Primärdiagnostik
Raumforderungen im Bereich der Bauchspeicheldrüse stellen eine hohe diagnostische, aber auch therapeutische Herausforderung dar. Ein generelles
Screening auf
Pankreaskarzinom durch die zur Verfügung stehenden Methoden (MRT/MRCP [Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie], CT und EUS) wird nicht empfohlen. Die
ERCP (
endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie) in der Primärdiagnostik wurde durch die Schnittbildgebung inklusive MRCP und EUS abgelöst. Abklärungsbedürftige Beschwerden beinhalten neu aufgetretene Oberbauch- und Rückenschmerzen, schmerzloser
Ikterus, eine
akute Pankreatitis unklarer Ätiologie sowie ein neu aufgetretener
Diabetes mellitus Typ 2 mit Begleitbeschwerden.
Bei resektablen und soliden malignomsuspekten Pankreasraumforderungen ist die primäre Operation indiziert. Auf eine präoperative EUS-gesteuerte Biopsie kann bei suspektem Befund und der eingeschränkten Genauigkeit dieser Biopsie (50–70 %) in der Regel verzichtet werden.
Die häufigsten soliden Raumforderungen des Pankreas sind Adenokarzinome (90 %) und neuroendokrine Neoplasien (5 %), seltener
Azinuszellkarzinome, Metastasen,
Lymphome und solide imponierende Läsionen im Rahmen einer
Autoimmunpankreatitis. Dazu kommen die zystischen Pankreasneoplasien, die in nicht neoplastische und neoplastische Läsionen untergliedert werden können (Tab.
4).
Tab. 4
Zystische Pankreasneoplasien und deren Charakteristika
Alter (Jahre) | 20–30 | 60–70 | 40–50 | 60–70 | 60–70 |
Geschlecht (M:F) | 15:85 | 40:60 | 5:95 | 40:60 | 70:30 |
Größe (Durschnitt in cm) | 7 | 6 | 10 | 5 |
Ganganschluss | Nein | Nein | Nein | Immer | Immer |
Lokalisation | Überall | 60 % Korpus/Schwanz | 95 % Korpus/Schwanz | Überall | Eher Caput |
Symptome | Selten | Selten | Häufig | Intermediär | Häufig |
Multifokalität | Nein | Nein | Nein | Ja | Ja |
Malignität | Selten (<10 %) | Selten (<5 %) | Häufig (>70 %) | Häufig |
Besonderheiten | Junge Frauen | Oligomikrozystisch | Ovarähnliches Stroma | Risikofaktoren Histologischer Subtyp | Hoch malignes Potenzial |
Amylase/Lipase | – | Normwertig | Normwertig | Erhöht |
CEA | – | Normwertig | Erhöht | Erhöht |
Mucin | – | Nein | Ja | Ja |
Viskosität | – | Gering | Hoch | Hoch |
Management | Resektion | Überwachung, Ausnahme Progress, Symptome | Resektion | Abhängig von Risikofaktoren und Größe | Resektion |
Je nach Studie und diagnostischer Modalität variieren die
Prävalenzen zystischer Veränderungen von 3–20 %, die in der Regel Zufallsbefunde darstellen. Eine aktuelle populationsbasierte Longitudinalstudie von Kromrey untersuchte Patienten über fast 6 Jahre mittels MRT/MRCP. Ein Einschlusskriterium waren zystische Läsionen über 2 mm. Durchschnittlich zeigten sich 3,9 Zysten mit einer Größenvarianz von 3–29 mm. Eine erneute Kontrolle nach 5 Jahren zeigte in 57,1 % der Fälle eine Größenzunahme der Zysten und zusätzlich in 12,9 % der Probanden neue Zysten. Diese Studie unterstreicht die Bedeutung einer adäquaten Risikostratifizierung für Patienten mit präneoplastischen Läsionen, die entweder engmaschig kontrolliert oder chirurgisch therapiert werden sollten, im Vergleich zu Patienten mit zystischen Läsionen, die keine Gefährdung darstellen.
Die „International Consensus Guidelines“ (ICG) haben für intraduktale papillär-muzinöse Neoplasien des Seitengangs (BD-IPMN) Risikofaktoren und Hochrisikostigmata definiert. Bei Vorliegen dieser besteht eine relative bzw. absolute Indikation zur Resektion (Tab.
5).
Tab 5
Resektion von intraduktalen papillär-muzinösen Neoplasien (IPMN): absolute und relative Indikationen (Europ. Leitlinie
2018)
Zytologie mit Malignität/„High-grade“-Dysplasie | Wachstumsrate ≥5 mm pro Jahr |
Solide Anteile | Serum-CA19.9 erhöht |
| Hauptgangdilatation 5–10 mm |
Hauptgangdilatation ≥10 mm | Durchmesser ≥40 mm |
Progrediente murale Knötchen ≥5 mm | |
| Progrediente murale Knötchen <5 mm |
Studien zum Spontanverlauf bei Patienten mit IPMN und Risikofaktoren/Hochrisikostigmata zeigten ein medianes Überleben von 81 % nach 5 Jahren (Seitengang-IPMN 86 %, Hauptgang-IPMN 74 %). Während Patienten mit Risikofaktoren bei IPMN ein sehr gutes krankheitsfreies Überleben von 96 % nach 5 Jahren präsentierten, waren die Hochrisikostigmata mit einer 40 %igen Mortalität assoziiert. Liegen hingegen Seitengang-IPMN ohne Risikofaktoren/Hochrisikostigmata vor, ist ein langfristiges nicht operatives Management sicher. Es sollte aber auch nach 5 Jahren weiterverfolgt werden, da im Verlauf noch 20 % der Patienten Risikofaktoren/Hochrisikostigmata ausbilden können.
Diese Erkenntnisse werden unterstützt durch eine Arbeit von Pergolini. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von fast 8 Jahren (21 % sogar über 10 Jahre) zeigte sich ein malignes Entartungsrisiko von 8 %. Bei Seitengang-IPMN <1,5 cm Größe war das Risiko allerdings deutlich geringer (0,9 %). Zusätzlich besteht durch den Einsatz der EUS mit Feinnadelpunktion die Möglichkeit einer laborchemischen und zytologischen Beurteilung der Zystenflüssigkeit. Damit kann eine Unterscheidung zwischen serösen und muzinösen Zysten sowie Zysten mit „High-grade“-Dysplasien erreicht werden.
Zusammenfassend gibt die aktuelle europäische Leitlinie für zystische Neoplasien folgende Empfehlungen ab:
-
EUS als Ergänzung zum CT/MRT-MRCP empfohlen vor chirurgischer Resektion und bei diskrepanten Befunden
-
EUS alleine kann nicht immer sicher zwischen den verschiedenen zystischen Neoplasien differenzieren
-
Einsatz der EUS-FNA bei unklaren Situationen, die das therapeutische Management beeinflussen (obligat CEA, Lipase,
Zytologie)
Eine weitere Gruppe von Personen (3–5 % aller
Pankreaskarzinome) mit erhöhtem Risiko für ein Pankreaskarzinom sind Individuen mit genetischen Prädispositionen (Mutationsträger z. B. in CDKN2A,
BRCA1/2, PALB2, STK11) sowie Personen mit familiärer Belastung. Das Risiko für ein Pankreaskarzinom variiert je nach genetischem Defekt (5–36 %) und steigt mit Zunahme der Erkrankungshäufigkeit in der Familie von 8 % auf 30 %, abhängig davon, ob 2 oder 3 Verwandte ersten Grades erkrankt sind. Der kombinierte Einsatz von MRT/MRCP und EUS zielt darauf ab, dass Vorläuferläsionen und Pankreasfrühkarzinome festgestellt und chirurgisch behandelt werden. Zwei aktuelle Studien von Hochrisikopatienten mit oder ohne CDKN2A-Mutation unterstützen den Nutzen einer strukturierten Überwachung, wenngleich ein Überlebensvorteil durch ein solches Screening-Programm bislang nicht gezeigt ist.