Verfasst von: Christoph Ritter, Susen Burock und Ulrich Keilholz
Störungen in der Regulation der Zellteilung sind ein wesentliches Merkmal von Tumorzellen. Die klassischen Zytostatika-Gruppen greifen mehrheitlich in Prozesse der Zellteilung ein. Diese Prozesse betreffen die DNA-Biosynthese, die Synthese von RNA und den Proteinstoffwechsel sowie die Phase der Mitose. Andere Zytostatika schädigen die DNA direkt und führen so zum programmierten Zelltod. Weitere Gruppen von klassischen Zytostatika modulieren die Regulation der Genexpression, was weniger zielgerichtet auch Tumorsuppressorgene und Onkogene betrifft. Auch die Hemmung hormoneller Wachstumsstimuli stellt einen Mechanismus klassischer Zytostatika dar. In diesem Kapitel sind die klassischen Zytostatika-Gruppierungen anhand ihrer antiproliferativen Wirkmechanismen zusammengestellt. Es werden die wichtigsten für die Wirkung der Zytostatika erforderlichen Prozesse dargestellt und so die Rationale für die Entwicklung und die Anwendung der klassischen Zytostatika-Gruppierungen herausgearbeitet.
Die Entwicklung eines Tumors erfordert die Transformation gesunder Gewebezellen zu Zellen mit maligner Wachstumscharakteristik. Für ein malignes Wachstum müssen Tumorzellen wichtige Eigenschaften erlangen. Diese umfassen:
Verlust von Kontrollmechanismen der Zellteilung
Verlust der Einleitung von Programmen des Zelltods
Umgehung der Limitierung der Zellteilungsrate
Tumorspezifischer Metabolismus
Abwehr des körpereigenen Immunsystems
Nutzung von Entzündungsreaktionen zur Förderung des Wachstums
Aktivierung der Gefäßneubildung
Fähigkeiten zur Invasion und Metastasierung
Die Akkumulation dieser funktionellen Eigenschaften wird nicht zuletzt durch die hohe genetische Instabilität und teilweise spezielle epigenetische Charakteristika von tumorbildenden Zellen begünstigt (Hanahan und Weinberg 2011).
Da historisch gesehen die Deregulation der Zellteilung von Tumorzellen das als erstes identifizierte tumorspezifische Merkmal war, greifen die klassischen Zytostatika allesamt mehr oder weniger spezifisch in diesen Mechanismus ein. Erst durch die Verfügbarkeit sensitiver molekularbiologischer Methoden konnten Veränderungen auf molekularer Ebene identifiziert und entsprechende spezifische zielgerichtete Therapieverfahren entwickelt werden.
Prozess der Zellteilung
Die Zellteilung stellt einen hoch regulierten Prozess dar, der in definierten Phasen abläuft (Abb. 1).
×
Eine sich nicht teilende Gewebezelle befindet sich in der G0-Phase, in der die DNA in einem einfachen Chromosomensatz vorliegt.
Erhält diese Zelle einen Stimulus zur Zellteilung, tritt sie in die G1-Phase des Zellzyklus ein. In dieser Phase stehen Prozesse im Vordergrund, die zu einer Vermehrung aller Zellinhalte mit Ausnahme der DNA führen. Insbesondere wird durch eine Aktivierung der RNA- und Proteinsynthese eine Vermehrung von Zytoplasma und der Organellen verfolgt. Dieser Prozess ist entsprechend auch mit einer Vergrößerung des Zellvolumens verbunden.
Ist dieser Vorgang abgeschlossen, tritt die Zelle in die S-Phase ein. Diese Phase ist ausschließlich der Verdopplung der DNA vorbehalten. Die DNA liegt in dieser Phase in einem Strangknäuel vor. Zur Replikation muss die doppelsträngige DNA in Einzelstränge aufgedehnt werden. Dies geschieht durch das Enzym Helikase, es bildet sich die sogenannte Replikationsgabel (Abb. 2).
×
An die aufgedehnten Einzelstränge lagern sich Einzelstrang-bindende Proteine an, um eine lineare Struktur der DNA-Einzelstränge zu stabilisieren. An den Leitstrang bindet eine DNA-Polymerase δ, die durch Verknüpfung komplementärer Nukleotide den Doppelstrang wiederherstellt. Der Folgestrang ist in einer Richtung orientiert, in der eine kontinuierliche Strangbildung nicht möglich ist. Daher werden in bestimmten Abständen durch eine Primase, die an eine DNA-Polymerase α gekoppelt ist, RNA-Primer an den Folgestrang angebracht und durch kurze DNA-Sequenzen erweitert. Eine DNA-Polymerase δ ergänzt den Strang bis zum nächsten Primer. Die so entstandenen komplementären DNA-Abschnitte (Okazaki-Fragmente) müssen schließlich durch DNA-Ligasen zum kontinuierlichen Strang geschlossen werden.
Durch die Aufdehnung der Einzelstränge und den Fortschritt der DNA-Replikation entstehen Spannungen in der DNA, die durch Rotation der DNA vor der Replikationsgabel abgebaut werden könnten. Dieser Prozess wäre aber mit einer hohen Energieaufwendung verbunden. Alternativ katalysiert das Enzym Topoisomerase I einen Bruch im Rückgrat eines DNA-Einzelstrangs, was eine Rotation um den intakten Strang ermöglicht und zur Entspannung der DNA führt. Nach der Entspannung erfolgt die Verknüpfung der losen Enden des DNA-Strangs spontan. Die Topoisomerase II katalysiert einen Doppelstrangbruch, was das Durchführen eines DNA-Doppelstrangs durch einen benachbarten, kreuzenden Doppelstrand ermöglicht. Dies ist notwendig, um nach Beendigung der DNA-Replikation die verdoppelten DNA-Stränge vollständig voneinander separieren zu können.
Zur Vorbereitung auf die eigentliche Phase der Zellteilung tritt die Zelle dann in die G2-Phase ein. In dieser Phase wird vor allem der Aufbau des Spindelapparats vorbereitet.
Die eigentliche Zellteilung erfolgt in der M-Phase durch den Prozess der Mitose. Diese Phase durchläuft 5 Stadien in einer strikten Reihenfolge. In der Prophase beginnen sich die 2 Pole des Spindelapparats zu bilden. Dafür hat sich das Zentrum des Mikrotubuligeflechts (Zentrosom) verdoppelt, und die beiden Zentrosomen bewegen sich in entgegengesetzte Richtung in die Randbereiche der Zelle. Diese Reorganisation des Zytoskeletts wird begleitet durch die Kondensation der Chromosomen. In der Prometaphase liegt die DNA vollständig in Chromosomen kondensiert vor. Gleichzeitig löst sich die Membran des Zellkerns auf, sodass die Mikrotubuli des Spindelapparats mit den Chromosomen in Kontakt treten können. In der Metaphase hat sich die polare Struktur des Spindelapparats voll ausgebildet, und die Chromosomen sind entlang des Äquators des Spindelapparats angeordnet. In der sich anschließenden Anaphase werden die Chromosomen getrennt und die Chromatiden durch die Mikrotubuli des Spindelapparats in Richtung der Pole bewegt. In der Telophase schließlich werden die Zellkerne der Tochterzelle gebildet, und die Zellen beginnen sich abzuschnüren. Damit ist die Metaphase abgeschlossen.
Der Erhalt der DNA-Integrität ist eine zentrale Aufgabe von Kontrollmechanismen während der Zellteilung. Um diese Aufgabe wahrzunehmen existieren Kontrollpunkte in der G1-Phase vor dem Übertritt des Zellzyklus in die Synthesephase und in der G2-Phase vor dem Übertritt in die Mitosephase. Ein dritter Kontrollpunkt befindet sich innerhalb der Metaphase, bevor die Chromosomen in der Anaphase separiert werden. Ist die DNA-Replikation nicht vollständig, die DNA fehlerhaft dupliziert oder Chromosomen fehlerhaft kondensiert, werden Signale generiert, die den Zellzyklus anhalten können, um den entstandenen Schaden zu reparieren. Gelingt die Reparatur nicht, kann die Zelle den programmierten Zelltod einleiten (Alberts 2015).
Antimetabolite hemmen die DNA-Biosynthese
Analoga von Nukleinbasen und Nukleosiden
Analoga von Nukleinbasen und Nukleosiden wirken nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern müssen nach Aufnahme in die Tumorzelle durch Konjugation mit einem Zucker (Analoga von Nukleinsäuren) und Übertragung von Phosphatgruppen aktiviert werden (Abb. 3). Grundsätzlich unterscheidet man 2 Wirkmechanismen:
Einbau der so gebildeten und strukturell modifizierten Nukleotid-Analoga in die DNA
Hemmung von Enzymen, die an der DNA-Synthese beteiligt sind
Der Einbau der modifizierten Nukleotid-Analoga führt zu unterschiedlichen Effekten, die durch die Strukturänderungen der Substanzen hervorgerufen werden (Tab. 1).
Tab. 1
Struktur und Wirkungsmechanismus von Analoga von Nukleinbasen und Nukleosiden
Zucker
Wirkmechanismen
–
5-Fluoruracil
Hemmung der Thymidylatsynthase, RNA-Synthese
–
6-Mercaptopurin
Hemmung von DNA-Reparaturmechanismen, RNA-Synthese
–
6-Thioguanin
Hemmung von DNA-Reparaturmechanismen, RNA-Synthese
Ribose (R1=OH, R2=H)
Azacitidin
Hemmung der DNA-Methyltransferase
Ribose
Capecitabin
Hemmung der Thymidylatsynthase, RNA-Synthese
Desoxyribose (R1=H, R2=H)
Cladribin
Hemmung der DNA-Polymerase, Ribonukleotid-Reduktase
Arabinose (R1=H, R2=OH
Clofarabin
Hemmung der DNA-Polymerase, Ribonukleotid-Reduktase
Arabinose
Cytarabin
Hemmung der DNA-Polymerase
Desoxyribose
Decitabin
Hemmung der DNA-Methyltransferase
Desoxyribose
Floxuridin
Hemmung der Thymidylatsynthase, RNA-Synthese
Arabinose
Fludarabin
Hemmung der DNA-Polymerase, Ribonukleotid-Reduktase
Difluordesoxyribose (R1=F, R2=F)
Gemcitabin
Hemmung der DNA-Polymerase, Ribonukleotid-Reduktase
Arabinose
Nelarabin
Hemmung der DNA-Polymerase
Desoxyribose
Pentostatin
Hemmung der Ribonukleotid-Reduktase, RNA-Synthese
–
Tegafur
Hemmung der Thymidylatsynthase, RNA-Synthese
Desoxyribose
Trifluridin
Hemmung der DNA-Polymerase, Thymidylatsynthase
×
Modifikationen an der Zuckereinheit führen typischerweise zu einer Störung der Elongation des DNA-Strangs. Anders als einige antivirale Antinukleotide, denen die für die Verknüpfung der DNA-Basen relevante 3’-OH-Gruppe fehlt, ist bei den hier beschriebenen Nukleotid-Analoga eine Verknüpfung weiterhin möglich. Allerdings wird der Elongationsprozess stark verlangsamt, sodass dadurch insgesamt eine Hemmung der DNA-Synthese resultiert.
Andere Analoga, die keine modifizierte Zuckerstruktur enthalten, werden zunächst ohne direkte Konsequenz für die DNA-Synthese in den DNA-Strang integriert. Der hemmende Effekt tritt erst nach weiteren Replikationszyklen ein, wenn es durch eine Modifikation an der Nukleinbasenstruktur zu einer falschen Basenpaarung kommt. Zufällig eingebaute falsche Basenpaarungen können durch Reparaturmechanismen behoben werden. Im Falle der Nukleotid-Analoga können zwar die falschen Basenpaare aus dem DNA-Strang entfernt werden, jedoch nicht mehr durch die korrekten Basenpaare ersetzt werden, sodass letztlich der DNA-Strang an dieser Stelle abbricht. Weiterhin können modifizierte Nukleotide, die in die DNA eingebaut wurden, Enzyme, die an der DNA-Synthese beteiligt sind, kovalent an den DNA-Strang fixieren, was dann ebenfalls zu einem Abbruch führt.
Neben dem Einbau der Nukleotid-Analoga in die DNA spielt die Hemmung von Enzymen, die an der DNA-Synthese beteiligt sind, eine wichtige Rolle (Abb. 4). 2 dieser Enzyme stellen für die Wirkung von Nukleotid-Analoga wichtige Zielstrukturen dar.
×
Das Enzym Thymidylatsynthase katalysiert die reduktive Methylierung von Desoxyuridinmonophat (dUMP) zu Desoxythymidinmonophosphat (dTMP) unter Verwendung des Methyldonors Methylentetrahydrofolat (CH2THF). Diese biochemische Reaktion stellt die einzige Quelle für dTMP dar. Die Monophosphat-Verbindung der Fluorpyrimidinnukleoside (5-F-dUMP) kann an die katalytische Untereinheit der Thymidylatsynthase binden und zusammen mit CH2THF einen stabilen Komplex bilden. Dies behindert die Bindung des eigentlichen Substrats dUMP und hemmt so die Aktivität der Thymidylatsynthase. Die notwendige Anwesenheit von CH2THF zur Stabilisierung des Komplexes erklärt auch die erhöhte Zytotoxizität der Fluorpyrimidine bei gleichzeitiger Gabe von Folinsäure. In der Folge verarmt die Zelle an dTMP und konsequenterweise an Desoxythymidintriphosphat (dTTP), das als Baustein in die DNA eingebaut wird. Stattdessen akkumuliert dUMP, das nun neben den aktivierten Metaboliten der Fluorpyrimidine in die DNA eingebaut wird und entsprechend dem Prinzip der Nukleotid-Analoga die DNA-Synthese hemmt.
Ein weiteres für die Biosynthese von Nukleotidbausteinen wichtiges Enzym ist die Ribonukleotidreduktase (RNR). Dieses Enzym katalysiert die Reduktion von Nukleosiddiphosphaten (NDP) zu Desoxynukleosiddiphosphaten (dNDP). Die diphosphorylierten Metabolite von Gemcitabin und der Adenosin-Analoga Clofarabin, Fludarabin und Cladribin binden an eine Untereinheit der RNR und hemmen so das katalytische Zentrum des Enzyms. Dies führt letztlich zu einer Verarmung an Desoxynukleosidtriphophaten (dNTP) und begünstigt den Einbau der Substanzen als Nukleotid-Analoga mit den bereits beschriebenen Konsequenzen für die DNA-Synthese. Eine Substanz, die ebenfalls die RNR hemmt, jedoch strukturell nicht den Antimetaboliten zugeordnet wird, ist Hydroxycarbamid (Tsesmetzis et al. 2018).
Analoga der Folsäure
Wie bereits angedeutet, spielt der Folsäure-Stoffwechsel für die Biosynthese der Nukleotid-Bausteine eine zentrale Rolle (Abb. 4). Neben der Umwandlung von dUMP zu dTMP ist der Folsäure-Stoffwechsel vor allem für die Biosynthese der Purinnukleotide essenziell. Der Aufbau der Purinnukleotide beginnt mit dem aktivierten Zuckerbaustein Phosphoribosylpyrophosphat (PRPP). An diesen Baustein werden verschiedene weitere stickstoff- und kohlenstoffhaltige Verbindungen angeknüpft, bis mit der Übertragung einer Formylgruppe aus Formyltetrahydrofolsäure (CHOTHF) durch das Enzym Glycinamidribonukleotidformyltransferase (GARFT) der Imidazolring der entsprechenden Purinnukleotid-Vorstufe geschlossen werden kann. Durch Einbau weiterer Verbindungen zusammen mit einer zweiten Formylgruppe, die wiederum von Formyltetrahydrofolsäure durch das Enzym Aminoimidazolcarboxamid-Ribonukleotidformyltransferase (AICARFT) übertragen wird, entsteht die Purinnukleotid-Vorstufe Inosinmonophosphat. Diese ist Grundlage für die Synthese der Purinnukleotide.
Daneben wird das Folsäurederivat Methyltetrahydrofolsäure (CH3THF) von der Methioninsynthase (MS) zur Bildung von Methionin benötigt. Nach Aktivierung des Methionins durch Konjugation an Adenosintriphosphat (ATP) zum S-Adenosylmethionin (AdoMet) kann dieses zur Methylierung von Proteinen und verschiedenen Strukturelementen der DNA genutzt werden (s. Abschn. 7).
Wie die Folsäure selbst müssen auch die Analoga der Folsäure zunächst über Transportsysteme in die Zelle aufgenommen werden (Abb. 3). In der Zelle werden die Substanzen anschließend durch das Enzym Folylpolyglutamat-Synthetase in Polyglutamate überführt. Dies schützt die Verbindungen einerseits davor, rasch wieder aus der Zelle zu diffundieren oder heraustransportiert zu werden. Es kommt so zu einer Anreicherung der Substanzen in der Zelle. Andererseits besitzen die gebildeten Polyglutamate der Analoga der Folsäure teilweise eine noch viel höhere Affinität zu den verstoffwechselnden Enzymen. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Analoga der Folsäure die Aktivität dieser Enzyme hemmen.
Methotrexat und Pralatrexat hemmen bevorzugt das Enzym Dihydrofolatreduktase (DHFR), während Pemetrexed und Ralitrexed die Thymidylatsynthase hemmen. Das Hemmspektrum verändert sich jedoch wie oben beschrieben mit der Bildung der entsprechenden Polyglutamate (Tab. 2).
Tab. 2
Folsäure-Analoga mit ihren Aufnahmesystemen in die Zelle und Zielstrukturen
Einen weiteren Einfluss auf die Hemmeigenschaften der Analoga der Folsäure hat die Menge der intrazellulär vorhandenen Folsäurespezies. Da die Dihydrofolatreduktase in der Zelle im Vergleich zur Thymidylatsynthase eine hohe Aktivität aufweist, liegen in der Zelle nur geringe Mengen an Dihydrofolsäure vor. Es ist also nur eine geringe Enzymaktivität notwendig, um die für die Nukleotidsynthese erforderliche Menge an Tetrahydrofolsäure bereitzustellen. Entsprechend hoch müssen die intrazellulären Konzentrationen etwa an Methotrexat sein, um eine vollständige Hemmung des Enzyms zu gewährleisten. Zusätzlich steigen die Konzentrationen an Dihydrofolsäure nach Hemmung der Dihydrofolatreduktase an. Dies kann bei entsprechend hohen Konzentrationen an Dihydrofolsäure dazu führen, dass Methotrexat aus der Bindung an der Dihydrofolatreduktase wieder verdrängt wird. Auch für die anderen Analoga der Folsäure ist beschrieben, dass bei Zugabe von Folsäurespezies die Enzymhemmung zurückgeht (Gonen und Assaraf 2012).
Hemmstoffe der Topoisomerasen
Die Bedeutung der Topoisomerasen für die DNA-Synthese wurde bereits erläutert. Eine strukturelle Besonderheit der Hemmstoffe der Topoisomerasen ist ihr planarer Bau, der es ihnen erlaubt, sich zwischen die Stränge eines DNA-Doppelstrangs zu schieben (Interkalation) und so die Aktivität der Topoisomerase direkt an der DNA zu hemmen (Abb. 5).
×
Der Naturstoff Camptothecin und die davon abgeleiteten Strukturvarianten Topotecan und Irinotecan hemmen die Topoisomerase I. Dies geschieht durch eine kovalente Fixierung des DNA-Topoisomerase-I-Komplexes. Dies führt zu einer Hemmung der DNA-Replikation und erzeugt Doppelstrangbrüche. Durch die spezifische Bindung der Stoffe an die Bruchstelle wird zusätzlich die Wiederverknüpfung der Stränge blockiert. Außerdem kann auch die Entspannung der DNA nicht mehr erfolgen.
Ganz ähnlich wirken die aus dem Naturstoff Podophyllotoxin abgeleiteten Stoffe Etoposid und Teniposid. Sie stabilisieren den Komplex aus DNA und Topoisomerase II in der Situation, in der ein Doppelstrangbruch erzeugt wurde. Eine Wiederverknüpfung der DNA-Stränge ist nicht mehr möglich.
Eine weitere Stoffgruppe, welche die Aktivität der Topoisomerase II hemmt, sind die Anthrazykline mit den Vertretern Doxorubicin, Daunorubicin, Idarubicin und Epirubicin sowie die Derivate Mitoxantron und Amsacrin. Aufgrund ihrer molekularen Struktur weisen die Anthrazykline weitere Wirkungsmechanismen auf, die für die zytotoxische Wirkung mit verantwortlich gemacht werden:
Hemmung der Helikaseaktivität
Interkalation und Störung des DNA-Replikationsprozesses
Quervernetzung von benachbarten DNA-Strängen
Modifikation von DNA-Basen durch Alkylierung
Bildung freier Radikale
Störung der Integrität der Zellmembran
Die durch die Hemmung der Topoisomerasen verursachten Schäden in der DNA führen zu einer Unterbrechung des Zellzykluses und zur Einleitung des programmierten Zelltods (Delgado et al. 2018).
Alkylanzien
Alkylierende Substanzen besitzen elektrophile Gruppen, die mit nukleophilen Zentren in der chemischen Struktur von DNA und Proteinen reagieren und so zu einer kovalenten Übertragung von Alkylgruppen führen (Abb. 6).
×
Die zytotoxische Wirkung dieser Substanzen beruht hauptsächlich in der Alkylierung von DNA-Basen, was letztlich essenzielle Prozesse des DNA-Stoffwechsels und insbesondere die Replikation behindert. Es wurden alkylierende Substanzen mit einer oder mehreren funktionellen Gruppen entwickelt. Monofunktionale Alkylanzien erzeugen kovalente Konjugate an entsprechenden Zielstrukturen, während bifunktionale Alkylanzien Quervernetzungen durchführen können, die innerhalb einer DNA-Strangs auftreten, 2 DNA-Stränge verbinden oder eine Verknüpfung zwischen DNA und einem Protein herstellen können.
Innerhalb der Struktur der DNA gibt es Zentren, die je nach Funktionalität und Struktur des Alkylans bevorzugt alkyliert werden (Abb. 7). Das am häufigsten alkylierte Zentrum ist das Stickstoffatom 7 (N7) im Purin-Ring der Guanin-Base. Eine Alkylierung an dieser Stelle führt entweder rasch zu einer Depurinierung, das bedeutet dem Verlust der Guanin-Base in der Basenfolge, oder zu einer Öffnung des Purin-Rings. In der Folge führen diese Alkylierungen zu Fehlpaarungen und Mutationen in der DNA-Sequenz und letztlich zur Ausbildung von Einzel- oder Doppelstrangbrüchen.
×
Die aus dem Senfgas abgeleiteten Stickstoff-Lost-Derivate Chlorambucil, Bendamustin, Estramustin und Melphalan besitzen 2 elektrophile Strukturelemente. Somit können diese Verbindungen sowohl Monoalkylierungen als auch Quervernetzungen durchführen.
Um die Stabilität der Stickstoff-Lost-Komponente der Substanzen zu erhöhen und damit die Toxizität zu verringern, wurde die Substanzklasse der Oxazaphosphorine entwickelt. Dieser gehören Cyclophosphamid, Ifosfamid und Trofosfamid an. Diese Substanzen stellen klassische Prodrugs dar, die erst durch Cytochrom-P450-Enzyme in der Leber in die aktive Stickstoff-Lost-Form umgewandelt werden müssen.
Bezüglich der Alkylierungsreaktion sind die Ethylenimine den Stickstoff-Lost-Derivaten sehr ähnlich. Strukturmerkmal bei dieser Gruppe von Alkylanzien ist ein Aziridin-Ring, der im Falle von Thiotepa per se reaktiv ist. Bei Mitomycin C hingegen muss diese reaktive Struktur erst durch Metabolisierung aktiviert werden. Da beide Substanzen mehrere dieser Strukturelemente tragen, können sowohl Monoalkylierungen als auch Quervernetzungen auftreten.
Eine weitere Gruppe der Alkylanzien stellen die Nitrosoharnstoffe mit ihren Vertretern Carmustin, Fetomustin, Lomustin und Streptozocin dar. Diese zerfallen unter basischen Bedingungen in 2 reaktive Produkte, die einerseits bifunktionell Quervernetzungen an DNA-Strängen vornehmen können, andererseits aber auch monofunktionell Proteine alkylieren und damit inaktivieren können. Dies ist insbesondere von Interesse, wenn diese Proteine an der DNA-Reparatur beteiligt sind.
Alkylalkansulfonate sind symmetrisch gebaute bifunktionelle Alkylanzien, deren Sulfonsäure-Gruppen die reaktiven Zentren darstellen. Zu dieser Stoffklasse gehören Busulfan und Treosulfan. Neben Monoalkylierungen und Vernetzungen treten bei diesen Substanzen auch Alkylierungen von Proteinen auf.
Ein weiteres besonderes Strukturmerkmal weisen die Hydrazine und Triazene auf. Hier besteht das alkylierende Strukturelement aus 2 (Hydrazine) oder 3 (Triazene) nebeneinander liegenden Stickstoffatomen, auf die eine Methylgruppe folgt. Aus diesen Substanzen wird das reaktive Methyldiazoniumion freigesetzt, das dann in der Lage ist, Methylierungsreaktionen an Stickstoff- oder Sauerstoffatomen von DNA-Basen vorzunehmen. Es handelt sich hier also um eine klassische monofunktionelle Verbindung. Methylierung an DNA-Basen führt typischerweise zu Basenfehlpaarungen, Basenaustauschen und letztlich zu Strangbrüchen. Ein Vertreter der Hydrazine ist Procarbazin, die Substanzen Dacarbazin und Temozolomid sind den Triazenen zuzuordnen.
Eher im weiteren Sinne als Alkylanzien zu verstehen sind die Platin-Komplexe. Hierbei handelt es sich um planare Komplexverbindungen mit einem zweiwertigen Platin-Atom als Zentrum. Zu diesen gehören Cisplatin, Carboplatin und Oxaliplatin. Die eigentliche Wirkform stellt ein Aquakomplex dar, der intrazellulär durch den Austausch der Komplexliganden mit Wassermolekülen entsteht. Dieser Komplex führt hauptsächlich zur Vernetzung von Basen innerhalb eines DNA-Strangs. Verknüpfungen von 2 DNA-Strängen oder mit Proteinen sind jedoch ebenfalls möglich.
Anders als die bisher beschriebenen Alkylanzien, die mit Ausnahme des Mitomycin C Basen der großen Furche in der DNA alkylieren, bindet das Tetrahydroisochinolin Trabectedin an Basen der kleinen Furche, insbesondere den N2-Stickstoff von Guanin-Basen. Dies wird durch seine Struktur aus 3 aneinander geknüpften Tetrahydroisochinolin-Ringen mit einer zentralen hochreaktiven Carbinolamin-Gruppe realisiert. Durch die Alkylierung des N2-Stickstoffs wird die DNA an dieser Stelle gebeugt. Welche Konsequenzen diese Beugung hat, ist noch nicht vollständig geklärt, es scheinen aber Reparaturmechanismen beeinträchtigt zu sein.
Ebenfalls an den N2-Stickstoff der Guanin-Base bindet das Aza-Anthracendion-Derivat Pixantron. Die Alkylierung dieser Struktur führt letztlich zu Doppelstrangbrüchen. Daneben scheint Pixantron eine höhere Affinität zu methylierten Cytosin-Resten zu haben (Puyo et al. 2014).
Andere DNA-schädigende Stoffe
Bleomycin ist ein Glykopeptid, das ähnlich wie die Anthrazykline in die DNA interkaliert und zusätzlich in der Lage ist, zur Bildung von freien Radikalen beizutragen. Diese freien Radikale wiederum können zu Einzel- oder Doppelstrangbrüchen in der DNA führen.
Die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies ist auch der Wirkmechanismus der photodynamisch wirksamen Verbindungen Porfimer und Temoporfin. Die Substanzen werden nach intravenöser Applikation gebunden an Plasmalipoproteine und Albumin in Tumorzellen aufgenommen und setzen durch Bestrahlung mit einer definierten Wellenlänge Singulettsauerstoff frei. Dieser führt lokal und akut zur Induktion des programmierten Zelltods.
Hemmstoffe der Mitose
Eine zentrale Rolle beim Prozess der Mitose spielt die Ausbildung des Spindelapparats. Nur durch dessen Aktivität ist es möglich, dass die Tochterchromatiden getrennt werden. Der Spindelapparat entsteht durch eine Reorganisation von Mikrotubuli. Diese sind aus vielen Tubulin-Heterodimeren aufgebaut, die aus einem alpha- und einem beta-Tubulin bestehen (Abb. 8).
×
Die Tubulin-Heterodimere sind in den Mikrotubuli polar orientiert, so weisen die alpha-Tubuline zum Ursprung der Mikrotubuli (Zentrosomen) hin, während die beta-Tubuline zur Wachstumsrichtung hin ausgerichtet sind. Entsprechend wird auch das Ende eines Mikrotubulus, das durch alpha-Tubuline gebildet wird, als Minusende, hingegen das Ende des Mikrotubulus, das durch beta-Tubuline gebildet wird, als Plusende bezeichnet. Mikrotubuli stellen röhrenförmige Gebilde dar, die aus nebeneinander liegenden Protofilamenten gebildet werden. Dabei liegen stets Tubuline desselben Typs nebeneinander.
Der Auf- und Abbau von Mikrotubuli unterliegt einer sehr hohen Dynamik. Ein wesentliches Element dieser Dynamik ist die Bindung von GTP an die beta-Tubulin-Untereinheit. Diese Bindung führt zu einer hohen Affinität des beta-Tubulins zum alpha-Tubulin eines anderen Tubulin-Heterodimers. So können Protofilamente wachsen. Typischerweise sind in der Wachstumsphase von Mikrotubuli die beta-Tubuline des Plusendes durch gebundene GTP-Moleküle stabilisiert.
Kommt es zur Hydrolyse von GTP zu GDP, verringert sich die Affinität der beta- zu den alpha-Tubulin-Untereinheiten, die Protofilamente werden destabilisiert, depolymerisieren und fallen auseinander. Damit schrumpfen die Mikrotubuli (Alberts 2015).
Hemmstoffe der Mitose setzen genau an diesen Prozessen an, indem sie an verschiedene Stellen der Tubulin-Untereinheiten binden. Taxane, vertreten durch Paclitaxel, Docetaxel und Cabacitaxel, binden an beta-Tubulin-Untereinheiten entlang der Innenseite der Mikrotubuli. Die Bindung bewirkt eine Konformationsänderung des beta-Tubulins, was eine stärkere Interaktion mit dem beta-Tubulin des benachbarten Protofilaments verursacht. Dadurch werden die Mikrotubuli stabilisiert und die Depolymerisation verhindert. Vinca-Alkaloide hingegen binden an der beta-Tubulin-Untereinheit in Nachbarschaft zur GTP-Bindungsstelle und interagieren damit auch mit der alpha-Untereinheit. Die Bindung führt zu einer Stabilisierung langer, gekrümmter Protofilamente, die dann nicht mehr zum Aufbau der Mikrotubuli zur Verfügung stehen. In klinischer Anwendung befinden sich Vinblastin, Vincristin, Vindesin, Vinflunin und Vinorelbin. Eribulin bindet exklusiv an die beta-Tubulin-Untereinheiten des Plusendes eines Mikrotubulus. Dadurch werden die Polymerisierung und damit das Wachstums des Mikrotubulus blockiert (Hasanpourghadi et al. 2017).
Alle diese Mechanismen verhindern, dass der Spindelapparat während der Mitose korrekt ausgebildet werden kann. Entsprechend signalisiert die Zelle, dass der Mitosekontrollpunkt nicht passiert werden kann, es kommt zum Anhalten des Zellzyklus in der Mitosephase und letztlich zum Einleiten des programmierten Zelltods.
Hemmstoffe Chromatin-modifizierender Enzyme
Die DNA liegt im Zellkern nicht frei vor, sondern in Form des Chromatins. Dies dient dazu, die DNA so kondensiert zu verpacken, dass sie im Zellkern Platz findet, aber auch ausreichend zugänglich zur Replikation und zur Transkription ist. Die kleinste funktionelle Einheit des Chromatins ist das Nukleosom, das aus einem Histon-Komplex besteht, um den die DNA 1,7-fach gewunden ist. Chromatin kann in 2 verschiedenen Formen vorliegen, dem Euchromatin und dem Heterochromatin. Im Euchromatin ist die DNA eher lose gepackt und erlaubt eine hohe Transkriptionsaktivität. Das Heterochromatin hingegen stellt die stark kondensierte Form der DNA dar, in der keine Transkription stattfindet (Abb. 9).
×
Die Regulation des Verpackungszustands erfolgt durch Modifikationen an Histon-Molekülen und der DNA. Dies sind insbesondere Acetylierungen an Histon-Molekülen sowie Methylierungen an Histonen und Cytosin-Basen der DNA. Das Euchromatin ist durch einen hohen Acetylierungsgrad der Histone gekennzeichnet.
Sollen bestimmte DNA-Abschnitte kondensiert werden, erfolgt zunächst die Methylierung von Cytosin-Basen in diesem Abschnitt durch DNA-Methyltransferasen (DNMT). An die methylierten DNA-Abschnitte können dann methylbindende Proteine (MBP) binden, die in einem Komplex auch Histondeacetylasen (HDAC) und Histonmethyltransferasen (HMT) mit sich führen. Diese Histon-modifizierenden Enzyme katalysieren die Abspaltung von Acetylgruppen bzw. die Übertragung von Methylgruppen auf bestimmte Aminosäuren im Histon-Molekül, was für den Übergang zum Heterochromatin essenziell ist. Dieser Prozess ist reversible und kann durch die Aktivität von Histonacetyltransferasen (HAT) bzw. Histondemethylasen (HDM) rückgängig gemacht werden.
Der Wechsel zwischen Euchromatin und Heterochromatin stellt einen wichtigen Bestandteil der dynamischen Regulation der Genexpression dar. In der normalen Zelle sind aktive Gene durch eine lockere Packung der Nukleosomen sowie unmethylierte DNA in der Promotorregion und eine Histonacetylierung entlang des abgelesenen Genlocus erkennbar. Tumorzellen hingegen zeigen generell eine geringere Methylierung der DNA mit sehr fokussierten Abschnitten mit hoher DNA-Methylierung und repressiver Methylierung von Histonen. Dies betrifft häufig Promotorregionen von Tumorsuppressorgenen, deren Expression somit stillgelegt ist.
Die Reaktivierung dieser stillgelegten Tumorsuppressorgene ist das Prinzip der Hemmstoffe der DNA-Methyltransferasen und der Histondeacetylasen. Die Hemmstoffe der DNA-Methyltransferasen Azacitidin und Dacarbazin werden als Analoga von Nukleosiden (s. Abschn. 3.1) in die DNA eingebaut und können das Enzym kovalent über eine Schwefelbrücke an die DNA binden und so blockieren. Hemmstoffe der Histondeacetylasen (HDAC) binden direkt im aktiven Zentrum der Enzyme und hemmen so deren Aktivität. Ein Vertreter der HDAC-Inhibitoren ist Panobinostat (Baylin und Jones 2016).
Hemmstoffe der RNA-Synthese
Die Hemmung der RNA-Synthese kann ähnlich wie die Hemmung der DNA-Synthese durch Blockade von Syntheseenzymen oder den Einbau falscher Bausteine erfolgen. Dactinomycin interkaliert in die DNA und bindet mit hoher Affinität in der unmittelbaren Nähe des Transkriptionskomplexes. Dadurch wird die Aktivität der RNA-Polymerase blockiert und die RNA-Synthese unterbunden. Einige der oben beschriebenen Analoga von Nukleobasen und Nukleotiden (s. Abschn. 3.1) leiten sich strukturell vom Uracil ab, das als Base exklusiv in die RNA eingebaut wird. 5-Fluoruracil und seine Derivate können als falsche Bausteine in die RNA eingebaut werden. Dies kann zur Destabilisierung der RNA oder zur fehlerhaften Proteintranslation führen. Die Guanin-Analoga Mercaptopurin und Thioguanin hemmen außerdem wichtige Enzyme der RNA-Synthese.
Hemmstoffe des Proteinstoffwechsels
Im Rahmen des Proteinstoffwechsels in der Zelle spielt der Ubiquitin-Proteasom-Signalweg eine zentrale Rolle. Dieses System reguliert den gezielten Abbau von beschädigten, falsch gefalteten oder nicht mehr benötigten Proteinen. Dazu werden die abzubauenden Proteine mit Ubiquitin konjugiert (Polyubiquitinylierung) und damit für die Degradierung markiert. Die so markierten Proteine werden dann zum Proteasom transportiert, wo die Ubiquitine mittels spezieller Untereinheiten wieder abgespalten werden. Der zentrale proteolytische Kernkomplex des Proteasoms spaltet dann die Proteine in Oligopeptide, aus denen mittels weiterer proteolytischer Aktivitäten die Aminosäuren freigesetzt werden und zur erneuten Proteinsynthese zur Verfügung stehen.
Ein Zelltyp, der besonders stark von der Funktion des Ubiquitin-Proteasom-Systems abhängt, ist die Plasmazelle, da sie große Mengen an Immunglobulinen produziert. Versagt in diesen Zellen das Ubiquitin-Proteasom-System, wird die Zelle mit fehlerhaften Proteinen überladen, dies führt zu einer Drosselung der Proteinsynthese und letztlich zum programmierten Zelltod.
Maligne Plasmazellen scheinen in noch bedeutenderem Maße empfindlich auf die Hemmung des Ubiquitin-Proteasom-Systems zu reagieren. Dies hängt zumindest teilweise mit einer Überaktivierung des Transkriptionsfaktors NFkappaB in diesen Zellen zusammen, der für die Zelle wichtige Überlebensprogramme steuert. NFkappaB liegt normalerweise in einem inaktiven Komplex gebunden an IkappaB-Proteinen vor. Erst wenn IkappaB-Proteine durch das Ubiquitin-Proteasom-System abgebaut werden, kann das freigesetzte NFkappaB in den Zellkern migrieren und dort seine Funktion als Transkriptionsfaktor ausüben.
An diesem Punkt greifen die Hemmstoffe des Proteasoms Bortezomib, Carfilzomib und Ixazomib an. Die Hemmung der Aktivität des Proteasoms verhindert die Degradierung von IkappaB-Proteinen und damit die Freisetzung des Transkriptionsfaktors NFkappaB. Außerdem kommt es auch in den malignen Plasmazellen zu einer Überladung mit ubiquininylierten Proteinen, endoplasmatischem Stress und dadurch zur Einleitung des programmierten Zelltods (Manasanch und Orlowski 2017).
Stoffe mit Wirkung auf das hämatopoetische System
Neoplasien im hämatopoetischen System beruhen auf genetischen Veränderungen, welche die Differenzierung in bestimmten Stadien blockieren und zur Proliferation unreifer Vorläuferzellen führen. Onkologische Substanzen, die bei diesen Neoplasien eingesetzt werden, durchbrechen diese Blockade der Differenzierung und führen diese Zellen in den programmierten Zelltod.
Interferone, insbesondere Interferon alpha, nehmen vielfältige Funktionen im hämatopoetischen System wahr. Sie modulieren die Genexpression, unterstützen die Differenzierung von Zellen, regulieren den programmierten Zelltod, stellen die Verbindung der Zellen mit der Mikroumgebung im Knochenmark her und induzieren eine Immunantwort. In der neoplastischen Situation wirkt Interferon alpha direkt antiproliferativ auf die neoplastischen Zellen, indem es die Bildung wachstumsfördernder Zytokine hemmt und die Bildung wachstumshemmender Zytokine fördert und so außerdem hämatopoetische Differenzierungswege normalisiert. Außerdem vermittelt Interferon alpha die Bindung der hämatopoetischen Zellen an Bindegewebszellen des Knochenmarks, was eine zusätzliche antiproliferative Wirkung auf die neoplastischen Zellen ausübt.
Darüber hinaus kann Interferon alpha Zellen des körpereigenen Immunsystems wie B- und T-Lymphozyten, natürliche Killerzellen und antigenpräsentierende dendritische Zellen aktivieren und so zur körpereigenen Bekämpfung der neoplastischen hämatopoetischen Zellen beitragen.
Glukokortikoide (Dexamethason, Prednison und Prednisolon) zeigen eine recht spezifische Wirkung auf das lymphatische System. Glukokortikoide binden an ihre im Zytosol lokalisierten Rezeptoren. Dadurch lösen sich die Glukokortikoidrezeptoren aus einem inaktiven Komplex mit Hitzeschockproteinen. Der nun aktive Komplex aus Glukokortikoid und seinem Rezeptor wandert in den Zellkern, bindet an Erkennungssequenzen der DNA und aktiviert so die Transkription von Zielgenen. Andererseits kann dieser Komplex auch mit anderen Transkriptionsfaktoren wie AP-1 und NFkappaB interagieren und diese so inaktivieren. Obwohl die genauen Mechanismen der Glukokortikoide gegenüber lymphatischen neoplastischen Zellen bisher nicht aufgeklärt wurden, scheinen durch die Modulation der Genexpression Programme aktiviert zu werden, welche die Proliferation der neoplastischen Zellen hemmen und die Differenzierung der Zellen reaktivieren. Beides führt schließlich zum programmierten Zelltod (Kruth et al. 2017).
Eine weitere Gruppe von Substanzen, die eine Wirkung gegen lymphatische neoplastische Zellen zeigen, sind Thalidomid und dessen Abkömmlinge Lenalidomid und Pomalidomid. Diese Substanzen besitzen eine direkte antiproliferative Wirkung auf maligne hämatopoetische Zellen vermutlich durch eine Aufregulation von negativen Regulatoren des Zellzyklus, der Inaktivierung von Transkriptionsfaktoren wie NFkappaB oder der direkten Aktivierung des programmierten Zelltods. Eine indirekte Hemmung neoplastischer Zellen kann über die Blockierung von Interaktionen dieser Zellen mit Zellen des Knochenmarks durch Adhäsionsmoleküle realisiert werden. Zudem fördern die Substanzen die T-Zell- und NK-Zell-vermittelte Immunität und sind in der Lage, Angiogenese zu hemmen (Zhu et al. 2013).
Einen etwas anderen Weg der Hemmung neoplastischer Zellen schlägt die Anwendung von Asparaginase ein. Während normale hämatopoetische Zellen in der Lage sind, L-Asparagin selbst zu produzieren, haben lymphatische neoplastische Zellen diese Fähigkeit verloren. Asparaginase spaltet die Aminosäure L-Asparagin in Asparaginsäure und Ammoniak. So verarmen die neoplastischen Zellen an L-Asparagin, was zu einer globalen Hemmung der DNA-, RNA- und Proteinsynthese führt und die neoplastischen Zellen in den programmierten Zelltod treibt.
Die akute Promyelozyten-Leukämie ist durch eine Translokation der Chromosomen 15 und 17 charakterisiert, bei der das Fusionsprodukt PML/RARA entsteht, das aus einem nukleären Transkriptionsfaktor (PML, Promyelozyten-Leukämie) und dem Rezeptor der Retinsäure (RARA, Retinsäurerezeptor alpha) besteht. Das Fusionsprodukt gilt als alleiniger Treiber des neoplastischen Wachstums, indem es die transkriptionelle Regulation von Genen der Selbsterneuerung und der Differenzierung steuert. Gegen dieses Fusionsprodukt sind die Substanzen Alltransretinsäure und Arsentrioxid gerichtet. Während Alltransretinsäure an den Retinsäurerezeptorteil des Fusionsproteins bindet, liegt die Bindungsstelle für Arsentrioxid auf dem PML-Teil. Die Bindung der beiden Substanzen führt gleichermaßen zu einer proteolytischen Degradierung des Fusionsproteins und damit zu einer Aufhebung des Differenzierungsblocks und einer Hemmung des selbsterneuernden Wachstums (Thé et al. 2017).
In die Bildung von Megakaryozyten und die Differenzierung zu Thrombozyten greift die Substanz Anagrelid ein. Anagralid hemmt die Expression von Transkriptionsfaktoren, die für die Megakaryozytopoese notwendig sind. Dadurch kommt es zu einer Verzögerung der Megakaryozytenreifung und einer Reduktion der Thrombozytenbildung.
Hemmstoffe der hormonellen Regulation
Bei einigen Tumorarten tragen die Tumorzellen Rezeptoren für Sexualhormone an ihrer Oberfläche, deren Aktivierung das Wachstum dieser Tumoren wesentlich stimulieren. Daher liegt es nahe, mit Hemmstoffen in die Regulation der Hormonproduktion und die Aktivierung der Hormonrezeptoren einzugreifen. Die Produktion der Sexualhormone unterliegt einem hierarchisch organisierten Regelkreis (Abb. 10).
×
Das übergeordnete regulatorische Zentrum ist der Hypothalamus. Aus diesem wird das Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH) freigesetzt, das an Rezeptoren an der Hypophyse bindet. Die Aktivierung der GnRH-Rezeptoren führt zu einer Freisetzung von Follikel-stimulierendem Hormon (FSH) und luteinisierendem Hormon (LH) aus dem Hypophysenvorderlappen. Diese Hormone wiederum finden Rezeptoren auf ihren Zielorganen, den Eierstöcken bei der Frau und den Hoden beim Mann. In den männlichen Hoden werden daraufhin Androgene wie Testosteron produziert und ausgeschüttet, in den weiblichen Eierstöcken entstehen Östrogene und Progesterone. Die Bildung der Sexualhormone bewirkt eine hemmende Rückkopplung auf Hypothalamus und Hypophyse, wodurch die Ausschüttung der entsprechenden Hormone gedrosselt wird.
Auf der obersten Regulationsebene greifen Analoga und Antagonisten des GnRH an. Die GnRH-Analoga Buserelin, Goserelin, Leuprorelin und Triptorelin binden an die hypophysären GnRH-Rezeptoren und verursachen so eine initiale Stimulation der Hormonsynthese. Aufgrund der negativen Rückkopplung kommt es aber nach einiger Zeit zu einem Rückgang der Ausschüttung von GnRH und zum Erliegen der Hormonsynthese. Die Antagonisten am GnRH-Rezeptor Abarelix und Degarelix blockieren die Rezeptoren dauerhaft, ohne sie zu aktivieren, und unterbinden so die Hormonproduktion rasch und vollständig.
Eine weitere Möglichkeit, in die Regulation der Sexualhormone einzugreifen, ist die Anwendung von Hemmstoffen hormonproduzierender Enzyme. Das Enzym 17a-Hydroxylase/C17,20-lyase (CYP17A1) ist an der Bildung von Vorstufen des Testosterons beteiligt. Abirateron hemmt selektiv dieses Enzym und verhindert so die weitere Biosynthese von Testosteron. Das Enzym Aromatase (CYP19A1) ist an der Biosynthese von Östrogenen beteiligt. Die Aromatasehemmer Anastrozol, Exemestan und Letrozol verhindern daher die Bildung von Östrogenen.
Eine direkte Wirkung an der Tumorzelle führen die Antagonisten der Hormonrezeptoren aus. Die Antagonisten am Androgenrezeptor Bicalutamid, Cyproteron, Enzalutamid und Flutamid blockieren den Rezeptor und heben so die Wirkung der Androgene auf die Zellen auf.
Medroxyprogesteronacetat ist ein Antagonist am Progesteronrezeptor. Durch dessen Hemmung wird die Progesteron-abhängige Proteinsynthese gehemmt. Dies betrifft auch die Produktion von Östrogenrezeptoren. Außerdem kann Medroxyprogesteronacetat auch einen hemmenden Rückkopplungseffekt auf die Ausschüttung von FSH und LH ausüben. Am Estrogenrezetor greifen die Substanzen Fluvestrant und Tamoxifen an. Tamoxifen ist ein selektiver Estrogenrezeptormodulator (SERM), das bedeutet, dass neben der antagonistischen Wirkung am Rezeptor je nach Gewebeart oder Zelltyp noch eine partialagonistische Wirkung vorhanden ist. Fluvestrant hingegen ist ein vollständiger Antagonist am Estrogenrezeptor und induziert zusätzlich die proteolytische Degradierung des Rezeptors durch das Proteasom.
Literatur
Alberts B (2015) Molecular biology of the cell, 6. Aufl. Garland Science, New York
Baylin SB, Jones PA (2016) Epigenetic determinants of cancer. Cold Spring Harbor Perspect Biol 8(9)
Delgado JL, Hsieh C-M, Chan N-L, Hiasa H (2018) Topoisomerases as anticancer targets. Biochem J 475(2):373–398CrossRef
Gonen N, Assaraf YG (2012) Antifolates in cancer therapy: structure, activity and mechanisms of drug resistance. Drug Resis Updat 15(4):183–210CrossRef
Hanahan D, Weinberg RA (2011) Hallmarks of cancer: the next generation. Cell 144(5):646–674CrossRef
Hasanpourghadi M, Pandurangan AK, Mustafa MR (2017) Microtubule targeting agents in cancer therapy: elucidating the underlying molecular mechanisms. In: Farooqi AA, Ismail M (Hrsg) Molecular oncology: underlying mechanisms and translational advancements, 1. Aufl. Springer International Publishing, Cham, S 15–65CrossRef
Kruth KA, Fang M, Shelton DN, Abu-Halawa O, Mahling R, Yang H et al (2017) Suppression of B-cell development genes is key to glucocorticoid efficacy in treatment of acute lymphoblastic leukemia. Blood 129(22):3000–3008CrossRef
Manasanch EE, Orlowski RZ (2017) Proteasome inhibitors in cancer therapy. Nature reviews. Clinical oncology 14(7):417–433CrossRef
Puyo S, Montaudon D, Pourquier P (2014) From old alkylating agents to new minor groove binders. Crit Rev Oncol/Hematol 89(1):43–61CrossRef
Thé, Hugues de; Pandolfi, Pier Paolo; Chen, Zhu (2017): Acute promyelocytic leukemia: a paradigm for oncoprotein-targeted cure. Cancer Cell 32 (5), S 552–560.
Tsesmetzis N, Paulin CBJ, Rudd SG, Herold N (2018) Nucleobase and nucleoside analogues: resistance and re-sensitisation at the level of pharmacokinetics, pharmacodynamics and metabolism. Cancers 10(7)
Zhu YX, Kortuem KM, Stewart AK (2013) Molecular mechanism of action of immune-modulatory drugs thalidomide, lenalidomide and pomalidomide in multiple myeloma. Leuk lymphoma 54(4):683–687CrossRef