Einleitung
Das Überleben nach Krebs hat in den letzten Dekaden stetig zugenommen. Das relative 5-Jahres-Überleben über alle Entitäten hinweg, das Anfang der 1970er-Jahre noch deutlich unter 50 % lag, beträgt derzeit in Deutschland für Männer 61 %, für Frauen 66 %, das relative 10-Jahres-Überleben 57 % respektive 61 % (RKI
2016). Durch eine Vielzahl von Faktoren, sensitivere Früherkennungsprogramme, Fortschritte in der onkologischen Forschung, multimodale Therapiekonzepte, interdisziplinäre Diskussion komplexer individueller Therapiestrategien und Innovationen in der medikamentösen Tumortherapie werden für eine immer größer werdende Anzahl von Krebspatienten kurative Behandlungsoptionen oder eine Kontrolle über die Tumorerkrankung für Jahre oder Jahrzehnte – auch in metastasierten Stadien – möglich. Die lebensbedrohliche Krankheit Krebs wird immer häufiger zu einer heilbaren Erkrankung oder zeigt in vielen Fällen zumindest einen chronischen Krankheitsverlauf. Dadurch steigt die Zahl von Überlebenden mit einer Tumorerkrankung stetig an. Derzeit leben in Deutschland ca. 4 Mio. Menschen, die jemals an Krebs erkrankt sind (RKI
2016).
Für viele ehemalige Patienten stellt der bisherige Erkrankungsverlauf mit körperlichen und psychosozialen Spätfolgen oder Langzeitkomplikationen, mit Schwierigkeiten bei der Reintegration ins Familien-, Alltags- oder Berufsleben ein dauerhaftes Problemfeld auch lange nach einer erfolgreichen Tumortherapie dar.
Es ist zu beachten, dass mehr als die Hälfte der Cancer Survivors über 70 Jahre und älter sind. Daher muss ein Schwerpunkt sicher auf der Gruppe dieser Patienten liegen, nicht nur weil diese besonders häufig von Tumorerkrankungen betroffen ist, sondern eine komplexe Situation vorliegt: Zunehmende Immobilität, Multimorbidität, Polypharmazie, demenzielle Syndrome sowie besondere soziale Aspekte wie z. B. Isolation oder Altersarmut spielen eine zusätzliche Rolle.
Eine weitere in Survivorship-Programmen besonders zu berücksichtigende Gruppe stellen die jungen Erwachsenen (15–39 Jahre) dar („adolescents and young adults“, AYAs), die wiederum ganz anders geartete Unterstützungsbedürfnisse haben: Familiengründung, Fertilität, Ausbildung und Beruf sind hier die vordringlichsten Themen.
Es ist unsere Aufgabe, auch außerhalb des fachonkologischen Spektrums, diese Langzeitkomplikationen und Spätfolgen wahrzunehmen und zu diagnostizieren, adäquat zu behandeln oder durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu verhindern.
Der Begriff Cancer Survivor – oder wie lange bleibt ein Patient ein Patient?
Derzeit gibt es keine einheitliche Definition, wer ein Cancer Survivor ist und was Cancer Survivorship bedeutet (Marzorati et al.
2017). Die National Coalition for Cancer Survivorship beispielsweise bezeichnet jeden Krebspatienten von der Erstdiagnose an als
Cancer Survivor, d. h. alle Patienten, die mit und nach einer Tumorerkrankung leben, und weitet diesen Begriff auch auf das soziale Umfeld der Betroffenen aus (NCCS
2018). In unserem Sprachraum bezeichnen wir als Cancer Survivor oder Krebslangzeitüberlebende
eher diejenigen, die 5 Jahre nach ihrer initialen Tumordiagnose nach einer kurativ intendierten Behandlung leben. Sicher sollten aber auch die Patienten unter dem Begriff subsumiert werden, die unter einer „Erhaltungstherapie“ stehen, wie z. B. Frauen nach
Mammakarzinom mit antihormoneller Therapie, oder diejenigen mit einer chronifizierten Krebserkrankung wie einer CML, die unter sequenzieller zielgerichteter Therapie Jahrzehnte überleben können. Auch alternative Begriffe wie
Aliver oder
Thriver werden gebraucht, um den positiven Lebensaspekt trotz Einschränkungen hervorzuheben.
Die Frage der Begrifflichkeit sollte aber auf jeden Fall zu einer kritischen Auseinandersetzung damit führen, wie lange wir einen Patienten zum Patienten machen (wollen). Ständige Kontrolluntersuchungen beim Arzt tragen sicher nicht nur zur Sicherheit der ehemaligen Patienten bei, sondern erinnern sie auch immer wieder an die Krankheit und an das dadurch erlittene Leid und Trauma. Es ist unsere Verantwortung, sehr genau abzuwägen zwischen engmaschiger Anbindung und Loslassen unserer Krebslangzeitüberlebenden, um eine Rückkehr in die
Normalität des Alltags zu ermöglichen und ihr nicht im Weg zu stehen.
Warum Survivorship-Programme?
Der Weg vom Krebskranken zum Krebsüberlebenden ist für jeden Patienten individuell und stellt eine sehr komplexe, sensible Phase des Erkrankungsverlaufs dar. Die Herausforderung für den Einzelnen besteht darin, auf der einen Seite wieder fähig zu sein, ins alltägliche Leben zurückzukehren, d. h. „gesund“ zu sein, sich aber gleichzeitig mit krankheits- oder therapiebedingten Veränderungen, Einschränkungen und spezifischen Belastungen auseinandersetzen zu müssen.
Langzeitüberlebende nach Krebserkrankungen berichten über anhaltende Anstrengungen, ihre Lebensbalance wieder zu erlangen und ihr Lebensziel nach der einschneidenden und lebensverändernden Erfahrung mit der Tumorerkrankung und -therapie neu zu definieren. Körperliche und psychosoziale Probleme sind dabei gleichermaßen zu beachten. 89 % der sich in der Nachsorge nach einer Krebserkrankung befindlichen Patienten berichten über unerfüllte Unterstützungsbedürfnisse: von fehlenden Hilfestellungen bei Aktivitäten im Alltag, psychischen und sozialen oder finanziellen Belastungen bis hin zu mangelnder Unterstützung in spirituellen Belangen, bei sexuellen Bedürfnissen oder körperlichen Beschwerden bis hin zu nicht vorhandener Hilfe in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient (Harrison et al.
2009).
Cancer Survivors haben ein erhöhtes Risiko für eine Reihe von chronischen Folgekrankheiten wie
Adipositas,
Diabetes mellitus, kardiovaskuläre Erkrankungen oder
Osteoporose, die weitere Langzeittherapien nötig machen (Demark-Wahnefried et al.
2005). Aber nur 10 % der ehemals Erkrankten führen einen gesunden Lebensstil (Mayer et al.
2007), und daran hat sich in den letzten 10 Jahren kaum etwas verändert (Aminisani et al.
2016).
Krebslangzeitüberlebende leiden noch 5 Jahre und länger an der Angst vor einem Krankheitsrezidiv, ohne dass die Intensität über die Zeit nachlässt (Koch et al.
2013). Diese Progressionsangst
wiederum führt zu persistierenden weiteren Ängsten. Die Einnahme anxiolytischer Medikamente 10 Jahre nach der initialen Krebsdiagnose ist mit 21 % doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung (Syrjala et al.
2005).
Sozialrechtliche Fragen in Bezug auf Rehabilitation, Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer Krebserkrankung oder vorübergehende bzw. vorzeitige Berentung sind bei den unter 65-jährigen Langzeitüberlebern von existenzieller Bedeutung – 57 % der an Krebs erkrankten Frauen und 45 % der betroffenen Männer sind im erwerbsfähigen Alter (Rick et al.
2012). Internationale Studien zeigen, dass Krebspatienten ein höheres Risiko für Arbeitslosigkeit haben und auch die Rückkehr an den Arbeitsplatz mit Problemen wie einer geringeren Arbeitsproduktivität und Belastbarkeit verbunden ist. 26–53 % der Cancer Survivors verloren ihre Arbeit oder gaben die Arbeit über eine Zeitspanne von 72 Monaten nach Diagnosestellung auf (Mehnert
2011). All diese Daten zeigen, dass ein erheblicher Unterstützungsbedarf für die ehemaligen Krebspatienten besteht und innovative, altersadaptierte und flexible Programme initiiert werden müssen, um den vielfältigen Ansprüchen eines Lebens nach Krebs gerecht zu werden.
Ziele eines Cancer-Survivorship-Programms
Cancer-Survivorship-Programme haben zum Ziel, Patienten weit über ihre eigentliche Krebstherapie hinaus durch verschiedene, auch nicht medizinische Disziplinen zu begleiten, damit sie nicht auf dem Weg vom Krebskranken zum Krebsüberlebenden sprichwörtlich verloren gehen. Innovative, flexible sektorenübergreifende Beratungs- und Betreuungsprogramme sollen dazu beitragen, den besonderen Ansprüchen und Anforderungen eines Lebens nach Krebs gerecht zu werden.
Die tragenden Säulen eines solchen Programms wurden vom National Institute of Medicine (Hewitt et al.
2005) wie folgt definiert:
-
Prävention von Tumorrezidiven, Zweittumoren und anderen Spätkomplikationen
-
Erkennen und Therapie medizinischer und psychosozialer Spätfolgen
-
Angebot verschiedener Interventionen, um die Auswirkungen der Krebstherapie und -erkrankung in medizinischer und psychosozialer Hinsicht zu mindern
-
Verbesserte Koordination zwischen Spezialisten und nachsorgenden Ärzten
Schnittstellen – die Rolle der stationären onkologischen Rehabilitation und der Hausärzte
Die
onkologische Rehabilitation ist der Beginn von Cancer Survivorship: Aufgabe ist eine weitgehende Reduktion von körperlichen, psychologischen und sozialen Beeinträchtigungen, die als eine Folge der Krebserkrankung selbst bzw. deren Therapie auftreten können. Die Zielsetzung besteht darin, funktionelle Einschränkungen und Aktivitätsminderungen im täglichen Leben, Beeinträchtigungen im Berufsleben oder in der gesellschaftlichen Integration zu verringern oder zu beseitigen. In der Regel finden derartige onkologische
Rehabilitationsmaßnahmen im ersten Jahr nach der Primärtherapie unter stationären Bedingungen für ca. 3–4 Wochen statt und können bei Bedarf in dieser Form wiederholt werden. Die positiven Effekte stationärer Rehabilitation in Bezug auf die körperliche und psychologische
Lebensqualität sind jedoch bereits ein Jahr nach Abschluss dieser Maßnahme signifikant verringert. Es gilt, die Nachhaltigkeit der stationären Rehabilitation durch sektorenübergreifende Netzwerke zu stärken. Die Survivor-Erfahrung ist als ein dynamischer Prozess anzusehen, in dessen Verlauf sich die Bedürfnisse in Abhängigkeit von der Lebenssituation und auch mit dem zeitlichen Abstand zur Tumorerkrankung ändern.
Angesichts der rasch zunehmenden Zahl an Krebslangzeitüberlebenden in Deutschland erscheint es unmöglich, dass das Follow-up der Patienten, die aufgrund der geschilderten Probleme über die Zeit der gesetzlichen Nachsorge von 5 Jahren hinausgehen sollte, allein von Onkologen oder anderen onkologisch tätigen Fachärzten getragen werden kann. Hausärzte müssen dringend in die Langzeitversorgung dieser Patienten mit einbezogen werden. Dafür sprechen weitere Gründe, nicht nur die wachsende Zahl ehemaliger Krebspatienten: Die Beziehung zum Hausarzt ist oft seit Jahrzehnten etabliert, ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Nicht zu vergessen sind der wohnortnahe Sitz des Hausarztes und das existierende Angebot von Hausbesuchen. Dies ermöglicht einen niederschwelligen Zugang und eine nachhaltige Betreuung. Mit zunehmendem Abstand zur Tumorerkrankung geht es weniger um das Diagnostizieren eines Rezidivs, sondern um das Erkennen und Behandeln von Folgeerkrankungen und die stetige Motivation zu (tertiär)präventiven Maßnahmen – Aufgaben, die im Bereich der hausärztlichen Versorgung allumfassender abzudecken sind als in der fachärztlichen Praxis. Dazu muss der Informationsfluss an der
Schnittstelle Fach- und Hausarzt verbessert werden. Dies kann durch dezidierte Nachsorgepläne oder spezielle Edukationsprogramme geschehen.
Inhalte und Organisation eines Cancer-Survivorship-Programms
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen von Langzeitüberlebenden gerecht zu werden und entsprechend der Forderungen des Institute of Medicine (Hewitt et al.
2005), umfasst ein Survivorship-Programm verschiedene Komponenten. Dazu gehören neben einem
Survivorship Care Plan (siehe Abschn.
7), Edukation von Patienten, Angehörigen und weiterbetreuenden Ärzten und Einrichtungen, Koordination zwischen den unterschiedlichen Behandlern und den Patienten sowie bedarfsadaptierte Interventionen.
Eine wichtige Komponente eines Survivorship-Programms betrifft die Edukation. Dazu gehören u. a. Seminare und Vorträge für Patienten, Angehörige und weiterbetreuende Ärzte. Ziel ist es, ein besseres Bewusstsein für mögliche Folgeschäden und unerfüllte Unterstützungsbedürfnisse zu schaffen und die Versorgung und Wahrnehmung von Langzeitüberlebenden zu verbessern.
Wichtig sind Koordination und Austausch der Informationen zwischen ehemaligen und zukünftigen Behandlern sowie zwischen Behandlern und Patient. Idealerweise gibt es im multidisziplinären und multiprofessionellen Team des Survivorship-Programms einen Koordinator oder Lotsen, der die Funktion des Bindeglieds zwischen Patient und Behandlern übernimmt und als Ansprechpartner für die ehemaligen Patienten fungiert.
Im Rahmen eines Survivorship-Programms werden patientenorientierte, bedürfnisangepasste Interventionen angeboten. Diese umfassen idealerweise verschiedenste psychologische Angebote, spirituelle Begleitung, Selbsthilfe, sozialmedizinische und -rechtliche Beratungsmöglichkeiten, ebenso spezielle medizinische Sprechstunden zur weiteren Abklärung und Behandlung von Langzeitfolgen (z. B. Kardiologie, Komplementärmedizin, Zahnheilkunde, Osteologie, Neurologie, Humangenetik, Fertilität/Endokrinologie oder Sexualmedizin). Aber auch Programme zur Tertiärprävention und Unterstützung von Lebensstilveränderungen (Entspannungskurse, Ernährungscoaching, Raucherentwöhnungsprogramme und abgestimmte Sport- und Bewegungsangebote) sind wichtige Bestandteile eines Survivorship-Programms.
Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensstils haben einen positiven Effekt auf Langzeitfolgen. So wurde in Studien bei erwachsenen Krebsüberlebenden gezeigt, dass eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie eine regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für Folgeerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Übergewicht reduzieren können. Zudem wirkt sich ein gesunder Lebensstil positiv auf das psychische Wohlbefinden und die
Lebensqualität aus (Rock et al.
2012; Jones et al.
2014). Darüber hinaus gibt es für viele Tumorarten Hinweise auf ein geringeres Rezidivrisiko bei körperlich Aktiven (Schmitz et al.
2010; Rock et al.
2012). Therapiebedingte Langzeitfolgen können durch Sport verbessert werden, u. a. zeigt sich eine positive Wirkung auf die Fatiguesymptomatik oder
Polyneuropathie (Speck et al.
2010; Brown et al.
2011).
Da sich in Survivorship-Programmen ein sehr heterogenes Patientenklientel mit sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Belastungen vorstellt, müssen die Interventionsprogramme ebenfalls auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sein und über eine gewisse Flexibilität verfügen. Einer der zu berücksichtigenden Aspekte sind die unterschiedlichen Bedürfnisse und Belastungen in den verschiedenen Altersgruppen – so haben AYAs andere Sorgen und Probleme als ältere Patienten.
In Deutschland erkranken jährlich mehr als 15.000 Menschen im Alter zwischen 15–39 Jahren an einer Krebserkrankung bei insgesamt knapp 480.000 Neuerkrankungen (RKI
2016). Die häufigsten AYA-spezifischen Unterstützungsbedürfnisse sind (Boyes et al.
2015; Bibby et al.
2017):
-
Verständliche Informationen
-
Niederschwellige Kommunikation
-
Interdisziplinäre Versorgung
-
Soziale Unterstützung
Etwa zwei Drittel der AYAs leiden unter
therapiebedingten Folgeerkrankungen (Oeffinger et al.
2006). Dazu gehören:
-
-
-
Soziale Probleme: z. B. Abbruch der Schul- oder Berufsausbildung, ausbleibende Reintegration in die Arbeitswelt, finanzielle Schwierigkeiten (Cadman et al.
1987; Robison et al. 2014)
-
Kognitive oder neurologische Beeinträchtigungen: z. B. Konzentrations- oder
Gedächtnisstörungen (Kanellopoulos et al.
2016; Schmidt et al.
2016).
Darüber hinaus besteht neben dem Risiko für ein Wiederauftreten der Tumorerkrankung auch ein lebenslang erhöhtes Risiko für Zweitmalignome. Einige der Beschwerden und Belastungen treten auch bei älteren Patienten auf, haben aber teilweise eine andere Bedeutung im Leben. Daher bevorzugen junge als auch ältere Patienten Interventionen, in denen die Teilnehmer ihrer eigenen Altersstruktur entsprechen. Junge Erwachsene weisen gegenüber älteren Patientengruppen einen besonders hohen Informationsbedarf auf (Ankem
2006), dem es ebenfalls gerecht zu werden gilt, z. B. unter Nutzung von Social Media, App-Gruppen, Web-basierten Interventionen.
Survivorship Care Plan (Nachsorgeplan)
Das Institute of Medicine fordert, dass jeder Patient einen Survivorship Care Plan erhalten sollte, der die Diagnose, Therapie und Verlauf, samt Komplikationen und ggf. erkrankungs- und/oder therapiebedingten Folgeerkrankungen zusammenfasst. Darüber hinaus beinhaltet ein Survivorship Care Plan Empfehlungen zu einem gesunden Lebensstil, individualisierte Nachsorge- und Vorsorgepläne, einschließlich rehabilitativer, psychosozialer und medizinischer Unterstützungsangebote. Weitere Themen sind die Sekundärprävention und die Tertiärprävention. Dadurch sollen Patienten- und Gesundheitskompetenz gefördert werden, aber auch die Koordination zwischen Spezialisten und weiterversorgenden Ärzten und Einrichtungen.
Die
Empfehlungen zur Struktur und zum Aufbau eines Survivorship Care Plans sind noch immer im Wandel und weiterhin Gegenstand von Diskussionen. Verschiedene Studien zu diesem Thema zeigten, dass sich Patienten mehr Inhalte zur Gesundheitsförderung, psychosoziale Unterstützung sowie zu finanziellen und anderen Ressourcen wünschen und betonten die Notwendigkeit von Flexibilität und individueller Anpassung solcher Pläne. Ärzte und Pflegekräfte favorisieren dagegen klare Empfehlungen und einen standardisierten Aufbau und festgesetzten Inhalt eines Survivorship Care Plans (Baravelli et al.
2009).
Ebenfalls in der Diskussion steht der
optimale Zeitpunkt, an dem der Patient einen solchen Survivorship Care Plan erhält. Einige Studien favorisieren bereits den Zeitpunkt der Diagnosestellung. Der Plan wird dann entsprechend im Therapieverlauf und im Anschluss an die Therapie ergänzt (Mayer et al.
2012; Haq et al.
2013). Andere Forschungsarbeiten sehen den richtigen Zeitpunkt der Aushändigung zum Abschluss der Therapie, z. B. beim Abschlussgespräch und Planung der weiteren Nachsorge.
Der
Nutzen eines Survivorship Care Plans ist umstritten und erfordert weitere Untersuchungen: In einem Review von LaGrandeur wurden 25 Artikel zum Thema Nutzen eines Survivorship Care Plans untersucht (LaGrandeur et al.
2018). Dieser kann dazu beitragen, dass sich die weiterbehandelnden Ärzte (Hausärzte) in der Betreuung von Krebsüberlebenden sicherer fühlen und die Kommunikation zwischen ihnen und ihren Patienten und anderen Fachärzten verbessert (van de Poll-Franse et al.
2017). In anderen Studien führte eine Versorgung auf Basis eines Survivorship Care Plans im Vergleich zur üblichen Versorgung zu keiner Verbesserung in der Zufriedenheit mit der Bereitstellung von Informationen oder in der Zufriedenheit mit der Pflege/Fürsorge, Distress oder der
Lebensqualität.
Auch wenn Onkologen Survivorship Care Pläne generell positiv bewerten und diese befürworten, äußern sie Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit ihrer Umsetzung. Die Implementierung der Pläne in die Praxis ist schwierig. Weniger als die Hälfte (43 %) der vom National Cancer Institute benannten Krebszentren geben Survivorship Care Pläne an ihre Brust- oder Darmkrebsüberlebenden heraus. Kaum einer der Pläne enthielt alle die vom Institute of Medicine geforderten inhaltlichen Komponenten (Salz et al.
2012).
Zusammengefasst ist der Survivorship Care Plan ein Dokument, das Erkrankungsverlauf, Therapie, Vorsorge- und Nachsorgemaßnahmen sowie Lebensstilinterventionen zusammenfasst und sowohl dem Behandler als auch dem Patienten als Orientierungshilfe, Leitfaden und Informationsquelle dienen soll. Ob eine flächendeckende Implementierung vorteilhaft und kosteneffektiv ist und v. a. für die Cancer Survivors langfristig von Nutzen ist, muss in zukünftigen Versorgungsforschungsprojekten evaluiert werden (van de Poll-Franse et al.
2017). Auf keinen Fall ersetzt er jedoch die ärztliche Vorstellung und die Kommunikation zwischen Patienten, Behandlern und anderen Fachdisziplinen.
Zusammenfassung
Multimodale Therapiekonzepte erhöhen nicht nur die Chance auf Heilung und Chronifizierung einer Krebserkrankung, sondern können auch das Risiko für tumor- und/oder therapiebedingte Akut- und Langzeitfolgen steigern. Um Spät- und Langzeitfolgen zu erkennen, zu behandeln und vorzubeugen und um allen Unterstützungsbedürfnissen ehemaliger Krebspatienten nachzukommen, ist mehr als nur eine strukturierte Nachsorge über die eigentliche gesetzliche Nachsorge hinaus nötig. Eine Anlaufstelle für dieses heterogene Patientenklientel mit seinen unterschiedlichen Bedürfnissen, Belastungen und Beschwerden sind Survivorship-Programme. Die Komponenten eines Survivorship-Programms erweitern die strukturierte Nachsorge um Edukation und bedarfsgerechte altersadaptierte Interventionen und ggf. – das ist in der Zukunft zu diskutieren – einen Survivorship Care Plan. Dazu benötigt es die langfristige und nachhaltige Expertise und Betreuung durch ein multiprofessionelles Team.