Technische Grundlagen
Ziel der Hyperthermie ist eine Temperaturerhöhung auf 40–44 °C in den tumortragenden Körperregionen. Damit ist die Hyperthermie von den thermoablativen Verfahren (z. B. laserinduzierte Therapie, hochfokussierter Ultraschall) abzugrenzen, bei denen Temperaturen von über 60 °C zu irreversiblen thermischen Schädigungen in den Zellen führen.
Eine Übersicht über die klinisch eingesetzten Technologien wird im Folgenden gegeben. Ein Verständnis dieser Techniken ist notwendig, um die Studienergebnisse und zukünftigen Potenziale einzuschätzen. Der an einer Vertiefung interessierte Leser wird auf die ausführliche Darstellung von Wust
2016 verwiesen, in der zahlreiche weitere Literaturangaben zu finden sind.
Regionale Hyperthermie
Bei der
regionalen Hyperthermie
werden größere, tief gelegene Regionen im Körper erwärmt. Die Abmessungen des Tumors betragen in der Regel deutlich mehr als 10 cm und liegen im Becken (Zervix-, Prostata-, Blasen-, Rektum-/
Analkarzinome), im Abdomen (
Pankreaskarzinome, Sarkome) oder in den Extremitäten (meist Sarkome). Für bestimmte Indikationen sollte aus onkologischen Gründen idealerweise das gesamte Abdomen erwärmt werden (abdominelle Hyperthermie bei peritonealen oder gastrointestinalen Tumoren). Die genannten Regionen können z. B. mit Standardapplikatoren der SIGMA-Reihe erreicht werden, wobei hier mit ringförmig angeordneten phasengesteuerten Antennen im Radiowellenbereich (70–200 MHz) erwärmt wird (Pyrexar Medical).
Temperaturerhöhungen im Gewebe werden durch einen Leistungseintrag, die spezifische Absorptionsrate SAR (üblicherweise in W/kg Gewebe), induziert und können durch geeignete SAR-Verteilungen in physikalisch vorgegebenen Grenzen räumlich gesteuert werden. Phasengesteuerte dreidimensionale Multiantennensysteme bieten die höchsten Potenziale für eine gesteuerte Leistungsapplikation. In Modellstudien wurde nachgewiesen, dass mindestens 2, besser 3 Antennenringe für eine dreidimensionale Steuerung notwendig sind.
Ein wichtiger Parameter ist die Frequenz. Die üblichen Frequenzen für pelvine und abdominelle Tumoren liegen bei 90–100 MHz. Bei diesen Frequenzen ist mit Standardeinstellungen (z. B. gleichphasige Ansteuerung aller Antennen) bei üblichen Querschnitten oft eine ordentliche Leistungsdeposition in der Tiefe zu erhalten (30–40 W/kg Gewebe).
Die idealerweise in einem elektrisch homogenen Medium (z. B. Wasser oder Agarose) erzielbaren SAR-Verteilungen werden durch die unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften (Leitfähigkeit, dielektrische Konstante) der Gewebe im Körper nachhaltig gestört. Dabei ist zwischen den Geweben mit niedrigem Wassergehalt (Fett, Knochen) und hohem Wassergehalt (Muskel, Organe, Tumoren) zu unterscheiden. Im Abdomen sind daher die Voraussetzungen für eine effektive Leistungsverteilung günstiger, da hier ein quasi-homogenes Medium vorliegt.
Im Becken kommt es dagegen durch die knöchernen Strukturen zu Störungen der SAR-Verteilung mit Maxima („hot spots“) und Abschirmeffekten („cold spots“). Bei komplexen 3-D-Heterogenitäten können geeignete Phasenansteuerungen zur
Auflösung dieser Grenzflächenphänomene führen und damit zum höheren Leistungseintrag im Tumor. Speziell für diese komplexen Fälle ist eine Erhöhung der Frequenz auf 200–300 MHz vorteilhaft (Seebass et al.
2001), da bei höheren Frequenzen und damit geringeren Wellenlängen (z. B. 10 cm bei 300 MHz) die Steuerbarkeit/Fokussierbarkeit deutlich zunimmt.
Allerdings steigen bei diesen komplizierten Steuerungen auch die Anforderungen an die Genauigkeit. Ungenauigkeiten in Lagerung und Phasen sowie Kopplungseffekte und Störungen des Abstrahlverhaltens der Antennen haben bisher eine klinische Umsetzung dieser in Modellrechnungen aufgezeigten Potenziale verhindert. Daher wird in der regionalen Hyperthermie weiterhin mit den Standardeinstellungen der SIGMA-Applikatoren gearbeitet.
MR-gesteuerte Hyperthermie
Abhilfe kann hier die
MR-gesteuerte Hyperthermie
liefern. Ein Hybridsystem (Betrieb eines SIGMA-Applikators in einem 1,5-T-Kryo-MRT) wurde erstmalig an der Charité Universitätsmedizin installiert und klinisch eingesetzt. Die nichtinvasive
MR-Thermometrie wurde bei 3-D-Phantomen (Gellermann et al.
2005), Rektumkarzinomrezidiven und
Weichteilsarkomen (Gellermann et al.
2006) erfolgreich etabliert und validiert. Mit diesem Hybridsystem konnten Weihrauch et al. (
2007) am Phantom zeigen, dass eine Online-Kontrolle mittels MRT tatsächlich auch bei komplexen 3-D-Anwendungen eine Optimierung der SAR-Verteilung ermöglicht.
Einen weiteren Technologiesprung erreichten Winter et al. (
2013) mit einem sog. integrierten System. Der Arbeitsgruppe gelang es, bikonische Dipolantennen zu entwickeln, die bei der Resonanzfrequenz 298 MHz (7,0 T) sowohl als Hyperthermieantennen (E-Feld-Abstrahlung) wie auch als MR-Antennen (Senden/Empfangen der Magnetfelder) arbeiten. Am Phantom konnte der gesteuerte Leistungseintrag (Fokus, Fokusverschiebung) und die intermittierende MR-Thermometrie demonstriert werden.
Abdominelle Hyperthermie
Die
abdominelle Hyperthermie
ist eine spezielle Anwendung der regionalen Hyperthermie, die bei abdominellen Tumoren und der Peritonealkarzinose zum Einsatz kommt. Hierbei muss ein Raum von über 5–10 l, der sich von der Leber bis ins kleine Becken erstreckt, möglichst homogen mit einem Leistungseintrag ausgeleuchtet werden. Das ist mit der verfügbaren Technologie (SIGMA-Applikatoren) nur ansatzweise möglich (Beck et al.
2015).
Ein dedizierter Applikator für die abdominelle Hyperthermie müsste ein möglichst großes Volumen (longitudinal vom Zwerchfell bis ins kleine Becken) erfassen, wobei die Ankopplung der Antennen an den Körper eine schwierige Aufgabe darstellt. Am günstigsten wäre eine Lösung ohne den belastenden Wasserbolus (also Ankopplung über Luft), was aufgrund jüngster Forschungsergebnisse im Kopfbereich (Oberacker et al.
2021) nicht ausgeschlossen erscheint. Die optimale Frequenz ist (noch) nicht bekannt, liegt aber vermutlich eher im Bereich <100 MHz. Die Entwicklung eines geeigneten (MR-kompatiblen) Applikators für die abdominelle Hyperthermie (Teilkörperhyperthermie) stellt eine Herausforderung dar, die mit hoher Priorität in Angriff genommen werden sollte.
Dabei wird für eine breite und akzeptierte klinische Anwendung auch die Entwicklung einer nichtinvasiven abdominellen MR-Thermometrie sehr wünschenswert sein, da eine invasive Temperaturmessung im Abdomen höchst problematisch und unter klinischen Bedingungen nicht realisierbar ist. Eine erfolgreiche MR-Thermometrie in der Leber wäre eine Lösung, da die Temperaturerhöhung in der Leber eine Information über die mittlere abdominelle Temperatur(erhöhung) liefern kann. Für die Leber sind spezielle Akquisitions- und Auswertetechniken erforderlich, die auch die respiratorische Bewegung berücksichtigen (Winter et al.
2016). Für die abdominelle Hyperthermie sind Lösungen in einem 3T-MR-System (bei 128 MHz) denkbar.
Eine optimale Anwendung der regionalen Hyperthermie ist bei einer Kongruenz von Hyperthermieplanung (Kok et al.
2015) und Online-MR-Thermometrie möglich. Weihrauch (
2007) zeigte, dass für eine korrekte Planung in einer spezifischen Situation eine Adaptation der Antennenfunktionen erforderlich ist. Bei einer Online-Optimierung der regionalen Hyperthermie muss darüber hinaus die unterschiedliche Zeitkonstante für die SAR-Verteilung und die Temperaturverteilung berücksichtigt werden. Während die SAR-Verteilung bei einer Änderung der Steuerparameter (z. B. Phasen) in Sekunden variiert werden kann, nimmt die Änderung der Temperaturverteilung in ein neues Gleichgewicht Minuten in Anspruch. Unter klinischen Bedingungen kann eine Optimierung der Temperaturverteilung demnach nur in einem Wechselspiel von Simulationsrechnungen, E-Feld-Messungen und MR-Thermometrie erfolgen.
Lokale Hyperthermie
Die lokale Hyperthermie wird bei oberflächlichen Läsionen eingesetzt. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Systemen auf dem Markt mit unterschiedlichen Applikatoren (Antennen) und Wellenlängen, wobei die Eindringtiefe der Lokalapplikatoren bei einer Wellenlänge von >100 MHz nur bei wenigen Zentimetern liegt. Die Mehrzahl der Antennen arbeiten bei der zugelassenen ISM-Frequenz (I = Industrie, S = Science, M = Medizin) von 434 MHz.
Kapazitive Hyperthermie
Die
kapazitive Hyperthermie
(KHT) nutzt die einfachste Methode, um ein alternierendes elektromagnetisches Feld zu erzeugen, den Plattenkondensator. Hinsichtlich der erreichbaren Eindringtiefe nimmt diese Methode eine Mittelstellung zwischen der lokalen und regionalen Hyperthermie ein. Es können verschiedene Frequenzen angewendet werden, z. B. 8 MHz beim in Asien verbreiteten Thermotron-System oder auch die zugelassene ISM-Frequenz 13,56 MHz bei den in Europa verbreiteten kapazitiven Geräten der Firma Celsius 42 bzw. Oncotherm. Hierbei ist der Patient auf der Behandlungsliege mit der größeren
Elektrode am Rücken positioniert. Die aktive Elektrode kann variabel positioniert werden und sollte so nah wie möglich an der Behandlungsregion liegen.
Während die KHT relativ einfach durchzuführen und auch für den Patienten gut verträglich ist, sind die erreichten Temperaturverteilungen nur unter bestimmten Bedingungen zufriedenstellend: Zwischen 2
Elektroden bildet sich nur dann ein homogenes elektromagnetisches E-Feld aus, wenn die Abmessungen der Elektroden größer sind (idealerweise viel größer) als die Distanz zwischen beiden Polen, was im menschlichen Körper je nach Habitus und Region nicht immer erreicht wird.
Das größte Hindernis für die KHT sind allerdings Inhomogenitäten des Körpers, vor allem Grenzflächen zwischen Fett und Muskel sowie zwischen Muskel und Knochen, wobei es zu unerwünschten oberflächlichen Überwärmungen kommen kann, die nur teilweise durch Kühlung der Oberfläche mittels Bolus verhindert werden können. Bei Studienergebnissen aus Japan/Asien sollte die Patientenselektion und der schlanke Habitus der asiatischen Patienten beachtet werden. Die KHT scheint effektiv bei oberflächlichen Regionen (z. B. Thoraxwand) zu sein oder auch bei mitteltief gelegenen Läsionen (z. B. Abdomen bei schlanken Patienten) und in der Kopf-Hals-Region. Weniger geeignet scheint die KHT bei Becken oder Thoraxläsionen aufgrund der umgebenden abschirmenden Knochenstrukturen bzw. bei Patienten mit einer Fettschicht von >2 cm zu sein.
Interstitielle Hyperthermie
Die interstitielle Hyperthermie wird unter den gleichen Bedingungen wie die interstitielle Radiotherapie (nach der Afterloading-Methode) mit Mikrowellen- und Radiowellenantenne durchgeführt. Werden vorhandene Körperöffnungen genutzt, wird von intrakavitärer Hyperthermie gesprochen.
Ganzkörperhyperthermie
Die Ganzkörperhyperthermie wird meist mittels eines radiativen Infrarotsystems durchgeführt. Systemische Temperaturen bis 40 °C sind bei der moderaten (fieberartigen) Ganzkörperhyperthermie mit vertretbarem Aufwand (Sedierung) erreichbar, während 41,0–42,0 °C bei der extremen Ganzkörperhyperthermie eine intensivmedizinische Überwachung voraussetzt. Entscheidend für die zügige und effiziente Durchführung ist die Hemmung der Energieabgabe durch Evaporation (z. B. mittels Wasserdampfübersättigung in der Wärmekabine) und andere Formen des Wärmeverlustes (durch konsequente thermische Isolation).
Biologische Grundlagen
Die präklinische Rationale für eine Anwendung der Hyperthermie wurde schon in den 1970er-Jahren gelegt. Aus Untersuchungen an Zellkulturen und Experimentaltumoren folgt, dass sowohl die Radiotherapie als auch Chemotherapie (alkylierende Substanzen, Anthrazykline, Cisplatin u. a.) durch Temperaturerhöhung in ihrer Wirksamkeit erheblich verstärkt werden.
Klinische Studien und Indikationen
Klinische Studien zur Hyperthermie sind aufwendig, da schon die Durchführung der Hyperthermie einen beträchtlichen apparativen und personellen Aufwand erfordert und daher nur an einer begrenzten Zahl von Institutionen durchführbar ist. Dies begründet eine deutlich längere Rekrutierungszeit für eine begrenzte Patientenzahl in den durchgeführten Studien. Berücksichtigt man diese ungünstigen Voraussetzungen, so wurden im Laufe von Jahrzehnten doch zahlreiche Evidenzen gefunden, die es nahelegen, die Hyperthermie weiter zu entwickeln und zu evaluieren und in geeigneter Weise in zukünftige onkologische Behandlungskonzepte zu integrieren.
Mammakarzinom
Mammakarzinom
-Rezidive sind insbesondere bei vorangegangener
Strahlentherapie sehr therapieresistent. In einer randomisierten Studie der European Society of Hyperthermic Oncology (ESHO; Vernon et al.
1996) konnte eine Steigerung der Rate an kompletten Remissionen nach Rebestrahlung durch zusätzliche Hyperthermie nachgewiesen werden (59 % gegenüber 41 %) (Tab.
1). Auch die lokale 2-Jahres-Tumorkontrollrate wurde erhöht (50 % gegenüber 20 %). Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass besonders die kleineren Tumoren und Tumoren nach vorangegangener Strahlenbehandlung von der Hyperthermie profitierten (möglicherweise aufgrund der besseren Erwärmbarkeit). In einer
Metaanalyse zeigte sich, dass die Rate an kompletten Remissionen durch die Hinzunahme der Hyperthermie zur Rebestrahlung insgesamt um 22 % gesteigert werden konnte (Datta et al.
2016a).
Tab. 1
Zusammenfassung der wichtigsten positiven randomisierten Studien für die Hyperthermie in Kombination mit Radiotherapie
Brustkrebs | | RT ± LHT | 307 (317 Läsionen) | Ansprechen |
Kopf-Hals-Karzinome | | RT ± KHT | 65 | Ansprechen |
Kopf-Hals-Karzinome | | RT ± KHT | 56 | Ansprechen Überleben |
| Valdagni und Amichetti 1993 | RT ± LHT | 44 | Ansprechen Überleben |
| | RT ± APAS | 114 | Ansprechen Überleben |
Zervixkarzinome | | RT ± KHT | 40 | Ansprechen |
| Berdov und Menteshashvili 1990 | RT ± ICHT | 115 | Resektabilität Überleben |
Blasenkarzinome | | RT ± APAS | 102 | Ansprechen |
| | RCT ± ICHT | 49 | Lokale Kontrolle |
| | RCT ± KHT | 66 | pCR |
Ösophaguskarzinome | | ChT ± KHT | 40 | Ansprechen |
| | RT ± LHT | 68 (128 Läsionen) | Ansprechen Lokale Kontrolle |
Oberflächliche Tumoren | | RT ± LHT | 245 | Ansprechen (Läsionen ≤3 cm) |
| | IRT ± IHT | 79 | Überleben |
Knochenmetastasen | | RT ± KHT | 57 | Schmerzkontrolle |
Bei Patientinnen mit Brustwandrezidiv nach vorheriger Bestrahlung und/oder inkompletter Resektion (R1/2) ist daher für die Bestrahlung eine zusätzliche Hyperthermie zur Verbesserung der lokalen Kontrolle in Betracht zu ziehen. Diese therapeutische Option ist auch in den S3-Leitlinien zum
Mammakarzinom erwähnt (Version 4.0-2017, S. 207). In den oben zitierten Studien kamen verschiedene Lokalapplikatoren zum Einsatz. Bei ausgedehnteren Läsionen müssen ausgefeilte Multiapplikatortechniken zum Einsatz kommen, die nur an spezialisierten Zentren entwickelt wurden und nicht kommerziell zur Verfügung stehen (van der Zee et al. 2010). Im Verhältnis dazu scheint die allgemein verfügbare kapazitive Technik für viele Brustwandrezidive geeignet, wenn eine geeignete Elektrodengröße und Ankopplung eingesetzt wird.
Inoperable Kopf-Hals-Tumoren
Auch für inoperable
Kopf-Hals-Tumoren wurde in randomisierten Studien gezeigt, dass die Hyperthermie eine Radiotherapie in der Wirkung bzgl. Ansprechen und teilweise auch bzgl. Gesamtüberleben verbessert (Datta et al.
1990; Huilgol et al.
2010; Tab.
1). Auch fortgeschrittene Lymphknotenmetastasen von Kopf-Hals-Karzinomen sind oberhalb einer Ausdehnung von 4–5 cm relativ strahlenunempfindlich. In einer kleineren italienischen Phase III-Studie (Valdagni und Amichetti
1993) konnte ein außerordentlich hoher Nutzen für Patienten nachgewiesen werden, die eine kombinierte Therapie aus Radiotherapie (60 Gy) und Hyperthermie erhielten (Tab.
1). Auch im Bereich Kopf-Hals-Tumoren wurden die Daten in einer
Metaanalyse gemeinsam analysiert, wobei sich zeigte, dass die Rate an kompletten Remissionen durch die Hinzunahme der Hyperthermie zur Bestrahlung insgesamt um 25 % gesteigert werden konnte (Datta et al.
2016b). Die Wärmeapplikation bei Kopf-Hals-Tumoren ist alles andere als trivial. Die randomisierten Studien wurden zur Behandlung der tiefer gelegenen Primärtumoren mit kapazitiven Systemen durchgeführt. Für Lymphknotenmetastasen wurden radiative Mikrowellenapplikatoren eingesetzt.
Fortgeschrittenes Zervixkarzinom
Randomisierte Studien von van der Zee (
2000) und Harima et al. (
2001) zeigten beim fortgeschrittenen
Zervixkarzinom (FIGO IIB-IIIB) ein verbessertes Ansprechen für die Kombinationsbehandlung mit Hyperthermie im Vergleich zur alleinigen Bestrahlung, und in einer niederländischen Studie (Franckena et al.
2008) konnte langfristig ein Überlebensvorteil in der Gruppe RT + HT von 37 % gegenüber 20 % in der Gruppe RT nachgewiesen werden (Tab.
1). In der Studie von Harima wurde die kapazitive Hyperthermie eingesetzt. Offenbar können bei schlanken Patienten (asiatischer Habitus) effektive Temperaturen im Becken erreicht werden. Die Anwendungsbereiche und Grenzen der kapazitiven Technik werden bei Wust (
2016) beschrieben.
Die Cisplatin-haltige Chemotherapie führt zu ähnlichen Verbesserungen und ist im Vergleich zur Hyperthermie allgemein verfügbar und kostengünstiger. Aus diesen Gründen wurde die Radiochemotherapie als neuer Standard etabliert. Dagegen konnte bisher nicht in randomisierten Studien gezeigt werden, dass eine trimodale Therapie (RCT + HT) zu einer weiteren Verbesserung gegenüber der Radiochemotherapie führt. Eine Netzwerk-Metaanalyse randomisierter Studien legt nahe, dass die Kombination von RCT + HT wohl die effektivste Behandlungsform ist (Datta et al.
2016c), dies muss allerdings erst in Studien geprüft werden. Falls jedoch gegenüber einer Chemotherapie mit Cisplatin Kontraindikationen oder andere Bedenken bestehen, kann die hypertherme Radiotherapie als eine zur RCT vermutlich äquivalente Therapie zum Einsatz kommen (Lutgens et al.
2016).
Rektumkarzinom
Beim
Rektumkarzinom konnte interessanterweise in der Studie von Berdov und Menteshashvili (
1990) an Patienten mit Rektumkarzinomen ein deutlich verbessertes Überleben im Hyperthermiearm gezeigt werden. im Hyperthermiearm war die Resektionsrate erheblich erhöht. Die Entscheidung zur Operation wurde vom Chirurgen getroffen, was somit entscheidend die Prognose bestimmt. Die Befürchtung, dass dabei eine Verzerrung (Bias) entstanden ist, wurde in der Arbeit weder kommentiert noch ausgeräumt.
In weiteren Studien konnte weder in der Primärtherapie noch im Rezidivfall ein Vorteil durch zusätzliche Hyperthermie gefunden werden, obwohl Phase-II-Studien zunächst sehr gute Ergebnisse lieferten und zumindest eine Erhöhung des Ansprechens (Downstaging) im präoperativen Ansatz durch Hyperthermie nahelegten (Rau et al.
2000). Langfristig konnte beim
Rektumkarzinom bisher keine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens durch regionale Hyperthermie erreicht werden (van der Zee et al.
2000). Ein wichtiger, vielleicht entscheidender Grund ist die schwierige Erwärmbarkeit der präsakralen Rektumkarzinome im mittleren und proximalen Drittel. Mit den verfügbaren Techniken können nur distal gelegene Rektumkarzinome und
Analkarzinome gut erreicht werden (weitere Informationen bei Wust
2016), und es sollte bei künftigen Studien eine Vorselektion hinsichtlich der Erwärmbarkeit erfolgen.
Moderne therapeutische Ansätze prüfen, ob bei distalen
Rektumkarzinomen eine Rektumexstirpation hinausgeschoben oder vermieden werden kann, wenn eine gute
Regression unter Radiochemotherapie erfolgte. Gerade diese Tumoren sind einer Radiofrequenzhyperthermie zugänglich, sodass bei diesen Patienten eine zusätzliche Hyperthermie möglicherweise zum Organerhalt beitragen kann. Diese Frage wird derzeit in laufenden Studien geprüft (CAO/ARO/AIO-16).
Fortgeschrittenes muskelinvasives Blasenkarzinom
Beim fortgeschrittenen muskelinvasiven Blasenkarzinom
liegen ebenfalls Hinweise auf eine Wirkungsverstärkung durch die regionale Hyperthermie vor (van der Zee et al.
2000: Erhöhung des Ansprechens), sodass eine weitere Evaluation für einen organerhaltenden Ansatz mittels hyperthermer Radiochemotherapie erfolgt (Wittlinger et al.
2009).
Analkarzinom
Auch beim
Analkarzinom zeigte sich die Kombination aus Radiochemotherapie und intrakavitärer Hyperthermie der alleinigen Radiochemotherapie bzgl. Lokalkontrolle überlegen (Kouloulias et al.
2005; Tab.
1).
Ösophaguskarzinom
Für
Ösophaguskarzinome wurden von japanischen Arbeitsgruppen mehrere positive Studien durchgeführt. Es wurden in Ösophagus und Umgebung hohe Leistungsdichten erzeugt, indem eine im Ösophagus positionierte Endoelektrode bei einer Radiofrequenz von 8 MHz mit einer neutralen Gegenelektrode an der
Körperoberfläche verschaltet wird (Kitamura et al.
1995; Sugimachi et al.
1994). Auch hier handelte es sich um ein kapazitives System mit speziellem Elektrodendesign. In Europa wurden die Ergebnisse dieser Studien weder technisch nachvollzogen noch in einem onkologischen Kontext diskutiert. Wenn man die unbefriedigende lokale Kontrolle bei der primären Radiochemotherapie des Ösophaguskarzinoms berücksichtigt, gäbe es für eine solche Anwendung durchaus eine onkologische Rationale.
Malignes Melanom
Bei oberflächlich lokalisierten Rezidiven des malignen
Melanoms (In-Transit-Metastasen, Lokalrezidive) wurde für die Thermoradiotherapie ein deutlicher Verstärkungseffekt nachgewiesen. Dafür führte die ESHO bei 70 Patienten mit 134 Tumormanifestationen eine randomisierte Studie zur Prüfung der Wirksamkeit der lokalen Hyperthermie durch (Overgaard et al.
1995). Es ergab sich sowohl eine Verbesserung der Rate an kompletten Remissionen (62 % vs. 35 % bei alleiniger
Strahlentherapie) als auch eine Verbesserung der lokalen 5-Jahres-Kontrollrate (46 % vs. 28 %).
Glioblastom
Die interstitielle Hyperthermie wurde beim Glioblastom
in den USA in einer randomisierten Studie untersucht. Es zeigte sich eine Verlängerung des progressionsfreien Intervalls und des 2-Jahres-Gesamtüberlebens von knapp 10 % im Hyperthermiearm gegenüber 0 % im Kontrollarm (Sneed et al.
1998).
Knochenmetastasen
In einer aktuellen randomisierten Studie bei Patienten mit schmerzhaften Knochenmetastasen
zeigte die Kombination aus palliativ-analgetischer Radiotherapie (10 × 3 Gy) in Kombination mit kapazitiver Hyperthermie ein besseres und dauerhafteres Schmerzansprechen im Vergleich zur alleinigen Radiotherapie (Chi et al.
2018).
Zusammenfassung
Eine Zusammenfassung der vorliegenden Daten ergibt daher folgende Indikationen für die Hyperthermie
in Kombination mit
Strahlentherapie:
-
Brustkrebslokalrezidive, insbesondere nach vorausgegangener Bestrahlung
-
Lokal fortgeschrittene HNO-Tumoren und Lymphknotenmetastasen
-
Lokal fortgeschrittene
Zervixkarzinome, insbesondere wenn eine Radiochemotherapie nicht möglich ist
-
-
-
-
Schmerzhafte Knochenmetastasen
Ausblick
Eine Wirksamkeitsverstärkung der Radiotherapie durch Hyperthermie wurde für lokale, regionale, interstitielle und intrakavitäre Verfahren mit verschiedenen Technologien gezeigt. Somit kann an der grundsätzlichen Wirksamkeit eigentlich nicht gezweifelt werden. Allerdings gibt es noch zahlreiche offene Fragen und Widersprüche, die leider bisher selbst innerhalb der Hyperthermieanwender nicht gelöst werden konnten.
So ist nicht geklärt, ob die in den Studien beobachtbaren klinischen Endpunkte tatsächlich nur durch eine Temperaturerhöhung verursacht werden oder ob weitere Effekte durch die elektromagnetische Strahlung (und einer eventuellen Modulation) möglich oder wahrscheinlich sind – und welche Frequenzabhängigkeit hier besteht. Auffällig sind in diesem Zusammenhang die großen Unterschiede zwischen den thermischen Dosen, die in präklinischen Experimenten (Wasserbadhyperthermie) oder der Ganzkörperhyperthermie erreicht werden, und den deutlich niedrigeren Dosen bei der Radiofrequenzanwendung. Tatsächlich sind die klinischen Resultate der sog. extremen Ganzkörperhyperthermie eher begrenzt, um nicht zu sagen enttäuschend, obwohl im Verhältnis zu den lokoregionalen Verfahren unerreichbar hohe thermische Dosen appliziert werden können (Hildebrandt et al.
2005).
Ein weiterer ernst zu nehmender Nachteil für die Hyperthermie ist die fehlende Standardisierung. Obwohl die wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Hyperthermieplanung und Phantome längst vorliegen, gibt es keine allgemein zugänglichen Planungssysteme und Standardphantome. In den nächsten Jahren sollte hier ein zur Radiotherapie vergleichbarer Stand angestrebt werden.
Technische Fortschritte in der Applikatorentwicklung (dedizierte Multiantennensysteme für Kopf, Hals und Abdomen; s. Paulides et al.
2007; Takook et al.
2017; Oberacker et al.
2021; Beck et al.
2015) lassen vermuten, dass (nur) in Hybridsystemen (simultaner Einsatz von Hyperthermieapplikator unter MR-Echtzeitkontrolle) eine dreidimensionale Kontrolle der Leistungsverteilung/Temperatur und somit eine Indikationserweiterung für die Hyperthermie erreicht werden kann (Gellermann et al.
2005). Eine erfolgreiche
Online-Kontrolle der Leistungs- und Temperaturverteilung würde auch eine
Online-Optimierung ermöglichen und somit zu einer verbesserten Hyperthermie führen. Die nichtinvasive Erfassung temperaturinduzierter Gewebeveränderungen mit MR wird im
Oberbauch und Abdomen neue Indikationen für onkologische Therapien eröffnen. Ein geeigneter, auch heute schon zugänglicher Messparameter wäre die MR-Temperatur in der Leber. Von onkologischem Interesse sind diverse abdominelle Tumorerkrankungen wie lokal fortgeschrittene und/oder rezidivierende Pankreas-, Magen-, Gallengangs- und
Ovarialkarzinome sowie Peritonealkarzinosen und ausgedehnte Lebermetastasierungen.
Aufgrund neuer Erkenntnisse könnten sich in Zukunft auch Kombinationen der Hyperthermie mit Immuntherapie, Gentherapie und perfusionsabhängigen Therapieverfahren ergeben.
Mit den genannten technischen Möglichkeiten und deren Weiterentwicklung müssen in den universitären Zentren und akademischen Einrichtungen neue Phase-III-Studien zu geeigneten Indikationen begonnen werden. Dieses gilt sowohl für kurative wie auch palliative Therapiekonzepte.