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Exogene Ursachen von Krebs

Verfasst von: Hermann Brenner, Thomas Gredner und Ute Mons
Die Entstehung von Krebs ist generell ein multifaktorieller Prozess. Neben der genetischen Prädisposition spielen Lebensstilfaktoren und Umweltfaktoren sowie Interaktionen zwischen diesen Faktoren eine bedeutende Rolle. Eine strikte Trennung zwischen endogenen und exogenen Ursachen ist daher weder sinnvoll noch möglich. Dieses Kapitel behandelt Expositionen gegenüber Kanzerogenen und ihren Folgen, die sowohl durch den Lebensstil als auch durch die Umweltbelastungen bedingt sein können. Das Kapitel fokussiert dabei auf Lebensstilfaktoren und Umweltbelastungen, die für besonders große Anteile an Krebserkrankungen verantwortlich sind. Unter den Lebensstilfaktoren stehen dabei Rauchen und Alkoholkonsum an vorderster Stelle, die daher in diesem Kapitel besonders ausführlich abgehandelt werden. Unter den Umweltbelastungen werden die Belastung mit ultravioletter Strahlung und ionisierender Strahlung als besonders gut untersuchte Bereiche näher beleuchtet. Bezüglich weiterer wichtiger exogener Ursachen, wie z. B. ernährungsbedingte Ursachen oder kanzerogene Infektionen, wird auf entsprechende Kapitel verwiesen.

Vorbemerkung

Die Entstehung von Krebs ist generell ein multifaktorieller Prozess. Neben der genetischen Prädisposition spielen Lebensstilfaktoren und Umweltfaktoren sowie Interaktionen zwischen diesen Faktoren eine bedeutende Rolle. Eine strikte Trennung zwischen endogenen und exogenen Ursachen ist daher weder sinnvoll noch möglich. Dieses Kapitel behandelt Expositionen gegenüber Kanzerogenen und ihren Folgen, die sowohl durch den Lebensstil als auch durch die Umweltbelastungen bedingt sein können. Das Kapitel fokussiert dabei auf Lebensstilfaktoren und Umweltbelastungen, die für besonders große Anteile an Krebserkrankungen verantwortlich sind. Unter den Lebensstilfaktoren stehen dabei Rauchen und Alkoholkonsum an vorderster Stelle, die daher in diesem Kapitel besonders ausführlich abgehandelt werden. Unter den Umweltbelastungen werden die Belastung mit ultravioletter Strahlung und ionisierender Strahlung als besonders gut untersuchte Bereiche näher beleuchtet. Bezüglich weiterer wichtiger exogener Ursachen, wie z. B. ernährungsbedingte Ursachen oder kanzerogene Infektionen, verweisen wir auf die Kap. „Ernährung, Übergewicht und körperliche Aktivität“, Kap. „Infektionen als Tumorursache:Bakterien und Darmkrebs“ und Kap. „Virusätiologie“.

Tabakkonsum

Tabak gilt als der größte vermeidbare exogene Krebsrisikofaktor. Das mit Abstand am weitesten verbreitete Tabakprodukt sind Zigaretten, in den letzten Jahren hat sich besonders in den jüngeren Generationen aber auch das Rauchen von Wasserpfeifen in Deutschland verbreitet. Seit Mitte der 2000er-Jahre ist mit elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten) eine gänzlich neue Produktkategorie auf dem Markt, und seit Mitte der 2010er-Jahre werden zunehmend auch elektronische Tabakerhitzer vermarktet.
Tabakrauch ist ein komplexes Gemisch aus Partikeln und Gasen, die überwiegend bei der Verbrennung des Tabaks entstehen (U.S. Department of Health and Human Services 2006). Mindestens 250 Substanzen des Tabakrauchs gelten als toxisch, und mindestens 90 Stoffe sind nachgewiesenermaßen kanzerogen oder stehen im Verdacht, kanzerogen zu sein (Deutsches Krebsforschungszentrum 2009). Stark kanzerogene Substanzen im Tabakrauch sind die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, N-Nitrosamine und aromatischen Amine. Während die meisten Kanzerogene im Tabakrauch während des Verbrennungsprozesses entstehen, sind die tabakspezifischen Nitrosamine auch natürlicherweise in Tabak enthalten. Für Tabakrauch kann kein Grenzwert angegeben werden, unter dem kein Krebsrisiko anzunehmen wäre (Deutsche Forschungsgemeinschaft 2016).
Im Jahr 1964 wurde Rauchen erstmals als kausaler Risikofaktor für Lungen- und Kehlkopfkrebs anerkannt, seither wurde das Rauchen als Ursache zahlreicher weiterer Krebserkrankungen (Krebs im Kopf-Hals-Bereich sowie Krebs der Speiseröhre, des Magens, des Darms, der Leber, der Bauchspeicheldrüse, des Gebärmutterhalses, der Niere und des Nierenbeckens und der Harnblase sowie akute myeloische Leukämie) erkannt (U.S. Department of Health and Human Services 2014).
Besonders hoch ist das Risiko für Krebs der Lunge und der Atemwege; einer prospektiven Kohortenstudie zufolge ist das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern 25-mal so hoch wie bei lebenslangen Nichtrauchern (Thun et al. 2013). Das Erkrankungsrisiko ist umso größer, je länger die Rauchhistorie zurückreicht und je mehr Zigaretten pro Tag geraucht werden (Thun et al. 2013), doch selbst langjährige Raucher, die regelmäßig nur eine Zigarette pro Tag rauchen, haben ein deutlich erhöhtes Lungenkrebsrisiko (Inoue-Choi et al. 2017). Damit ist Rauchen der größte Risikofaktor für Lungenkrebs; aktuellen Schätzungen zufolge sind in Deutschland bei Männern 88 % und bei Frauen 83 % aller Lungenkrebsneuerkrankungen auf das Rauchen zurückzuführen (Mons et al. 2018). Insgesamt machen die für das Jahr 2018 auf rund 85.100 geschätzten tabakbedingten Krebsfälle mit 19 % fast ein Fünftel aller jährlichen Krebsfälle aus (Tab. 1).
Tab. 1
Anzahl und Anteile der Krebsneuerkrankungen in Deutschland im Jahr 2018, die dem Risikofaktor Rauchen zuzuschreiben sind (gerundet auf die nächsten Fünfzig) (Mons et al. 2018)
Bösartige Neubildung
Männer
Frauen
Der Luftröhre, der Bronchien und der Lunge
30.450 (88,5 %)
15.400 (83,3 %)
Des Darms
9100 (29,3 %)
4150 (18,6 %)
Der Harnblase
3100 (28,6 %)
600 (18,2 %)
Der Niere und des Nierenbeckens
3000 (29,8 %)
1100 (19,7 %)
Der Lippe, der Mundhöhle und des Rachens
2900 (31,3 %)
800 (22,8 %)
Des Magens
2600 (29,0 %)
900 (18,2 %)
Der Bauchspeicheldrüse
2500 (29,7 %)
1350 (18,5 %)
Der Leber
1900 (30,3 %)
450 (19,0 %)
Der Speiseröhre
1650 (30,6 %)
300 (21,6 %)
Des Kehlkopfs
950 (31,5 %)
100 (24,4 %)
Myeloische Leukämie
650 (28,2 %)
400 (18,6 %)
Des Gebärmutterhalses
750 (19,0 %)
Gesamt
58.750
26.300
Ein Rauchstopp senkt das Krebsinzidenz- und Krebsmortalitätsrisiko deutlich; dennoch bleibt es gegenüber einem lebenslangen Nichtraucher weiterhin erhöht. Dabei verringert sich das Risiko umso deutlicher, je früher der Rauchstopp stattfindet (Ordonez-Mena et al. 2016; Peto et al. 2000).

Passivrauchen

Auch Passivrauchen erhöht langfristig das Risiko für Lungenkrebs, so haben Nichtraucher, die zu Hause oder am Arbeitsplatz Tabakrauch ausgesetzt sind, ein um 20–30 % erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken (U.S. Department of Health and Human Services 2006, 2014). Die Passivrauchbelastung ist in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt infolge der Nichtraucherschutzgesetze deutlich gesunken. Dementsprechend wird geschätzt, dass auch die Anzahl der auf Passivrauchen zurückführbaren Lungenkrebstodesfälle gesunken ist (Becher et al. 2017). Für das Jahr 2018 wurde geschätzt, dass rund 300 Lungenkrebsneuerkrankungen bei Nichtrauchenden durch Passivrauchen verursacht wurden (Gredner et al. 2018).

Wasserpfeife

Im Gegensatz zur Zigarette wird beim Rauchen einer Wasserpfeife der Wasserpfeifentabak nicht verbrannt, sondern auf Kohle bei etwa 100 °C verschwelt. Dieses Glimmen bei deutlich niedrigeren Temperaturen führt zu einer nennenswert höheren Kohlenmonoxid- und Schadstoffbelastung, wobei einige der Schadstoffe beim Verbrennen der Kohle entstehen. Im Rauch von Wasserpfeifen sind mindestens 82 schädliche Substanzen enthalten, darunter 27, die kanzerogen sind oder im Verdacht stehen, kanzerogen zu sein (Shihadeh et al. 2015). Auch Wasserpfeifenrauchen erhöht das Risiko für Lungen- und Speiseröhrenkrebs (Montazeri et al. 2017).

E-Zigaretten

E-Zigaretten bestehen aus einer Stromquelle (Batterie oder Akku), einem elektrischen Heizelement (Verdampfer) und einer Kartusche für die zu verdampfende Flüssigkeit (Liquid). Über einen Verdampfungsmechanismus wird das Liquid (bestehend aus Propylenglykol und/oder Glyzerin, Aromen und häufig auch Nikotin) unter Wärmeeinwirkung vernebelt und das dabei entstehende Aerosol wird wie beim Rauchen inhaliert.
Im Gegensatz zu konventionellen Zigaretten findet bei E-Zigaretten keine Tabakverbrennung statt, sodass deutlich weniger Schadstoffe entstehen, weshalb E-Inhalationsprodukte vielfach als gesündere Alternative zum Rauchen beworben werden. Da E-Zigaretten vergleichsweise neu auf dem Markt sind, gibt es jedoch nur wenige Studien zu ihrem langfristigen Schadenspotenzial. Im Aerosol von E-Zigaretten konnten entzündungsfördernde, gentoxische und kanzerogene Substanzen (wie Formaldehyd, Acetaldehyd und tabakspezifische Nitrosamine) nachgewiesen werden, wobei die Schadstoffmenge je nach Produkt und Gebrauchsart stark variiert und bei sachgemäßem Gebrauch vergleichsweise gering ist (Stephens 2017; The National Academies of Sciences 2018). Einzelne Tabakhersteller setzen außerdem auf neuartige elektronische Tabakprodukte, bei der Tabak erhitzt und verdampft wird, ohne ihn zu verbrennen. Das Aerosol eines solchen Tabakverdampfers, in dem Tabak auf etwa 300 °C erhitzt wird, soll laut Hersteller weniger toxisch sein als der Rauch herkömmlicher Zigaretten. Unabhängige Studien konnten bestätigen, dass in diesen Produkten die Hauptschadstoffe des Tabakrauchs im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten deutlich reduziert sind (Mallock et al. 2018), unabhängige und langfristige Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen liegen allerdings bislang nicht vor. Eine Studie, die das Krebspotenzial anhand von Emissionswerten verschiedener Produkte abgeschätzt hat, stuft das kanzerogene Potenzial von E-Zigaretten als niedriger ein als das von Tabakerhitzern, deren kanzerogenes Potenzial wiederum als niedriger eingeschätzt wird als das herkömmlicher Zigaretten (Stephens 2017).

Alkoholkonsum

Alkoholische Getränke allgemein und das Ethanol-Abbauprodukt Acetaldehyd im Speziellen wurden von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) mehrfach als krebserzeugend für den Menschen (Klasse 1) eingestuft. Basierend auf zahlreichen Studien und Reviews gilt ein kausaler Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Krebs der Mundhöhle und des Rachens, des Kehlkopfes, der Speiseröhre, des Darms, der Leber sowie bei Frauen der Brust nach heutigem Stand als wissenschaftlich gesichert (Secretan et al. 2009).
Die Ergebnisse für die Assoziation zwischen Alkoholkonsum und anderen Krebsarten sind noch widersprüchlich, allerdings konnten Experten des World Cancer Research Funds in einer Metaanalyse von prospektiven Studien eine signifikante, positive Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen starkem Alkoholkonsum (über 45 g Reinalkohol pro Tag) und dem Risiko für Magenkrebs zeigen (World Cancer Research Fund International/American Institute for Cancer Research 2016). Darüber hinaus mehren sich Belege dafür, dass der Konsum alkoholischer Getränke auch mit weiteren Krebsarten, unter anderem mit Krebs der Bauspeicheldrüse und der Prostata, assoziiert ist (Bagnardi et al. 2015).
Das Erkrankungsrisiko im Vergleich zu Alkoholabstinenz ist besonders bei Karzinomen des oberen Aerodigestivtrakts stark erhöht. Eine aktuelle, umfassende Metaanalyse zeigte diesbezüglich, dass das Risiko für das Auftreten von Krebs in der Mundhöhle und im Rachen bei starkem täglichem Alkoholkonsum (über 50 g Reinalkohol) auf das mehr als 5-Fache gesteigert ist. Das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom des Ösophagus ist bei starken Trinkern um das ca. 5-Fache erhöht. Für die anderen alkoholbedingten Krebserkrankungen ergaben Metaanalysen zusammenfassende Schätzer der relativen Risiken zwischen 1,44 für Darmkrebs und 2,65 für Kehlkopfkrebs (Bagnardi et al. 2015).
Generell steigt das Erkrankungsrisiko für die genannten Krebsarten mit zunehmendem Alkoholkonsum und unabhängig von der konsumierten Getränkeart an. Die dosisabhängige Beziehung weist dabei keinen Schwellenwert auf. Der Konsum alkoholischer Getränke ist somit auch unterhalb etablierter Richtlinien risikoarmen Konsums mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden. Mit starkem, langfristigem Alkoholkonsum geht allerdings ein besonders hohes Krebsrisiko einher (Scoccianti et al. 2015).
Bei manchen Tumoren wurde zudem ein synergistischer Effekt von gleichzeitigem Alkohol- und Tabakkonsum beobachtet. Dieser kann die krebserzeugende Wirkung um ein Vielfaches verstärken, insbesondere bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich (Hashibe et al. 2009).
Die Bedeutung des Alkoholkonsums als wesentlicher Krebsrisikofaktor wird deutlich, betrachtet man die Anteile der durch den Alkoholkonsum bedingten Krebsneuerkrankungen und Krebstodesfälle. Weltweit betrugen diese Anteile, bezogen auf alle Krebsarten, etwa 5,5 % bzw. 5,8 % (Praud et al. 2016). Auch in Deutschland ist Alkoholkonsum für eine beträchtliche Zahl neu auftretender Krebsfälle verantwortlich: Für das Jahr 2018 waren in Deutschland geschätzt rund 9600 Krebsneuerkrankungen (2 % aller Krebsfälle) auf den Konsum von Alkohol oberhalb der empfohlenen Richtwerte zurückzuführen (Mons et al. 2018). Diesen Schätzungen zufolge ist bei Männern etwa jeder dritte Fall von Tumoren der Speiseröhre und der Mundhöhle auf Alkoholkonsum zurückzuführen. In absoluten Zahlen machen neben Mundhöhlenkrebs wegen der größeren Häufigkeit auch Brustkrebs bei Frauen und Darmkrebs bei Männern einen großen Anteil an den dem Alkohol zuzuschreibenden Krebsfällen in Deutschland aus (Mons et al. 2018).
Generell sind die dem Alkoholkonsum zuzuschreibenden Zahlen und Anteile der Krebsneuerkrankungen und Krebstodesfälle bei Männern größer als bei Frauen. Geschlechterspezifische Unterschiede sind vor allem durch unterschiedliches Trinkverhalten von Frauen und Männern bedingt. Laut der bevölkerungsbasierten Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ des Robert Koch-Instituts konsumierten im Jahr 2015 in Deutschland 18,2 % der erwachsenen Männer und 13,8 % der erwachsenen Frauen riskante Mengen Alkohol (>20 g Reinalkohol/Tag bei Männern; >10 g Reinalkohol/Tag bei Frauen) (Schaller et al. 2017).
Besonders aufgrund der hohen Prävalenz des Alkoholkonsums in der Bevölkerung stellt Alkohol als potenziell vermeidbarer Risikofaktor eine wichtige Zielgröße bei der Krebsprävention dar.

Ultraviolette (UV-) Strahlung

In Deutschland hat sich die Inzidenz des malignen Melanoms der Haut seit den 1970er-Jahren mehr als verfünffacht. Diese Krebsart lag in der absoluten Zahl aller Krebsneuerkrankungen bei Männern und Frauen im Jahr 2014 an vierter Stelle (Robert Koch-Institut 2017). Als wichtigster exogener Faktor hat dabei UV-Strahlung die größte Bedeutung. Sowohl die natürliche UV-Strahlung der Sonne als auch künstlich erzeugte UV-Strahlung wurden vom IARC als krebserzeugend für den Menschen eingestuft und gelten als Hauptrisikofaktor nicht nur für das maligne Melanom der Haut, sondern auch für nicht-melanotischen Hautkrebs (Greinert et al. 2015).
Obwohl UV-Strahlung unter anderem für die Bildung von Vitamin D im Körper wichtig ist, kann eine übermäßige UV-Strahlenexposition dauerhafte Schäden an der Erbsubstanz (DNA) herbeiführen. Zahlreiche epidemiologische Studien haben Evidenz zum Zusammenhang zwischen UV-Strahlung und dem malignen Melanom der Haut geliefert. Dabei scheinen bestimmte Merkmale und Verhaltensmuster besonders stark mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko assoziiert zu sein. Eine intensive, intermittierende Sonnenexposition, die häufig mit Sonnenbränden einhergeht, scheint häufiger zu einem Melanom zu führen als eine kontinuierliche Sonnenexposition (Greinert et al. 2015). Häufiger Sonnenbrand gilt als wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Melanoms.
Während Hautkrebs im Kindes- und Jugendalter wegen seiner langen Latenzzeit eine seltene Erkrankung ist, steigert vor allem eine erhöhte UV-Exposition in dieser Lebensperiode das Risiko für einen Hautkrebs im Erwachsenenalter. In diesem Zusammenhang zeigte eine Metaanalyse von 13 Studien, dass Personen, die vor dem 35. Lebensjahr ein Solarium nutzten, ein um 87 % höheres Erkrankungsrisiko für ein Melanom haben als Nie-Nutzer (Boniol et al. 2012).
In mehreren Studien wurde der Anteil der auf die UV-Belastung zurückzuführenden Krebsfälle in verschiedenen Ländern auf Basis der epidemiologischen Daten geschätzt. Die Schätzungen erstreckten sich von 3,8 % aller Krebsfälle in Großbritannien bis 6,4 % in Australien (Brown et al. 2018; Islami et al. 2018; Wilson et al. 2018). Für Deutschland liegen zumindest Zahlen zu den Fällen von malignen Melanomen vor, die der Solariumnutzung zugeschrieben werden können; für das Jahr 2018 wurden diese auf rund 900 Fälle geschätzt (entspricht rund 5 % aller Fälle von malignen Melanomen) (Gredner et al. 2018).

Ionisierende Strahlung

Neben optischer Strahlung (UV-Strahlung) gilt auch die energiereiche ionisierende Strahlung als wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Krebs. Sowohl natürliche Strahlenquellen (kosmisch oder terrestrisch) als auch zivilisatorische Quellen (z. B. durch medizinische Anwendungen) tragen zur Strahlenbelastung der Bevölkerung bei.
Wesentliche Evidenz für die Kanzerogenität ionisierender Strahlung kommt vor allem von Follow-up-Studien besonders stark exponierter Bevölkerungsgruppen. Studien zu den Überlebenden des Atombombenabwurfs in Japan lieferten beispielsweise Schätzungen des dosisabhängigen Krebsmortalitätsrisikos für 13 verschiedene Organe (McColl et al. 2015).
Die größte Quelle für die Strahlenexposition in der deutschen Bevölkerung ist neben medizinischen Anwendungen das natürlich vorkommende radioaktive Gas Radon (Bundesamt für Strahlenschutz 2017). Weltweit sind Radon und seine Zerfallsprodukte für etwa die Hälfte der jährlichen Strahlenbelastung des Menschen verantwortlich, und diese gelten nach dem Rauchen als zweithäufigste Ursache von Lungenkrebs (Robertson et al. 2013). Die Radon-Konzentration in der Außenluft ist üblicherweise gering, insbesondere in Innenräumen kann es jedoch zu deutlich höheren Konzentrationen kommen. Zahlreiche nationale und internationale epidemiologische Studien haben die Assoziation zwischen Radon in Gebäuden und dem Lungenkrebsrisiko untersucht. Für eine Langzeitexposition (30 Jahre) zeigte eine kollaborative Analyse aus 13 epidemiologischen Studien einen signifikanten, proportionalen Anstieg des Lungenkrebsrisikos um etwa 16 % pro 100 Becquerel pro Kubikmeter Luft (Bq/m3) (Darby et al. 2006).
Abhängig von den geografischen Gegebenheiten kann die Radon-Konzentration stark zwischen verschiedenen Regionen variieren. Auf Basis der mittleren Radon-Konzentration in Innenräumen berechneten Gredner et al. für Deutschland, dass 6 % aller Lungenkrebsfälle auf Radon in Innenräumen zurückzuführen sind, was für das Jahr 2018 etwa 3200 Fällen entspricht (Gredner et al. 2018). Für einige andere Länder berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Schätzungen zwischen 3 % und 14 % (McColl et al. 2015).

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Trotz eines in einigen Ländern einschließlich Deutschlands in den letzten Jahren erzielten Rückgangs der Raucherprävalenzen bleibt Rauchen nach wie vor die mit großem Abstand wichtigste exogene Ursache von Krebserkrankungen und Krebstodesfällen. Maßnahmen, die zu einem Rückgang des Rauchens in der Bevölkerung führen, sollten daher in der Krebsprävention höchste Priorität haben. Große Potenziale haben hier insbesondere gesundheitspolitische Maßnahmen, wie z. B. Tabakbesteuerung, Werbeverbote für Tabakprodukte und Maßnahmen zum Nichtraucherschutz, die in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bislang noch eher zurückhaltend eingesetzt wurden (Gredner et al. 2020). Aber auch der ärztliche Rat und die individuelle Unterstützung der Tabakabstinenz durch Ärzte können hier wichtige Beiträge leisten. Da das Rauchen auch das Risiko zahlreicher anderer häufiger und schwerwiegender Erkrankungen, wie z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, stark erhöht, geht die Bedeutung einer Senkung der Raucherprävalenzen weit über die Krebsprävention hinaus. Ähnliches gilt für übermäßigen Alkoholkonsum, auch wenn die Zahlen der darauf zurückzuführenden Krebserkrankungen und Krebstodesfälle insgesamt deutlich niedriger sind.
Unter den exogenen Faktoren kommt der UV-Strahlung und der ionisierenden Strahlung eine besondere Bedeutung zu. Zwar ist das Ausmaß der UV-Strahlung im Wesentlichen durch geografische und klimatische Rahmenbedingungen determiniert, das Ausmaß der Exposition gegenüber der UV-Strahlung ist jedoch durch das individuelle Verhalten weitgehend steuerbar. Insbesondere sollten Sonnenexpositionen vermieden werden, die zu Sonnenbränden, dem wichtigsten Risikofaktor des malignen Melanoms, führen. Andererseits sollte keine übermäßige Einschränkung der Sonnenexposition erfolgen, da eine wohl dosierte Sonnenexposition (z. B. Exposition von Gesicht, Armen und Händen in den Sommermonaten um die Mittagszeit ca. 3 mal pro Woche für jeweils 10–15 Minuten ohne Sonnenschutzmittel) für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese in der Haut essenziell ist. Bezüglich des Krebsrisikos durch ionisierende Strahlen sind die konsequente Einhaltung von Strahlenschutzbestimmungen und die Beschränkung der Expositionen auf das Notwendige (z. B. für medizinische Anwendungen) wichtige Präventionsmaßnahmen.
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