Prädisponierende Risikofaktoren und Erregerspektrum
Eine langanhaltende Neutropenie
bzw. Agranulozytose
ist der am häufigsten anzutreffende Risikofaktor bei immunsupprimierten Patienten mit Infektionen und ist meist krankheitsbedingt (z. B. akute Leukämie) oder Ausdruck der Chemotherapietoxizität. Nicht nur die Tiefe der Neutropenie, sondern auch deren Dauer ist mit einem ansteigenden Infektionsrisiko assoziiert (Bodey et al.
1966). Neben der Neutropenie sind zelluläre Immundefekte, ein Antikörpermangelsyndrom sowie eine anatomische bzw. funktionelle Asplenie mit einem relevant erhöhten Infektionsrisiko
korreliert, wobei eine gewisse Assoziation zwischen Art der Immunsuppression und bestimmten Infektionserkrankungen bzw. Erregern besteht (Tab.
1). Die Kenntnis dieser Assoziationen hat nicht nur zur Entwicklung von Prophylaxestrategien (z. B. antimykotische Primärprophylaxe bei Langzeitneutropenie; Cornely et al.
2007) sowie präemptiven Therapiekonzepten (z. B. antivirale Therapie nach allogener Blutstammstelltransplantation; Ullmann et al.
2016) geführt, sondern erlaubt auch eine gezieltere Diagnostik bei Patienten mit entsprechendem Risikoprofil.
Tab. 1
Infektionsbegünstigende Risikofaktoren und typisches Erregerspektrum bei Patienten mit hämatoonkologischen Erkrankungen
Neutropenie | Intensive Chemotherapie, Strahlentherapie, krankheitsinduziert (z. B. akute Leukämie), medikamentös induzierte Agranulozytose (z. B. Metamizol) | |
Zellulärer Immundefekt, verminderte Zahl an T-Helferzellen, immunsuppressive Pharmakotherapie (z. B. Steroide, Calcineurininhibitoren) | Therapie mit Nukleosidanaloga, HDCT mit HSZT, Behandlung der GvHD nach allogener HSZT | Mykobakterien, Pneumocystis jiroveci, Fadenpilze (z. B. Aspergillus spp.), Candida spp., Herpesviren (z. B. Cytomegalievirus), Hepatitis B, Toxoplasma gondii |
Antikörpermangel | Plasmozytom, Lymphome, gegen B-Zellen gerichtete Therapien | |
Anatomische/funktionelle Asplenie | Splenektomie, GvHD nach allogener HSZT | Verkapselte Bakterien, v. a. Pneumokokken, Gefahr einer OPSI |
Neue, zielgerichtete Therapeutika | Therapie mit BTK-, PI3K- und JAK2-Inhibitoren | Respiratorische Infektionen, invasive Mykosen (inkl. P. jiroveci, Aspergillus spp.), Cytomegalievirus |
Die Einführung neuer, zielgerichteter Substanzen („small molecules“ und Biologicals) hat die Therapiemöglichkeiten zahlreicher Malignome, insbesondere hämatologischer Neoplasien, wesentlich verbessert. Allerdings sind gehäuft Infektionen unter Therapie mit neuen, zielgerichteten Substanzen beobachtet worden, die nicht alleine durch vorangegangene bzw. gleichzeitig durchgeführte Therapien erklärt waren (Tab.
1; Reinwald et al.
2018). Insbesondere unter Therapie mit dem Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib, dem PI3K-Inhibitor Idelalisib und JAK2-Inhibitoren wurden gehäuft invasive
Mykosen beobachtet, wobei deren Genese durch Inhibition entscheidender Signalwege teilweise erklärbar ist (Lionakis et al.
2017; Lionakis und Levitz
2018). Da eine Zunahme des Einsatzes neuer, zielgerichteter Substanzen in den kommenden Jahren zu erwarten ist, dürfte sich die Zusammensetzung des Risikokollektivs weiter verändern und die Entwicklung von Prophylaxestrategien erforderlich machen.
Grundsätzlich muss zwischen De-novo-Infektionen und Reaktivierungen bei latenter Infektion unterschieden werden, was nicht nur Konsequenzen in Hinblick auf den Einsatz indirekter diagnostischer Verfahren (z. B. vorhandene „Seronarbe“ bei Reaktivierung) hat, sondern auch bezüglich des Einsatzes von Prophylaxestrategien. Die in Tab.
2 dargestellte Auswahl an Erregern können typischerweise unter immunsuppressiven Therapien reaktivieren.
Tab. 2
Auswahl an Krankheitserregern mit Reaktivierungspotenzial
| Mykobakterien |
Viren | Herpesviren (HSV, VZV, EBV, CMV, HHV-6), Hepatitis B, Polyomaviren (BK, JC) |
Pilze | Fadenpilze (z. B. Aspergillus spp., Mucormykose), Sprosspilze (Cryptococcus spp.) |
Parasiten | Toxoplasma gondii, Strongyloides stercoralis |
Bei etwa der Hälfte der Patienten mit
Fieber in der Neutropenie lässt sich klinisch kein Fokus oder ein klinisch relevantes Keimisolat nachweisen, d. h., es liegt definitionsgemäß Fieber unklarer Genese (FUO, „fever of unknown origin“) vor (Heinz et al.
2017).
Bei Patienten mit Neutropenie und
Fieber unklarer Genese
(FUO, „fever of unknown origin“) sollte eine empirische Antibiotikatherapie ohne Zeitverzug eingeleitet werden.
Basisdiagnostik
Fieber ist nahezu regelhaft das erste Symptom einer Infektion und liegt vor, wenn bei einer oralen Messung eine Körpertemperatur ≥38,3 °C einmalig oder ≥38,0 °C (für eine Dauer ≥1 Std. oder zweimalig innerhalb von 12 Std.) festgestellt wird. Zu beachten ist, dass antipyretische Substanzen (z. B.
Paracetamol,
Metamizol, Steroide) dies maskieren können und Medikamente (z. B. Bleomycin) oder die Transfusion von Blutprodukten Fieber verursachen können.
Bei Auftreten von
Fieber bei immunsupprimierten Patienten sollte eine Anamnese zur Erfassung richtungsweisender Beschwerden und Erfassung alternativer Fieberursachen (s. oben) erfolgen. Die klinische Untersuchung mit Erfassung der Vitalparameter (Puls, Blutdruck, Atemfrequenz,
Sauerstoffsättigung) sollte unverzüglich und vollständig erfolgen, um mögliche Infektherde zu erfassen (Tab.
3).
Tab. 3
Richtungsweisende klinische Untersuchungsbefunde
ZNS-Symptome: Kopfschmerz und/oder Meningismus, fokale neurologische Symptome, Vigilanzminderung, Delir | Meningitis, Meningoenzephalitis, Hirnabszess (z. B. bakteriell, neurotrope Viren, Cryptococcus spp., Fadenpilze) |
| Septische Herde (z. B. bei Candidämie oder bakterieller Disseminierung) |
Gesichts-, Kieferschmerzen, orbitale Schwellung, nasale Sekretion, Nasenatmungsbehinderung | Sinusitis (z. B. bakteriell oder durch Fadenpilze verursacht) |
Mundschleimhautulzera | Mukositis durch Candida spp., grampositive Bakterien, Herpesviren |
Husten, Dyspnoe, atemabhängiger Thoraxschmerz | Pneumonie (z. B. bei Infektionen mit Fadenpilzen, P. jiroveci) |
Herzgeräusch, insbesondere, wenn es erstmals festgestellt wird | Dieses kann funktionell (z. B. erhöhtes Herzzeitvolumen bei Infektion) oder durch eine Endokarditis bedingt sein |
Hautläsionen +/− Nekrosebildung | Septische Embolien bei disseminierter Infektion mit Bakterien, Pilzen |
Rötung und/oder Schwellung im Bereich von Venenzugängen | Lokale Infektionen mit Gefahr der Disseminierung (z. B. grampositive Bakterien, Candida spp.) |
Diffuser und/oder lokaler Abdomenbefund (z. B. Druck-, Loslassschmerz) | Lokale (z. B. Cholezystitis, Appendizitis, Divertikulitis) oder disseminierte (z. B. Peritonitis, nekrotisierende Kolitis +/- Hohlorganperforation) intraabdominelle Infektionen |
Diarrhö +/− Emesis | Gastroenteritis (z. B. Clostridium difficile, andere bakterielle Enteritiserreger, Noroviren) |
Perianale Rötungen und/oder Schwellungen | Lokale Infektionen mit Gefahr der Disseminierung (meist polymikrobiell) |
Die klinische Untersuchung von immunsupprimierten Patienten mit Infektionen sollte unverzüglich erfolgen und bis zum Abklingen mindestens einmal täglich wiederholt werden.
Bei Symptomen oder klinischen Zeichen einer Atemwegsinfektion sollte eine Bildgebung des Thorax erfolgen. Die Sensitivität einer konventionellen Röntgenaufnahme des Thorax ist deutlich geringer im Vergleich zur Computertomografie (CT), sodass bei entsprechendem Verdacht eine CT erfolgen sollte (Maschmeyer und Donnelly
2016). Bei klinischen Zeichen einer Sinusitis sollte, insbesondere bei drohenden Komplikationen oder Infektionen mit Fadenpilzen (
Aspergillus spp., Mucormykose), eine CT des Gesichtsschädels veranlasst werden. Falls Hinweise auf eine intraabdominelle Infektion vorliegen, sollte zumindest eine Ultraschalluntersuchung und ggf. eine ergänzende CT durchgeführt werden (Schmidt-Hieber et al.
2018). Bei Patienten mit Zeichen einer ZNS-Infektion, insbesondere bei invasiven
Mykosen, sollte eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder, falls diese nicht verfügbar sein sollte, eine CT erfolgen (Ruhnke et al.
2018). Bei klinischen Hinweisen auf eine
Meningitis (z. B. Meningismus, Cephalgien oder fokale neurologische Symptome) sollte unverzügliche eine
Liquordiagnostik erfolgen.
Neben den Blutbildparametern (großes Blutbild: Leukozyten- und Thrombozytenzahl mit Differenzierung, Erythrozytenzahl mit errechneten oder gemessenen Parametern) ist die Bestimmung weiterer Basislaborparameter (ASAT, ALAT, gGT,
Bilirubin, alkalische Phosphatase, LDH,
Kreatinin,
Harnstoff, Quick, PTT,
Fibrinogen,
C-reaktives Protein, Na, K, Ca) sinnvoll, um Hinweise auf den Infektfokus zu gewinnen, schwerwiegende Organdysfunktionen frühzeitig zu erfassen und Ausgangswerte zur Verlaufsbeurteilung zu erhalten (Heinz et al.
2017).
Bei erhöhten Leberwerten sollte zeitnah, wenn noch nicht geschehen, eine Hepatitisserologie (
Hepatitis A: Anti-HAV-IgG und -IgM;
Hepatitis B: HBs-Antigen, Anti-HBc;
Hepatitis C: Anti-HCV, auch Hepatitis-E-Antikörper) und in Zweifelsfällen eine entsprechende PCR veranlasst werden.
Procalcitonin wird bei bakteriellen Infektionen erhöht gemessen, schließt eine solche Infektion aber bei normalem Ergebnis auch nicht aus. Die meisten Studien hierzu sind allerdings bei Patienten ohne Neutropenie durchgeführt worden. Jedoch gibt es inzwischen vermehrt Hinweise, dass die Messung von Procalcitonin auch bei Malignompatienten aussagekräftig sein kann (Bruno et al.
2017).
Bei selten auftretenden Infektionen und unklaren Krankheitszuständen, bei denen eine Infektion vermutet wird, empfiehlt sich die Hinzuziehung von Kollegen mit infektiologischer Expertise (Spec et al.
2017).
Spezielle Diagnostik bei bakteriellen Infektionen
Bei Verdacht auf eine Infektion sollten mindestens zweimal zwei
Blutkulturflaschen (zwei aerobe, zwei anaerobe Kulturflaschen) zu unterschiedlichen Zeiten optimal bei Fieberanstieg beimpft werden, die durch eine frische Venenpunktion an zwei unterschiedlichen Stellen entnommen werden (ggf. zusätzlich ein Blutkulturflaschenpaar aus Venenkatheter, falls vorhanden).
Ein rascheres Keimwachstum in Proben, die aus Venenkathetern entnommen wurden, im Vergleich zu zeitgleich durch Venenpunktion entnommenen Proben (≥2 Std.) sollte als Hinweis auf eine Katheterinfektion
gewertet werden. Eine erweiterte Probenentnahme mit Beimpfung von dreimal zwei
Blutkulturflaschen bzw. die getrennte Probenentnahme aus Schenkeln mehrlumiger Venenkatheter kann die diagnostische Aussagekraft verbessern (Heinz et al.
2017). Die Entnahme weiterer bakteriologischer Kulturen sollte in Abhängigkeit des klinischen Bildes vorgenommen werden (z. B. Wundabstriche, intraoperative
Abstriche, Liquor, Galleaspirat).
Bei Erregern, die nicht in der Routinediagnostik (z. B.
Blutkultur) oder nur mit deutlicher Latenz mittels spezieller Verfahren anzüchtbar sind (z. B.
Treponema pallidum, Mykobakterien,
Chlamydia spp.), können molekulare
Nachweisverfahren hilfreich sein, da serologische oder indirekte immunologische
Testverfahren trotz aktiver Infektion negativ ausfallen können.
Bei Verdacht auf eine durch
Clostridium difficile verursachte Kolitis ist eine Keimanzucht selten notwendig und der Nachweis bakterieller
Glutamat-Dehydrogenase und der
Toxine A bzw. B mittels Enzymimmunassay in
Stuhlproben meist ausreichend (Schmidt-Hieber et al.
2018).
Bei Erregern, die nicht in der Routinediagnostik anzüchtbar sind, können molekulare Tests (meist Polymerasekettenreaktion, PCR) hilfreich und diagnostisch entscheidend sein, wobei molekulare
Testverfahren inzwischen allgemein kommerziell verfügbar sind. Ein molekularer Erregernachweis aus Blutproben ist mit kommerziell verfügbaren Testsystemen möglich und kann im Vergleich zur konventionellen Erregerkultur deutlich rascher Resultate liefern (Chen und Kontoyiannis
2010). Allerdings erfassen molekulare
Nachweisverfahren häufig eine inzwischen fast uferlose Anzahl von Erregern, deren klinische Wertigkeit allgemein noch wenig belegt oder sogar weitgehend unbekannt ist. Erst Recht mangelt es immer noch an Erfahrungen bei immunsupprimierten Patienten (Elges et al.
2017). Man kann aber davon ausgehen, dass solche „neu entdeckten“, von bekannten Keimen abgetrennte Species insbesondere bei Immunsupprimierten
im Zweifel von Relevanz sein können.
Eine Erregeridentifizierung mittels MALDI-TOF (Matrix-assisted
laser desorption time of flight)Massenspektrometrie ist in der mikrobiologischen Routinediagnostik etabliert und erlaubt eine rasche und präzise Erregeridentifizierung, wobei der Erreger hierzu in Reinkultur vorliegen muss. Bei Verdacht auf Vorliegen einer Infektion mit Erregern, die nicht in der Routinediagnostik mittels
Blutkultur anzüchtbar sind, sollte eine entsprechende Diagnostik in enger Abstimmung mit dem mikrobiologischen Labor erfolgen, das dann besser die Möglichkeit hat, dem Kliniker das geeignete Untersuchungsmaterial vorzuschlagen und die beste diagnostische Methode (u. a. Anzucht auf Spezialmedien, serologische und molekulare
Testverfahren) auszuwählen. Zusätzlich sollten dem mikrobiologischen Labor patientenspezifische Informationen zu Diagnose, Art und Schwere der Immunsuppression sowie durchgeführten Antibiotikatherapien (z. B. Chinolonprophylaxe bei Neutropenie) mitgeteilt werden.
Spezielle Diagnostik bei Pilzinfektionen
Die Diagnostik
invasiver Pilzinfektionen erfordert nicht nur konventionelle Kulturtechniken, sondern auch den Einsatz bildgebender Verfahren, serologischer und molekularer Techniken sowie, soweit verfügbar, die histologische Untersuchung von Gewebeproben.
Die Diagnose einer invasiven Mykose
kann nicht immer zweifelsfrei belegt werden, und der Grad der diagnostischen Sicherheit kann nach international akzeptierten Definitionen als bewiesen („proven“), wahrscheinlich („probable“) oder möglich („possible“) angesehen werden (Donnelly et al.
2020).
Die
Blutkultur zeigt sich bei Infektionen mit
Fadenpilzen (
Aspergillose, Mucormykose
) regelhaft negativ und kann nur bei Infektionen mit sehr selten auftretenden Fadenpilzinfektionen (Fusariose, Scedosporiose) ein Keimwachstum zeigen. Bei invasiver Candidose hingegen entspricht die Blutkulturdiagnostik dem
Goldstandard (Tab.
4).
Tab. 4
Diagnostik häufiger, invasiver
Mykosen
Invasive Aspergillose (A. fumigatus) | | CT Thorax, Gesichtsschädel | Sinusbiopsie (Kultur, Histologie) | GM β-D-Glucan |
Invasive Mucormykose (Rhizopus oryzae) | Pneumonie, Sinusitis | CT Thorax, Gesichtsschädel | BAL (Zytologie, Kultur, PCR) Sinusbiopsie (Kultur, Histologie) | – |
Pneumozystose (Pneumocystis jiroveci) | Pneumonie | CT Thorax (Röntgen Thorax) | BAL (Zytologie, Antigentest, PCR) | β-D-Glucan |
Candidose (Candida albicans) | Mukokutan, Candidämie (z. B. katheterassoziiert), hepatolienal | Klinische Untersuchung, Endoskopie, Sonografie, CT, MRT | Abstrich-, Blutkultur, PCR (Blutproben), Biopsie (Kultur, Histologie, PCR) | |
Kryptokokkose (Cryptococcus neoformans) | Pneumonie, Meningoenzephalitis | CT Thorax (Röntgen Thorax), MRT > CT Schädel | BAL (Zytologie, Kultur) | Spezifischer Antigennachweis im Serum und/oder Liquor |
Für die Bildgebung, insbesondere bei pulmonalen Fadenpilzinfektionen, ist die CT der konventionellen Röntgendiagnostik überlegen (Maschmeyer und Donnelly
2016). Der Nachweis eines Halozeichens sollte als Hinweis auf eine invasive pulmonale
Aspergillose und ein inverses Halozeichen als Hinweis auf eine invasive Mucormykose gewertet werden (Ruhnke et al.
2018).
Bei zytologischen Untersuchungen sollte der Fluoreszenzfarbstoff Calcofluor eingesetzt werden, da dieser die Darstellung von Pilzzellen erleichtert. Weitere Färbungen (
PAS-Reaktion,
Silberfärbung nach Grocott) können die diagnostische Aussagekraft bei zytologischen und histologischen Präparaten steigern (Ruhnke et al.
2018).
Spezifische serologische Tests sind für die
Aspergillose, die Candidose
und die Kryptokokkose verfügbar (Tab.
4). Der β-D-Glucan-Test kann insbesondere bei der Pneumozytose diagnostisch wegeweisend sein, ist aber jedoch nicht spezifisch und zeigt sich auch bei anderen Pilzinfektionen positiv (Ruhnke et al.
2018).
Der Nachweis pilzspezifischer DNA mittels PCR ist insbesondere bei Fadenpilzinfektionen und bei Candidose hilfreich und kann die diagnostische Aussagekraft steigern, wobei sehr unterschiedliche, kommerzielle und nicht-kommerzielle, PCR-Tests mit sehr variabler Aussagekraft verfügbar sind (Ruhnke et al.
2018).
Spezielle Diagnostik bei viralen Erregern
Der eindeutige Nachweis einer Virusinfektion
bei immunsupprimierten Patienten basiert meist auf dem Nachweis erregerspezifischer DNA oder RNA in Blutproben oder anderen geeigneten Materialien (Tab.
5), da serologische Tests falsch-negativ ausfallen können.
Tab. 5
Diagnostik häufiger viraler Infektionen
Cytomegalievirus (CMV) Humaner Herpesvirus 6 | Reaktivierung | pp65-Antigennachweis im Blut (CMV) PCR (Blut, Organsystemproben, z. B. Liquor) |
Herpes simplex 1/2 | Reaktivierung | PCR (Hautläsionen, Bläscheninhalt, Liquor) |
Hepatitis-B-, -C-, -E-Virus | Reaktivierung (B), präexistente oder De-novo-Infektion (C), De-novo-Infektion (E) | Hepatitis B: Anti-HBc, HBs-Antigennachweis im Blut PCR (Blut: B, C, E; Stuhl: E) |
Respiratorische Viren (u. a. Influenza, Parainfluenza, RSV, AdV) | De-novo-Infektion Reaktivierung (AdV) | Gezielte PCR, Multiplex-PCR (Nasen-Rachen-Abstrich, Rachenspülwasser, BAL) Virusanzucht, Antigentest (AdV, zusätzlich Konjunktivalabstrich, Stuhl, Urin) |
SARS-CoV-2 | de novo Infektion | PCR > Antigentest (Nasen-Rachenabstrich) CT-Thorax |
Noroviren | De-novo-Infektion | PCR (Stuhl) |
Polyomaviren (BK, JC) | Reaktivierung | PCR (Urin: BK; Liquor: JC) Zytologischer Nachweis von Decoy-Zellen im Urin (BK) MRT > CT Schädel, Hirnbiopsie (JC) |
Viren der Herpesgruppe zeigen ein hohes Reaktivierungspotenzial bei immunsupprimierten Patienten, insbesondere nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (alloHSZT). Eine frühzeitige Erfassung einer Reaktivierung des Cytomegalievirus (CMV), des
Epstein-Barr-Virus (EBV) und des Humanen Herpesvirus
6 ist zuverlässig mittels quantitativem pp65-Antigennachweis (CMV) oder quantitativer PCR in Blutproben möglich (Tab.
5). Bei positivem Nachweis von CMV und EBV ist die Einleitung einer präemptiven Therapie bei Patienten nach alloHSZT ein etabliertes Vorgehen (Ljungman et al.
2004; Styczynski et al.
2016).
Die Diagnose einer Reaktivierung oder selten auftretenden De-novo-Infektion mit dem
Herpes-simplex-Virus oder
Varizella-Zoster-Virus kann bei Vorliegen typischer klinischer Manifestation (z. B. mukokutaner ‚Lippenherpes‘, ‚Gürtelrose‘) gestellt werden und durch Nachweis virusspezifischer DNA im Bläscheninhalt von Haut-/Schleimhautläsionen mittels PCR gesichert werden (Tab.
5).
Von den humanpathogenen Hepatitisviren
kann eine vorausgegangene Infektion mit
Hepatitis.
B (HBV) bei immunsupprimierten Patienten, insbesondere unter Therapie mit Rituximab, reaktivieren. Daher sollte bei Risikopatienten mit Nachweis von HBs-Antigen bzw. HBV-DNA eine antivirale Therapie erfolgen (Sandherr et al.
2015).
Eine Reaktivierung einer ausgeheilten einer ausgeheilten
Hepatitis C Virus (HCV-) Infektion ist unter immunsuppressiver Therapie nicht zu erwarten. Da bei Patienten mit HCV-Infektion eine höhere Chemotherapietoxizität zu erwarten ist und effektive, Interferon-freie Therapieoptionen verfügbar sind, sollte ein Laborscreening (Serologie, Nachweis von HCV-RNA im Blut; Tab.
5) und ggf. eine Therapie der HCV-Infektion bei entsprechenden Patienten erfolgen (Sandherr et al.
2015).
Die Seropävalenz der
Hepatitis E Virus (HEV) Infektion in Deutschland liegt nach Daten des
Robert Koch-Instituts bei 16,8 % (vorwiegend zoonotische Infektion mit Genotyp 3). Infektionen mit HEV heilen bei immunkompetenten Personen nahezu immer spontan aus und können jedoch bei immunsupprimierten Patienten zu chronischen Infektionen mit Entwicklung einer
Leberzirrhose bis hin zum Organversagen führen. Daher sollte bei allen immunsupprimierten Patienten mit unklarer Leberfunktionsstörung eine Untersuchung auf Vorliegern einer HEV-Infektion vorgenommen werden, wobei zum sicheren Ausschluss neben einer serologischen Untersuchung eine PCR zum Nachweis von HEV-RNA aus Blut- und
Stuhlproben erfolgen sollte (European Association for the Study of the Liver
2018).
Eine Vielzahl
respiratorischer Viren (
Influenza, Parainfluenza, Respiratorisches Synzitial-Virus, Adenovirus) kann bei immunsupprimierten Patienten zu schwerwiegenden Infektionen, insbesondere der unteren Atemwege führen, wobei nicht nur ambulant erworbene Infektionen sondern auch nosokomial erworbene Infektionen im Rahmen von Ausbruchsszenarien auftreten können. Eine zuverlässige diagnostische Sicherung ist mit gezielter PCR oder
Multiplex-PCR zur Erfassung der häufigsten respiratorischen Viren in Materialien aus dem Respirationstrakt möglich (Tab.
5; von Lilienfeld-Toal et al.
2016). Mit Beginn der COVID-19 Pandemie, bedingt durch den ‚Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2‘ (SARS-CoV-2), hat der Bedarf an virologischer Diagnostik dramatisch zugenommen. Entscheidend für das Management in der Pandemie war und ist eine zuverlässige Diagnostik deren Ergebnisse rasch verfügbar sind. Als Untersuchungsmaterialien eignen sich grundsätzlich alle Proben aus dem Respirationstrakt, wobei der Nasen- Rachenabstrich gut geeignet und einfach durchführbar ist. Der labordiagnostische
Goldstandard ist die PCR, wobei diese auch eine Identifizierung der Virusvarianten erlaubt (Mögling
2022). Zahlreiche Antigentests sind entwickelt worden. Diese sind gut geeignet rasch Ergebnisse zu liefern, besitzen jedoch eine variable Sensitivität und Spezifität und erlauben keine Identifizierung von Virusvarianten (Dinnes
2021). Eine radiologische Diagnostik ist zur Diagnosesicherung einer SARS-Cov-2 Infektion nicht notwendig, jedoch ist eine Computertomografie (CT) des Thorax sensitiv in der Detektion pulmonaler entzündlicher Infiltrate. Außerdem erlaubt die CT bzw. die Morphologie der Infiltrate und deren Ausmaß eine Einschätzung zur Diagnosewahrscheinlichkeit, eine Beurteilung des Schweregrades sowie die Erkennung von Komplikationen (Simpson
2020).
Infektionen mit dem
Norovirus (NV) sind hochkontagiös (u. a. Übertragung durch Inhalation von Viruspartikeln, die bei Emesis durch Aerosolbildung freigesetzt werden) und können bei immunsupprimierten Patienten zu schwerwiegenden Komplikationen und chronischer Diarrhö führen (Schwartz et al.
2011). Antigentests besitzen eine unzureichende Sensitivität, sodass zur Diagnosesicherung eine PCR zum Nachweis NV-spezifischer RNA eingesetzt werden sollte (Tab.
5).
Primäre Infektionen mit humanpathogenen
Polyomaviren erfolgen meist in der Kindheit und können unter immunsuppressiven Therapien reaktivieren. Reaktivierungen des
BK-Virus treten vor allem bei Patienten nach alloHSZT oder Organtransplantation auf und können eine hämorrhagische Zystitis, Ureterstenosen und
Nephropathie verursachen (Pinto und Dobson
2014). Die Diagnose einer BK-Virus-Reaktivierung ist mittels PCR-basiertem Nachweis von BK-Virus-spezifischer DNA im
Urin (plus ggf. Nachweis von Decoy-Zellen im
Urinsediment) zu stellen (Tab.
5). Reaktivierungen des
JC-Virus können insbesondere bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien, nach alloHSZT oder Organtransplantation, Patienten mit Autoimmunopathien, Patienten mit unbehandelter
HIV-Infektion oder Patienten mit immunmodulatorischen Therapien (z. B. Natalizumab bei
multipler Sklerose) auftreten und führen typischerweise zur progressiven, multifokalen Leukenzephalopathie. Eine serologische Untersuchung zum Nachweis einer stattgehabten JC-Virus-Infektion empfiehlt sich insbesondere vor Einleitung einer immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapie mit hohem JC-Virus-Reaktivierungsrisiko (z. B. Therapie mit Natalizumab). Der diagnostische
Goldstandard ist die Hirnbiopsie, wobei die Diagnose mit hinreichender Sicherheit mittels Bildgebung (MRT) und Nachweis JC-Virus-spezifischer DNA gestellt werden kann (Tab.
5; Pinto und Dobson
2014).
Spezielle Diagnostik bei Parasitosen
Parasitäre Infektionen werden durch eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Erreger (z. B. Protozoen, Helminthosen) verursacht und treten im Vergleich zu bakteriellen oder viralen Infektionen seltener bei immunsupprimierten Patienten auf. Aufgrund einer zunehmenden Zahl an Patienten mit Immunsuppression, zunehmenden Fernreiseaktivitäten sowie Migrationsbewegungen dürften Parasitosen in den kommenden Jahren auch bei immunsupprimierten Patienten zunehmend auftreten. Parasitosen stellen aufgrund der Vielfalt an Erregern und klinischer Manifestationen eine diagnostische Herausforderung dar.
Neben Parasitosen mit weltweiter Verbreitung (z. B.
Toxoplasmose) gibt es zahlreiche Parasitosen mit Auftreten in tropischen, subtropischen (z. B.
Malaria) oder auch mediterranen Endemiegebieten (z. B. Leishmaniose), sodass die Kenntnis früherer Aufenthalte in Endemiegebieten mit Risikoexposition entscheidende diagnostische Hinweise geben kann.
Sowohl De-novo-Infektionen als auch Reaktivierungen und Übertragungen durch Blutprodukte oder Stammzellpräparate nach alloHSZT sind beobachtet worden (Fabiani et al.
2017).
Toxoplasmose, verursacht durch
Toxoplasma gondii, ist eine weltweit auftretende Zoonose
mit einer sehr hohen Seroprävalenz in Deutschland (>70 % oberhalb des 70. Lebensjahres). Erkrankungen, verursacht durch
T. gondii, bei immunsupprimierten Patienten entstehen meist durch Reaktivierung, seltener durch eine De-novo-Infektion, können sich als
Enzephalitis,
Pneumonie oder Chorioretinitis manifestieren und gehören zu den am häufigsten auftretenden Parasitosen unter Immunsuppression
. Die Diagnose basiert auf dem serologischen Nachweis von spezifischen
Antikörpern, wobei dies meist keine Differenzierung zwischen stattgehabter und aktiver Infektion erlaubt, dem klinischen Erscheinungsbild sowie bildgebenden Verfahren (z. B. MRT bei Enzephalitis). Bei Vorliegen einer Enzephalitis kann der Nachweis Erreger-spezifischer DNA im Liquor mittels PCR diagnostisch entscheidend sein (Tab.
6).
Tab. 6
Übersicht zu ausgewählten Parasitosen
Toxoplasma gondii | Weltweit | Serologie meist nur im Fall eines negativen Resultats hilfreich Klinik und Bildgebung (z. B. MRT Schädel) PCR (z. B. Liquor) |
Ausgewählte gastrointestinale Parasitosen: • Microsporidiose • Cryptosporidium spp. • Giardia duodenalis • Blastocystis spp. | Weltweit | Serologie meist unzuverlässig • Stuhl: Mikroskopie, PCR • Stuhl: Mikroskopie, Ag, PCR • Stuhl: Mikroskopie, Ag, PCR • Stuhl: Mikroskopie, PCR |
Ausgewählte endemische Parasitosen: • Leishmaniose • Strongyloides stercoralis | • U. a. Tropen, Subtropen, Mittelmeerraum • V. a. Tropenregionen weltweit • Tropen, Subtropen, sporadisch auch außerhalb | Viszeral: Knochenmarkbiopsie (Histologie, PCR) Blut: Mikroskopie, Antigentest, PCR Stuhl: Mikroskopie nach Anreicherung |
Gastrointestinale Parasitosen zeigen meist eine weltweite Verbreitung, führen nahezu regelhaft zu Diarrhöen, selten zu anderen Organmanifestationen (z. B. Cholecystitis durch
Cryptosporidium spp.,
Enzephalitis bei Microsporidiose), und die Diagnose kann mittels konventioneller Stuhlmikroskopie oder PCR von
Stuhlproben gestellt werden (Tab.
6; Fabiani et al.
2017; Schmidt-Hieber et al.
2018).
Die Erreger der
Leishmaniose kommen vor allem in wärmeren Regionen Asiens, Afrikas, Süd- und Mittelamerikas, aber auch in Europa in der Mittelmeerregion vor und führen zu mukokutanen (z. B. Orientbeule) oder viszeralen (Kala-Azar) Infektionen. Die Diagnosesicherung erfolgt mittels zytologischer, histologischer Untersuchung oder PCRgeeigneter Gewebeproben (z. B. Haut,
Knochenmark; Tab.
6). Infektionen mit Erregern der
Malaria werden typischerweise in tropischen Regionen erworben und sind gelegentlich nach alloHSZT beobachtet worden (Fabiani 2017). Die Diagnose und Erregersubtypisierung ist mittels Blutausstrichmikroskopie, Antigentests oder PCR zuverlässig möglich (Tab.
6).
Infektionen mit
Strongyloides stercoralis treten bevorzugt in den Tropen, Subtropen, aber sporadisch auch außerhalb dieser Regionen auf und können unter Immunsuppression nach Jahrzehnten reaktivieren. Reaktivierungen unter Immunsuppression führen typischerweise zur Erregerdisseminierung (Hyperinfektion), die mit Bakteriämien intestinaler Erreger einhergehen können (Schneider et al.
2016). Da bei immunsupprimierten Patienten die sonst typischerweise vorhandene Eosinophilie fehlen kann und serologische Tests und Routinestuhluntersuchungen meist negativ ausfallen, sollten
Stuhlproben gezielt nach Anreicherungsverfahren (z. B. Methode nach Baermann) untersucht werden.