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Endoskopische Therapie gastroenterologischer Tumoren

Verfasst von: Jonas Rosendahl und Patrick Michl
Bei der Therapie gastroenterologischer Tumoren ist in einigen Fällen eine kurative endoskopische Therapie möglich. Für die palliative Versorgung von Patienten hat die Endoskopie einen gesicherten Stellenwert. Wichtig für die optimale Betreuung der Patienten ist eine Vorstellung in Zentren mit entsprechender Expertise. Die Therapie von Frühkarzinomen umfasst die endoskopische Resektion und Radiofrequenzablation. In der palliativen Situation kann eine Stentversorgung erfolgen, wobei hier je nach Lokalisation und Prognose des Patienten Plastik- oder Metallstents eingelegt werden können. Neue endoskopische Verfahren (z. B. Vollwandresektion) zur Versorgung von Tumoren sind bereits etabliert, wohingegen bei anderen Verfahren (z. B. endosonografische Entlastung der Gallenwege in den Magen) noch Langzeitergebnisse ausstehen.

Einleitung

Die Endoskopie hat einen gesicherten Stellenwert in der kurativen und palliativen Therapie von Tumoren des Gastrointestinaltrakts. Endoskopische Verfahren haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt, sodass zahlreiche neue Therapieoptionen zur Verfügung stehen. An der Schnittstelle zwischen Gastroenterologie und Viszeralchirurgie gilt grundsätzlich, dass alle Fälle vorab interdisziplinär besprochen werden sollten, um die geeignete Therapie für den individuellen Patienten zu erreichen.

Oberer Gastrointestinaltrakt

Ösophagus

Barrett Ösophagus

Die Therapie des Barrett-Ösophagus soll in Zentren mit entsprechender Expertise durchgeführt werden, sobald Dysplasien oder endoskopisch erkennbare morphologische Veränderungen vorliegen. Expertise ist definiert unter anderem durch mehr als 10 endoskopische Therapien bei hochgradigen Dysplasien oder Frühkarzinomen pro Jahr bei neu vorgestellten Patienten. Abhängig vom Grad der Dysplasie kann eine endoskopische Abtragung (z. B. endoskopische Mukosadissektion), Radiofrequenzablation (RFA) oder eine chirurgische Versorgung erfolgen (Weusten et al. 2017).
Der Barrett-Ösophagus sollte bei Nachweis von Dysplasien in Expertenzentren versorgt werden.

Ösophaguskarzinom

In der palliativen Therapie des Ösophaguskarzinoms kann bei Dysphagie durch lumenwirksame Stenosierung als auch bei ösophagobronchialen (-trachealen) Fisteln ein Metallstent (vollständig oder teilweise ummantelt) eingelegt werden. Für die Auswahl des Metallstents kann keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden. Daher sollte die Metallstentversorgung in Expertenzentren erfolgen.
Die Einlage eines Stents bei gleichzeitiger Radio(chemo)therapie oder die Einlage eines Stents zur Überbrückung der Zeit bis zu einer Operation werden aufgrund der möglichen Komplikationen nicht empfohlen. Ebenso wird eine therapeutische Bougierung bei Dysphagie nicht empfohlen, da kein langfristiger Effekt zu erzielen und das Risiko von Komplikationen hoch ist. Die Anlage einer perkutanen Gastrostomie (PEG) zur Ernährung sollte nur bei Einzelfällen nach interdisziplinärer Fallbesprechung erfolgen. Als Einzelfallentscheidung ist die Einlage eines Ösophagusstents bei simultaner Radio(chemo)therapie möglich (Denzer et al. 2015; Spaander et al. 2016).
In der Palliation ist die Einlage eines Ösophagusstents bei Dysphagie empfohlen.

Magen

Für die Therapie eines fortgeschrittenen Magenkarzinoms gibt es keine endoskopischen Interventionsmöglichkeiten. Tumorblutungen können endoskopisch versorgt werden, so lange sie nicht diffus sind. Diffuse Blutungen können überbrückend mit lokal applizierbaren Sprays oder Gels versorgt werden. Eine langfristige Blutstillung kann aber nur in seltenen Fällen durch diese Therapie erreicht werden.
Oberflächliche neoplastische Läsionen des Magens, bei denen das Risiko einer Lymphknotenmetastasierung gering ist, sollten endoskopisch abgetragen werden. Hierzu zählen:
  • Nichtinvasive Neoplasien (unabhängig von der Größe)
  • Intramukosale differenzierte Adenokarzinome unter 3 cm
  • Schlecht differenzierte Adenokarzinome unter 2 cm
  • Der differenzierte Typ des Adenokarzinoms mit oberflächlicher submukosaler Invasion unter 500 μm (sm1) und einer Größe von unter 3 cm
Wenn eine endoskopische Abtragung durchgeführt wird, sollte eine endoskopische Submukosadissektion (ESD) erfolgen. Die ESD ist der endoskopischen Mukosaresektion (EMR) hinsichtlich der Rate an En-bloc-Resektionen, histologisch vollständiger Resektion und der Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs überlegen. Bezüglich des Gesamtüberlebens sind beide Verfahren jedoch gleichwertig. Ob die ESD (wenn technisch und bei entsprechendem Tumorstadium möglich) günstiger ist als eine chirurgische Resektion, kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Hier fehlen entsprechende Studien, die insbesondere die laparoskopisch durchgeführte Gastrektomie mit der ESD vergleichen.
Folgende Empfehlungen bestehen entsprechend der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (Pimentel-Nunes et al. 2015):
  • Eine R0-en-bloc-Resektion von dysplastischen Läsionen oder eines Adenokarzinoms vom intestinalen Typ (ohne Ulzeration, ohne lymphovaskuläre Infiltration) gilt als kurativ
  • Eine R0-en-bloc-Resektion eines ulzerierten intramukosalen Adenokarzinoms vom intestinalen Typ kleiner als 30 mm oder eines submukosalen Adenkarzinoms von weniger als 30 mm (beschränkt auf die oberen 500 μm der Submukosa (sm1) gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit als kurativ
  • Eine R0-en-bloc-Resektion eines schlecht differenzierten, nicht ulzerierten intramukosalen Tumors von kleiner als 20 mm ist in den meisten Fällen kurativ; beim diffusen Typ sollte eine Gastrektomie diskutiert werden (zwingend Fallvorstellung im Tumorboard)
  • Bei lymphovaskulärer Infiltration, Ausdehnung von mehr als 500 μm in der Submukosa und bei ulzerierten Tumoren von mehr als 30 mm Größe wird ein chirurgisches Vorgehen empfohlen
Endoskopisch resektable Läsionen im Magen sollten nach interdisziplinärer Besprechung in Zentren mit entsprechender Expertise mittels ESD versorgt werden.

Duodenum

Läsionen des Duodenums sollten mit einer Schlingen- oder Zangenabtragung versorgt werden. Die ESD hat hier keinen Stellenwert. Bei Nachweis von Malignität muss ein chirurgisches Vorgehen erfolgen. In allen anderen Konstellationen muss eine individuelle Überwachungsstrategie festgelegt werden (Pimentel-Nunes et al. 2015). Der Stellenwert der Vollwandresektion kann ebenso wie im Magen noch nicht definiert werden.
Liegen maligne Duodenalstenosen vor, kann die Einlage eines ummantelten Stents erfolgen. Alternativ können chirurgische Verfahren wie z. B. eine Gastroenterostomie eingesetzt werden, wobei sich hier der therapeutische Erfolg nicht unmittelbar einstellt. Dementsprechend bleibt die Entscheidung zur Wahl des Verfahrens individuell und interdisziplinär.

Gallenwege

ERCP und PTCD

Bei der Therapie von Tumoren des pankreatikobiliären Systems haben die Verfahren der endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikografie (ERCP) und der perkutanen transhepatischen Cholangiodrainage (PTCD) ihren gesicherten Stellenwert. Bei Tumorentitäten wie dem Pankreaskarzinom kann eine Stenteinlage vor einer geplanten Resektion erfolgen, wenn diese nicht zeitnah (innerhalb von 2 Wochen) möglich ist. Hier sind vollständig ummantelte Metallstents den Plastikstents hinsichtlich der Komplikationsrate bei der nachfolgenden Operation überlegen.
Bei irresektablen malignen Gallengangstenosen (isoliert im Ductus hepaticus communis) sollte bei einer Lebenserwartung von mehr als vier Monaten ein Metallstent eingelegt werden. Liegen cholangiozelluläre Karzinome mit Einbeziehung des Hilus vor, sollte nach Durchführung einer adäquaten Bildgebung interdisziplinär mit einem erfahrenen Leberchirurgen die Resektabilität diskutiert werden. Liegt eine palliative Situation vor, erfolgt bei malignen Prozessen unter Einbeziehung des Hilus die palliative Versorgung meist durch Plastikstents. Diese sollten die durch die Stenosen betroffenen Gallenwege entlasten, wobei eine gleichzeitige Drainage von mehr als drei Lebersegmenten technisch schwierig ist, wenn keine Kommunikation zwischen diesen besteht. Gelingt die Sondierung der Gallenwege nicht mittels ERCP, kann über eine PTCD eine Drainage gelegt werden (Dumonceau et al. 2012).
Bei der Therapie von malignen Gallengangstenosen wird zunächst eine ERCP durchgeführt. Bei fehlendem Erfolg können andere Verfahren, z. B. die PTCD, eingesetzt werden.

Endsonografische Drainage der Gallenwege

Neuere Verfahren, bei denen endosonografisch z. B. ein Gallengang im linken Leberlappen punktiert und über diesen Zugangsweg drainiert wird, werden momentan nur in Einzelfällen angewendet. Als Einzelfallentscheidung können ebenfalls „lumen apposing metal stents“ zur transgastralen oder transduodenalen Drainage des Gallengangsystems oder als endoskopisch angelegte Gastroenterostomie bei Duodenalstenosen eingesetzt werden. Größere Fallserien liegen noch nicht vor, sodass diese Methoden nur von erfahrenen Endoskopikern durchgeführt werden sollten.

Radiofrequenzablation

Bei malignen Gallengangstenosen durch Tumoren der Gallenwege kann in der palliativen Situation neben der photodynamischen Therapie die Radiofrequenzablation (RFA) eingesetzt werden. Bei der photodynamischen Therapie müssen die Patienten über mehrere Tage Sonnenlicht meiden, sodass die RFA für den Patienten komfortabler ist.
Beide Verfahren sind erfolgreich und reduzieren bei diesen Patienten Komplikationen, wie z. B. die Cholangitis. Bei der RFA werden selten schwerwiegende Komplikationen, wie z. B. ein Leberteilinfarkt, beobachtet.
Patienten mit Gallengangkarzinomen, die sich für eine lokale Ablation eignen, sollten in Zentren mit entsprechender Expertise vorgestellt werden.

Unterer Gastrointestinaltrakt

Kolon

In der Therapie von Vorläuferläsionen im unteren Gastrointestinaltrakt ist die Endoskopie sicher und effektiv. Bei fortgeschrittenem Kolonkarzinom gibt es endoskopisch keine kurative Therapieoption. Wird ein Kolonkarzinom endoskopisch abgetragen, erfolgt die Diagnosestellung in fast allen Fällen erst nach der Abtragung durch den Pathologen.

Endoskopisch abgetragene Kolonkarzinome

Bei pT1-Karzinomen mit niedrigem Risiko (G1 oder G2, keine Infiltration von Lymphgefäßen) und bei R0-Resektion (Polypenbasis sicher im Gesunden) wird keine Nachresektion empfohlen. Erfolgte die Abtragung inkomplett, soll endoskopisch komplett abgetragen oder eine chirurgische Resektion (lokal) durchgeführt werden. Je nach Ausmaß der Infiltration der Submukosa kann die Nachresektion endoskopisch erfolgen (sm1, sm2; Submukosainvasion von unter 1000 μm und dementsprechend geringem Risiko für Lymphknotenbefall).
Liegt eine Hochrisikosituation vor (G3, Infiltration von Lymphgefäßen) wird eine onkologische Nachresektion empfohlen.
Die En-bloc-Resektion ist der Abtragung in Piecemeal-Technik überlegen. Für die En-bloc-Resektion ist die ESD in erfahrenen Zentren bei größeren Polypen (>20 mm) ein geeignetes Verfahren, wenn eine Abtragung mit der Schlinge nicht möglich ist. Eine EMR kann bei kleineren Polypen (<20 mm) angewendet werden (Ferlitsch et al. 2017). Bei Vorliegen eines „Non-lifting“-Zeichens kann eine Vollwandresektion durchgeführt werden. Hierbei ist die Größe des zu resezierenden Areals aufgrund der technischen Voraussetzungen des Systems („full thickness resection device“) limitierend.
Kolonkarzinome werden nur in den seltensten Fällen (Zufallsbefund) endoskopisch abgetragen.

Stenosen bei Kolonkarzinom

Eine Stenose im Kolon bei Kolonkarzinom wird fast ausschließlich in der hochpalliativen Situation mit einem Metallstent versorgt. Die Therapieentscheidung muss eine eventuell geplante Chemotherapie mit in Betracht ziehen (z. B. beim geplanten Einsatz von antiangiogenetischen Substanzen; hier erhöhtes Perforationsrisiko).
Die Stents sollten einen Durchmesser von mehr als 24 mm haben und die Stenose auf beiden Seiten um mehr als 2 cm überbrücken. Ummantelte und nicht ummantelte Stents sind ebenbürtig. Wird ein Stent zur Überbrückung des Zeitraumes bis zur Operation (z. B. Anus praeter, Bypassoperation) eingelegt, sollte die Operation 5–10 Tage nach der Stenteinlage erfolgen. Prinzipiell sollte die Anlage von Metallstents im Kolon nur in erfahrenen Zentren erfolgen (van Hooft et al. 2014).

Rektum

Bei oberflächlichen Läsionen gelten im Rektum die gleichen Empfehlungen wie im Kolon. Bei größeren Läsionen (≥20 mm) sollte eine EMR oder ESD erfolgen. Ist der Polyp größer als 40 mm muss der Patient an einem Zentrum mit entsprechender Expertise vorgestellt werden. Sollte die Infiltration der Submukosa über 1000 μm betragen (tiefe Submukosainvasion) wird eine chirurgische Resektion empfohlen. Beim Rektumkarzinom hat die Endoskopie keinen therapeutischen Stellenwert.
Literatur
Denzer U, Beilenhoff U, Eickhoff A, Faiss S, Huttl P (2015) In der Smitten S, et al. [S2k guideline: quality requirements for gastrointestinal endoscopy, AWMF registry no. 021-022]. Z Gastroenterol 53(12):E1–227PubMed
Dumonceau JM, Tringali A, Blero D, Deviere J, Laugiers R, Heresbach D et al (2012) Biliary stenting: indications, choice of stents and results: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) clinical guideline. Endoscopy 44(3):277–298CrossRefPubMed
Ferlitsch M, Moss A, Hassan C, Bhandari P, Dumonceau JM, Paspatis G et al (2017) Colorectal polypectomy and endoscopic mucosal resection (EMR): European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Clinical Guideline. Endoscopy 49(3):270–297CrossRefPubMed
Hooft JEvan, van Halsema EE, Vanbiervliet G, Beets-Tan RG, DeWitt JM, Donnellan F et al (2014) Self-expandable metal stents for obstructing colonic and extracolonic cancer: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Clinical Guideline. Endoscopy 46(11): 990–1053.
Pimentel-Nunes P, Dinis-Ribeiro M, Ponchon T, Repici A, Vieth M, De Ceglie A et al (2015) Endoscopic submucosal dissection: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Guideline. Endoscopy 47(9):829–854CrossRefPubMed
Spaander MC, Baron TH, Siersema PD, Fuccio L, Schumacher B, Escorsell A et al (2016) Esophageal stenting for benign and malignant disease: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Clinical Guideline. Endoscopy 48(10):939–948CrossRefPubMed
Weusten B, Bisschops R, Coron E, Dinis-Ribeiro M, Dumonceau JM, Esteban JM et al (2017) Endoscopic management of Barrett’s esophagus: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) Position Statement. Endoscopy 49(2):191–198CrossRefPubMed