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Rehabilitation bei Vorliegen einer Harn- und/oder Stuhlinkontinenz

Verfasst von: Jürgen Körber und Wilfried Hoffmann
In der Therapie des Rektumkarzinoms ist die operative Entfernung des Primärtumors im Gesunden für eine kurative Therapie erforderlich. Durch die Weiterentwicklung der chirurgischen Techniken und der neoadjuvanten Therapie können mehr Patienten sphinktererhaltend operiert werden. Als Folge kann es postoperativ zu Blasenentleerungsstörungen, sexueller Dysfunktion und gastrointestinalen Beschwerden im Sinne eines Postresektionssyndroms kommen. Dies ist durch eine Reihe von Symptomen, wie vermehrte Stuhlfrequenz, Stuhldrang, Inkontinenz und unvollständige Stuhlentleerung, gekennzeichnet. Die Symptomatik beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich. Die Therapie besteht in ernährungsmedizinischen Schulungen, stuhlregulierenden Maßnahmen und Beckenbodentraining sowie ggf. bei Analsphinkterschwäche neuromuskulären Verfahren. Bei nicht erfolgreicher Therapie steht die anale bzw. rektale Irrigation als Mittel der Wahl zur Verfügung.

Einleitung

Das kolorektale Karzinom gehört weltweit zu den häufigsten Tumorarten. Ein Drittel dieser Karzinome befinden sich im Rektum. Die Inzidenz liegt bei ca. 30/100.000 Männer und Frauen weltweit.
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die die Diagnostik mit der Vorsorgekoloskopie als effektive Früherkennungsmaßnahme, die weniger invasiven Operationstechniken und die Therapie verbessert. Außer in den frühen Stadien, in denen eine lokale endoskopische/chirurgische Resektion möglich ist, muss bei kurativer Intention eine anteriore Resektion des Rektums erfolgen. Diese kann durch Roboter unterstützt, laparoskopisch assistiert oder auch offen stattfinden (Vennix und Pelzers 2014; Kim et al. 2018). Bei Resektion von Tumoren im mittleren und unteren Drittel des Rektums wird die totale mesorektale Exzision durchgeführt, wodurch die lokalen Rezidivraten signifikant gesenkt werden konnten (Heald und Ryall 1986; Bjerkeset und Edna 1996). Tumoren im oberen Drittel des Rektums werden durch die partielle mesorektale Exzision entfernt, mit vergleichbar guten onkologischen Ergebnissen.

Low Anterior Resection Syndrome (LARS)

Durch eine Weiterentwicklung der chirurgischen Techniken gelingt es heute, mehr Patienten sphinktererhaltend zu operieren und die Beckennerven zu schonen (Kneist et al. 2013). Trotz allem kann es bei Patienten postoperativ zu Blasenentleerungsstörungen, sexueller Dysfunktionen und gastrointestinale Beschwerden nach erfolgter anteriorer Rektumresektion kommen. Diese funktionellen Beeinträchtigungen sind bekannt unter dem Begriff Low Anterior Resection Syndrome (LARS).
LARS ist durch eine Reihe von Symptomen charakterisiert, wie eine vermehrte Stuhlfrequenz, Stuhldrang, Inkontinenz mit unwillkürlichem Abgang von Winden und Stuhlbestandteilen, unvollständige Stuhlentleerung (Buzatti und Petroianu 2017). Diese Symptomatik beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich (Hoerske et al. 2010). Wenn vor der Operation eine neoadjuvante Radio- oder Radiochemotherapie durchgeführt wurde, verstärkt sich die Symptomatik.
Das LARS wird nach den von Emmertsen (2008) entwickelten Schweregraden eingeteilt (Tab. 1).
Tab. 1
Schweregradeinteilung des LARS (nach Emmertsen)
 
Schweregrad
Unkontrollierter Windabgang
0–7
Unkontrollierter Abgang von flüssigem Stuhl
0–3
Stuhlfrequenz
0–5
Erneute Stuhlentleerung innerhalb einer Stunde
0–11
Stuhldrang
0–16
Klassifikation
 
Keine
0–20
Leichte
21–29
Schwere
30–42
Die Symptome von LARS treten bei 60–90 % aller Patienten nach einer tiefen bzw. ultratiefen anterioren Resektion auf. Die Symptomatik bessert sich nach 6–12 Monaten, bleibt aber bei über 40 % der Patienten über Jahre hinweg bestehen (Emmertsen et al. 2014).
Obwohl die Pathophysiologie von LARS nicht genau geklärt ist, weisen die meisten Studien auf ein multifaktorielles Geschehen hin. Dabei spielt die operative Resektion eine große Rolle. Das Rektum als Reservoir für Stuhl und Gas weist nach einer partiellen oder totalen Resektion eine verminderte Kapazität auf. Auch die Nahttechnik und die Anlage der Anastomose als tiefe bzw. ultratiefe ist ein wesentlicher Einflussfaktor. Techniken, die zu einer Vergrößerung des Volumens des neuen Rektums führen sollen, wie die lateroterminale Anastomose oder der J-Pouch des distalen Kolons haben nur vorübergehend in den ersten 24 Monaten einen gewissen Einfluss. Die beschleunigte Dickdarmpassage (gastrokolischer Reflex) spielt dagegen eine sehr viel größere Rolle. Diese entsteht durch die Denervation des linksseitigen Kolons. Dadurch wird der gastrokolische Reflex verstärkt, was zu einer beschleunigten Dickdarmpassage des Stuhlinhalts mit einer Erhöhung der Stuhlfrequenz führt. Zusätzlich besteht eine Deregulation des autonomen Nervensystems für das distale Kolon und Rektum, die inhibitorische Regulation wird vermindert und somit die Gesamtperistaltik des Dickdarms erhöht (Lee et al. 2008).
Bei fortgeschrittenen Rektumkarzinomen wird eine präoperative Radio- oder kombinierte Radiochemotherapie routinemäßig eingesetzt (Schmiegel et al. 2017). Diese führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Symptomatik von LARS im Vergleich zu Patienten, die nur operiert wurden. Die Gründe dafür werden in Zusammenhang mit direkten Nervenläsionen und einer Fibrosierung des kleinen Beckens als Folge der Bestrahlung angesehen. Die Strahlenfolgen können auch erst nach 12 Monaten auftreten. Zusätzlich können sich auch Blasenentleerungsstörungen mit Restharn oder eine Strahlenzystitis und Beeinträchtigungen der Sexualfunktion einstellen (Bregendahl et al. 2013).
Patienten mit LARS können aufgrund der geringeren Sensitivität im kleinen Becken nicht zwischen flüssigem oder festem Stuhl und Winden unterscheiden. Dies beeinflusst den rektoanalen inhibitorischen Reflex und endet in der Stuhlinkontinenz.
Nach tiefen anterioren bzw. ultratiefen Eingriffen kann eine belastende Beckenbodendyssynergie auftreten. Hierunter versteht man eine rektale Entleerungsstörung durch fehlende Erschlaffung des analen Sphinkters und der Puborektalschlinge beim Pressen bzw. bei der Defäkation. Als Symptome treten eine belastende Obstipation mit dem Gefühl der unvollständigen Entleerung oder ein Fremdkörpergefühl auf, was zu mehreren hintereinander auftretenden kleinen Stuhlentleerungen führt. Die sich daraus entwickelnde perianale Dermatitis erhöht den Leidensdruck der Patienten (Bharucha und Rao 2014).
Diagnostisch wichtig ist die Unterscheidung einer morphologischen Obstruktion (Intussuszeption bzw. innerer Vorfall) von einer funktionellen Obstruktion (Beckenbodendyssynergie, Anismus).
Ebenso besteht bei diesen Operationstechniken die Gefahr der Schwächung des internen analen Sphinkters. Bei ultratiefen koloanalen Anastomosen kann der Sphinkterdruck sich reduzieren (De Nardi et al. 2017). Die präoperative wie auch die adjuvante Radiotherapie verschlechtern ebenfalls die anale Sphinkterfunktion (Emmertsen et al. 2014). Die Ursachen von LARS sind in der Abb. 1 dargestellt. Die Risikofaktoren für eine schwere LARS-Symptomatik sind in der Übersicht „LARS: Risikofaktoren“ dargestellt.
LARS: Risikofaktoren
  • Neoadjuvante Radiotherapie
  • Tiefe der Anastomose
  • Operateur, OP-Technik (Naht, Colon descendens)
  • Schonung oder Durchtrennung pelviner Nerven
  • Analsphinkterschwäche
  • Enterostomaanlage
  • Tumorstadium (pTx)
  • Adjuvante Chemotherapie
Die Therapie der LARS-Symptomatik ist multimodal. Im Vordergrund steht neben einer intensiven Ernährungsberatung und -schulung die Gabe von stuhleindickenden Medikamenten. Hier steht neben gemahlenen Flohsamen das Apfelpektin zur Verfügung. Motilitätshemmende Medikamente wie Loperamid und Tinctura opii können in schweren Fällen bei nicht beherrschbaren Diarrhöen hilfreich sein. Zur Verbesserung der Darmentleerung ist die Effektivität eines Beckenbodentrainings nachgewiesen (Visser et al. 2014). Bei bestehender Analsphinkterschwäche können neuromuskuläre Verfahren auch in Kombination mit Beckenbodentraining mit nachgewiesener Wirksamkeit zum Einsatz kommen (Kuo et al. 2015; Norton und Cody 2012). Bei nicht erfolgreicher Therapie einer Inkontinenz ist die rektale bzw. anale Irrigation Mittel der Wahl (Cazemier et al. 2007). Hierbei wird über den Anus Flüssigkeit installiert und somit der Darm komplett gespült. Die Methodik ist vergleichbar zu der Irrigationstechnik beim endständigen Kolostoma. Mit dieser Technik kann eine Stuhlfreiheit von 24–48 Stunden erzielt werden.
LARS: Therapie
  • Beckenbodentraining
  • Schließmuskeltrainig
  • Biofeedbackstimulation, peranale Elektrostimulation
  • Stuhlregulierung: Eindickung mit z. B. Flohsamen, Apfelpektin
  • Ernährungsberatung/-schulung
Sollte die LARS-Symptomatik sich nicht bessern und keine Kontinenz erreicht werden, bleibt die Lebensqualität der Patienten deutlich gemindert. Die Anlage eines permanenten, endständigen Stoma erlaubt dann den Patienten, wieder am Leben teilzunehmen (Pachler et al. 2012).
Für die sozialmedizinische Beurteilung und Rückkehr in den Beruf ist es wichtig, zu einer Stuhlgangregulierung zu kommen. Somit sind alle oben aufgeführten Anstrengungen zur Reduktion der Stuhlfrequenz zu unternehmen, vor allem die Ernährungsberatung (siehe Kap. „Rehabilitation von Patienten Ernährungs- und Verdauungsstörungen“) und stuhlgangeindickende Maßnahmen. Sollten diese nicht zu einem ausreichend guten Ergebnis führen, stehen neben motilitätshemmenden Medikamenten insbesondere die anale Irrigation zur Verfügung.

Rehabilitation bei Vorliegen einer Harninkontinenz

Wilfried Hoffmann

Funktionsdefizite durch Harnblasenspeicher- und Entleerungsstörungen bestimmen häufig die Lebensqualität im Alltag bei Frauen und Männern. Bei Männern sind die etablierten und leitlinienkonformen Therapieoptionen des lokal begrenzten Prostatakarzinoms aufgrund der hohen Inzidenz für diese Bedeutung verantwortlich. Sowohl die operativen Behandlungsstrategien als auch die Strahlentherapie tragen zu der posttherapeutischen Harninkontinenz bei. Daten großer Multicenterstudie kommen zu dem Ergebnis, dass 8–20 % der Patienten nach radikaler Prostatektomie unter einer signifikant persistierenden Harninkontinenz leiden (Begg et al. 2002; Steineck et al. 2002). Neue Daten nach roboterassistierter Prostatektomie gehen von einer Inkontinenzrate von 10–12 % nach 12 Monaten aus (Novara et al. 2010).
Nur 6–7 % unterziehen sich einer chirurgischen Therapie bei einer persistierenden Post-Prostatektomie-Harninkontinenz (Bianco et al. 2005). Die organerhaltende Therapie und die Zystektomie mit einer Harnableitung durch eine Neoblase mindern zunächst entscheidend die Lebensqualität der Patienten. Häufig besteht eine multikausale Störung der Speicher-, Kontinenz- und Entleerungsfunktion bedingt durch
  • eine passagere Schwäche des externen Urethralsphinkters,
  • eine anfänglich verminderte Kapazität der Neoblase,
  • intraabdominelle Druckerhöhungen infolge des Operationstraumas,
  • eine nächtliche intestinale Hyperperistaltik und
  • eine Mukusbildung der Darmersatzblase.
Neoblasenedukative Maßnahmen umfassen
  • einen vorsichtigen Kapazitätsaufbau der Neoblase,
  • spezielles Sensibilitätstraining zur Förderung des Ersatzgefühls für die Neoblasenfüllung und
  • Maßnahmen zur Vermeidung einer nächtlichen Neoblasenenuresis.
Es besteht eine hohe Evidenz, dass die Behandlung gynäkologischer Karzinome zu Funktionsstörungen des Beckenbodens führen. Die Behandlung des Endometrium-, Zervix- und Vulvakarzinoms kann eine Harninkontinenz, Drangharnblase, aber auch Blasenentleerungsstörung zur Folge haben (Hazewinkel et al. 2009). Obwohl die modernen therapeutischen Ansätze zu einer erheblichen Verbesserung des Gesamtüberlebens führen, leiden immer mehr Frauen an den verbleibenden posttherapeutischen Funktionsstörungen, wie die Auswertung posttherapeutischer Fragebögen zur Lebensqualität dokumentiert.
In einer randomisierten Phase-II-Studie zur Radiochemotherapie des nicht operablen Rektumkarzinoms wurde bei 25 % von 207 Patienten eine posttherapeutische Harninkontinenz beschrieben (Braendengen et al. 2010).
Die erfolgreiche Therapie der Inkontinenz ist abhängig von einer akkuraten Diagnose. Blasenfunktionsstörungen sind oftmals Kofaktoren für eine Inkontinenz. Neben einer ausführlichen Miktionsanamnese und Erörterung vorangegangener Therapien werden mit einem Miktionsprotokoll die täglichen Aktivitäten mit dem Ausmaß der Inkontinenz bewertet. Die manuelle Untersuchung des Abdomens, die Evaluation des neurologischen Status speziell für die Segmente S2–S4 sowie die Messung des Analsphinktertonus, der perianalen Sensibilität und des Bulbocavernosus-Reflexes ist erforderlich. Ein 1- oder 24-Stunden-Pad-Test und eine visuelle Analogskala zur subjektiven Bewertung der bestehenden Harninkontinenz ergänzen die Anamnese.
Eine Urethroskopie erlaubt die Evaluierung einer anatomischen Sphinkterveränderung, den Ausschluss urethraler oder Blasenhalsstrikturen und ermöglicht außerdem ein optisches videoendoskopisches Biofeedback-Sphinktertraining im Sinne eines spezialisierten Kontinenztrainings.
Bei 60 % der Patienten waren wesentliche Blasenfunktionsstörungen an der Harninkontinenz ursächlich beteiligt (Stolzenburg et al. 2007). Daher sollte eine urodynamische Simultandruckvermessung inkl. eines Urethradruckprofils bei der persistierenden Harninkontinenz erfolgen (Hammerer et al. 1997).
Die Europäische Gesellschaft für Urologie entwickelte Leitlinien für die Therapie der männlichen Harninkontinenz (Nambiar et al. 2018). Viele konservative Behandlungsprogramme erfordern eine Verhaltenskorrektur, die eine gute Compliance voraussetzt. Die Effektivität eines differenzierten multimodalen Therapiekonzepts ist für die stationäre uroonkologische Rehabilitation durch eine prospektive Studie belegt. Sämtliche Parameter der körperlichen Leistungsfähigkeit, sämtliche psychosozialen Skalen des Lebensqualitätsmessinstruments QLQ-C30 der EORTC, alle Inkontinenzparameter und die Beeinträchtigung durch die erektile Dysfunktion werden durch eine stationäre Anschlussheilbehandlung signifikant gebessert. Ein randomisierter Vergleich stationärer und ambulanter Rehabilitation steht aus.
Die Deutsche Gesellschaft für Urologie hat notwendige strukturelle Voraussetzungen (personelle, räumliche und technische Ausstattung) und Merkmale der Prozessqualität zur Durchführung urologischer Rehabilitationsmaßnahmen formuliert (Vahlensieck et al. 2005). Urologische Fachkompetenz ist erforderlich hinsichtlich therapeutischer Optionen und Nachbehandlungskonzepte, da postinterventionelle Funktionsstörungen und behandlungsspezifische Komplikationen einer unmittelbaren fachärztlichen Behandlung bedürfen. Grundlage des Rehabilitationsprozesses ist eine funktionale und psychosoziale Diagnostik, um eine zuverlässige reproduzierbare Quantifizierung der Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen der Partizipation subjektiv und objektiv zu erreichen. Rehabilitationsspezifische Fragestellungen müssen berücksichtigt werden (Dombo und Otto 2007): Inwieweit resultieren Fähigkeitsstörungen im Alltagsleben und im Beruf? Welche Auswirkungen auf das Leistungsvermögen ergeben sich?

Physiotherapie

Obwohl die konservative Therapie der Harninkontinenz bei Frauen und Männern die häufigste und erste Therapieoption darstellt, existieren nur wenige kontrolliert-randomisierte Studien. Die konservative Therapie der Harninkontinenz der Frau und des Mannes reduziert sich auf nicht standardisierte Verhaltensempfehlungen und diverse nicht geregelte physiotherapeutische Übungen, zumeist verbunden mit Ratschlägen zur Änderung des Lebensstils. Bei der Frau ist ein Training der Beckenbodenmuskulatur nach einer Metaanalyse der Cochrane Library effektiv (Hay-Smith et al. 2006). In der Metaanalyse werden Response-Raten zwischen 46 und 75 % dokumentiert. Beim Mann beschreiben 2 Cochrane-Analysen zumindest eine schnellere Besserung der Kontinenzsituation in Trainingsgruppen zum Vergleich einer Kontrollgruppe (Hunter et al. 2004). Das spezielle physiotherapeutische Kontinenztraining sollte in Gruppen- und Einzelübungen erfolgen und dabei Komorbiditäten und Schmerzzustände berücksichtigen (Dombo und Otto 2004). Eine Metaanalyse poolte Studien, in denen auch primär für Frauen entwickeltes Beckenbodentraining zum Einsatz kommt, das nicht auf die männliche Anatomie übertragbar ist. Sie fand keine Wirksamkeit eines präoperativen Beckenbodentrainings als Ergänzung zum postoperativen Training (Anderson et al. 2015). Es besteht eine enge Korrelation von zunehmendem Alter der Patienten und dem Ausmaß der postoperativen Harninkontinenz. Durch ein multimodales Kontinenztraining im Rahmen einer stationären Rehabilitation werden sämtliche Inkontinenzparameter signifikant gebessert (Dombo 1998).

Medikation

Bei höhergradiger postoperativer Inkontinenz zeigt eine blasenfunktionsstabilisierende Medikation zusätzlich zum Kontinenztraining signifikante Vorteile. Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, ist ein in der Therapie der weiblichen Stressharninkontinenz bekannter Wirkstoff, jedoch nicht zugelassen für die Anwendung beim Mann (Dannecker et al. 2010). Aufgrund der fehlenden Zulassung für den Mann gibt es bislang nur wenige belastbare Daten, die jedoch eine signifikante Reduktion des postoperativen Vorlagenverbrauchs nachwies. Dabei treten auch Nebenwirkungen u. a. in Form einer Fatigue-Symptomatik auf, die nicht selten zu einem Abbruch der Therapie führen (Schlenker et al. 2006). Eine De-novo-Urge-Inkontinenz nach Prostatektomie kann durch eine begleitende anticholinerge Medikation beeinflusst werden.

Elektrostimulation und Biofeedback

Die Elektrostimulationstherapie hat in der Behandlung der Post-Prostatektomie-Harninkontinenz in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Widersprüchliche, schlecht vergleichbare Studien mit kleiner Patientenzahl verhindern bis zum heutigen Tage eine eindeutige wissenschaftliche Bewertung dieser Therapieoption. Bevorzugt bei drittgradiger Harninkontinenz erfolgt zusätzlich eine Elektrostimulationstherapie (Dombo 1998). Ein Cochrane-Review analysierte verschiedene konservative Interventionen, einschließlich der oben genannten, und konnte ebenfalls keinen Vorteil hinsichtlich der Inkontinenzraten finden – unabhängig von der Therapie besserten sich die Symptome im Zeitverlauf. Der Review identifizierte Daten aus kleinen Studien, die darauf hindeuten, dass Elektrostimulation oder externe Magnetinnervation oder Kombinationen möglicherweise effektiv sind (Anderson et al. 2015). In einer randomisierten dreiarmigen prospektiven Studie bei drittgradig inkontinenten Patienten konnte die signifikante Wirksamkeit der Elektrostimulation in Ergänzung zum Kontinenztraining in Abhängigkeit von der tatsächlichen Gerätenutzung bestätigt werden (Hoffmann et al. 2005).
Biofeedbackgeräte werden häufig zur Visualisierung des Muskeltonus eingesetzt. Problematisch ist die unzureichende selektive Darstellung der Muskelaktionspotenziale. Eine kontraproduktive Verkrampfung der Beckenbodenmuskulatur und ein ausbleibendes selektives Training der Sphinktermuskulatur stellen den therapeutischen Nutzen zumindest bei der männlichen Harninkontinenz infrage. Bei unzureichender Besserung der Harninkontinenz kommt das endoskopische Video-Biofeedback-Sphinktertraining zum Einsatz, um ein optimales Training zu gewährleisten (Hoffmann et al. 2002).

Hilfsmittel

Penisklemmen und Kondomkatheter erfahren eine geringe soziale Akzeptanz genauso wie unterschiedliche Typen peniler Kompressionsartikel. In kleinen Studien wurde eine deutlich verringerte distale Durchblutung bewiesen, Ödeme, Schmerzen, urethrale Erosionen und Obstruktionen traten auf, sodass eine Anwendung auf maximal 4 Stunden begrenzt werden sollte. 2006 untersuchten Fader et al. in einer Multicenter-Crossoverstudie absorbierende Produkte für die männliche Harninkontinenz und stellten fest, dass eine individuelle Anpassung notwendig sei, kleinere Vorlagen jedoch insgesamt bevorzugt wurden (Fader et al. 2006). Harnröhrenkatheter kommen als Überbrückung vor einer geplanten operativen Korrektur, selten jedoch als permanente Lösung in Betracht. Häufige Nebenwirkungen sind rezidivierende Harnwegsinfekte, Harnröhrenverletzungen und Hautmazerationen (Saint et al. 1999). Bei Frauen sind neben den Inkontinenzeinlagen intravaginale Hilfsmittel weit verbreitet, z. B. Schaumstofftampons und ringförmige, elastische Urethrapessare. Die Anwendung setzt eine manuelle Geschicklichkeit und Compliance voraus.

Chemo- und Strahlenzystitis

Die Strahlentherapie in kurativer und adjuvanter Intention ist eine etablierte Methode nicht nur zur Behandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms, sondern auch eine unverzichtbare Therapieoption bei Rektum-, Zervix- und Ovarialkarzinom. Die Standardmethoden zur Messung der Toxizität bestehen aus dem RTOG-EORTC und dem CTC Morbiditäts-Score (Hammond et al. 2003). Schwere Nebenwirkungen (WHO III und IV) sind selten, eine akute radiogene Zystitis mit zum Teil begleitender Harninkontinenzsymptomatik ist jedoch häufig und kann bereits bei Strahlendosen von 20–30 Gy auftreten. Deutlich geringere Toxizität wurde bei der postoperativen adjuvanten Radiatio beschrieben (Barton et al. 2011). Anticholinergika, auch in intravesikaler Applikationsform, mindern oft Frequenz und Urge, haben jedoch keinen analgetischen Effekt. Pentoxifyllin kann starke Blasenschmerzen lindern. Glykosaminoglykane (GAG) können zur Regeneration des Urothels beitragen. Auch bei der Chemozystitis, der Hauptnebenwirkung der intravesikalen Therapie des Harnblasenkarzinoms mit Mitomycin, Doxorubicin oder Epirubicin, führt die toxische Wirkung des Zytostatikums zu Urothelreizungen und Entzündungen bis zur nekrotisierenden Zystitis. Eine GAG-(Glukosaminglykan-)Instillation ermöglicht hier ggf. die zeitgerechte Fortsetzung der Therapie ohne Unterbrechungen.
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