Einleitung
Zwischen 30–50 % der Krebserkrankungen könnten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verhindert werden (WHO
2021). Eine Vielzahl an Studien zeigt, dass auch in der Tumornachsorge
eine gesunde Ernährungsweise das Rezidivrisiko und die Mortalität reduzieren kann. So konnte die Gesamtsterblichkeit bei Brustkrebsüberlebenden um bis zu 26 % reduziert werden, wenn diese sich gesünder ernähren (Hazard Ratio [HR] 0,74; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,55–0,9) (Jochems et al.
2018). Dennoch weist das Gesundheits- und Ernährungsverhalten von vielen Krebsüberlebenden Defizite auf: Nur 10 % der Krebsüberlebenden geben an, einen gesunden Lebensstil und Normalgewicht zu haben. Von den Krebsüberlebenden sind 58 % übergewichtig, 55 % treiben nur selten Sport und 82 % essen täglich weniger als die empfohlenen 5 Einheiten Obst und Gemüse (Mayer et al.
2007) – womit die Relevanz von der Aufklärung einer gesunden Lebensweise ansteigt.
Der World Cancer Research Fund (WCRF), die Leitlinien der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN; Arends et al.
2017) sowie das Leitlinienprogramm Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (Leitlinienprogramm Onkologie
2021) aus dem Jahr 2021 empfehlen Krebsbetroffenen eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen (WCRF
2007). Studien zeigen jedoch, dass nur gut einem Fünftel der Patient*innen eine Ernährungsberatung während und/oder nach der Therapie angeboten wird (Bader et al.
2014; Quidde et al.
2016).
Empfehlungen für Krebsüberlebende
Die Krebsüberlebenden
können sich an den Präventionsempfehlungen des WCRF orientieren (WCRF
2018). Die Umsetzung dieser Empfehlungen kann für Survivors erschwert sein, wenn beispielsweise krankheits- oder therapiebedingte Nebenwirkungen bestehen.
Der WCRF veröffentlicht in regelmäßigen Abständen evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen
zur Prävention von Krebserkrankungen (WCRF
2007,
2018; Freijer et al.
2013). Als Orientierung können auch die 10 Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) dienen (DGE
2021), die ebenfalls für die Allgemeinbevölkerung empfohlen werden. Ziel der 10 Regeln der DGE ist es, eine vollwertige Ernährung umzusetzen, um die Gesundheit zu erhalten sowie die Leistung und das Wohlbefinden zu fördern. Sowohl die 10 Regeln der DGE als auch die Empfehlungen des WCRF (
2007) haben im Kern ähnliche Empfehlungen. Im Folgenden wird vor allem auf die Empfehlungen des WCRF eingegangen, da diese speziell für Krebsbetroffene und somit auch Krebsüberlebende formuliert wurden.
Die Gesundheitsempfehlungen können als Orientierung dienen, einen gesunden Lebensstil zu erreichen und zu erhalten. Für einen gesunden Lebensstil gibt der WCRF der Allgemeinbevölkerung und Krebsbetroffenen die in folgenden Abschnitten dargestellten Empfehlungen (WCRF
2018).
Lebensmittelvielfalt und Bevorzugung von pflanzlichen Lebensmitteln
Es sollte möglichst abwechslungsreich aus allen der 7 Lebensmittelgruppen des Ernährungskreises gegessen werden. Dabei sollten pflanzliche Lebensmittel
die Grundlage der Ernährung ausmachen (DGE
2021). Die Lebensmittelgruppen definieren u. a. den Verzehr von Obst und Gemüse sowie Getreideprodukte und geben dafür ein Mengenverhältnis zwischen den Gruppen an (DGE
2020). Damit ist eine reichhaltige Ernährung vorgesehen, die neben den Makronährstoffen vor allem
Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe (z. B. Polyphenole, Carotinoide, Phytoöstrogene) enthalten, die in der Diskussion stehen, antikanzerogen zu wirken. Daher spielt der tägliche Verzehr von Obst und Gemüse eine relevante Rolle in der Ernährung. Die EPIC-Studie (European Prospektive Investigation into Cancer and Nutrition) zeigte, dass besonders ein hoher Gemüseverzehr mit einer geringeren Krebsinzidenz verbunden ist (Bradbury et al.
2014). Eine weitere Studie zeigte, dass der tägliche Gemüseverzehr negativ mit der Gesamtmortalität in Zusammenhang steht (Oyebode et al.
2014). Der WCRF, wie auch die DGE, empfehlen deshalb die Kampagne „take 5 a day“ (3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst pro Tag) (WCRF
2007,
2018; DGE
2015).
Außerdem sind die Menge und die Art der verzehrten Fette von entscheidender Bedeutung für
Fettstoffwechselstörungen und koronare Herzkrankheiten. Die Empfehlung lautet daher, die gesättigten Fette auf 7–10 % der Gesamtenergiezufuhr zu limitieren, da diese zu einer Erhöhung der Gesamt- und LDL-Cholesterol-Konzentration im Blut führen können (DGE
2015).
Für die praktische Empfehlung: 5 Portionen Obst und Gemüse (400–600 g) täglich senken nicht nur das Risiko, an Krebs zu erkranken, sondern decken auch die Zufuhr an
Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen. Empfehlenswert ist es, in jeder Mahlzeit Obst und/oder Gemüse zu integrieren, um die empfohlenen Mengen zu erreichen.
Ballaststoffzufuhr beachten
Die EPIC-Studie zeigte, dass eine hohe Ballaststoffzufuhr
mit einem geringeren Auftreten von Darmkrebs assoziiert war. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Mechanismen diskutiert: Durch die flüssigkeitsbindende Eigenschaft der Ballaststoffe kann das Volumen des Fäzes erhöht und dadurch die Konzentration von karzinogenen Inhaltsstoffen sowie der Kontakt mit der Darmschleimhaut verringert werden. Es ist jedoch auch eine direkte Bindung der Karzinogene (z. B. Gallensalze) möglich. Außerdem können die Ballaststoffe von den Darmbakterien zu kurzkettigen
Fettsäuren abgebaut werden, wodurch der pH-Wert im Darm sinkt. Infolgedessen können verschiedene
Enzyme gehemmt werden, die krebserregende Verbindungen aktivieren. Darüber hinaus können die Ballaststoffe zu Buttersäure abgebaut werden, die das Wachstum von Krebszellen im Dickdarm hemmen könnten (Bingham et al.
2003; Kritchevsky
1997).
Eine Erhöhung von 5 g Ballaststoffen pro Tag kann die darmkrebsspezifische Sterblichkeit um 18 % senken. Dabei können Ballaststoffe aus Getreideprodukten am stärksten vor Darmkrebs schützen (Aune et al.
2011; Ben et al.
2014; Murphy et al.
2012; Hansen et al.
2012; Schatzkin et al.
2007).
Für die praktische Empfehlung: Der WCRF empfiehlt, mindestens 30 g Ballaststoffe täglich zu verzehren. In beispielsweise vier Scheiben Vollkornbrot sind 15 g Ballaststoffe enthalten. Vollkornvarianten sollten immer gegenüber Weißmehlprodukten bevorzugt werden, um die empfohlene Ballaststoffzufuhr zu erreichen.
Fleisch- und Fleischprodukte in Maßen
Wie im vorherigen Abschnitt bereits erwähnt, sollte eine überwiegend pflanzliche Ernährung die Basis darstellen – daraus resultiert, dass Fleisch und deren Produkte nur in Maßen verzehrt werden sollten. Generell sollte der wöchentliche Fleischkonsum
inklusive verarbeiteter Wurstwaren nach dem WCRF 500 g nicht überschreiten, die DGE empfiehlt maximal 600 g (WCRF
2018; DGE
2021). Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass größere Mengen rotes Fleisch (z. B. Rind- oder Wildfleisch) mit der Gesamttumormortalität sowie einem vermehrten Auftreten von Kolorektal-, Magen-, Prostata- und
Pankreaskarzinomen verbunden ist (Wang et al.
2020; Domingo und Nadal
2017; Sinha et al.
2009). Zudem steigt pro 50 g konsumiertem verarbeitetem Fleisch das Risiko für Kolorektalkarzinome um 18 % (Lippi et al.
2016; Bouvard et al.
2015).
Für die praktische Empfehlung: Der Fleischkonsum sollte auf maximal 2–3 Portionen pro Woche begrenzt werden. Vor allem sollten verarbeitete Fleischprodukte (z. B. geräucherte und gepökelte Fleischprodukte) reduziert oder vermieden werden.
Gesundes Körpergewicht
In verschiedenen Studien wurde ein Zusammenhang zwischen starkem Übergewicht
(
Body-Mass-Index [BMI] ≥30 kg/m
2) und dem Auftreten von Krebserkrankungen beobachtet (WCRF
2018). Für Übergewicht und
Adipositas besteht eine starke Evidenz, dass das Risiko für spezifische Krebserkrankungen erhöht wird (WCRF
2021b). Der WCRF empfiehlt einen BMI entsprechend den Empfehlungen der jeweiligen Altersgruppe und Geschlecht. Dieser kann der BMI-Tabelle der WHO entnommen werden (WHO
2022). Zusätzlich spielt auch die Verteilung der Fettmasse des Körpers eine relevante Rolle bei der Entstehung von koronaren Herzkrankheiten und Krebs (WCRF
2021a). So wird dem abdominellen (viszeralen) Fettgewebe, gemessen anhand des Bauchumfanges (z. B. Waist-to-Hip-Ratio), eine hohe hormonelle und entzündliche Aktivität zugesprochen (Silveira et al.
2021).
Studien zeigen, dass eine gesunde Ernährung nach den o. g. Empfehlungen das Rezidivrisiko, insbesondere für Brust- und Darmkrebs, deutlich senken kann. Dabei steht besonders die Einhaltung eines gesunden Körpergewichts
im Vordergrund, da ca. 60 % der Krebsüberlebenden übergewichtig oder adipös sind (Mayer et al.
2007). In diesem Zusammenhang ergab eine US-amerikanische Umfrage (n = 32.447), dass die
Prävalenz der
Adipositas von Krebsüberlebenden im Zeitraum von 1997–2014 von 22,4 % auf 31,7 % jährlich stieg. In der gesunden Bevölkerung stieg die Prävalenz von 20,9 % auf 29,5 %. In den jeweiligen Subgruppen zeigte sich bei Überlebenden einer Brustkrebserkrankung ein Anstieg von 3,0 %, bei Prostatakrebs ein Anstieg von 2,1 % und bei Kolorektalkrebs ein Anstieg von 3,1 % (weiblich) bzw. von 3,7 % (männlich) (Greenlee et al.
2016).
Insbesondere Patient*innen, die vor der Diagnose übergewichtig waren, haben ein erhöhtes Risiko für Zweittumoren (Gibson et al.
2014). Aus diesem Grund empfiehlt auch der WCRF Krebsüberlebenden eine qualifizierte Beratung zur Ernährung und körperlichen Aktivität, damit die Betroffenen die entsprechenden Lebensstiländerungen umsetzen (WCRF
2007).
Für die praktische Empfehlung: Stark verarbeitete Lebensmittel, die häufig viel Fett und Zucker und wenige Ballaststoffe enthalten, sollten reduziert werden. Sie halten häufig nicht lange satt und können eine Gewichtszunahme fördern.
Gewichtsmanagement im Bereich Survivorship bei Brustkrebsüberlebenden
Die relative 5- und 10-Jahres-Überlebensrate bei einer Brustkrebserkrankung
liegt bei 88 % bzw. 83 % (Zentrum für Krebsregisterdaten
2018). Diese wird von verschiedenen Faktoren, wie z. B. dem Körpergewicht, beeinflusst. Eine häufige Erscheinung nach der Brustkrebserkrankung ist die Gewichtszunahme, die meist im ersten Jahr nach der Diagnose auftritt (Trédan et al.
2010).
Eine Beobachtungsstudie (n = 272) untersuchte das Körpergewicht von französischen Brustkrebspatientinnen. Ein Jahr nach der Chemotherapie kam es zu einer durchschnittlichen Gewichtszunahme (
Standardabweichung) von 1,5 (4,1) kg. Unter den 60 % der Frauen, bei denen sich eine Gewichtszunahme zeigte, lag die Gewichtszunahme bei 3,9 (3,0) kg (Trédan et al.
2010). Eine Umfrage unter australischen Brustkrebsüberlebenden (n = 277) untersuchte ebenfalls das Körpergewicht. Nach durchschnittlich 8,2 Jahren seit der Diagnose nahmen 77,6 % der Teilnehmenden an Gewicht zu. Darunter zeigten 23,1 % eine Gewichtszunahme von 5–10 % und 35,4 % eine Zunahme von >10 % ihres Ausgangsgewichts (Ee et al.
2020).
Als Risikogruppen gelten insbesondere Patientinnen mit Normal- und Übergewicht zum Diagnosezeitpunkt (Koo et al.
2016; Gandhi et al.
2019) sowie jüngere (Koo et al.
2016) bzw. prämenopausale (Raghavendra et al.
2018) Frauen. Unter der endokrinen Therapie (z. B. Aromatasehemmern) ist ebenfalls eine Gewichtszunahme beschrieben. Als Erklärung wird ein reduzierter Ruheenergieumsatz und eine veränderte Körperzusammensetzung durch die niedrigen Östrogenspiegel diskutiert (Makari-Judson et al.
2014; Leeners et al.
2017).
Die Gewichtszunahme könnte jedoch auch durch veränderte Lebensumstände verursacht werden, falls es zu einer verminderten körperlichen Aktivität (z. B. durch Symptome des Bewegungsapparats nach endokriner Therapie) sowie zu einer erhöhten Energiezufuhr kommen sollte (Brown et al.
2014; Chen et al.
2011).
Unabhängig davon, ob die Gewichtszunahme krankheitsbedingt auftritt oder das Übergewicht bereits zum Diagnosezeitpunkt bestand, sollten die Patient*innen in der Gewichtreduktion unterstützt werden (s. Abschn.
6). Eine
Metaanalyse unter Brustkrebsüberlebenden (n = 213.075) ergab im Vergleich zu Normalgewicht bei Übergewicht ein relatives Risiko von 1,07 (95 %-KI 1,02–1,12) und bei
Adipositas ein relatives Risiko von 1,41 (95 %-KI 1,29–1,53) für die Gesamtsterblichkeit (Chan et al.
2014). Zudem konnte eine Kohortenstudie (n = 3993) einen Zusammenhang zwischen der Gewichtszunahme nach der Brustkrebsdiagnose und der Mortalität feststellen. Eine Zunahme von 5 kg steigerte die Gesamtmortalität um 12 % und die brustkrebsspezifische Mortalität um 13 % (Nichols et al.
2009).
Darüber hinaus hat das Gewicht einen Einfluss auf die alltäglichen Aufgaben (z. B. Tragen einer Einkaufstasche), wie eine Kohortenstudie (n = 1841) zeigt. Patientinnen mit einem BMI ≥30 kg/m
2 sind von diesen stärker betroffen als diejenigen mit einem BMI <25 kg/m
2 (Young et al.
2014). In einer Umfrage unter Brustkrebsüberlebenden (n = 97) gaben 72,7 % der Teilnehmenden an, an mindestens einer Einschränkung (z. B. Schmerzen, Fatigue) zu leiden, die ihnen die körperliche Aktivität erschwert (Cho und Park
2018).
Daher sollte bei übergewichtigen Krebsüberlebenden eine Gewichtsabnahme angestrebt werden, die durch eine Beratung zur Ernährung (s. Abschn.
2) und körperlichen Aktivität (s. Abschn.
12) zu erreichen ist (Leitlinienprogramm Onkologie
2021). Diese Form der multimodalen Intervention, die außerdem die psychologische Unterstützung der Brustkrebsüberlebenden vorsehen sollte, kann zur Reduktion des Körpergewichts beitragen (Shaikh et al.
2020).
Zucker reduzieren
Im indirekten Bezug auf die
Adipositas sollten zuckerhaltige
und hochkalorische Getränke/Lebensmittel sowie Fast Food
vermieden werden (Runowicz et al.
2016). Adipositas in Verbindung mit einer zuckerreichen Ernährung ist mit einem Rezidivrisiko des
Kolonkarzinoms verbunden (Hu et al.
2013). Der Verzehr von Zucker sollte allgemein weniger als 10 % der gesamten Energieaufnahme einnehmen (WCRF
2021b). Bei einem durchschnittlichen Gesamtenergiebedarf von 2000 kcal entsprechen 10 % einer maximalen Zufuhr von 50 g zugesetztem Zucker. Ein erhöhter Zuckerkonsum steht mit einer Gewichtszunahme in Verbindung und führt außerdem zu einem schnellen Anstieg der Insulinspiegel, wodurch das Rezidivrisiko steigen kann (s. Abschn.
6).
Für die praktische Empfehlung: 50 g zugesetzter Zucker sind schnell erreicht – z. B. bei 2 Gläsern (500 ml) eines zuckerhaltigen Getränks, wie eine Limonade.
Alkoholkonsum reduzieren
Außerdem sollte so wenig Alkohol
wie möglich getrunken werden. Der Genuss von Alkohol ist mit einem Risiko für Brust-, Magen-, Leber-, Speiseröhren-, Darm- und
Kopf-Hals-Tumoren assoziiert. Studien zeigen auf, dass das Brustkrebsrisiko um 10 % (bei Wein) bzw. um 12 % (bei anderen alkoholischen Getränken) mit der Zufuhr von 10 g
Ethanol pro Tag ansteigt (Scoccianti et al.
2014). Bei Brustkrebsüberlebenden konnte beobachtet werden, dass ein Konsum von 3–4 oder mehr alkoholischen Getränken pro Woche das Risiko eines Rezidives erhöhen kann – insbesondere bei postmenopausalen und übergewichtigen/adipösen Frauen (Kwan et al.
2010). Die maximalen Mengen werden von der DGE mit 10 g für Frauen und 20 g für Männer angegeben. Allerdings sollten diese Mengen nicht täglich konsumiert werden.
Für die praktische Empfehlung: 20 g
Ethanol entsprechen ca. 250 ml Wein, 500 ml Bier oder 200 ml Sekt.
Salzkonsum reduzieren und verschimmelte Lebensmittel meiden
Der Verzehr
von gepökelten, gesalzenen sowie verschimmelten Lebensmitteln sollte vermieden werden. Die Aufnahme von Schimmelpilzen
und die daraus entstehenden Aflatoxine sollten vermieden werden. Verschimmeltes Getreide, z. B. alte Brotreste, oder Hülsenfrüchte sollten nicht verzehrt werden (WCRF
2007).
Der Konsum vom mehr als 5–6 g Salz pro Tag wird in Zusammenhang mit spezifischen Krebsarten wie
Magenkarzinome gebracht. Der durchschnittliche Salzkonsum in Europa liegt nach der DEGS-Studie (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland) allerdings zwischen 8–10 g (RKI
2012). Fertiggerichte enthalten bis zu 4 g Salz pro 100 g Lebensmittel.
Für die praktische Empfehlung: Statt Salz sollten frische Kräuter ausprobiert und durch verschiedene Garmethoden möglichst schonend und geschmackserhaltend zubereitet werden.
Keine Nahrungsergänzungsmittel, sofern nicht medizinisch induziert
Sofern es keine medizinische Indikation gibt, wird die Einnahme von hoch dosierten Supplementen an Mikronährstoffen nicht empfohlen (Arends et al.
2017). Dies zeigt die Studienlage, gemäß der
Nahrungsergänzungsmittel keine positiven Effekte haben und unter Umständen das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöhen können (Fortmann et al.
2013). Diese Tendenz zeigte die „Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention (ATBC)“-Studie (n = 29.133), nach der die Supplementation von
Vitamin E und
β-Carotin die Lungenkrebsinzidenz möglicherweise erhöhte (Alpha-Tocopherol, Beta Carotene Cancer Prevention Study Group,
1994). Die „Beta Carotene and Retinol Efficacy Trial (CARET)“-Studie (n = 18.314) fand vergleichbare Ergebnisse, laut denen die Inzidenz von Lungenkrebs bei Supplementation von
Vitamin A und β-Carotin nach 4 Jahren ebenfalls anstieg (Omenn et al.
1996).
Hierbei sollte betont werden, dass dieses Risiko nicht bei einer oralen Nahrungszufuhr besteht. Eine
Metaanalyse aus 18 Studien (n = 11.941) untersuchte das Lungenkrebsrisiko bei Obst- und Gemüseverzehr. Dabei ergab sich ein relatives Risiko von 0,86 (95 %-KI 0,78–0,94; I
2 = 37 %) (Vieira et al.
2016). Die reduzierte Krebsinzidenz bei Verzehr von Obst und Gemüse wurde in einer weiteren Metaanalyse (n = 904.300) bestätigt. Bei einer täglichen Aufnahme von 550–600 g Gemüse und Obst konnte das relative Risiko um 14 % gesenkt werden, das mit steigender Zufuhr weiter reduziert werden könnte (Aune et al.
2017). Eine Studie untersuchte, ob die Ernährungsweise vor der Krebsdiagnose mit dem Gesamtüberleben assoziiert war. Unter den 811 Patientinnen mit einem
Ovarialkarzinom wurde die Gesamtsterblichkeit bei 2–3 Portionen Obst (HR 0,83; 95 %-KI 0,66–1,03) und 3–5 Portionen Gemüse (HR 0,90; 95 %-KI 0,72–1,11) reduziert (Playdon et al.
2017).
Für die praktische Empfehlung:
Vitamine und Mineralstoffe können in der Regel ausreichend über eine gesunde, ausgewogene Ernährung und die Einhaltung von 5 Portionen Obst und Gemüse am Tag gedeckt werden. Zum Beispiel kann der tägliche Vitamin-C-Bedarf bereits über eine Paprika gedeckt werden.
Körperliche Aktivität und Bewegung
Es wird eine regelmäßige körperliche Aktivität
und Bewegung
(wöchentlich mindestens 150 min aerobe körperliche Aktivität in moderater Intensität oder mindestens 75 min intensive körperliche Aktivität) empfohlen. Diese können z. B. auf 5 bzw. 3 Wochentage verteilt werden (Haskell et al.
2007). Obwohl die körperliche Aktivität für die Krebsüberlebenden sicher ist, sollte der Gesundheitsstatus der Betroffenen und mögliche Hindernisse (z. B. therapiebedingte Nebenwirkungen) bei der Empfehlung berücksichtigt werden. Die körperliche Aktivität kann in Form von Aerobic-Training und/oder Widerstandsübungen erreicht werden, die mögliche Beschwerden (z. B. Fatigue, depressive Verstimmungen und die körperliche Funktion) verbessern können (Campbell et al.
2019). Außerdem konnte bei Brustkrebsüberlebenden (n = 123.574) bei Erreichen der Empfehlungen im Vergleich zum Nichterreichen eine reduzierte Gesamt- (HR 0,54; 95 %-KI 0,38/0,76, p<0,01; I
2 = 87 %) und brustkrebsspezifische (HR 0,67; 95 %-KI 0,50/0,90, p < 0,01; I
2 = 73 %) Mortalität festgestellt werden (Lahart et al.
2015). Daher ist eine regelmäßige körperliche Aktivität wichtig für Krebsüberlebende.
Für die praktische Empfehlung: Regelmäßige körperliche Aktivität.
Geheilt, aber nicht gesund – Symptome
Multimodale Therapiekonzepte eröffnen einer zunehmenden Zahl an Patient*innen mit hämatologischen oder onkologischen Malignomen die Chance auf Heilung. Diese komplexen Herangehensweisen vergrößern allerdings nicht nur die Heilungs- und Überlebenschancen, sondern können auch zu mehr und stärkeren Akut- und Langzeitnebenwirkungen führen.
In einer groß angelegten Kohortenstudie an 10.397 Patient*innen zeigten Oeffinger et al., dass etwa zwei Drittel der jungen Krebsüberlebenden unter therapiebedingten Folgen leiden (Oeffinger et al.
2006). Zu den therapiebedingten Folgen können körperliche Beschwerden wie Fatigue,
Polyneuropathie oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Armstrong et al.
2013; Lipshultz et al.
2013; Mulrooney et al.
2009; Tukenova et al.
2010) sowie psychische Beschwerden wie Angsterkrankungen, Depressionen oder
Anpassungsstörungen (Faller et al.
2016; Rath et al.
2015; Robison und Hudson
2014; Schrag et al.
2008) gehören. Zudem können die Betroffenen kognitive oder neurologische Beeinträchtigungen wie Konzentrations- oder
Gedächtnisstörungen ausbilden (Kanellopoulos et al.
2016; Schmidt et al.
2016).
Mehr als 70 % der Betroffenen berichten auch 10 Jahre nach der Erkrankung noch von gesundheitlichen Problemen. Die Krebsüberlebenden sind besonders von Fatigue (69 %),
Schlafstörungen (66 %), Schmerzen (55 %), Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen (49 %), Bewegungs- und Mobilitätsproblemen (47 %) und gastrointestinalen Beschwerden (30 %) betroffen (Quidde et al.
2014; Schilling
2017).
Durch Ernährungsinterventionen können verschiedene Langzeitnebenwirkungen reduziert werden (Rock et al.
2012). Diese Nebenwirkungen haben Auswirkungen auf die Lebensmittelauswahl und sollten deshalb in der individuellen Ernährungsberatung besprochen werden.
Fazit
Ernährung spielt in der Nachsorge eine zentrale Rolle und sollte in der supportiven Therapie von Krebsüberlebenden berücksichtigt werden. Der WCRF, die ESPEN-Leitlinien (Arends et al.
2017) sowie das Leitlinienprogramm Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (Leitlinienprogramm Onkologie
2021) aus dem Jahr 2021 empfiehlt, Krebsbetroffenen eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen und regelmäßig körperlich aktiv zu sein (WCRF
2007). Die Empfehlungen des WCRF sind mit den 10 Regeln der DGE umsetzbar. Dabei sollten übergewichtige Krebsüberlebende eine Gewichtsabnahme oder -stabilisierung anstreben. Diese kann durch eine Ernährungsumstellung und Bewegungsprogramme erreicht werden.