Nur bei wenigen Tumorerkrankungen ist die BT Bestandteil der Leitlinien zur stadiengerechten Therapie (z. B. Prostata- und
Zervixkarzinom). Weitere Indikationen bei anderen Tumorentitäten können als Konsensusentscheidung einer interdisziplinären Tumorkonferenz gestellt werden.
Prostatakarzinom
In den aktuellen S3-Leitlinien zur Behandlung des
Prostatakarzinoms (S3-Leitlinie, Oktober 2021, Version 6.2) wird die interstitielle
LDR-Monotherapie als primäre kurative Therapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risikoprofil (Prostata-spezifisches
Antigen [PSA] <10 ng/ml, ISUP-Grad 1 [Gleason-Summe 6], cT1c- bis cT2a-Tumor) empfohlen. Sie stellt eine Alternative zur
radikalen Prostatektomie und perkutanen Bestrahlung mit einem vergleichbaren biochemisch rezidivfreien und progressionsfreien Überleben dar bei deutlich reduzierter Komplikationsrate nach LDR-BT (D’Amico et al.
2003; Koukourakis et al.
2009; Kupelian et al.
2004; Sharkey et al.
2005). Bisher liegen Ergebnisse von zwei abgeschlossenen randomisiert kontrollierten Studien („randomized controlled trial“, RCT) vor, welche eine Vergleichbarkeit von LDR-BT und retropubischer bzw. Roboter-assistierter Prostatektomie hinsichtlich der PSA-Rezidivfreiheit bei Patienten mit niedrigem Risikoprofil zeigten (Giberti et al.
2009,
2017).
Für die LDR-BT kommen die
Isotope 125Jod,
131Cäsium und
103Palladium in Betracht, wobei die Verwendung von
125Jod am weitesten verbreitet ist (Blanchard et al.
2018).
Die transperineale Seed-Implantation erfolgt in Spinal- oder
Allgemeinanästhesie unter transrektaler Ultraschallkontrolle oder MRT-gestützt bei kleinen Tumoren (<7 cm
3) (Brun et al.
2018; Salembier et al.
2007). In der Nachsorge werden eine Postimplantationsdosimetrie nach 24 Stunden sowie eine Bildgebung zur Beurteilung des Tumoransprechens nach vier bis sechs Wochen empfohlen (S. Langley et al.
2012).
Abhängig von der Größe und Distribution des
Prostatakarzinoms kann eine
ultrafokale (Tumor und 2–5 mm Sicherheitsabstand),
fokale (ipsilateraler Drüsenlappen) oder
fokussierte BT (gesamte Prostata mit besonders hoher Dosisleistung im Zieltumor bei bilateralen Satellitenläsionen) durchgeführt werden. Gut geeignet für eine fokale BT sind unilaterale Tumoren ohne Kapseldurchbruch (T1c–T2) mit einem prostataspezifischen
Antigen (PSA) <10 ng/ml und einem Gleason-Score <7 (3+4).
Die ultrafokale LDR-BT mit
125Jod-Seeds ist eine effektive Behandlung des lokalisierten
Prostatakarzinoms mit langfristiger lokaler Tumorkontrolle (LTK) und geringer Toxizität (S. E. M. Langley et al.
2018). In einer prospektiven Studie (IDEAL 2a) mit einer selektiven kleinen Patientenkohorte (n = 17) mit Behandlungsempfehlung zur aktiven Überwachung waren Komplikationen vernachlässigbar, und Kontrollbiopsien nach einem Jahr zeigten keine Lokalrezidive (Graff et al.
2018).
Für lokalisierte
Prostatakarzinome mittleren und hohen Risikos ist die Datenlage für die LDR-Monotherapie weiterhin nicht eindeutig. Eine RCT bei Patienten nach hormonablativer Therapie und initialer perkutaner Bestrahlung zeigte eine längere PSA-Rezidivfreiheit bei Fortführung der Bestrahlung mit LDR-BT (86 %) anstelle einer perkutanen Bestrahlung (75 %), jedoch waren urogenitale Spätkomplikationen häufiger im LDR-BT-Arm (Morris et al.
2017; Rodda et al.
2017). In diesem Kontext ist außerdem die temporäre
HDR-BT über transperineale Applikatoren in Afterloading-Technik (19 Gy)
kombiniert mit perkutaner Strahlentherapie eine effektive Methode zur Dosiseskalation (Galalae et al.
2006; Hoskin et al.
2007; Martinez et al.
2005).
Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem
Prostatakarzinom (cT3) werden nach HDR-Boost PSA-rezidivfreie Überlebensraten von 65–84 % nach fünf Jahren beschrieben (Demanes et al.
2005; Hoskin et al.
2007). In der
Salvagetherapie kann die HDR-BT die Androgendeprivation hinauszögern und zeigte bei vorausgegangener Hormonbehandlung einen signifikanten Überlebensvorteil im Vergleich zu dosiseskalierter Teletherapie (Maenhout et al.
2017). Eine lokale Dosiserhöhung kann außerdem mit Radiosensitizern erreicht werden. Präklinisch werden Gold-Nanopartikel getestet, die gezielt durch externe Bestrahlung mit einer
169Ytterbium-/Erbium-Quelle angeregt werden (Khoo et al.
2017).
Zervixkarzinom
Die BT ist ein integraler Bestandteil des kurativen Therapiekonzepts in der
primären Radio(chemo)therapie des
Zervixkarzinoms (S3-Leitlinie, März 2021, Version 2.0). Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie sollte die Standardtherapie bis FIGO-Stadium IIb die primäre perkutane Bestrahlung des Primärtumors und der pelvinen und/oder paraaortalen Lymphknoten umfassen, gefolgt von einer intrakavitären BT. Bei Tumoren >4 cm (FIGO IB2) sollte simultan zur primären Bestrahlung eine Cisplatin-haltige Chemotherapie zur Reduktion der Lokalrezidiv- und Mortalitätsrate erfolgen (Green et al.
2005; Wang et al.
2011).
Als
Goldstandard für die BT gilt heutzutage die MRT-gestützte BT (Vargo und Beriwal
2014). Die volumetrische Strahlungsplanung und Bildgebung in Echtzeit ermöglichen eine individualisierte Platzierung der Strahlenquellen und bestmögliche Schonung der Risikoorgane (Charra-Brunaud et al.
2012; Dimopoulos et al.
2012; Manea et al.
2018).
Es stehen verschiedene Techniken (LDR, PDR, HDR) mit vergleichbarer Wirksamkeit zur Verfügung (R. Liu et al.
2014). Eine retrospektive Analyse einer großen (n = 731) multizentrischen
Datenbank (RetroEMBRACE) zeigte eine gute LTK von 91 % und 89 % und ein Gesamtüberleben von 74 % und 65 % drei und fünf Jahre nach Radiochemotherapie mit adjuvanter HDR- (58,7 %) oder PDR-BT (40,4 %). Tumoren ≤5 cm gingen mit einem signifikant besseren Gesamtüberleben einher als größere Tumoren (Sturdza et al.
2016).
Toxizitätsdaten aus der prospektiven multiinstitutionellen EMBRACE-Studie (n = 1176) mit bis zu fünf Jahren Nachbeobachtungszeit zeigen, dass schwerwiegende urogenitale Komplikationen nach BT-Boost insgesamt selten auftreten (Fokdal et al.
2018; Jensen et al.
2018; Mazeron et al.
2016). Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil der MRT-gestützten adaptiven BT werden derzeit in einer Folgestudie (EMBRACE II) unter Verwendung neuester Technik validiert (Potter et al.
2018).
Eine
adjuvante Radiochemotherapie wird bei Patientinnen mit histologisch gesicherten postoperativen Risikofaktoren empfohlen. Die BT kann in diesem Kontext intraoperativ mit in das Tumorbett eingesetzten Moulagen zur lokalen Dosisaufsättigung erfolgen (Giorda et al.
2011).
Oropharynxkarzinome
Die konservative kurativ intendierte primäre Behandlung der
Oropharynxkarzinome besteht aus einer Radio(chemo)therapie mit hyperfraktionierter oder akzelerierter perkutaner Bestrahlung (S3-Leitlinie, März 2021, Version 3.0). Es besteht keine Evidenz durch RCT, dass die BT im Vergleich zur perkutanen Bestrahlung bei Kopf-Hals-Karzinomen
zu einer Verbesserung der LTK oder des Gesamtüberlebens führt.
Patienten mit gut zugänglichen Frühkarzinomen der Mundhöhle (T1–2/N0/M0) können in ausgewählten Fällen dennoch mit einer
interstitiellen BT in Afterloading-Technik behandelt werden. Die Applikatoren werden unter Bildkontrolle durch das Weichgewebe oder submandibulär in die Zielregion implantiert. Hierbei ergibt sich die Evidenz für eine Indikation der BT aus Fallserien, die bei frühen Stadien eine LTK nach fünf Jahren von 52–97 % zeigen mit moderater dosisabhängiger Morbidität (Bansal et al.
2016; Hareyama et al.
1993; Leung et al.
2002; Pernot et al.
1995; Stannard et al.
2014). HDR-, PDR- und LDR-BT (65–75 Gy/Std) haben eine vergleichbare Wirksamkeit und Komplikationsrate (Haddad et al.
2014; Z. Liu et al.
2013). Behandelte Läsionen können ulzerierend abheilen; jedoch bilden sich die Ulzera meist innerhalb von zwei Monaten zurück.
Eine Boost-Bestrahlung ist möglich, erreicht aber keine bessere
Lebensqualität als die alleinige Teletherapie (Hammerlid et al.
1997). Bei resektablen Tumoren im fortgeschrittenen Stadium erlaubt die
perioperative BT eine komplikationsarme lokale Dosiseskalation zur Reduktion der Lokalrezidivrate (Morikawa et al.
2013; Teudt et al.
2014). Auch in der
Salvagetherapie rezidivierender
Kopf-Hals-Tumoren ist die BT in LDR- oder HDR-Technik zur LTK mit vergleichbar geringer Komplikationsrate möglich (Jiang et al.
2010; Ren et al.
2013; Zhu et al.
2013).
Mammakarzinom
Nach einer brusterhaltenden Operation (BEO) bei
Mammakarzinom ist eine adjuvante Bestrahlung der Brust zur Senkung der Lokalrezidivrate obligat (Fisher et al.
2002). Da die Rezidive häufig im ehemaligen Tumorbett auftreten, ist eine Radiatio der gesamten Brust im Vergleich zu einer Teilbrustbestrahlung i. d. R. nicht vorteilhaft (Polgar et al.
2007).
Langzeitergebnisse einer großen randomisierten Phase-III-Studie bei invasivem
Mammakarzinom zeigen eine verbesserte LTK nach
adjuvanter perkutaner Bestrahlung mit BT-Boost, jedoch keinen Gesamtüberlebensvorteil verglichen mit alleiniger Teletherapie (Bartelink et al.
2015). Die kombinierte adjuvante Bestrahlung nach BEO wurde daher in die Empfehlungen eines Expertenkonsensus übernommen (Empfehlungen Ago/DEGRO 2018).
Nach heutigem Kenntnisstand scheint für eine gut selektierte Patientengruppe mit niedrigem Risikoprofil die BT auch als alleinige adjuvante Bestrahlungsmethode vorteilhaft zu sein (Shah et al.
2016). Diese kann auch intraoperativ appliziert werden. Die
interstitielle unfraktionierte HDR-BT in Afterloading-Technik (18 Gy) bei 20 Patienten mit überwiegend invasivem
Mammakarzinom zeigte gute kosmetische Ergebnisse und 100 % LTK und Gesamtüberleben nach zwei Jahren. Innerhalb dieser Nachbeobachtungszeit wurden keine schwerwiegenden Komplikationen beobachtet (Latorre et al.
2018). Ähnlich gute kurzfristige Resultate erbrachte die adjuvante Behandlung von 40 Patienten mit
fraktionierter nichtinvasiver HDR-Teilbestrahlung (28,5 Gy) mit einer extern aufgebrachten Iridium-Quelle (Hepel et al.
2018).
Eine neuere Methode zur Bestrahlung des
Mammakarzinoms ist die
elektronische BT. Hierbei wird intraoperativ ein aufblasbarer Ballonapplikator in das resezierte Tumorbett eingelegt. Über diesen werden direkt oder über mehrere Tage künstlich erzeugte Röntgenstrahlen (50 kV) appliziert. Nachteil dieser Methode ist die starre kugelförmige Bestrahlungszone, die zu unerwünschter Strahlenexposition von Lunge, Rippen oder Haut führen kann (Kovács et al.
2017).
Kutane Malignome
In der Behandlung nicht-melanotischer Hauttumoren wird die BT insbesondere bei Läsionen in Betracht gezogen, deren Resektion aufgrund ihrer Größe oder einer ungünstigen Lokalisation (z. B. nahe kritischer Organe oder an anatomischen Kurven wie periorbital oder thorakal) schwere funktionelle oder kosmetische Folgen hätte. Typische Applikationsformen sind die
Oberflächenapplikation und die
interstitielle BT von Tumoren mit einem Tiefendurchmesser >5 mm (Guinot et al.
2018).
Eine
Metaanalyse (Skin CanceR Brachytherapy vs External beam radiation therapy, SCRiBE) zeigte vergleichbare lokale Tumorkontrollraten von >93 % nach einem Jahr nach BT und externer Bestrahlung als
Monotherapie bei lokalisiertem Basalzell- und Plattenepithelkarzinom (T1–2/N0) bei jedoch besseren kosmetischen Ergebnissen nach BT (Zaorsky et al.
2018). Lokale Nebenwirkungen sind Narbenbildung sowie Haut- oder Fettgewebsnekrosen, die symptomatisch verlaufen können.
Bei fortgeschrittenen Tumoren (T3–4 oder Tx/N1) kann eine Indikation zur
externen Bestrahlung von Primarius und Lymphknoten
mit BT-Boost gestellt oder eine alleinige BT als palliative oder Salvagetherapie durchgeführt werden. Wie beim
Mammakarzinom ist auch bei kutanen Malignomen eine
elektronische BT über Oberflächenapplikatoren möglich.
Maligne Lebertumoren
Die Evidenz zur BT primärer und sekundärer Lebermalignome ergibt sich aus Fallserien. Verwendet wird die CT- oder MRT-gestützte Katheterplatzierung und HDR-Bestrahlung in Afterloading-Technik mit dem Ziel der Tumorelimination oder Reduktion der Tumorlast. Die BT bietet hierbei die Möglichkeit einer wiederholten Bestrahlung von Läsionen, die in der ersten Sitzung nicht mit ausreichender Dosis behandelt werden konnten. Die durchschnittliche Bestrahlungsdauer beträgt 10–40 Minuten in Abhängigkeit vom Zielvolumen.
Gegenüber thermischen Ablationsverfahren hat die BT den Vorteil, dass thermosensible benachbarte Strukturen (z. B. Gallengänge oder Gefäße) nicht in dem Maße geschädigt werden und der Behandlungseffekt nicht durch den „Heat-Sink-Effekt“ großer Gefäße beeinflusst wird.
Durch den steilen Dosisabfall um den Zielbereich ermöglicht die BT eine selektive Hochdosisbestrahlung des Tumors bei gleichzeitiger Schonung des umgebenden Parenchyms. Daher können auch größere und hilusnahe Läsionen sowie portalvenös infiltrierende Tumoren komplikationsarm mit dieser Methode behandelt werden (Collettini et al.
2013; Galandi und Antes
2002; Ricke et al.
2004b,
2005b).
In der Regel wird eine tumorumschließende Dosis von 15–20 Gy angestrebt (Tab.
2).
Tab. 2
Organbezogene Dosisgrenzwerte für umgebende Organe bei der einzeitigen HDR-Brachytherapie der Leber in der Charité, Berlin (Bretschneider et al.
2016)
Dünndarm | 12 Gy | 15 Gy |
Dickdarm (Kolon) | 12 Gy | 15 Gy |
Magen | 12 Gy | 15 Gy |
Speiseröhre | 15 Gy | 18 Gy |
Spinalkanal | 10 Gy | 12 Gy |
Leberhilus | 18 Gy | 20 Gy |
Hautoberfläche | 10 Gy | |
Komplikationen der interstitiellen BT umfassen Nachblutung, „radiation-induced liver disease“ (RILD), gastroduodenale Ulzera und lokale Infektionen. Diese traten in einer retrospektiven Analyse von 192 Patienten mit 343 Interventionen nach <5 % der Behandlungen auf (Mohnike et al.
2016).
Hepatozelluläres Karzinom
Prospektive und retrospektive Studien zeigten gute lokale Tumorkontrollraten von 93,3–96,1 % und eine Verlängerung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens nach
CT-gestützter HDR-BT (Collettini et al.
2015; Mohnike et al.
2010; Ricke et al.
2004a). Es werden Überlebensraten von 80 %, 62 % und 46 % ein, zwei und drei Jahre nach BT bei hepatozellulärem Karzinom (HCC) berichtetet (Collettini et al.
2015). Auch bei großen (>5 cm) und sehr großen (>7 cm) HCC konnte die HDR-BT komplikationsarm zur LTK angewendet werden (Collettini et al.
2012c). Darüber hinaus kann bei hypervaskularisierten Tumoren die HDR-BT auch in Kombination mit einer vorgeschalteten TACE angewendet werden.
In einer retrospektiven Analyse bei HCC mit einer durchschnittlichen Tumorgröße von >5 cm erzielte die Kombinationstherapie einen günstigen Effekt auf das mediane Gesamtüberleben in Abhängigkeit vom Krankheitsstadium (frühes HCC 32,3 Monate; intermediäres HCC 36,9 Monate; fortgeschrittenes HCC 17,7 Monate) und eine gute lokale Tumorkontrolle (Schnapauff et al.
2019). Eine weitere Studie untersuchte HDR-BT als
Bridging zur Lebertransplantation und zeigte vergleichbare klinische Ergebnisse wie nach transarterieller Chemoembolisation bei histologisch besserem Therapieansprechen nach BT (Denecke et al.
2015).
Cholangiokarzinom
Intrahepatische Cholangiokarzinome (ICC) sind häufig lange Zeit asymptomatisch und zum Zeitpunkt der Diagnose daher bereits fortgeschritten und nicht mehr resektabel. Bei kleinen inoperablen Tumoren kann eine
interstitielle BT als aggressive
kurative Monotherapie oder zur
Salvagetherapie erfolgen (Schnapauff et al.
2012). Währenddessen kommt bei lokal weiter fortgeschrittenen Karzinomen die BT vorwiegend als
Boost einer externen Bestrahlung zur Anwendung. Der Vorteil der adjuvanten BT gegenüber alleiniger perkutaner Bestrahlung ist jedoch umstritten (Boothe et al.
2016; Labib et al.
2017; Valek et al.
2007).
Bei inoperablen
extrahepatischen Cholangiokarzinomen (ECC) kann die BT-Quelle endoskopisch oder über die perkutane Gallengangdrainage in das Gallenganglumen eingeführt werden. Die
intraluminale BT wird
adjuvant nach nicht-radikaler Resektion oder
palliativ zur Offenhaltung des Galleabflusses insbesondere bei Klatskin-Tumoren eingesetzt (Crocetti et al.
2010).
Lebermetastasen
Mehr als die Hälfte aller Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom weisen
Lebermetastasen auf (Siegel et al.
2017). Bisherige Daten von 80 Patienten mit 179
kolorektalen Lebermetastasen (CRLM) zeigen 87 % LTK nach sechs Monaten und ein medianes Gesamtüberleben von 18 Monaten nach einzeitiger
CT-gestützter interstitieller HDR-BT (Collettini et al.
2014). Das schlechtere Ansprechen im Vergleich zu HCC kann auf den tendenziell aggressiveren und strahlenresistenten Charakter der von einem kolorektalen Karzinom ausgehenden Krebszellen zurückgeführt werden (Collettini et al.
2015).
In einer prospektiven Phase-II-Studie erreichte eine wiederholte BT zur Behandlung von CRLM in Kombination mit systemischer Chemotherapie den größten Überlebensvorteil. Die initial als Dosiseskalationsstudie geplante Analyse zeigte trotz zahlreicher Crossover der Patienten eine starke Dosisabhängigkeit der Tumorantwort auf Therapie (Ricke et al.
2010). Eine aktuelle prospektive, Single-Arm-Studie untersuchte für CRLM >3 cm die Kombination aus einer Chemoembolisation mit Irinotecan-Beads und CT-gesteuerter HDR-BT und zeigte ein akzeptables Tumoransprechen (mediane LTK 6 Monate) und ein niedriges Toxizitätsprofil (Collettini et al.
2020).
Auch für die Behandlung von
Lebermetastasen eines Mammakarzinoms zeigten eine retrospektive und eine Phase-II-Studie jeweils eine sehr gute LTK von 96,5 und 97,4 % ein Jahr nach HDR-BT (Collettini et al.
2012a; Wieners et al.
2011). Wiederholte Bestrahlungen bei Lokalrezidiven sind komplikationsarm möglich (Ruhl et al.
2010). In retrospektiven Fallserien wurden darüber hinaus ähnliche Erfolgsraten für die CT-gestützte HDR-BT
hepatischer Metastasen bei malignem Melanom, Nierenzell-, Magen-, Pankreas- und Ösophagusadenokarzinom berichtet (Bretschneider et al.
2015; Geisel et al.
2013,
2012; Wieners et al.
2015).
Pulmonale Malignome
In den aktuellen S3-Leitlinien werden nur schwache Empfehlungen für den Einsatz der BT bei
Lungenkarzinom ausgesprochen (S3-Leitlinie, Februar 2018, Version 1.0). Die Indikation sollte daher im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz für jeden Patienten individuell diskutiert werden.
Ähnlich wie bei Lebertumoren stehen für inoperable
intraparenchymale Lungentumoren verschiedene minimalinvasive Therapien zur Verfügung wie
stereotaktische Bestrahlung und thermische Ablation. Berichte über eine sehr gute LTK >95 % beziehen sich jedoch zumeist auf periphere Tumoren mit einer Größe von 3,5–5 cm (Dupuy
2011; Egashira et al.
2016; Timmerman et al.
2010; Vahdat et al.
2010). Die
CT-gestützte interstitielle HDR-BT hingegen kann auch bei zentralgelegenen und größeren Tumoren (>5 cm) komplikationsarm angewendet werden mit ähnlichen Dosen wie bei Lebertumoren. Für primäre und sekundäre Lungenmalignome mit einem Durchmesser bis 11 cm wurden LTK von 91–93,7 % nach einem Jahr gezeigt. Ein therapiebedürftiger
Pneumothorax trat bei 2–14 % der Patienten auf (Collettini et al.
2012b; Peters et al.
2008).
Eine
Metaanalyse ermittelte für fortgeschrittene Bronchialkarzinome ein signifikant verbessertes 1-Jahres-Überleben nach
adjuvanter 125Jod-BT in LDR-Technik im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie. Die zusätzliche BT erhöhte lediglich das Pneumothoraxrisiko bei sonst ähnlicher Morbidität (Qiu et al.
2017).
Neben der Behandlung intraparenchymaler Läsionen mit interstitieller BT konnte in RCT die Effektivität der
endobronchialen BT in der
palliativen Therapie des
stenosierend wachsenden Lungenkarzinoms nachgewiesen werden (Chella et al.
2000; Dagnault et al.
2010). Ansprechraten variieren stark hinsichtlich der Symptombesserung bei Dyspnoe von 24–88 %, bei
Hämoptoe von 69–100 % und bei Schmerzen von 43–88 % (Ung et al.
2006).
Im Einzelfall kann bei einem früh bronchoskopisch nachgewiesenen Karzinom die
intraluminale HDR-BT (5–10 Gy) als
kurative Monotherapie indiziert sein. Risiken sind Fisteln und Blutungen (Vergnon et al.
2006).
Weitere Tumorentitäten
Der Anwendungsbereich bildgestützter BT ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Weitere Tumorentitäten, die relativ komplikationsarm behandelt werden können, sind das
frühe Analkarzinom, das Blasenkarzinom, Weichteilsarkome und okuläre Tumoren. Die Anwendung von LDR-Seeds bei
Hirntumoren stellt eine Alternative zur
stereotaktischen Bestrahlung dar. Sie kann risikoarm wiederholt und von einer externen Radiatio begleitet werden. Eine prospektive Studie in 20 Patienten mit
Ösophaguskarzinom zeigte ein komplettes Tumoransprechen von 80 % und moderate Komplikationsraten nach intraluminaler BT bis 10 Gy in Kombination mit platinhaltiger Chemotherapie und externer Bestrahlung (Nag et al.
2018).