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Spezielle Anforderungen bei der Rehabilitation von Patienten nach allogener Stammzelltransplantation

Verfasst von: Andreas Mumm, Markus Birmele und Hans Helge Bartsch
Die Zahl der Langzeitüberlebenden nach allogener Stammzelltransplantation steigt kontinuierlich. Die Schwerpunkte der Rehabilitation unterscheiden sich in der frühen Phase (Tag +100 bis +365) von denen des Langzeitverlaufs (über Tag +365). Von großer Bedeutung ist das Vorliegen einer Graft-versus-Host-Reaktion. Die Rehaindikation wird bestimmt durch das Ausmaß körperlicher und psychosozialer Einschränkungen, die individuelle Motivation und die Prozess- und Strukturqualität der rehabilitierenden Institution. Steuerung der Immunsuppression, Infektprophylaxe, Informationsvermittlung, bewegungstherapeutische und psychoonkologische Maßnahmen sowie die Förderung der sozioökonomischen Wiedereingliederung sind relevante Handlungsfelder.

Einführung

Die Zahl der durchgeführten Hochdosistherapien mit konsekutiver hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSCT) hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. 2018 betrug die Zahl der erstmals durchgeführten allogenen Knochenmarktransplantationen (KMT) sowie peripheren Blutstammzelltransplantationen (PBSCT) in Deutschland 3284 (1998: 1118 HSCT; DRST Jahresbericht 2018).
In kaum einer medizinischen Disziplin liegen Grundlagenforschung und praktisch-klinische Anwendung so nah beieinander wie auf dem Gebiet der hämatopoetischen Stammzelltransplantation. Die letzten 15 Jahre sind durch gravierende Veränderungen geprägt. Geändert haben sich die Indikationsstellungen. So haben der Kinasehemmer Imatinib und seine Nachfolger die allogene Stammzelltherapie in der Primärbehandlung der CML völlig verdrängt. Stark zugenommen hat die Häufigkeit der toxizitätsreduzierten Konditionierung (2016 wurden 1420 nicht myeloablative allogene HSCT registriert). Das Durchschnittsalter der Transplantierten ist gestiegen, und damit spielen die Probleme der altersassoziierten Komorbidität eine größere Rolle. Nabelschnurblut als Stammzellquelle spielt in Deutschland praktisch keine Rolle, wohingegen die Zahl der haploidenten Spender zunimmt. Von Bedeutung sind eine Reihe neu eingeführter antimikrobieller Substanzen, insbesondere im Bereich der Antimykotika.
Das EBMT-Handbuch von 2019 (Carerras et al. 2019) gibt zu vielen Aspekten der allogenen Stammzelltransplantation einen guten Überblick und ist online frei verfügbar.

Indikation zur posttransplantären Rehabilitation

In Deutschland dürfte nur eine Minderheit hämatopoetisch Transplantierter in ein strukturiertes rehabilitatives Programm eingebunden sein, meist im Rahmen einer sich an die Akutbehandlung anschließenden Anschlussheilbehandlung (AHB) oder eines späteren Heilverfahrens (HV). Diese Behandlungen erfolgen in der Regel stationär, selten teilstationär und fast nie ambulant, da umfassende, ambulante Rehabilitationsprogramme für hämatologisch Transplantierte weder in Deutschland noch anderenorts etabliert sind (Bartsch et al. 2000).
Der Rehabilitationsbedarf richtet sich nach
  • Art und Stadium der Grunderkrankung,
  • den somatischen und psychischen Folgestörungen,
  • dem Bedarf an Diagnostik und medikamentöser Behandlung sowie
  • der individuellen sozialen und beruflichen Situation.
Starre Indikationskriterien sind nicht sinnvoll. So wird es manchen Patienten trotz objektiv bestehendem Rehabilitationsbedarfs und vielleicht langer stationärer Vorbehandlung eher nach Hause drängen, wohingegen andere Patienten eine rasche und zielorientierte Rehabilitation vorziehen. Für manche Patienten stellt eine stationäre Rehabilitation mit ihren besonderen räumlichen und sozialen Rahmenbedingungen eine sinnvolle und notwendige Zwischenstufe vor der endgültigen Entlassung ins häusliche Milieu dar.
Die Indikation zur Rehabilitation nach HSCT orientiert sich an den objektiven somatischen und psychosozialen Problemen und den subjektiven Präferenzen des Patienten. Voraussetzungen zur Klärung der Rehabilitationsbedürftigkeit sind
  • die systematische Erfassung der rehabilitationsrelevanten Probleme,
  • die individuelle Abstimmung mit dem Patienten, wie die vorliegenden rehabilitations- und nachsorgespezifischen Probleme angegangen werden sollen, sowie
  • das Wissen des Transplantationszentrums um die rehabilitativen Möglichkeiten und die transplantationsbezogene Kompetenz der Rehabilitationsklinik in der die Rehamaßnahme durchgeführt werden soll.
Die Frage der Indikation einer Rehabilitation nach allogener HSCT muss wiederholt geprüft werden, sowohl in der Intermediärphase als auch in der darauffolgenden Spätphase.

Spezifische Problemfelder der Rehabilitation nach HSCT

Die somatischen Spätfolgen nach HSCT haben meist eine multifaktorielle Genese (Tab. 1). Ätiologisch relevant sind unter anderem
  • die Vorbehandlung, insbesondere die Art der Primärtherapie der Grunderkrankung,
  • die Intensität der prätransplantären Konditionierung,
  • die posttransplantäre, immunsuppressive oder infektprophylaktische Medikation,
  • die Risiken der zeitweiligen oder fortbestehenden Immundefizienz
  • sowie eine mögliche Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD).
Tab. 1
Spezifische somatische Problemfelder nach HSCT (nach Apperly et al. 2012)
Organ
Klinische Manifestation
Risikofaktoren
Monitoring
Intervention
Augen
• Katarakt
• Radiatio
• Steroide
• Spaltlampe
• Fraktionierung der TBI
• Chirurgische Intervention
 
• Keratokonjunktivitis
• Radiatio
• GvHD
• Schirmer-Test
• GvHD-Therapie
• Benetzungsmittel
• Topische Kortikoide
Herz
• Restriktive oder dilatative Kardiomyopathie
• Arrhythmien
• Vegetative Neuropathie
• Anthrazykline
• Mediastinale Radiatio
• LVEF
• 24-Stunden-EKG
• Herzinsuffizienztherapie
• Rhythmisierung
Respirationstrakt
COPD
Bronchiolitis obliterans
• Infektion
• GvHD
• Lungenfunktion (mit DLCO und Gasen) Bildgebung
• Infektbehandlung Immunglobuline
• GvHD-Therapie
 
• Restriktive Lungenerkrankung
• Radiatio
• Chemotherapie
• Infektion
• Lungenfunktion
• Bildgebung
• Fraktionierung der Radiatio
• Lung shielding
• Infektbehandlung
• Steroide
Leber
• Chronische Hepatitis C
• HCV-Infektion
• Hämosiderose
• Lebertests
• Hepatitis-Serologie
• Ggf. Viruslast
• HCV Behandlung
• Hämosiderosetherapie
   
 
• Chronische GvHD
• HCV-Infektion
• Hämosiderose
• Ggf. Leberbiopsie
• GvHD-Behandlung
Niere
• TBI
• Chemotherapie (Platin)
• Cyclosporin
• Antimykotika
• Renale Funktionstests
• Antihypertensive Therapie
Knochen
• Avaskuläre Nekrose
• Steroide
• Bestrahlung
• Bildgebung
• Vermeidung Steroiddauertherapie
• Orthopädische/chirurgische Maßnahmen
 
• Steroide
• Cyclosporin A
• TBI
• Chemotherapie
• Immobilität
• Knochendichte/DXA
• Hormonersatztherapie
• Osteoporosebehandlung (Bisphosphonate, Kalzium, Vitamin D)
Mundhöhle
• Chronische Stomatitis
• cGvHD
• Radiatio
• Inspektion
• Klinische Untersuchung
• Mundhygiene
• GvHD-Therapie
 
• Zahnschäden
• cGvHD
• Radiatio
• Inspektion
• Klinische Untersuchung
• Zahnpflege
• Floride Kariesbehandlung
Schilddrüse
• Schilddrüsenunterfunktion
• Radiatio
• TSH, T4 jährlich
• Schilddrüsenhormone
Gonadale Funktion/Fertilität
• Einschränkung der gonadalen Funktion
• Infertilität
• Radiatio
• Chemotherapie
• FSH
• LH
Testosteron (Männer)
• Östradiol (Frauen)
• Spermiogramm
• Hormonersatztherapie
Kryokonservierung von Spermien/Eizellen
• Ovarprotektion mit GNRH-Agonisten
Nervensystem
• Leukozephalopathie
• Radiatio,
• ZNS intrathekale Chemotherapie
• Symptomgeleitete klinische Aufarbeitung
 
 
• Periphere Neuropathie
• Chemotherapie
• GvHD
  
Gefäße
Arteriosklerose zerebro-/kardiovaskuläre Manifestation periphere Gefäße
• Kardiovaskuläre Risikofaktoren
• GvHD (?)
• Radiatio (?)
• Kardiovaskuläre Risikofaktoren
• Veränderung der kardiovaskulären Risiken
DLCO, Diffusionskapazität der Lunge für CO; DXA, dual energy X-ray absorptiometry; GNRH, gonadotropin releasing hormone; GvHD, graft versus host disease; HCV, Hepatitis-C-Virus; LVEF, left ventricular ejection fraction; TBI, total body irradiation
Sowohl die Grunderkrankung als auch die HSCT bedeuten eine seelische Extrembelastung für die Betroffenen und deren Bezugspersonen. Die akute Transplantationsphase bindet in der Regel die gesamte Aufmerksamkeit der Patienten, es folgt danach häufig eine Phase, die durch Verunsicherung und Neuorientierung gekennzeichnet ist. Die Art der Krankheitsverarbeitung hängt stark ab von der Persönlichkeit des Transplantierten sowie von Art und Ausmaß der sozialen und professionellen Unterstützung. Abnorme seelische Reaktionen reichen bis zu psychotischen Dekompensationen, verursacht z. T. durch die Nebenwirkungen bestimmter Medikamente. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Transplantation finden sich manchmal hospitalismusähnliche Krankheitsbilder mit Antriebsmangel, starker Verunsicherung, Isolierung und sozialem Rückzug (Tab. 2).
Tab. 2
Spezifische psychosoziale Problemfelder der Rehabilitation nach HSCT
Bereich
Problem
Hinweis/Therapie
Emotionale Probleme
• Angst
• Depression
• Verunsicherung
• Erschöpfung
• Einzel- und gruppentherapeutische Verfahren
• Kreativ- und Physiotherapie
Neuropsychologische Defizite
• Konzentration
• Aufmerksamkeit
• Gedächtnis
• Abstraktes Vorstellungsvermögen
• Testdiagnostische Screeningverfahren
• Neuropsychologische Trainingsprogramme (papier- oder PC-gestützt)
Soziale, familiäre Probleme
• Transplantationsassoziierte Einflüsse auf das soziale Netz
• Sexualität
• Kommunikation in Partnerschaft
• Einbeziehung naher Bezugspersonen
Reflexion der seelischen Transplantationsfolgen
Berufliche Veränderung
• Änderung der Einkommenssituation
• Anpassung der beruflichen Situation
• Klärung sozialrechtlicher Probleme
• Klärung der beruflichen Reintegration und Infektionsrisiken am Arbeitsplatz

Spezifische Rehabilitationsangebote nach HSCT

Krankengymnastik und Bewegungstherapie

Das physiotherapeutische Assessment ist aufwendiger als bei anderen onkologischen Patienten. Erfasst werden insbesondere
  • die körperliche Kondition,
  • spezifische Muskelschwächen (besonders der Hüft- und Beckenmuskulatur nach bzw. unter Kortikoidmedikation),
  • die motorische Koordination,
  • die Lungenfunktion und
  • transplantationstypische Parameter, wie z. B. hämatologischer Rekonstitutionsstatus, GvHD, Immunitätslage, Infektionen.
Wichtig ist darüber hinaus die Erfassung
  • der körperlichen Trainingsvorerfahrung,
  • der beruflichen Vergangenheit,
  • die Leistungsmotivation und die Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die nicht selten erheblich von der Fremdwahrnehmung divergieren (Wiskemann et al. 2014).
Die Eingangs- und Verlaufsdiagnostik sollte standardisierte, objektive Leistungs- und Funktionsparameter erfassen (z. B. Laufband, definierte Funktionsübungen, 2-Minuten- oder 6-Minuten-Gehtest, Grip-Strength-Test).
Die sensiblen und motorischen Defizite orientieren sich an den Prinzipien der medizinischen Trainingstherapie (MTT). Die physiotherapeutische Behandlung sollte aber nicht einseitig Leistungsaspekte betonen, sondern ausreichend koordinative, spielerische und soziale Elemente integrieren, um umfassender zur Bewältigung der Erkrankung und der Therapiefolgen beizutragen.

Psychoonkologie und Informationsvermittlung

Einen Überblick über psychosoziale Problemfelder der Rehabilitation gibt Tab. 2. In Einzel- oder Gruppengesprächen werden Informationen zu Empfehlungen und Problemen der Posttransplantationsphase vermittelt. Weitere Angebote fördern die Auseinandersetzung des Patienten mit der Krankheit und den Therapiefolgen oder dienen der Vermittlung gezielter Entspannungstechniken (autogenes Training, progressive Muskelentspannung, imaginative Verfahren). Die behandlungsbedingten neuropsychologischen Einschränkungen, vor allem in den Merkmalsbereichen Konzentration, Ausdauer, abstraktes Vorstellungsvermögen und Aufmerksamkeit, können durch gezielte neuropsychologische Trainingsprogramme behandelt werden.
Darüber hinaus sind kunsttherapeutische Angebote (therapeutisches Plastizieren, Maltherapie, Musiktherapie und Bibliotherapie) für die Patienten wichtige Hilfestellungen zur Stärkung der personalen Ressourcen und der Verbesserung der Krankheitsverarbeitung. Große Bedeutung hat die Sozialberatung, auch weil sich ein großer Teil der Betroffenen im arbeitsfähigen Alter befindet und Fragen der beruflichen Integration von Bedeutung sind.

Diätetik

Bei der Ernährung nach allogener HSCT sind einige Besonderheiten zu beachten (Boeckh 2012). Trotz aller Unterschiede zwischen verschiedenen Transplantationszentren sind einige Prinzipien allgemein anerkannt:
Vermeiden von Infektionsrisiken
Zu achten ist auf eine hygienisch einwandfreie Zubereitung (höhere küchentechnische Standards als kliniküblich), keine Zwischenlagerung der zubereiteten Speisen, keine Buffets, Verzicht auf hygienisch bedenkliche Speisen (Halbgares, Rohes, Rohmilchprodukte, Nüsse etc.).
Leichte Verdaulichkeit
Geeignet ist eine keimarme, leichte Vollkost unter Verzicht auf fette, blähende, stark gebratene und gewürzte Speisen. Posttransplantär besteht häufig eine relative Lactoseintoleranz.
Berücksichtigung des geänderten Geschmackempfindens
Hier gibt es große individuelle Unterschiede, tendenziell werden eher süße und kühle Speisen bevorzugt. Soweit dies organisatorisch möglich ist, sollten individuelle Vorlieben berücksichtigt werden. Schulung und Information sowohl der Patienten, als auch relevanter Mitarbeitergruppen, bilden eine wichtige Aufgabe für die Diätassistentinnen.

Prophylaxen

Eine besondere Rolle in der Nachbetreuung nach HSCT spielt die Cytomegalievirus-(CMV-)Prophylaxe, die Pneumocystis-jiroveci- (früher P.-carinii-) (Pc-)Prophylaxe sowie die Auffrischung des Impfstatus (Apperly et al. 2012; Carreras et al. 2019; Laws et al. 2020).
CMV
Wichtig ist die Verwendung bestrahlter, leukozytendepletierter Blutprodukte. Ob bei bestimmten Patienten ein Zusatznutzen in der Verwendung CMV-negativer Blutprodukte besteht, ist nicht gesichert. Mindestens bis Tag +100 sollte wöchentlich einmal ein sensitiver und spezifischer Test zur Diagnose einer CMV-Replikation durchgeführt werden (CMV-pp65-Antigenämie oder CMV-DNA mittels quantitativer PCR). Bei signifikanter CMV-Virämie sollte eine präemptive Therapie eingeleitet werden. Als Erstlinientherapie wird in der Regel Ganciclovir oder Valganciclovir, als Zweitlinientherapie Foscarnet eingesetzt.
Pneumocystis jiroveci
Eine Prophylaxe sollte für mindestens 6 Monate, bei der Gabe von Immunsuppressiva auch länger durchgeführt werden. Empfohlen wird die Gabe von Cotrimoxazol (2x/Tag 800/400 mg Sulfamethoxazol/160/80 mg Trimethoprim an 2 Tagen/Woche oder 1x/Tag an 3 Tagen/Woche). Zweite Wahl und alternativ bei Niereninsuffizienz können Diaminophenylsulfon/Pyrimethamin p.o. (Vorteil: Toxoplasma gondii wirksam) oder die Inhalation von Pentacarinat (300 mg) alle 4 Wochen eingesetzt werden.
Pneumokokken
Die jährliche Inzidenz einer invasiven Pneumokokken-Infektion wird für allogen Transplantierte mit GvHD mit 20,8/1000 angegeben. Unabhängig vom Impfstatus wird deswegen für diese Risikogruppe eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen (für Gegenden mit geringer Resistenz Penicillin 2 × 250–500 mg/Tag oder 500–1000 mg/Tag, alternativ Makrolide, Fluorochinolone, Cephalosporine der 2. Generation).
Impfprophylaxe
Die meisten Patienten verlieren in den ersten Jahren nach der HSCT ihre Immunität gegenüber Erkrankungen gegen die eine präventive Vakzination möglich ist. Die Impfempfehlungen für autolog und allogen Transplantierte sind identisch. Totimpfstoffe können ohne besondere Risiken verabreicht werden. Eine GvHD stellt keinen absoluten Grund dar, den Beginn der Impfprophylaxe zu verzögern.
Die Impfempfehlungen der einzelnen deutschen Transplantationszentren unterscheiden sich im Detail. Insbesondere zur Frage, ob und wann Antikörpertiter bestimmt werden sollen, existieren divergierende Empfehlungen.
Lebendimpfstoffe“ sollten nur in begründeten Einzelfällen und nicht vor Ablauf von 2 Jahren gegeben werden. Bei GvHD und/oder immunsuppressiver Therapie sollten sie nur bei vitaler Indikationen, wie z. B. einer Rabiesexposition, angewandt werden.
Infektionsrisiken sind regional und je nach den Lebensumständen als sehr unterschiedlich einzustufen. Insbesondere in Gesundheitsberufen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Hepatitis-B-Virusinfektion. Die Indikation wird individuell gestellt.
Kontaktpersonen von Patienten mit geschwächtem Immunsystem sollten vollständig geimpft sein. Besonders wichtig ist der vollständige Schutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen. Zudem wird eine Auffrischung der Keuchhustenimpfung alle 10 Jahre empfohlen. Jährlich sollte die Influenza-Impfung mit einem Totimpfstoff erfolgen.
Für Deutschland wurden 2020 von der Ständigen Impfkommission (angegliedert an das Robert Koch-Institut, Berlin) Anwendungshinweise bei Immundefizienz veröffentlicht (Abb. 1). Diese beinhalten auch konkrete Anwendungshinweise für allogen Stammzelltranplantierte (Laws et al. 2020). International verbreitet sind die Impfempfehlungen von Ljungman et al. (2009), die durch die European Conference of Infections in Leukaemia weiterentwickelt wurde (Cardonnier et al. 2017).
Weitere Prophylaxen
Unterschiedliche Empfehlungen existieren zur prophylaktischen Gabe von Antibiotika, Virostatika, Antimykotika und Immunglobulinen sowie Bisphosphonaten zur Osteoporoseprophylaxe.

Empfohlene Laboruntersuchungen

Schwerpunkte des laborchemischen Monitorings bilden die Parameter der hämatopoetischen Rekonstitution (manuelles Differenzialblutbild, Retikulozyten) mit Augenmerk auf Hämolyseparameter (Retikulozyten, Fragmentozyten, LDH, Haptoglobin), Infektparameter (CRP), Nierenretentionswerte mit Elektrolytkontrollen einschließlich Magnesium, Bilirubin, Entzündungsparameter und CMV-Antigen oder CMV-PCR sowie relevante Medikamentenspiegel (z. B. Cyclosporin A).

Nachsorgeprogramm

Eine Arbeitsgruppe führender nationaler und internationaler Fachgesellschaften der hämatologischen Stammzelltransplantation hat ein standardisiertes Nachsorgeprogramm für allogen Stammzelltransplantierte zusammengestellt (Majhail et al. 2012). Dieses ist als Vorschlag zu verstehen, der von den Behandlungszentren modifiziert und auf den Einzelfall angepasst wird (Tab. 3).
Tab. 3
Empfehlung für ein Nachsorgeprogramm nach hämatopoetischer Stammzelltransplantation (Majhail et al. 2012)
  
6 Monate
1 Jahr
Jährlich
Immunität
Prophylaxe gegen kapseltragende Organismen
2
2
2
 
Pneumocytis-jiroveci-Prophylaxe
2
2
 
 
CMV-Screening
2
2
2
 
Impfungen
1
1
1
Ophthalmologie
Ophthalmologische Untersuchung
1
1
1
 
Spiegelung des Augenhintergrunds
+
1
+
Mund- und Zahnheilkunde
Klinische Untersuchung
1
1
1
 
Erhebung des Zahnstatus
+
1
1
Respirationstrakt
Klinische Untersuchung
1
1
1
 
Ggf. Rauchverhalten thematisieren
1
1
1
 
Spirometrie, CO-Diffussionskapazitätsmessung
+
+
+
 
Röntgen-Thorax
+
+
+
Herz und Gefäße
Kardiovaskuläre Risikofaktoren erheben
+
1
1
Leber
Leberfunktionsteste
1
1
+
  
1
+
Nieren
Blutdruckmessung
1
1
1
 
1
1
1
 
Serum-Harnstoff, Kreatinin bestimmen
1
1
1
Muskeln und Bindegewebe
Muskelkraft prüfen
2
2
2
 
Körperliche Aktivität thematisieren
1
1
1
Skelettsystem
Ostoedensitrometrie
 
1
+
Neurologie
Neurologische klinische Untersuchung
+
1
1
 
Kognitiver Status erheben
 
1
1
Endokrinologie
Schilddrüsenfunktion
 
1
1
 
Erhebung der gonadalen Funktion bei postpubertalen Frauen
 
1
+
 
Erhebung der gonadalen Funktion bei postpubertalen Männern
 
+
+
Haut und Schleimhäute
Beratung zur Selbstuntersuchung und zu Sonnenexposition
1
1
1
 
Bei Frauen gynäkologische Untersuchung
+
1
1
Zweittumoren
Beratung
 
1
1
 
Früherkennung
 
1
1
Psychosozial
Psychosozialer Status und Erhebung der Lebensqualität
1
1
1
 
Erhebung des sexuellen Funktionsstatus
1
1
1
1 = empfohlen für alle Transplantierten
2 = empfohlen für alle Transplantierten mit chronischer GvHD oder Immunsuppression
+ = empfohlen bei Auffälligkeiten in der Vergangenheit oder bei neu aufgetretenen Symptomen oder auffälligen Veränderungen
Literatur
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