt die Bewertungskriterien, die für eine entsprechende Kausalitätszuordnung jeweils bestmöglich („reasonably“) erfüllt sein sollen.
Tab. 1
WHO-UMC-Kausalitätskategorien für unerwünschte Ereignisse und Laborwertanomalien
Kausalitätsbegriff
Bewertungskriterien (alle Punkte sollten „reasonably“ erfüllt sein)
Sicher/certain
• Zeitlicher Zusammenhang ist plausibel
• Unerwünschtes Ereignis kann nicht durch die Krankheit oder andere Medikamente erklärt werden
• Informationen über Ereignisse (auch bei Absetzen des Medikaments) können definitiv pharmakologisch oder phänomenologisch begründet werden
• Rechallenge bestätigt den Kausalzusammenhang, ist aber nicht zwingend erforderlich
Wahrscheinlich/probable/likely
• Zeitlicher Zusammenhang besteht
• Unwahrscheinlich, dass die Krankheit oder andere Medikamente für das Ereignis verantwortlich sind
• Ereignisse bei Absetzen des Medikamentes sind klinisch begründet
• Kein Rechallenge erforderlich
Möglich/possible
• Zeitlicher Zusammenhang besteht
• Krankheit oder andere Medikamente könnten auch für das Ereignis verantwortlich sein
• Fehlende oder unklare Informationen darüber, was passiert, wenn das Medikament abgesetzt wird
Unwahrscheinlich/unlikely
• Zeitpunkt zwischen der Medikamenteneinnahme und Ereignis macht einen Zusammenhang unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich
• Krankheit oder andere Medikamente liefern mögliche Erklärungen zu dem Ereignis
Unklassifiziert/unclassified
Unklassifizierbar/unclassifiable
• Informationen sind unvollständig, können aber nachgereicht werden
• Informationen sind widersprüchlich oder unvollständig, können nicht vervollständigt werden

Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE)

Die vom National Cancer Institute (NCI) der USA entwickelten Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE) stellen das wohl am weitesten verbreitete Kodierungssystem für unerwünschte Ereignisse in der Onkologie dar. Seit November 2017 liegt die CTCAE-Liste als Version 5.0 vor, für Herbst 2022 ist eine aktualisierte Version 6.0 angekündigt: https://ctep.cancer.gov/protocolDevelopment/electronic_applications/ctc.htm#ctc_50 (NIH 2021a). Da von Zeit zu Zeit ggf. auch korrigierte Fassungen der CTCAE-Liste publiziert werden (erkennbar an Dezimalstelle und Korrekturdatum), wird dringend empfohlen, für Dokumentation und Kodierung in der Praxis jeweils die aktuelle Onlineversion zu benutzen, nicht zuletzt um auch deren elektronische Such- und Navigationshilfen optimal nutzen zu können. Bitte sehen Sie die aktuellste Version der CTCAE-Liste. Eine deutschsprachige Übersetzung der bis 2017 gültigen CTCAE Version 4.03 wird vom Krebsregister Baden-Württemberg bereitgestellt: https://www.krebsregister-bw.de/fileadmin/user_upload/CTCAE_4.03_deutsch_20190130_KLR.pdf; zugegriffen 24.05.2022.
Im Anschluss an eine übersetzte Beschreibung der allgemeinen Begrifflichkeit und Struktur der CTCAE-Liste sollen an ausgewählten Beispielen das Vorgehen und Konventionen bei der Auswahl von AE-Termen dargestellt werden.
Systemorganklasse (System Organ Class; SOC). Die CTCAE-Liste ist alphabetisch nach Systemorganklassen (SOC) gegliedert, der obersten Hierarchie in MedDRA (Medical Dictionary for Regulatory Activities), dem für die Kodierung von unerwünschten Ereignissen in Arzneimittelprüfungen entwickelten Kodierungssystem. Innerhalb jedes SOC-Abschnittes der CTCAE-Liste sind die CTCAE-Terms (s. unten) alphabetisch und mit Beschreibungen für Schweregrade gelistet.
Die nachfolgende Liste zeigt die SOC in alphabetischer Folge der englischen Begriffe (entspricht deren Abfolge in der CTCAE-Liste) und ihre jeweilige deutschen Übersetzung.
System Organ Class (SOC)
Systemorganklasse
Blood and lymphatic system disorders
Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems
Cardiac disorders
Herzerkrankungen
Congenital, familial and genetic disorders
Kongenitale, familiäre und genetische Erkrankungen
Ear and labyrinth disorders
Erkrankungen des Ohrs und des Labyrinths
Endocrine disorders
Endokrine Erkrankungen
Eye disorders
Augenerkrankungen
Gastrointestinal disorders
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
General disorders and administration site conditions
Allgemeine Erkrankungen und Beschwerden am Verabreichungsort
Hepatobiliary disorders
Affektionen der Leber und Gallenblase
Immune system disorders
Erkrankungen des Immunsystems
Infections and infestations
Infektionen und parasitäre Erkrankungen
Injury, poisoning and procedural complications
Verletzung, Vergiftung und durch Eingriffe bedingte Komplikationen
Investigations
Untersuchungen
Metabolism and nutrition disorders
Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen
Musculoskeletal and connective tissue disorders
Skelettmuskulatur-, Bindegewebs- und Knochenerkrankungen
Neoplasms benign, malignant and unspecified (incl. cysts and polyps)
Gutartige, bösartige und unspezifische Neubildungen (einschl. Zysten und Polypen)
Nervous system disorders
Erkrankungen des Nervensystems
Pregnancy, puerperium and perinatal conditions
Schwangerschaft, Wochenbett und perinatale Erkrankungen
Psychiatric disorders
Psychiatrische Erkrankungen
Renal and urinary disorders
Erkrankungen der Nieren und Harnwege
Reproductive system and breast disorders
Erkrankungen der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse
Respiratory, thoracic and mediastinal disorders
Erkrankungen der Atemwege, des Brustraums und Mediastinums
Skin and subcutaneous tissue disorders
Erkrankungen der Haut und des Unterhautzellgewebes
Social circumstances
Soziale Umstände
Surgical and medical procedures
Chirurgische und medizinische Eingriffe
Vascular disorders
Gefäßerkrankungen
Eine SOC stellt die höchste Ebene der MedDRA-Hierarchie dar, die den am weitesten gefassten Begriff zur Datenaggregation bereitstellt. SOC sind folgendermaßen gruppiert: nach Ätiologie (z. B. SOC Infektionen und parasitäre Erkrankungen), Manifestationsstelle (z. B. SOC Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts) oder Zweck (z. B. SOC Untersuchungen für Ergebnisse von Laborwertmessungen). Die Ausnahme in Bezug auf diese Kategorien bildet die SOC Soziale Umstände, die Informationen in Bezug auf eine Person enthält und nicht das unerwünschte Ereignis. Sie stellt eine Gruppierung für solche Faktoren bereit, die Einsicht bieten können bei persönlichen Fragen, die eine Auswirkung auf das berichtete Ergebnis haben könnten.
CTCAE Term. Die CTCAE-Liste bietet für jedes SOC eine Auswahl sogenannter CTCAE Terms an, die für eine standardisierte Dokumentation und wissenschaftliche Auswertung von UE/AE im Rahmen der Behandlung von Tumorpatienten verwendet werden sollte. Jeder vorgegebene CTCAE Term entspricht einem sogenannten „low level term“ (LLT) des MedDRA-Systems. Es ist jedoch zu beachten, dass die CTCAE-Liste z. B. den Begriff „Neutropenie“ nur im Zusammenhang mit „Febrile Neutropenie“ im SOC Blut/Lymphsystem vorsieht, während ein alleiniger Abfall der Neutrophilenzahl im Blut (ohne Fieber) per Konvention mit dem CTCAE Term „neutrophil count decreased“ im SOC Untersuchungen erfasst werden soll. Hierdurch soll vermieden werden, dass die tatsächliche Häufigkeit einer Veränderung durch Verteilung auf ähnliche/verwandte AE-Begriffe unterschätzt oder bei inkonsistentem Gebrauch zusätzlicher Begriffe durch dann erforderliche Worst-Case-Betrachtungen überschätzt wird.
Innerhalb jeder SOC bietet die CTCAE-Liste für ein UE/AE ohne einen zutreffenden vorgegebenen CTCAE Term die Möglichkeit zur freien Wahl eines UE/AE-Begriffs an. Auf diese Möglichkeit sollte jedoch erst zurückgegriffen werden, wenn auch nach Berücksichtigung von Navigational Notes (s. unten) kein geeigneter CTCAE Term gefunden wurde. Umgekehrt ist es nicht das Ziel der Navigational Notes, durch Dokumentation zusätzlicher „vertretbarer“ AE-Beschreibungen eine höhere Anzahl unabhängiger Ereignisse nahezulegen.
Grade (Schweregrad). Für jeden CTCAE Term gibt die CTCAE-Liste klinische Beschreibungen für Schweregrade von 1 bis 5 vor; dieselben Kriterien gelten auch für die Schweregrade der frei wählbaren AE-Begriffe:
  • Grad 1: asymptomatisch oder leichte Beschwerden; allein klinische oder diagnostische Beobachtungen; keine Intervention erforderlich
  • Grad 2: mäßig; minimale, lokale oder nichtinvasive Intervention erforderlich; Einschränkung altersentsprechender Aktivitäten des täglichen Lebens*)
  • Grad 3: schwer oder medizinisch relevant, aber nicht unmittelbar lebensbedrohlich; Hospitalisierung oder Verlängerung einer Hospitalisierung angezeigt; körperlich behindernd; Einschränkung bei der Selbstversorgung im Alltag**)
  • Grad 4: Lebensbedrohliche Konsequenzen; akute Intervention erforderlich.
  • Grad 5: Tod.
Ein Semikolon gibt im Sinne von „oder“ verschiedene Möglichkeiten der Beschreibung eines Schweregrades an.
Ein Strich bedeutet, dass der Schweregrad nicht verfügbar ist. Da für ein AE nicht unbedingt alle Grade zutreffen, können für verschiedene AE auch weniger als 5 Möglichkeiten für die Auswahl des Schweregrades gelistet sein. So ist Grad 5 (Tod) kein angemessener Schweregrad und steht dann nicht als Wahloption zur Verfügung.
Definitions. Eine kurze Definition zur Erläuterung der Bedeutung des AE-Begriffs. Ein einfacher Bindestrich zeigt das Fehlen einer Erläuterung an.
Navigational Notes (Navigationshinweise). Navigationshinweise sollen bei der Auswahl des korrekten AE-Begriffs helfen. Es können andere AE-Begriffe genannt werden, die zusätzlich oder anstatt des vorliegenden AE-Begriffs in Betracht gezogen werden sollten. Ein Strich zeigt an, dass für den vorliegenden Begriff kein Navigationshinweis definiert wurde.
Activities of Daily Living (ADL; Aktivitäten des alltäglichen Lebens)
* Mitwirkende Aktivitäten des alltäglichen Lebens beziehen sich z. B. auf Zubereitung von Mahlzeiten, Einkäufe von Lebensmitteln oder Bekleidung, Benutzung des Telefons sowie Umgang mit Geld.
** Aktivitäten zur Selbstversorgung im Alltag beziehen sich auf Baden/Waschen, Anziehen und Ausziehen, eigenständig essen können, Benutzung der Toilette, Einnahme von Arzneimitteln und nicht bettlägerig sein.
Veranschaulichung der CTCAE-Liste an ausgewählten CTCAE Terms
An 2 exemplarisch zusammengestellten CTCAE-v5.0-Ausschnitten aus den SOC Blut/Lymphsystem und Untersuchungen bzw. den SOC Herzerkrankungen und Untersuchungen lassen sich Erklärungen zur Struktur und zum Umgang mit der CTCAE-Liste veranschaulichen:
Die Kodierungshinweise für „Febrile Neutropenie“ findet man im SOC Blut/lymphatisches System (Tab. 2); die Schweregrade 1 und 2 sind nicht definiert. Falls eine febrile Neutropenie ursächlich für den Tod des Patienten verantwortlich gemacht wird, wird dies durch den Grad 5 kodiert. Dagegen sollen erniedrigte Werte für Neutrophile, Leukozyten, bzw. Thrombozyten im Rahmen einer zytotoxischen Behandlung nicht als „Neutropenie“, „Leukozytopenie“ bzw. „Thrombozytopenie“ dokumentiert werden, sondern als „<XX> decreased“ (erniedrigt) im SOC Untersuchungen. Für keine dieser Laborwertanomalien ist Grad 5, d. h. der Tod als primäre Folge der Laborwertveränderung, vorgesehen.
Tab. 2
Illustration der Kodierung und Klassifizierung hämatologischer Veränderungen nach CTCAE-V5.0
Blood and lymphatic system disorders
CTCAE Term
Grade 1
Grade 2
Grade 3
Grade 4
Grade 5
Anemia
Hemoglobin (Hgb) <LLN – 10.0 g/dL; <LLN – 6.2 mmol/L; <LLN
−100 g/L
Hgb <10.0 – 8.0 g/dL; <6.2 –
4.9 mmol/L; <100 – 80 g/L
Hgb <8.0 g/dL; <4.9 mmol/L;
<80 g/L; transfusion indicated
Life-threatening consequences; urgent intervention indicated
Death
Definition: A disorder characterized by a reduction in the amount of hemoglobin in 100 ml of blood. Signs and symptoms of anemia may include pallor of the skin and mucous membranes, shortness of breath, palpitations of the heart, soft systolic murmurs, lethargy, and fatigability.
Navigational Note: -
Febrile neutropenia
-
-
ANC <1000/mm3 with a single temperature of >38.3 degrees C (101 degrees F) or a sustained temperature of
>= 38 degrees C (100.4 degrees F) for more than one hour
Life-threatening consequences; urgent intervention indicated
Death
Definition: A disorder characterized by an ANC <1000/mm3 and a single temperature of >38.3 degrees C (101 degrees F) or a sustained temperature of >= 38 degrees C (100.4 degrees F) for more than one hour.
Navigational Note:
Investigations
CTCAE Term
Grade 1
Grade 2
Grade 3
Grade 4
Grade 5
Neutrophil count decreased
<LLN – 1500/mm3; <LLN – 1.5 × 10e9/L
<1500 – 1000/mm3; <1.5 – 1.0 × 10e9/L
<1000 – 500/mm3; <1.0 – 0.5 × 10e9/L
<500/mm3; <0.5 × 10e9/L
-
Definition: A finding based on laboratory test results that indicate a decrease in number of neutrophils in a blood specimen.
Navigational Note: –
Platelet count decreased
<LLN – 75,000/mm3; <LLN – 75.0 × 10e9/L
<75,000 – 50,000/mm3; <75.0 – 50.0 × 10e9/L
<50,000 – 25,000/mm3; <50.0 – 25.0 × 10e9/L
<25,000/mm3; <25.0 × 10e9/L
-
Definition: A finding based on laboratory test results that indicate a decrease in number of platelets in a blood specimen.
Navigational Note: –
White blood cell decreased
<LLN – 3000/mm3; <LLN – 3.0 × 10e9/L
<3000 – 2000/mm3; <3.0 – 2.0 × 10e9/L
<2000 – 1000/mm3; <2.0 – 1.0 × 10e9/L
<1000/mm3; <1.0 × 10e9/L
-
Definition: A finding based on laboratory test results that indicate an decrease in number of white blood cells in a blood specimen.
Navigational Note: –
Investigations – Other, specify
Asymptomatic or mild symptoms; clinical or diagnostic observations only; intervention not indicated
Moderate; minimal, local or noninvasive intervention indicated; limiting age-appropriate instrumental ADL
Severe or medically significant but not immediately life-threatening; hospitalization or prolongation of existing hospitalization indicated; limiting self care ADL
Life-threatening consequences; urgent intervention indicated
Death
LLN, lower limit of normal
Am Beispiel von „Heart Failure“ (Tab. 3) im SOC Herzerkrankungen („cardiac disorders“) lassen sich die Navigationshinweise und die für einzelne CTCAE Terms eingeschränkten Auswahloptionen besonders gut nachvollziehen. „Left ventricular dysfunction“ ist als klinische Diagnose dem SOC Herzerkrankungen zugeordnet, mit Wahlmöglichkeit von Grad 3 bis Grad 5. Dagegen ist für die Kodierung eines numerisch bestimmten Abfalls der linksventrikulären Auswurffunktion im SOC Untersuchungen („investigations“) auch ein Grad 2 vorgesehen, dafür kein Grad 5. Also wird auch hier für den Fall eines tödlichen Ausgangs die Dokumentation einer klinischen Diagnose und nicht nur einer Messwertveränderung erwartet.
Tab. 3
Illustration der Kodierung und Klassifizierung kardialen Pumpversagens nach CTCAE-V5.0
Cardiac disorders
CTCAE Term
Grade 1
Grade 2
Grade 3
Grade 4
Grade 5
Heart failure
Asymptomatic with laboratory (e.g., BNP [B- Natriuretic Peptide ]) or cardiac imaging abnormalities
Symptoms with moderate activity or exertion
Symptoms at rest or with minimal activity or exertion; hospitalization; new onset of symptoms
Life-threatening consequences; urgent intervention indicated (e. g., continuous IV therapy or mechanical hemodynamic support)
Death
Definition: A disorder characterized by the inability of the heart to pump blood at an adequate volume to meet tissue metabolic requirements, or, the ability to do so only at an elevation in the filling pressure.
Navigational Note: If left sided use Cardiac disorders: Left ventricular systolic dysfunction; also consider Cardiac disorders: Restrictive cardiomyopathy, Investigations:
Ejection fraction decreased.
Left ventricular systolic dysfunction
-
-
Symptomatic due to drop in ejection fraction responsive to intervention
Refractory or poorly controlled heart failure due to drop in ejection fraction; intervention such as ventricular assist device, intravenous vasopressor support, or heart transplant indicated
Death
Definition: A disorder characterized by failure of the left ventricle to produce adequate output.
Navigational Note: Also consider Investigations: Ejection fraction decreased.
Restrictive cardiomyopathy
Imaging findings only
Symptomatic without signs of heart failure
Symptomatic heart failure or other cardiac symptoms, responsive to intervention; new onset of symptoms
Refractory heart failure or other poorly controlled cardiac symptoms
Death
Definition: A disorder characterized by an inability of the ventricles to fill with blood because the myocardium (heart muscle) stiffens and loses its flexibility.
Navigational Note: –
Investigations
CTCAE Term
Grade 1
Grade 2
Grade 3
Grade 4
Grade 5
Ejection fraction decreased
-
Resting ejection fraction (EF) 50 – 40 %; 10–19 % drop from baseline
Resting ejection fraction (EF) 39 – 20 %; >=20 % drop from baseline
Resting ejection fraction (EF) <20 %
-
Definition: The percentage computed when the amount of blood ejected during a ventricular contraction of the heart is compared to the amount that was present prior to the contraction.
Navigational Note: Also consider Cardiac disorders: Left ventricular systolic dysfunction. Report Cardiac disorders: Left ventricular systolic dysfunction if same grade event.

PRO-CTCAETM (Patient-Reported Outcome-Version der CTCAE)

Da die Perspektive des Patienten bei der Bewertung unerwünschter Ereignisse zunehmend als wichtig angesehen wird (Basch et al. 2016), hat das National Cancer Institute (NCI) im Jahr 2011 den Kriterien zur Erfassung unerwünschter Ereignisse (CTCAE, Common Terminology Criteria for Adverse Events) eine Version mit den „patient-reported outcomes“ zur Seite gestellt (PRO-CTCAETM) (https://healthcaredelivery.cancer.gov/pro-ctcae/; NIH 2021b). Die Erfassung der Symptome und Nebenwirkungen mittels Patienten-Selbsturteil (PRO-CTCAE) sollte parallel zur CTCAE-Dokumentation durch Ärzte vorgenommen werden. Ein Vergleich von Arzt-Bewertung und Patienten-Selbsturteil anhand von 21 Studien hat eine teils erhebliche Variabilität in der Übereinstimmung beider Urteile gezeigt, sodass weitere Untersuchungen erforderlich sein sollten, um beide Bewertungssysteme optimal für die Verbesserung der Patientenversorgung nutzen zu können (Atkinson et al. 2016, 2020).
Für PRO-CTCAE gibt es eine sogenannte Baustein-Bibliothek mit 124 Bausteinen, die aus 78 mit Symptomen einhergehenden CTCAE Terms abgeleitet und in verschiedenen Sprachen validiert wurden (Hagelstein et al. 2016). Mithilfe einer speziellen Software kann hieraus ein auf die jeweilige Studie abgestimmter urheberrechtlich geschützter Frage-/Erhebungsbogen zusammengestellt werden; Abb. 1 zeigt ausgewählte Beispiele für die verschiedenen Frageattribute. Neben den vordefinierten Symptomen bietet der Erhebungsbogen die Möglichkeit zum Eintrag weiterer Symptombeschreibungen durch den Patienten. Es ist zu beachten, dass sich die Abfragen auf die letzten 7 Tage beziehen, unabhängig vom zeitlichen Abstand aufeinander folgender Erhebungen, um Unsicherheit bei der Erinnerung länger zurückliegender Beschwerden zu vermeiden.

Klassifikation chronischer Nebenwirkungen

Die systematische Erfassung langfristiger unerwünschter Therapiefolgen beschäftigte ursprünglich vor allem pädiatrische Onkologen. Mit verlängerten Überlebenszeiten nach adjuvanten Therapien und Behandlungen fortgeschrittener Tumorstadien gewann die Erfassung chronischer Nebenwirkungen aber auch bei Erwachsenen an Bedeutung. Neben sekundären Leukämien oder Neoplasien (Tumorinduktion) können auch bestimmte Organstörungen (somatische Störungen) nach Chemotherapie oder Radiotherapie verursacht werden. So sind nach Chemotherapie zeit- und dosisabhängig subakute und chronische Nebenwirkungen bekannt, z. B.:
  • Störungen des peripheren Nervensystems (z. B. Vincristin, Paclitaxel)
  • Lungenveränderungen (z. B. nach Bleomycin)
  • Renale und otogene Störungen (z. B. nach Cisplatin)
  • Herzmuskelschäden (z. B. nach Anthrazyklinen, Trastuzumab)
Nach Ganzkörperbestrahlung und Methotrexat im Kindesalter sind für das Gehirn intellektuelle Entwicklungsstörungen bekannt; nach Radiotherapie von Skelettanteilen können Kinder und Jugendliche Wachstumsstörungen entwickeln; nach Radiotherapie des Mantelfeldes beim Morbus Hodgkin oder der parasternalen Abflusswege beim Mammakarzinom wurden vermehrt Herzinfarkte beobachtet.
Die systematische Erfassung von unerwünschten chronischen Therapiefolgen erfolgt meist im Zusammenhang kombinierter Radio- und Chemotherapie, weshalb auch hierfür häufig die CTCAE-Liste für die Klassifikation und Gradierung verwendet wird; zur diagnostischen Anwendung und Bewertungskriterien nuklearmedizinischer Methoden siehe Kap. „Nuklearmedizinische Diagnostik in der Onkologie“. Für die Erfassung von Spätfolgen alleiniger Radiotherapien wird in der Radiologie traditionell auch die RTOG/EORTC-Klassifikation verwendet, die als Appendix IV der CTC-(v2.0-)Liste über im Internet über denselben Link wie CTCAE-v5.0 zugänglich ist (https://ctep.cancer.gov/protocolDevelopment/electronic_applications/ctc.htm#ctc_50).
Eine erweiterte interdisziplinäre Systematik zur Erfassung von Spätfolgen am Normalgewebe („late effects normal tissue“; LENT) unterscheidet 4 Schweregrade und Kategorien, die sogenannten SOMA-Kriterien. Die LENT-SOMA-Klassifikation berücksichtigt alle durch onkologische Maßnahmen ausgelösten Spätfolgen, auch solche, die von chirurgischen, chemo- oder radiotherapeutischen oder kombinierten Maßnahmen verursacht werden (Pavy et al. 1995; Rubin et al. 1995; Seegenschmiedt 1998).
Literatur
Atkinson TM, Ryan SJ, Bennett AV et al (2016) The association between clinician-based common terminology criteria for adverse events (CTCAE) and patient-reported outcomes (PRO): a systematic review. Support Care Cancer 24(8):3669–3676. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00520-016-3297-9. Epub 2016 Jun 3. ReviewCrossRefPubMedPubMedCentral
Atkinson TM, Dueck AC, Satele DV et al (2020) Clinician vs patient reporting of baseline and postbaseline symptoms for adverse event assessment in cancer clinical trials. JAMA Oncol 6(3):437–439. https://​doi.​org/​10.​1001/​jamaoncol.​2019.​5566CrossRefPubMed
Basch E, Rogak LJ, Dueck AC (2016) Methods for implementing and reporting patient-reported outcome (PRO) measures of symptomatic adverse events in cancer clinical trials. Clin Ther 38(4):821–830. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​clinthera.​2016.​03.​011. Epub 2016 Apr 2. PMID: 27045992; PMCID: PMC4851916CrossRefPubMedPubMedCentral
EU-Verordnung 536/2014. Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG Text von Bedeutung für den EWR
GCP-V-2012. GCP-Verordnung vom 09.08.2004 (BGBl. I S. 2081), die zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 19.10.2012 (BGBl. I S. 2192) geändert worden ist
Hagelstein V, Ortland I, Wilmer A, Mitchell SA, Jaehde U (2016) Validation of the German patient-reported outcomes version of the common terminology criteria for adverse events (PRO-CTCAE™). Ann Oncol 27(12):2294–2299CrossRef
NIH (2021a) Common terminology criteria for adverse events. https://​ctep.​cancer.​gov/​protocolDevelopm​ent/​electronic_​applications/​ctc.​htm#ctc_​50. Zugegriffen am 27.01.2021
NIH (2021b) Patient-reported outcomes version of the common terminology criteria for adverse events (PRO-CTCAE®). https://​healthcaredelive​ry.​cancer.​gov/​pro-ctcae/​. Zugegriffen am 27.01.2021
Pavy JJ, Denekamp J, Letschert J et al (1995) EORTC late effects working group. Late effects toxicity scoring: the SOMA scale. Radiother Oncol 35(1):11–15CrossRef
Rubin P, Constine LS 3rd, Fajardo LF et al (1995) EORTC late effects working group. Overview of late effects normal tissues (LENT) scoring system. Radiother Oncol 35(1):9–10CrossRef
Seegenschmiedt MH (1998) Nebenwirkungen in der Onkologie. Internationale Systematik und Dokumentation. Springer, Berlin/HeidelbergCrossRef