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Populäre Krebsdiäten

Verfasst von: Nicole Erickson, Viktoria Mathies und Jutta Hübner
Krebsdiäten werden von PatientInnen oft eingehalten. Aufgrund der mangelnden Evidenz und der teils mit Studien belegten Hinweise auf die Gefahr der Mangelernährung ist von einer Durchführung restriktiver Diäten bei onkologischen PatientInnen grundsätzlich abzuraten. Ein patientInnenzentriertes Gespräch, in dem Fragen beantwortet und die wissenschaftliche Evidenz der Krebsdiäten erklärt werden, ist hierbei von besonderer Bedeutung, um eine informierte Entscheidungsfindung seitens des Patienten zu ermöglichen.

Einleitung

Etwa jedes Jahrzehnt kursieren neue Ernährungstrends, die mit teils kultartiger Anhängerschaft verfolgt werden. Diese Ernährungstrends versprechen oft anhand teils sehr restriktiver Ernährungsregime, dass der Tumor und dessen Wachstum direkt durch unsere Nahrung beeinflusst werden können (Janssen 1979). Allerdings liegen bei den hierzu veröffentlichten Studien noch erhebliche methodische und statistische Limitationen vor (Hubner et al. 2012; Römer et al. 2021; Erickson et al. 2017a). Trotz alledem sind solche Ernährungsformen unter den PatientInnen sehr beliebt. Die Suche nach Information darüber erfolgt unter anderem im Internet, bei Freunden oder in Zeitschriften und Büchern (Keinki et al. 2016, 2018; Maschke et al. 2017; Liebl et al. 2015).
Eine Analyse aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Bestsellerbücher zum Thema Ernährung bei Krebs Fehlinformationen oder nicht wissenschaftlich belegbare Thesen enthalten. Die Autoren hatten dabei in den meisten Fällen (60,3 %) keinen universitären, medizinischen Abschluss oder einen Doktortitel in einem verwandten Fachgebiet (Marton et al. 2020). Trotzdem erfreuen sich die alternativen Heilmethoden großer Beliebtheit. In einer deutschen Studie wandten sich lediglich 6 % der Befragten direkt an ÄrztInnen, um Informationen zu erhalten. Jedoch gaben mehr als die Hälfte an, Fragen zu Diäten zu haben (Maschke et al. 2017).
Die restriktiven Ernährungsregime der Krebsdiäten können die Therapie erheblich negativ beeinflussen (Hubner et al. 2012; Martin et al. 2015; Arends et al. 2017). Aufgrund der unzureichenden Zufuhr an Makro- und Mikronährstoffen entwickeln PatientInnen oft eine Mangelernährung. Diese geht mit einem signifikanten Gewichtsverlust einher und kann sowohl die Lebensqualität als auch die Prognose der PatientInnen verschlechtern. Deshalb sollten PatientInnen über die Risiken, Nebenwirkungen und Folgen sowie Kontraindikationen von Krebsdiäten informiert werden.
Das Spektrum an vielversprechenden Krebsdiäten ist äußerst groß, jedoch gibt es keine Krebsdiät, mit der man Tumoren heilen kann. In der S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Onkologie“ wird davon abgeraten, Vitamine oder Mineralstoffe, im Vergleich zu den üblichen Referenzwerten, in hohen Dosen einzunehmen (Arends et al. 2017). Es gibt jedoch Diäten, die gesunderhaltende und krebspräventive Aspekte beinhalten können (Hubner et al. 2012; Erickson et al. 2017a). Tab. 1 gibt eine Übersicht über populäre Krebsdiäten/Ernährungsregime mit einer Auflistung der Vor- und Nachteile.
Tab. 1
Übersicht über populäre Krebsdiäten/Ernährungsregime. (Nach Hubner et al. 2012; Marton et al. 2020; Erickson et al. 2017b)
Diätform
Konzept
Verbotene Lebensmittel
Vorteile
Dokumentierte Risiken
Kosten
Budwig (Öl-Protein-Kost)
(Dobrowolska und Regulska-Ilow 2020)
Vegetarische Ernährungsweise mit hochwertigen Ölen und Fetten: Schwerpunkt liegt auf Leinöl und der darin enthaltenen Linolsäure
o „Polyunsaturated fatty acids“ (PUFAs; v. a. Leinöl) in Kombination mit fettarmen Eiweißquellen
o Frisches Obst und Gemüse (nur roh oder sanft gegart)
o Vollkornprodukte und Nüsse
o Fleisch und Fisch
o Raffinierter Zucker
o Weißmehlprodukte
o Kaffee
o Transfette
o Konservierungsmittel
o Geschmacksverstärker
Es gibt noch keine wissenschaftlichen Belege, dass die Umstellung auf eine Öl-Eiweiß-Kost gesundheitliche Vorteile mit sich mitbringt
Aus ernährungs-physiologischer Sicht liegt der empfohlene Energie- und Fettgehalt deutlich über den von Fachgesellschaften empfohlenen Mengen
Hochwertige Komponenten:
o Kürbiskernöl
o Speziell entwickelte Produkte wie z. B. Oleolux und Fermentgold Pur sind im Budwig-Onlineshop erhältlich
o Obst und Gemüse aus biologischem Anbau: auf Dauer sehr teuer
o Eine „Budwig-Kur“ in einer Spezialklinik kostet mehrere tausend Euro
Gerson
(ohne Autor 1990; Cassileth 2010; National Cancer Institute 2002)
Basiert auf der Annahme, dass Krebs durch ein Natrium-Kalium-Ungleichgewicht bedingt ist
o Täglich 10–12 kg frisches Obst und Gemüse in Form von Säften
o Einläufe mit Kaffee und Kamillenlösung
o Supplemente wie Leberextrakt, Kalium, Pankreasenzyme und Schilddrüsenpräparate
o Fett
o Salz
o Fleisch
Außer einem methodisch limitierten Fallbericht liegen keine Studien vor, die auf Vorteile hinweisen
Verschiedene Risiken und lebensbedrohliche Nebenwirkungen wurden dokumentiert:
o Elektrolytentgleisungen
o Sepsis durch Kaffeeeinläufe
o Mangelernährung
o Nahrungsergänzungsmittel und speziell entwickelte Produkte, die im Gerson-Onlineshop erhältlich sind, verursachen hohe Zusatzkosten
o Hohe Kosten für eine „Gerson-Kur“ in einer Spezialklinik in Mexiko oder Ungarn
Fasten
Gezielte Nahrungsrestriktion
Sehr unterschiedlich, z. B.
o Intermittierend 16:8 (16 h fasten – innerhalb 8 h essen)
o Ganztägiges Fasten (max. 25 % der normalen Energiezufuhr)
o 5:2 (5 Tage normal essen und 2 Tage fasten)
o Es gibt keine verbotenen Lebensmittel. Das Essen ist nur zu bestimmten Tageszeiten oder an definierten Tagen nicht oder in sehr geringfügigen Mengen erlaubt
Es gibt noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die messbare gesundheitliche Vorteile des Fastens für KrebspatientInnen bestätigen
o Physiologische und metabolische Veränderungen
o Gefahr einer Mangelernährung
o Keine Zusatzkosten
Ketogen/Low Carb
Soll den Zustand des Fastens unter isokalorischer Energieaufnahme imitieren; Ketone sollen als Energielieferant dienen (Ketose)
o Maximal 60 g Kohlenhydrate pro Tag
o Fett-Kohlenhydrat-Ratio: 4:1
o Begrenzte Proteinzufuhr
o Kohlenhydratreiche Lebensmittel
Keine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit einer ketogenen Diät bei TumorpatientInnen
Verschiedene Risiken und Nebenwirkungen, z. B.:
o Übelkeit
o Appetitmangel
o Gewichtsverlust
o Nierensteine
o Metabolische Azidose
o Hyperlipidämie
o Spezielle Produkte werden angeboten und können unnötige zusätzliche Kosten verursachen
Alkaline
Tumorwachstum soll durch das weniger saure Milieu gehemmt werden
o Überwiegend basische Lebensmittel (Obst, Gemüse)
o Saure Lebensmittel (Fleisch, Wurstwaren, Süßigkeiten)
Bisher keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile für KrebspatientInnen
o Gefahr eines Proteinmangels und Mangelernährung durch strenge Vorgaben von „erlaubten“ Lebensmitteln
o Ggf. Zusatzkosten durch den Kauf von Basenpulver
Vegane Ernährung
Vermeiden aller tierischer Produkte in der Nahrung
o Streng pflanzliche Ernährung
o Fleischersatzprodukte wie Tempeh, Seitan und Tofu
o Fleisch und Fisch
o Milch und Milchprodukte
o Eier und Honig
o Tierische Verarbeitungshilfsstoffe und Inhaltsstoffe (z. B. Gelatine, Butterreinfett)
Bisher keine nachweisbaren gesundheitlichen Vorteile für KrebspatientInnen
o Gefahr eines Vitamin-B12-Mangels, Proteinmangels, Eisenmangels und Mangelernährung
o Ggf. Zusatzkosten für notwendige Supplemente (z. B. Vitamin B12, Eisentabletten)

Budwig-Diät (Öl-Eiweiß-Kost)

Die Budwig-Diät wurde auf Basis der Erkenntnisse der Naturwissenschaftlerin Dr. Johanna Budwig entwickelt. Sie widmete sich Zeit ihres Lebens der Erforschung der gesundheitlichen Wirkung von Fetten (Dobrowolska und Regulska-Ilow 2020). Deswegen steht bei der Budwig-Diät, neben der Zufuhr der schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein aus Quark, die Fettsäurezufuhr, vor allem der Alpha-Linolsäure (ALA) aus Leinöl, im Mittelpunkt.
Die Budwig-Diät ist eine leichte, vegetarische Ernährungsweise. Empfohlen wird eine Ernährung auf Basis hochwertiger Öle und Fette mit hohen Anteilen an Gemüse und Obst, Rohkost, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen, Saaten, Kräutern und Gewürzen, am besten aus biologischer Landwirtschaft. Schwerbekömmliche Fette (z. B. Transfette), Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker, Stabilisatoren und weitere Zusatzstoffe sollen hingegen vermieden werden (Dobrowolska und Regulska-Ilow 2020).
Die Diät beinhaltet strenge Ernährungsrichtlinien, welche Lebensmittel geeignet sind und welche strikt zu meiden sind. Beispielsweise gibt es einen Verzicht auf Zucker und Kaffee. Bei einer strengen Einhaltung aller Empfehlungen könnte daher eine Mangelernährung entstehen.
Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass die Umstellung auf eine Öl-Eiweiß-Kost Vorteile mit sich mitbringt (Hubner et al. 2012; Erickson et al. 2017b; Dobrowolska und Regulska-Ilow 2020). Die These, dass der Tumormetabolismus allein durch die Zufuhr einer bestimmten Fettsäure beeinflussbar ist, ist wissenschaftlich nicht belegt. Die grundlegende Theorie der These stammt aus längst überholten Erkenntnissen der Grundlagenforschung zu Fettsäuren aus den 1950er-Jahren. Die Erwartung der PatientInnen, sie könnten mit der Diät ihren Krebs heilen, wird nicht erfüllt.

Gerson-Diät

Auch diese Diät wurde nach ihrem Erfinder, dem deutschen Arzt Dr. Max Gerson, benannt. Anhänger dieser Diätform versprechen Krebserkrankten Heilungschancen von 70–90 %. PatientInnen sollen hierfür eine einseitige Diät mit vegetarischer Rohkost in Form von frisch gepressten Säften einhalten. Zusätzlich sollten mehrmals verschiedene Einläufe, beliebig mit Kaffee oder Kamillenlösung, verabreicht werden. Außerdem sollen diverse Supplemente wie Kalium, roher Leberextrakt, Bauchspeicheldrüsenenzyme und Schilddrüsenpräparate zugeführt werden (National Cancer Institute 2002).
Die Diät soll die Immunfunktion verbessern und so Toxine aus dem Körper eliminieren. Jedoch konnten weder die zugrunde liegende Theorie selbst noch ihre Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien bestätigt werden. Es existieren einzelne Fallberichte, jedoch sollten diese aufgrund der methodischen Limitationen sehr kritisch betrachtet werden, da davon keine klinische Aussagen abgleitet werden kann. Die Ernährungsform ist zudem äußerst risikoreich, da eine bedarfsdeckende Ernährung unter Fett- und Salzrestriktion nicht umsetzbar ist (Hubner et al. 2012; Cassileth 2010). Hinzu kommt die dokumentierte Gefahr einer Sepsis aufgrund der Einläufe mit Kaffee. Letztlich kann aufgrund der einseitigen hohen Zufuhr von Kalium das Risiko einer Entgleisung des Elektrolythaushaltes bestehen. Obwohl internationale Experten von dieser Ernährungsform abraten, findet diese Diät heute immer noch Anhänger (Hubner et al. 2012; Cassileth 2010).

Fasten

Unter Fasten versteht man eine gezielte Nahrungsrestriktion. Es existieren jedoch vielfältige Arten des Fastens. Neben kulturellen und religiösen Gründen rücken auch potenzielle gesundheitliche Aspekte des Fastens immer mehr in den Vordergrund. Das „klassische Fasten“ ist durch ganztägige Fastentage mit maximal 25 % der normalen Energiezufuhr gekennzeichnet. Mittlerweile gibt es unter anderem auch das intermittierende Fasten 16:8 (16 h fasten, innerhalb 8 h essen), das Fasten vor- und/oder nach der Therapie und das 5:2-Fasten (5 Tage normal essen und 2 Tage fasten). Allerdings ist das Fasten bei KrebspatientInnen äußerst kritisch zu betrachten, da eine Energierestriktion schließlich immer zu physiologischen und metabolischen Veränderungen führt, die das Risiko einer Mangelernährung und Sarkopenie erhöhen können (s. Kap. „Identifikation und Prävention von Mangelernährung bei TumorpatientInnen“) (Caccialanza et al. 2018; Castejón et al. 2020; Turbitt et al. 2019).
Die meisten derzeit publizierten Arbeiten zum Thema Fasten bei Krebs wurden in vitro und in vivo durchgeführt. Diese liefern teils vielversprechende Ergebnisse, wie eine Reduktion der therapiebedingten Toxizität, verbesserte chemotherapeutische Behandlungsergebnisse sowie eine erhöhte Sensibilität der Tumorzellen auf die Chemotherapie (Dobrowolska und Regulska-Ilow 2020; Turbitt et al. 2019; Brandhorst et al. 2013). Allerdings konnten bisher keine Studien an Menschen den Effekt verschiedener Fastenregime auf die Hemmung des Wachstums oder der Metastasierung eines Tumors, Therapieerfolg und Verträglichkeit belegen. Die existierenden Studien sind, aufgrund ihrer eher geringen Fallzahl und relativ starken Heterogenität, methodisch und statistisch limitiert (Zorn et al. 2020; Safdie et al. 2009; Bauersfeld et al. 2018; de Groot et al. 2015; Dorff et al. 2016). Der primäre Endpunkt wurde bei der Mehrheit der Studien auf die Machbarkeit gelegt. Darüber hinaus wurde zusätzlich ein signifikanter Gewichtsverlust durch Fasten während der Chemotherapie in den vorliegenden Humanstudien dokumentiert. Dieser Gewichtsverlust konnte teilweise bis zum Ende der Untersuchung nicht wieder kompensiert werden (Zorn et al. 2020). Deshalb raten Onkologen, dass das Thema Fasten bei Krebs mit Vorsicht zu betrachten ist (Caccialanza et al. 2018). Auch PatientInnen, die das Fasten vor einer Krebsdiagnose als Strategie zur Gewichtsabnahme oder aus religiösen Gründen angewendet haben, wird geraten, es während der Behandlung nicht fortzusetzen (Clifton et al. 2021).

Ketogene Kost/kohlenhydratarme Diäten

KrebspatientInnen stellen oft Fragen zu ketogenen Ernährungsformen. Kohlenhydratarme Ernährungsformen haben ihren Ursprung in der Warburg-Hypothese. Mit dieser Ernährungsform soll der Zustand des Fastens unter isokalorischer Energieaufnahme imitiert werden. Dabei soll eine Ketose ohne Stoffwechselentgleisung herbeigeführt und die entstehenden Ketone als Energielieferanten genutzt werden. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass Tumoren adaptionsfähig sind und auch Ketonkörper metabolisieren können (Erickson et al. 2017b). Eine ketogene Kost beinhaltet meist bis zu maximal 60 g Kohlenhydrate pro Tag oder wird als ein Verhältnis von 3 g bzw. 4 g Fett pro 1 g Kohlenhydrat mit einer begrenzten Proteinzufuhr umgesetzt. In allen Formen liegt der Fettanteil weit über der empfohlenen Referenz der Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Erickson et al. 2017b).
Die Erwartungen des Erkrankten, die Ernährungsform könne eine Metastasierung des Tumors verhindern oder die Strahlen- und Chemotherapie verträglicher machen, konnten nicht erfüllt werden. Fünf unabhängige systematische Reviews von Humanstudien, die zwischen 2017 und 2021 veröffentlicht wurden, kamen zu vergleichbaren Ergebnissen (Römer et al. 2021; Erickson et al. 2017a; Sremanakova et al. 2018; Klement et al. 2020; Römer et al. 2021; Yang et al. 2021). Die in diesen Reviews eingeschlossenen Studien waren aufgrund der geringen Patientenanzahl, der Heterogenität hinsichtlich Tumorart, -stadium und -lokalisation und einer hohen Fehleranfälligkeit in ihrer Aussagekraft limitiert. Die Adhärenz zur ketogenen Ernährungsweise war in den meisten Studien sehr gering. Dies zeigt sich in der geringen Anzahl an PatientInnen, die dem Regime des Studienprotokoll bis zum Ende folgten (Erickson et al. 2017a). Alle 5 Reviews kamen zu dem gleichen Ergebnis, dass nicht genügend klinische Evidenz für die Anwendung einer ketogenen Ernährung während der Krebstherapie vorliegt.
Zudem berichten die Publikationen bei der Anwendung einer ketogenen Diät bei onkologischen PatientInnen von einem klinisch relevanten Gewichtsverlust. Zum Beispiel berichten Römer et al. in dem 2021 erschienenen systematischen Review von einer signifikant höheren Gewichtsabnahme in den Ketogene-Diät-Gruppen im Vergleich zu den Kontrollgruppen in allen eingeschlossen randomisierten kontrollierten Studien und eine signifikante Gewichtsabnahme in 4 von 8 einarmigen Studien (Römer et al. 2021). Aufgrund des Risikos für einen klinisch relevanten Gewichtsverlust, der viel berichteten Nebenwirkungen (vgl. Tab. 1) und der fehlenden klinischen Evidenz sollte PatientInnen von dieser Diätform abgeraten werden. Diese Empfehlung findet sich ebenfalls in der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ von 2021 wieder.

Alkaline-Diät

Die Alkaline-Diät verspricht eine krebspräventive Wirkung durch einen Verzicht auf Lebensmittel, die als „sauer“ gelten. Die Balance zwischen Säuren und Basen wird durch die biologischen Prozesse im Blut, der Lunge, der Haut und durch die Nieren aufrechterhalten. So ist der menschliche Körper fähig, ein strenges Säure-Basen-Gleichgewicht unabhängig von unserer Lebensmittelwahl aufrechtzuhalten. Die Annahme, das Krebswachstum würde durch die basische Diät und die damit verbundene vermeintliche Änderung des Milieus im Körper gehemmt, konnte bisher nicht belegt werden (Zick et al. 2018; Huebner et al. 2014). Allerdings ist diese Diät, trotz der fehlerhaften Annahme, unter onkologischen PatientInnen immer noch sehr beliebt. Da bei dieser Ernährungsform bestimmte Lebensmittelgruppen wie Fleisch, Getreide sowie Milch und Milchprodukte stark eingeschränkt oder ganz vermieden werden sollen, kann es zudem auch zu einem Proteinmangel kommen. Nur mit sehr guter Planung und eventueller Supplementierung, begleitet durch Diätassistenten, Ökotrophologen oder Ernährungsmediziner, kann der Energie- und Eiweißbedarf ausreichend gedeckt werden (Erickson et al. 2017b).

Vegane Ernährung

Eine vegane Ernährungsweise bedeutet einen kompletten Verzicht auf tierische Produkte. In der extremen Form werden sogar Lebensmittel, wie z. B. Honig, vermieden, da deren Herstellung tierische Materialien oder Produkte enthält. Statt Fleisch werden in dieser Ernährungsform häufig Fleischersatzprodukte (z. B. Tofu, Tempeh oder Seitan) als Eiweißquelle eingesetzt. Pflanzliche Milchalternativen (z. B. Haferdrink) oder Produkte aus Nüssen (z. B. Cashew-basierter Joghurtersatz) werden statt Milchprodukten verzehrt.
Anhänger veganer oder pflanzlich basierter Ernährungsphilosophien erhoffen sich oft (teils erst nach der Diagnose) eine krebspräventive Wirkung durch eine vegane Diät (Craig et al. 2021; Hauner et al. 2019). Es gibt mehrere vermutete Mechanismen für die schützenden antineoplastischen Wirkungen einer pflanzlichen Ernährung. Der Body-Mass-Index (BMI) von Personen, die sich vegan ernähren, ist im Durchschnitt viel niedriger; daher ist das Risiko von Krebserkrankungen, die mit einer Fettleibigkeit zusammenhängen, wie z. B. Darm-, Brust- und Prostatakrebs, geringer (Rigi et al. 2021; Loeb et al. 2021; Crowe et al. 2011). Darüber hinaus besteht eine vegane Ernährung aus einem höheren Anteil an Obst und Gemüse, die sekundäre Pflanzenstoffe und Antioxidantien sowie Ballaststoffe, Flavonoide und Vitamin C enthalten, denen eine schützende Wirkung gegenüber der Entwicklung von Krebserkrankungen zugeschrieben wird. Diese Ergebnisse zur Auswirkung einer veganen Ernährung auf den BMI bestätigen ebenfalls die Analysen von 3 adventistischen Kohorten (aus der Adventist Mortality Study, der AHS und der AHS-2) (Segovia-Siapco und Sabaté 2019).
Eine randomisierte Studie mit 93 Prostatakrebspatienten konnte diese Ergebnisse aufgrund der Methodik nicht bestätigen. Die vegane Ernährung in Kombination mit moderater Bewegung (30 min täglich) führte in der Interventionsgruppe zu einem Rückgang des prostataspezifischen Antigens. Allerdings konnte dieser Erfolg nicht allein auf die vegane Ernährung zurückgeführt werden (Segovia-Siapco und Sabaté 2019).
Während es einen breiten Konsens gibt, dass eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung ernährungsphysiologisch bedarfsdeckend gestaltet werden kann, äußern Fachgesellschaften Bedenken gegenüber der strengen veganen Kost, da diese eine sehr gute Lebensmittelkenntnis erfordert (Craig et al. 2021). Zu den Nährstoffen, die häufig nicht oder nicht ausreichend zugeführt werden, gehören unter anderem Eiweiß, Vitamin B12, Eisen, Vitamin D, Kalzium sowie Omega-3-Fettsäuren und sind demnach in der veganen Ernährung als kritische Nährstoffe zu bezeichnen. Diese Nährstoffe kommen in pflanzlichen Lebensmitteln nicht vor oder weisen eine schlechte Bioverfügbarkeit auf (Hauner 2015).
Zusammenfassend kann die Annahme, dass eine vegane Ernährung das Krebsrisiko verringern könnte, bisher nur zum Teil und nicht ausreichend anhand epidemiologischer Daten bestätigt werden. Führende Experten sind sich aber einig, dass aufgrund des bekannten Nährstoffmangels, den eine vegane Ernährung mit sich bringen kann, Personen mit einem erhöhten Eiweißbedarf, Magen-Darm-Störungen, Resorptionsschwierigkeiten oder Medikamenteneinnahme ein großes Risiko einer Mangelernährung durch eine vegane Ernährung haben. Da KrebspatientInnen oft alle diese Kriterien erfüllen, sollte bei dieser Gruppe von einer veganen Ernährung abgesehen werden.

PatientInnenzentrierte Kommunikation bei Fragen zu „Krebsdiäten“

Essen hat meist einen hohen emotionalen Stellenwert. Deswegen sind Fragen nach dem Essverhalten (auch von Angehörigen) von besonderer Bedeutung. Wenn PatientInnen Fragen zum Thema Ernährung und Krebsdiäten stellen, zeigt dies, dass sie sich mit der Diagnose auseinandersetzen möchten; gleichzeitig äußern sie ein gewisses Vertrauen den behandelnden ÄrztInnen gegenüber. Bei dem Gespräch sollte die Patientensicht und der Grund für die Auswahl einer Krebsdiät in Erfahrung gebracht werden. Psychologische Analysen belegen, dass sich PatientInnen durch kurze Antworten und ohne eine logische Erklärung der behandelnden ÄrztInnen in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen fühlen (Carey et al. 2020; Bautista et al. 2021a, b; Fillon 2022). Daher sollten neben einer wissenschaftlich fundierten Antwort auch die Bedürfnisse und Ressourcen seitens der PatientInnen und deren Begründung für die Diätauswahl berücksichtig werden. Die Empfehlungen sollten immer in Abstimmung zur Krebsbehandlung erfolgen und ggf. Behandlungsziele und Aspekte der Psychoonkologie und Palliativmedizin berücksichtigen. Besteht der Patient darauf, trotz vorher erklärter mangelnder Evidenz, eine Krebsdiät zu befolgen, ist eine engmaschige Betreuung unabdingbar, um unerwünschte Ereignisse (Mängelernährung, Nährstoffdefizite etc.) frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken. Die im Gespräch wichtigsten besprochenen Punkte sollten nach Möglichkeit ebenfalls dokumentiert werden.

Fazit

Krebsdiäten werden von PatientInnen oft eingehalten. Aufgrund der mangelnden Evidenz und der teils mit Studien belegten Hinweise auf die Gefahr der Mangelernährung ist von einer Durchführung restriktiver Diäten bei onkologischen PatientInnen grundsätzlich abzuraten. Ein patientInnenzentriertes Gespräch, in dem Fragen beantwortet und die wissenschaftliche Evidenz der Krebsdiäten erklärt werden, ist hierbei von besonderer Bedeutung, um eine informierte Entscheidungsfindung seitens des Patienten zu ermöglichen.
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