Verfasst von: Jonas Willmann, Nicolaus Andratschke und Matthias Guckenberger
Metastasen stellen eine der größten Herausforderungen der Krebstherapie dar. In jüngster Zeit werden vermehrt potenziell kurative Behandlungskonzepte bei Tumorpatienten mit limitierter Metastasierung angewendet. Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die Anwendungsfelder der Strahlentherapie bei der Behandlung von Metastasen geben. Bei Hirn- und Knochenmetastasen sowie der aus letzteren hervorgehenden malignen Myelonkompression ist die Strahlentherapie eine etablierte und effektive Behandlungsoption. Darüber hinaus werden neue Anwendungsbereiche der lokal-ablativen Strahlentherapie präsentiert und dabei die aktuelle Evidenz zur Behandlung der wichtigsten Tumorentitäten im begrenzt metastasierten Stadium, der Oligometastasierung, vorgestellt. Alternative Therapieoptionen werden dabei kurz dargestellt, für detaillierte Beschreibungen zur Anwendung dieser Techniken sei jedoch auf die entsprechenden weiteren Kapitel dieser Sektion verwiesen.
Metastasen stellen eine der größten Herausforderungen der Krebstherapie dar und sind für etwa 80–90 % der Krebstode verantwortlich. Für die meisten soliden Tumoren galt lange das Paradigma, dass im metastasierten Krankheitsstadium keine Heilung mehr möglich ist. Die Behandlungsoptionen waren reduziert auf systemische Therapien, und lokale Therapie war reserviert für palliative, symptomorientierte Ziele. In jüngster Zeit werden vermehrt auch potenziell kurative Behandlungskonzepte bei Tumorpatienten mit limitierter Metastasierung angewendet. Abhängig von Ausmaß und Lokalisation der Metastasierung sowie der Geschwindigkeit der Entwicklung neuer Läsionen können sich metastasierte Tumorerkrankungen auf vielfältige Weise präsentieren und mit sehr unterschiedlichen Prognosen einhergehen. Die sorgfältige Selektion von Patienten, die von einer intensiven Lokaltherapie im metastasierten Krankheitsstadium profitieren können, ist daher essenziell.
Dieses Kapitel gibt eine Übersicht über die Anwendungsfelder der Strahlentherapie bei der Behandlung von Metastasen geben. Bei Hirn- und Knochenmetastasen sowie der aus letzteren hervorgehenden malignen Myelonkompression ist die Strahlentherapie eine etablierte und effektive Behandlungsoption. Darüber hinaus werden neue Anwendungsbereiche der lokal-ablativen Strahlentherapie präsentiert und dabei die aktuelle Evidenz zur Behandlung der wichtigsten Tumorentitäten im begrenzt metastasierten Stadium, der Oligometastasierung, vorgestellt. Alternative Therapieoptionen werden dabei kurz dargestellt, für detaillierte Beschreibungen zur Anwendung dieser Techniken sei jedoch auf die entsprechenden weiteren Kapitel dieser Sektion verwiesen.
Radiochirurgie und stereotaktische Körperstrahlentherapie
Neben konventionellen Bestrahlungstechniken gewinnen Hochpräzisionsverfahren, wie die stereotaktischeRadiochirurgie („stereotactic radiosurgery“, SRS) oder die Körperstereotaxie („stereotactic body radiotherapy“, SBRT, oder „stereotactic ablative radiotherapy“ SABR) zunehmend an Bedeutung.
Komplex geformte Tumorvolumina können durch intensitätsmodulierte Bestrahlungstechniken („intensity-modulated radiation therapy“, IMRT), bei denen die Bestrahlung aus verschiedenen Richtungen erfolgt und der Behandlungsstrahl durch die Anwendung feiner Kollimatoren („multi-leaf collimator“, MLC) geformt wird, gezielt bestrahlt werden. Die Planung der Bestrahlung erfolgt hier, anders als in der konventionellen Konformationstherapie, als inverse Planung, das heißt, die Dosisverteilung in jedem Punkt des Zielgebietes und die verwendeten Einstrahlwinkel werden nach Konturierung von Zielvolumen und Risikoorganen, Festlegung der gewünschten Solldosis im Zielvolumen sowie der erwarteten Toleranzdosen der Risikoorgane durch entsprechende Computerprogramme optimiert. Um eine reproduzierbare Lagerung zu garantieren und so die konformale Bestrahlung zu ermöglichen, kommen verschiedene stereotaktische Lagerungs- und Fixierungssysteme zum Einsatz.
Die Anwendung von bildgebenden Verfahren („image-guided radiation therapy“, IGRT) vor und während der Bestrahlung ermöglicht die Verifikation der gewünschten Behandlungsposition. Bei Tumoren, die sich während der Atmung zyklisch bewegen (insbesondere Tumoren in Lunge, Brust und Oberbauch), kann der Einsatz aktiver oder passiver Positionsmanagement-Techniken eine bessere Schonung umliegender Risikoorgane, bei zuverlässiger Dosisabdeckung des Zielvolumens, erreichen.
Die Kombination dieser Techniken ermöglicht die Applikation einer hohen, biologisch aktiven Einzeldosis im Tumor, mit steilem Dosisabfall außerhalb der Zielläsion, somit die Schonung des umliegenden gesunden Gewebes, wodurch Normalgewebsreaktionen verringert werden können.
Strahlentherapie bei Hirnmetastasen
Bei den meisten intrakraniellen Tumoren handelt es sich um Metastasen. Etwa 20–30 % aller Krebspatienten entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung Hirnmetastasen. Den größten Anteil der Metastasen im zentralen Nervensystem (ZNS) stellen Bronchialkarzinome (50 %), Mammakarzinome (20 %), maligne Melanome (10 %) und Kolonkarzinome (5 %) dar. Die Tumoren mit der größten Wahrscheinlichkeit, intrazerebrale Filiae zu bilden (Neurotropismus), sind kleinzellige Bronchialkarzinome („small cell lung cancer“, SCLC), maligne Melanome, Chorionkarzinome und Keimzelltumoren.
Die Behandlungsmöglichkeiten von Hirnmetastasen beschränkten sich historisch auf die chirurgische Resektion und die Ganzhirnbestrahlung („whole-brain radiotherapy“, WBRT). Nur selten konnte eine dauerhafte extra- und intrakranielle Kontrolle der metastasierten Erkrankung erreicht werden, und das mediane Überleben von Patienten mit Hirnmetastasen betrug daher nur drei bis vier Monate (Nieder et al. 2014).
In immer mehr Fällen kann mittlerweile auch im metastasierten Krankheitsstadium ein längerfristiges Überleben erreicht werden. Die Bedeutung der Behandlung von Hirnmetastasen zur Verzögerung der Krankheitsprogression, zur Vermeidung neurologischer Komplikationen und Konservation der Lebensqualität hat daher in den letzten Jahren stetig zugenommen.
Neben der WBRT hat sich der Fokus auf hochpräzise Bestrahlungstechniken gerichtet. Insbesondere die SRS, bei der eine sehr hohe Strahlendosis in nur einer Sitzung mit höchster Präzision appliziert wird, erfährt zunehmende Anwendung (Abb. 1). Ein steiler Dosisgradient außerhalb des Zielvolumens ermöglicht die optimale Schonung benachbarter, strahlensensibler Gehirnstrukturen.
Abb. 1
Radiochirurgie einer solitären Hirnmetastase. Von links nach rechts: Dosisskala in Gy, Planungs-CT in transversaler, koronarer und sagittaler Schnittführung mit Dosisverteilung als Colorwash-Darstellung. Radiochirurgie einer solitären Hirnmetastase bei einem 51-jährigen Patienten mit oligometastasiertem Adenokarzinom der Lunge. Gesamtdosis von 20 Gy, verschrieben auf die 80 %-Isodosislinie, in einer Fraktion
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Bei der Bestrahlung von größeren Hirnmetastasen und Operationshöhlen oder bei kritischer Lokalisation in der Nähe von sensiblen Risikoorganen wird zumeist auf moderat fraktionierte Bestrahlungstechniken, wie die intrakranielle stereotaktischeStrahlentherapie („stereotactic radiotherapy“, SRT) zurückgegriffen. Hirnmetastasen stellen häufig ein ideales Ziel für diese Formen der Bestrahlung dar, sofern sie klein und klar begrenzt sind.
Strahlentherapie und Chirurgie können in verschiedenen Kombinationen Anwendung bei der Therapie von Hirnmetastasen finden. Mittlerweile liegt eine Vielzahl von Studien vor, anhand derer sich Empfehlungen zur Anwendung von SRS, SRT und WBRT in unterschiedlichen klinischen Situationen treffen lassen. Entscheidend bei der Auswahl der Therapie sind
Lebenserwartung und Performance-Status des Patienten,
Anzahl und Größe der intrazerebralen Läsionen und ihre Histologie sowie
die extrakranielle Kontrolle der Tumorerkrankung.
Patienten mit wenigen, großen Hirnmetastasen in resektabler Lokalisation und solche, bei denen eine akute Dekompression erforderlich ist, können von einer chirurgischen Therapie profitieren. Nach chirurgischer Resektion von singulären Hirnmetastasen verbessert die additive WBRT die intrakranielle Tumorkontrolle (Patchell et al. 1998). Für eine postoperative SRS und SRT der Resektionshöhle konnte jedoch gegenüber der postoperativen WBRT eine geringere Abnahme der kognitiven Funktion und bessere Lebensqualität bei gleichwertigem Gesamtüberleben gezeigt werden, trotz schlechterer lokaler Tumorkontrolle (Brown et al. 2017). Weiterhin lässt sich die lokale Kontrolle nach kompletter Resektion durch SRS und SRT der Resektionshöhle erhöhen (Mahajan et al. 2017). Die postoperative SRS stellt damit den Behandlungsstandard dar und sollte der WBRT vorgezogen werden.
Bei limitierter Hirnmetastasierung bietet die alleinige SRS ein gleichwertiges Gesamtüberleben bei exzellenter lokaler Kontrolle der behandelten Läsionen gegenüber der Kombination aus WBRT und SRS-Boost der Metastasen (Kocher et al. 2011). Die alleinige SRS führt dabei zu einer verringerten Abnahme der kognitiven Funktion und besseren Lebensqualität (Brown et al. 2016) und sollte somit bevorzugt eingesetzt werden. Da bei alleiniger SRS distante zerebrale Rezidive häufiger zu beobachten sind, ist eine engmaschige Nachsorge mit regelmäßiger MRT-Bildgebung des Schädels alle drei bis vier Monate essenziell. Die Höchstzahl der mit SRS sicher und effektiv behandelbaren Metastasen ist unklar, traditionell lag die Grenze bei vier Hirnmetastasen. Neuere Arbeiten zeigen jedoch auch eine sichere Anwendung der SRS bei bis zu zehn Hirnmetastasen (Yamamoto et al. 2014). Hier ist allerdings zu erwarten, dass in Zukunft auch bei noch größerer Zahl an Metastasen eine gezielte Behandlung möglich sein wird. Auch die wiederholte SRS-Behandlung bei Auftreten neuer Hirnmetastasen stellt ein vielversprechendes Konzept da, um eine WBRT zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern (Shultz et al. 2015).
Die alleinige WBRT kann bei Patienten mit diffuser Hirnmetastasierung und ausreichend guter Prognose erwogen werden. Fraglich ist der Nutzen der WBRT gegenüber „best supportive care“ hingegen bei Patienten mit schlechtem Performance-Status, die weder einer SRS noch einer chirurgischen Resektion zugänglich sind (Mulvenna et al. 2016).
Mit dem Ziel einer besseren Erhaltung der kognitiven Funktion nach WBRT wird die Hippocampus-Schonung angewendet (Gondi et al. 2014). Ihre Effektivität wird allerdings noch immer kontrovers diskutiert und Gegenstand laufender Studien. Ebenfalls fraglich ist der Effekt der Gabe von Memantinen (als Antidementiva eingesetzte NMDA-Antagonisten) während und nach der WBRT zur besseren Erhaltung der kognitiven Leistungsfähigkeit (Brown et al. 2013).
Im Falle eines Rezidivs nach vorausgegangener WBRT ist bei Patienten mit einer begrenzten Anzahl an Metastasen eine SRS der neuen Läsionen zu erwägen. In ausgewählten Fällen mit gutem Performance-Status und kontrollierter extrakranieller Tumorerkrankung stellt auch die wiederholte WBRT eine Therapieoption dar, die allerdings sorgfältig abgewogen sein muss.
Palliative Strahlentherapie bei Knochen- und Wirbelkörpermetastasen
Knochenmetastasen treten bei etwa 80 % der Krebspatienten auf. Die häufigsten Primärtumoren sind Mammakarzinome, Prostatakarzinome, Bronchialkarzinome, Schilddrüsen- und Nierenzellkarzinome, wohingegen Tumoren des Gastrointestinaltrakts relativ selten ossäre Metastasen bilden. Das rote Knochenmark bildet meist den Ausgangsort der Knochenmetastasierung. Entsprechend folgen die häufigsten Lokalisationen von Knochenmetastasen der Verteilung des roten Knochenmarks: die Wirbelsäule (hier sind die lumbalen Wirbelkörper am häufigsten betroffen, dann die thorakalen) gefolgt vom knöchernen Becken, Rippen, Femur und Schädel.
Durch eine Dysregulation der physiologischen Remodellierung des Knochens können sich die Metastasen osteoblastisch, osteolytisch oder gemischt präsentieren:
Gemischt osteoblastisch-osteolytische Läsionen sind typisch für Mammakarzinome, Plattenepithelkarzinome und Tumoren aus dem Gastrointestinaltrakt.
Starke Schmerzen und eingeschränkte Mobilität stellen häufige klinische Präsentationen der ossären Metastasierung dar. Eine ausreichende Analgesie und Stabilisierung der befallenen Knochen sind essenziell, um eine bestmögliche Lebensqualität der Patienten aufrechtzuerhalten.
Zur Behandlung von Knochenmetastasen stehen neben der Strahlentherapie auch chirurgische und medikamentöse Verfahren zur Verfügung. Welche Verfahren angewendet werden, hängt
von der Stabilität des betroffenen Knochens und der Lokalisation ab,
davon, ob primär eine Analgesie oder eine Remineralisierung erwünscht ist oder eine Dekompression bei neurologischen Symptomen erfolgen soll sowie
vom Performance-Status des Patienten und
der Kontrolle der Tumorerkrankung.
Eine chirurgische Intervention kann zur Behandlung oder Prävention von pathologischen Frakturen notwendig sein. Zur Abschätzung des Frakturrisikos metastasenbefallener Röhrenknochen ist die Mirels-Klassifikation geläufig (Mirels 1989). Hierbei werden einbezogen (Tab. 1):
Lokalisation und Größe der Metastasen
Qualität der Metastasen (osteoblastisch, osteolytisch oder gemischt)
Ausmaß der verursachten Schmerzen
Je nach Lokalisation können verschiedene orthopädische Verfahren zum Einsatz kommen. Invasive Verfahren zur Behandlung von pathologischen Wirbelkörperfrakturen umfassen die Vertebroplastie und die Kyphoplastie. Während bei der Vertebroplastie über einen perkutanen Zugang der frakturierten Wirbelkörper mit Knochenzement gefüllt wird, ermöglich die Kypoplastie zusätzlich das teilweise Aufrichten des Wirbels durch einen perkutan eingeführten Ballon und das anschließende Auffüllen des entstandenen Hohlraums mit Knochenzement.
Zur Abschätzung der Stabilität von Wirbelkörperfrakturen kann der Spine Instability Neoplastic Score (SINS) verwendet werden (Tab. 2) (Fisher et al. 2010). Dieser umfasst klinische wie radiografische Befunde:
Lokalisation des befallenen Wirbelsäulenabschnitts
Lokalisation mechanischer Schmerzen,
Qualität der Läsion (osteolytisch, osteoblastisch oder gemischt)
Wirbelsäulenausrichtung (Vorhandensein von Luxation oder Deformität)
Ausmaß des Wirbelkörperbefalls
Ausmaß des posterolateralen Befalls
In der medikamentösen Therapie von Knochenmetastasen werden vor allem Bisphosphonate und RANK-L-Inhibitoren eingesetzt. Bisphosphonate wie Zoledronsäure inhibieren die Osteoklasten-vermittelte Resorption des Knochens und fördern Knochenaufbau und -differenzierung durch Osteoblastenstimulation. RANK-L-Inhibitoren greifen in das RANK/RANK-System ein, über das die Osteoklastendifferenzierung reguliert wird und das bei ossären Metastasen durch eine RANK-Überexpression gestört ist (Boyce und Xing 2008). Beide medikamentöse Ansätze können den Abbau von Knochensubstanz verringern.
Tab. 2
Spinal Instability Neoplastic Score (SINS) (Fisher et al. 2010)
Kriterium
Punkte
3
2
1
0
Wirbelsäulenabschnitt
Sehr beweglich
(Occ-C2, C7-Th2, Th11-L2, L5-S1)
Beweglich
(C3–6, L2–4)
Semirigide
(T3–10)
Rigide
(S2–5)
Schmerzen bei Bewegung
Ja
Gelegentlich
Nein
Charakter der Läsion
Osteolytisch
Gemischt
Osteoblastisch
Wirbelsäulenausrichtung
(Sub-)Luxation (4 Punkte)
De-novo-Deformität
Normale Ausrichtung
Einbruch des Wirbelkörpers
>50 %
<50 %
Kein Einbruch bei Beteiligung >50 %
Keines der genannten
Posterolaterale Beteiligung
Bilateral
Unilateral
Keines von beiden
Bewertung der Stabilität einer metastatischen Wirbelsäulenläsion anhand des Spinal Instability Neoplastic Score (SINS): 0–6 Punkte: stabil; 7–12 Punkte: potenziell instabil; 13–18 Punkte: instabil
Durch die Strahlentherapie von Knochenmetastasen kann bei etwa 70 % der Patienten eine Reduktion der Schmerzen, bei 30 % sogar die komplette Schmerzfreiheit erreicht werden (Steenland et al. 1999). Ein Ansprechen der Schmerzen auf die Bestrahlung tritt im Durchschnitt nach drei Wochen ein und hält drei bis sieben Monate an (Yarnold 1997).
Es stehen unterschiedliche Fraktionierungsschemata zur Bestrahlung von ossären Metastasen zur Verfügung (Lutz et al. 2017). Bestrahlungen in einer oder in mehreren Fraktionen sind gleichwertig bezüglich der Schmerzreduktion (Chow et al. 2007, 2012). Allerdings scheinen nach einzeitiger Strahlentherapie häufiger Re-Bestrahlungen notwendig zu sein (Hartsell et al. 2005). Ob diese Beobachtung auf unterschiedlichen strahlenbiologischen Eigenschaften beruht oder ob die Behandler lediglich häufiger und früher gewillt sind, nach Einzeitbestrahlungen eine erneute Therapie einzuleiten. ist fraglich. Da jedoch nach fraktionierter Strahlentherapie eine bessere Remineralisierung und folglich geringeres Frakturrisiko gezeigt werden konnte, sollten bei potenziell instabilen Knochenmetastasen eher fraktionierte als einzeitige Techniken eingesetzt werden (Steenland et al. 1999).
Ein weiteres Anwendungsfeld insbesondere fraktionierter Techniken ist die postoperative Bestrahlung nach orthopädischer Stabilisation. Über die lokale Tumorkontrolle hinaus ist hierbei neben der analgetischen vor allem die remineralisierende Wirkung der Bestrahlung erwünscht und führt zu einer verbesserten Funktionalität und längeren Lebensdauer der Implantate. So kann die Häufigkeit von chirurgischen Revisionen verringert und das Gesamtüberleben verlängert werden (Townsend et al. 1994). Um Wundheilungsstörungen zu vermeiden, sollte eine Bestrahlung frühestens zwei bis vier Wochen nach der Operation stattfinden.
Eine zuverlässige Evaluation des Schmerzansprechens kann etwa vier Wochen nach Abschluss der Bestrahlung erfolgen. Sollte keine ausreichende Reduktion der Schmerzen eingetreten sein, ist die Wiederbestrahlung des Knochens möglich. Patienten, bei denen initial eine deutliche Schmerzreduktion durch die Bestrahlung erreicht werden konnte, profitieren häufiger von einer Wiederbestrahlung (Huisman et al. 2012). Einzeitige Behandlungen scheinen gegenüber einer fraktionierten Re-Bestrahlung eine gleichwertige Schmerzlinderung zu liefern, gehen dabei allerdings mit weniger Toxizität einher (Chow et al. 2014).
Durch die dosisintensivierte SBRT von Wirbelkörpermetastasen lassen sich bei Patienten mit gutem Performance-Status und guter Prognose eine deutliche und langfristige Reduktion der Schmerzen sowie eine verbesserte Lebensqualität erreichen (Guckenberger et al. 2018) (Abb. 2). In verschiedenen klinischen Studien wurde das Schmerzansprechen nach SBRT und konventioneller Radiotherapie von Wirbelkörpermetastasen vergliechen. Eine randomisierte Phase-II-Studie konnte keine Verbesserung des Schmerzansprechens durch SBRT im Vergleich zur konventionellen palliativen Radiotherapie zeigen (Pielkenrood et al. 2021). Dieser Studie fehlte jedoch die ausreichende Power, um einen Unterschied im Schmerzansprechen feststellen zu können. Demgegenüber deuten die bisher nur als Abstract vorliegenden Ergebnisse einer Phase-II/III-Studie auf eine höhere Rate an komplettem Schmerzansprechen nach SBRT hin (Sahgal et al. 2020). Ob die SBRT der konventionellen Radiotherapie hinsichtlich Schmerzansprechen und lokaler Kontrolle überlegen ist, bleibt weiterhin kontrovers.
Abb. 2
Stereotaktische Bestrahlung einer Wirbelkörpermetastase eines Prostatakarzinoms. Von links nach rechts: Dosisskala in Gy, Planungs-CT in transversaler, koronarer und sagittaler Schnittführung mit Dosisverteilung als Colorwash-Darstellung. Stereotaktische Bestrahlung einer Metastase im 4. Lendenwirbelkörper bei einem 66-jährigen Patienten mit oligometastasiertem Prostatakarzinom. Gesamtdosis von 20 Gy auf den gesamten befallenen Wirbelkörper mit simultan-integriertem Boost auf den makroskopischen Tumor bis zu einer Gesamtdosis von 35 Gy in fünf Fraktionen
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Strahlentherapie bei maligner Myelonkompression
Die maligne Myelonkompression bezeichnet die durch extra- oder intramedulläre Tumorabsiedlung ausgelöste Affektion des Rückenmarks und gilt als onkologischer Notfall. Die Inzidenz der malignen Myelonkompression bei Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden beträgt etwa 2,5–5 %. Mammakarzinome, Bronchialkarzinome und Prostatakarzinome stellen die häufigsten auslösenden Entitäten dar. Die Tumoren mit der größten Wahrscheinlichkeit, durch metastatische Absiedlung eine Myelonkompression auszulösen, sind multiple Myelome, Lymphome und Prostatakarzinome.
Die klinischen Symptome unterscheiden sich je nach Lage, Ausmaß und Dauer der Myelonkompression. Schmerzen bilden die häufigste klinische Präsentation und treten bei knapp 90 % der Betroffenen auf. Typisch sind Schmerzspitzen in der Nacht oder am frühen Morgen, ausgelöst durch den physiologisch niedrigeren Kortisolspiegel. Neurologische Ausfälle bis hin zur Paraplegie können im Verlauf auftreten, oftmals Wochen nach Einsetzen der Schmerzen. Hier sind insbesondere neu aufgetretene Lähmungen, neuropathische Schmerzen und Sensibilitätsstörungen, häufig gürtelförmig am Rumpf oder mit Ausstrahlung in Arme oder Beine, perianal oder genital, zu nennen. Weiterhin ist auf das Auftreten von Gleichgewichts- oder Gangunsicherheit sowie auf Harn- oder Stuhlverhalt zu achten.
Der sensitivste Nachweis einer malignen Myelonkompression gelingt durch T2-gewichtete MRT-Bildgebung mit und ohne Gadolinium Kontrastmittel (Abb. 3) (Bilsky et al. 2010). Eine ähnlich hohe Sensitivität zur Beurteilung der Myelonaffektion bietet die invasive CT-Myelografie.
Abb. 3
Klassifikation der epiduralen Rückenmarkskompression („epidural spinal cord compression [ESCC] grading scale“; Bilsky et al. 2010). Schematische Darstellung eines Wirbels. Gelb: Wirbelkanal. Orange: Durasack. Schwarz: Rückenmark. Grad 0: Tumor auf den Knochen beschränkt. AGrad 1a: Tumor berührt den Durasack, ohne ihn zu deformieren. Grad 1b: Verformung des Durasacks, ohne das Rückenmark zu berühren. Grad 1c: Verformung des Durasacks, Kontakt zum Rückenmark, jedoch ohne Myelonkompression. BGrad 2: Myelonkompression, jedoch mit sichtbarem Liquor. CGrad 3: Rückenmarkkompression, kein Liquor um das Rückenmark sichtbar
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Der frühzeitige Einsatz hochdosierter Steroide ermöglicht eine schnelle Linderung von Schmerzen und neurologischen Ausfällen. Üblich ist ein initialer Bolus von 10 mg Dexamethason, gefolgt von 4-mg-Dosen alle sechs Stunden.
Bei der Entscheidungsfindung über die optimale Therapie ist eine interdisziplinäre Evaluation des Falls erforderlich (Laufer et al. 2013). Die Beurteilung der Stabilität der befallenen Wirbelsäule stellt einen essenziellen Punkt der Therapieplanung dar. Zur Abschätzung der Stabilität kann der Spinal Instability Neoplastic Score (SINS) angewendet werden (Fisher et al. 2010). Wird die Instabilität der befallenen Wirbelsäule vermutet oder ist eine unmittelbare Dekompression zur Abwendung neurologischer Ausfälle erforderlich, stehen verschiedene chirurgische Techniken zur Verfügung:
Die Korpektomie umfasst die Entfernung des gesamten Wirbelkörpers über einen thorakoskopischen oder retroperitonealen Zugang, mit anschließender Stabilisierung und ist bei Patienten mit guter Prognose empfohlen (Patchell et al. 2005).
Bei der Laminektomie wird lediglich der Wirbelbogen entfernt. Hieraus kann jedoch eine Instabilität des betroffenen Segments resultieren oder verschlimmert werden und eine relevante Dekompression lässt sich in vielen Fällen nicht erreichen (Young et al. 1980).
Bei Patientin mit Instabilität ohne Befall des anterioren Anteils des Wirbelkörpers können zudem Vertebroplastie und Kyphoplastie Anwendung finden.
Sowohl postoperative als auch primäre Strahlenbehandlungen können zur palliativen Schmerzlinderung sowie zur Prävention und Reduktion von neurologischen Symptomen angewendet werden. Durch Kombination von Chirurgie und Strahlentherapie lässt sich der Anteil der Patienten, die nach initialer, weniger als 48 Stunden bestehender Paraplegie die Gehfähigkeit zurückerlangen, signifikant erhöhen gegenüber einer alleinigen Strahlentherapie (Patchell et al. 2005). Die Strahlentherapie sollte zwei bis vier Wochen nach der operativen Tumorentfernung appliziert werden. Eine Ausnahme bildet die postoperative Strahlentherapie nach Korpektomie, da hier sechs Wochen bis zum Einsatz eines synthetischen Wirbelkörperersatzes notwendig sind.
Bei der Auswahl des Fraktionierungsschemas sollten die Prognose, die erwartete Radiosensitivität der Tumorentität, das Ausmaß des Befalls und die Präferenz des Patienten berücksichtigt werden. Die Überlegenheit eines bestimmten Fraktionierungsschemas konnte bisher nicht in randomisierten, prospektiven Studien gezeigt werden. Hypofraktionierte Schemata scheinen einer konventionellen Fraktionierung gleichwertig zu sein (Rades et al. 2011, 2016). Einzeitbestrahlungen können insbesondere bei Patienten mit begrenzter Prognose zum Einsatz kommen. Für die Anwendung der SRS bei Wirbelsäulenbefall ist jedoch ein Mindestabstand von 3 mm zwischen Tumor und Rückenmark erforderlich, um eine radiogene Myelopathie zu vermeiden (Ryu et al. 2014).
Lokal-ablative Strahlentherapie nach Entität und Lokalisation
Nach der Hypothese derOligometastasierung existiert ein Stadium von metastasierten Tumorerkrankungen, in dem Anzahl der Metastasen, der befallenen Organe und die Geschwindigkeit, mit der neue Metastasen auftreten, begrenzt sind (Hellman und Weichselbaum 1995). Der Theorie nach ist Kuration in diesem Stadium durch gezielte, ablative Behandlung von Primärtumor und Metastasen potenziell erreichbar.
Lokal-ablative Therapien umfassen die Strahlentherapie – hier sei insbesondere die SBRT erwähnt –, die Chirurgie und interventionelle Verfahren, wie die Radiofrequenzablation (RFA).
Ein weiteres klinisches Szenario, das in Zeiten gezielter Systemtherapien, der „targeted therapies“, wie beispielsweise der Behandlung mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), an Relevanz gewinnt, ist die Oligoprogression. Kommt es bei ansonsten stabiler, metastasierter Erkrankung und einer laufenden „targeted therapy“ zum Progress einzelner Läsionen, ist je nach klinischem Szenario zu erwägen, statt auf die Nächstlinientherapie umzustellen, eine lokal-ablative Metastasentherapie anzuwenden. Dies geschieht mit der Intention, die resistenten Subpopulationen des Tumors auszuschalten, um die ansonsten effektive systemische Therapie fortführen zu können.
Insbesondere die hochdosierte SBRT stellt im oligometastasierten Krankheitsstadium eine attraktive, nichtinvasive Behandlung dar. Oftmals ist eine ambulante Therapie in wenigen Sitzungen möglich, die Nebenwirkungen der Bestrahlung sind zudem meist gering. Zuletzt konnte eine randomisierte Studie einen klinisch hoch relevanten Überlebensvorteil durch lokal-ablative SBRT für Patienten mit bis zu fünf Metastasen von kontrollierten Primärtumoren unterschiedlicher Entität zeigen (Palma et al. 2019, 2020). Ferner konnte in einer prospektiven Registerstudie an über 1400 Patienten mit metachroner extrazerebraler Oligometastasierung gezeigt werden, dass die SBRT der Metastasen mit einem hohen Gesamtüberleben und geringen Nebenwirkungen verbunden ist (Chalkidou et al. 2021).
Nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC)
In der Behandlung von NSCLC im frühen, lokal begrenzten Stadium konnte sich die SBRT aufgrund exzellenter lokaler Kontrollraten bei gleichzeitig geringer strahlenindizierter Toxizität als Standardtherapie für inoperable Patienten etablieren. Auch im oligometastasierten Krankheitsstadium gewinnt die Strahlentherapie zunehmend an Bedeutung (Abb. 4).
Abb. 4
Stereotaktische Bestrahlung einer pulmonalen Metastase eines Bronchialkarzinoms. Von links nach rechts: Dosisskala in Gy, Planungs-CT in transversaler, koronarer und sagittaler Schnittführung mit Dosisverteilung als Colorwash-Darstellung. Stereotaktische Bestrahlung einer Metastase im Oberlappen der linken Lunge bei einem 51-jährigen Patienten mit oligometastasiertem Adenokarzinom der Lunge. Gesamtdosis von 45 Gy, verschrieben auf die 65 %-Isodosislinie, in fünf Fraktionen
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Für das NSCLC mit begrenzter Metastasierung konnte durch konsolidative Strahlentherapie, bzw. Strahlentherapie kombiniert mit Chirurgie, eine deutliche Verlängerung des progressionsfreien Überlebens („progression free survival“, PFS) in zwei randomisierten Studien von Gomez und Kollegen sowie von Iyengar und Kollegen gezeigt werden. Untersucht wurden Patienten mit drei oder weniger Metastasen ohne Hinweis auf Progression nach vorausgegangener Erstlinienchemotherapie (inklusive „targeted therapy“ mit „epidermal growth factor receptor“ [EGFR] oder „Anaplastic lymphoma kinase“-[ALK-]Inhibitoren) (Gomez et al. 2016, 2019) beziehungsweise mit sechs oder weniger Metastasen (inklusive des Primarius) mit stabiler Erkrankung oder partieller Remission nach Erstlinienchemotherapie (ohne EGFR-/ALK-Inhibitoren) (Iyengar et al. 2018). Durch Strahlentherapie und gegebenenfalls zusätzliche lokale chirurgische Therapie (Gomez et al. 2016, 2019) beziehungsweise alleinige SBRT aller Läsionen (Iyengar et al. 2018) konnte das progressionsfreie Überleben annähernd verdreifacht werden.
Ob durch lokal konsolidative Strahlentherapie neben der Verlängerung des progressionsfreien Überlebens auch eine Zunahme des Gesamtüberlebens („overall survival“, OS) erreicht werden kann, ist aktuell Gegenstand größerer klinischer Studien. Weiterhin müssen Kriterien definiert werden, um festzustellen, welche Patienten trotz ihrer metastasierten Tumorerkrankung von einer intensiven, lokalen Therapie profitieren können.
In einer weiteren Studie erhielten Patienten mit ALK-positiven NSCLC und Oligoprogression von bis zu vier progredienten extrakraniellen Läsionen unter Therapie mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Crizotinib eine SBRT der progredienten Läsionen (Gan et al. 2014). Die Gabe von Crizotinib wurde fortgesetzt, bis es zur Progression an mehr als vier Läsionen kam. Patienten, deren oligoprogrediente Metastasen mit SBRT behandelt wurden, konnten länger mit Crizotinib behandelt werden, was mit einer Verlängerung des Gesamtüberlebens assoziiert war.
Wie viele Läsionen sich bei oligoprogredienten Tumorerkrankungen sicher und effektiv behandeln lassen, werden zukünftige Studien zeigen müssen, ebenso wie den möglichen Einfluss auf das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben.
Prostatakarzinome
Bei lokal begrenzten Prostatakarzinomen stellen sowohl Strahlentherapie als auch ein chirurgisches Vorgehen effektive Therapieoptionen dar. Insbesondere im frühen Verlauf ist die radikale Prostatektomie jedoch mit vermehrten Nebenwirkungen und einer stärkeren Beeinträchtigung der Lebensqualität verbunden als die perkutane Strahlentherapie (Donovan et al. 2016). Dies gewinnt insbesondere im metastasierten Krankheitsstadium an Bedeutung und unterstreicht hier den Stellenwert der Strahlentherapie.
Es konnte gezeigt werden, dass die Strahlentherapie des Primarius bei primär metastasiertem Prostatakarzinom mit geringer Metastasenlast zu einer Erhöhung des Gesamtüberlebens gegenüber der Standardtherapie aus Androgendeprivationstherapie (ADT) +/− Chemotherapie mit Docetaxel führt (Parker et al. 2018). Patienten mit hoher Metastasenlast profitierten nicht von der zusätzlichen Strahlentherapie. Hohe Metastasenlast war definiert als vier oder mehr Knochenmetastasen, davon eine oder mehrere außerhalb der Wirbelsäule oder des Beckens lokalisiert, oder das Vorhandensein von viszeralen Metastasen; alle anderen Konstellationen wurden als niedrige Metastasenlast gewertet. Die multimodale Therapie aus ADT und lokaler Bestrahlung des Primärtumors kann daher bei Prostatakarzinompatienten mit geringer Metastasenlast als Behandlungsstandard angesehen werden.
Der Einfluss einer lokalen Therapie der Metastasen in Patienten mit oligometastasiertem Prostatakarzinom wurde in zwei randomisierten Phase-II-Studien untersucht. In Prostatakarzinompatienten mit drei oder weniger asymptomatischen Metastasen wurden in der STOMP-Studie Beobachtung und lokal-ablative Verfahren verglichen (Ost et al. 2018). In der überwiegenden Mehrheit wurde als lokale Therapie die SBRT angewendet. Der primäre Endpunkt der Studie war ADT-freies Überleben. Eine ADT wurde eingeleitet bei symptomatischer Progression, der Progression zu mehr als drei Metastasen oder der Progression einer der anfangs vorhandenen Metastasen. Durch lokale Metastasentherapie ließ sich, gegenüber der reinen Beobachtung, eine Verlängerung des Zeitraums bis zur Einleitung einer ADT erreichen. Da eine ADT mit zum Teil erheblicher Morbidität verbunden ist, wohingegen höhergradige Nebenwirkungen bei der SBRT selten sind, deuten diese Ergebnisse auf einen möglichen Stellenwert der SBRT hin. Die ORIOLE-Studie konnte eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens durch SBRT der Metastasen in Prostatakarzinompatienten zeigen (Phillips et al. 2020). Größere klinische Studien sind nötig, um den Einfluss auf das Gesamtüberleben von Patienten mit oligometastasiertem Prostatakarzinom zu untersuchen.
Nierenzellkarzinome und Nebennierenmetastasen
Zwar stellt die Nephrektomie den Behandlungsstandard beim primärenNierenzellkarzinom dar, doch bietet die SBRT in einigen klinischen Szenarien eine wertvolle Alternative. Dazu gehören Patienten mit Einzelniere, mit bilateralen Nierentumoren, chronischer Niereninsuffizienz oder solche, die medizinisch inoperabel sind. Auch Radiofrequenzablation (RFA) oder Kryotherapie können in diesem Fall zum Einsatz kommen.
Ein randomisierter Vergleich der Effektivität von SBRT und RFA oder Kryotherapie liegt momentan nicht vor. Die aktuellen, zumeist retrospektiven Daten zur SBRT bei Nierenzellkarzinomen zeigen exzellente lokale Kontrolle und geringe Toxizität (Siva et al. 2012).
Nephrektomie und Metastasektomie sind etablierte Behandlungen für Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom und guter Prognose (Flanigan et al. 2004). Bei vollständiger Resektion können oft lange Remissionen erreicht werden. Eine weitere Systemtherapie ist in diesem Fall nicht indiziert. Ob die SBRT eine Alternative zur zytoreduktiven Chirurgie bei metastasierten Nierenzellkarzinomen sein kann, muss in randomisierten Studien untersucht werden. Bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom, die mit „targeted therapies“ oder Immuncheckpoint-Inhibitoren behandelt werden, kann die zusätzliche SBRT der Metastasen die Tumorkontrolle verbessern, ohne dass mit erhöhter Toxizität zu rechnen ist (Kroeze et al. 2020).
Ähnlich verhält es sich bei Nebennierenmetastasen oligometastasierter Tumorerkrankungen. Um eine lokale Ausbreitung zu verhindern, wird die chirurgische Adrenalektomie eingesetzt. Jedoch führt die Entfernung einer Nebenniere häufig zu abrupten und schwerwiegenden hormonellen Defiziten im Sinne einer Nebenniereninsuffizienz (Addison-Syndrom). Hingegen manifestiert sich eine Nebenniereninsuffizienz nach adrenaler SBRT typischerweise erst Jahre nach der Behandlung und nimmt einen langsamen Verlauf (Eldaya et al. 2012). Die SBRT von Nebennierenmetastasen ist mit hohen lokalen Kontrollraten und geringen Nebenwirkungen assoziiert (Buergy et al. 2021). Die SBRT ist somit als effektive Alternative zur chirurgischen Therapie anzusehen (Abb. 5).
Abb. 5
Stereotaktische Bestrahlung einer Nebennierenmetastase eines Bronchialkarzinoms. Von links nach rechts: Dosisskala in Gy, Planungs-CT in transversaler, koronarer und sagittaler Schnittführung mit Dosisverteilung als Colorwash-Darstellung. Stereotaktische Bestrahlung einer Metastase in der rechten Nebenniere bei einem 51-jährigen Patienten mit oligometastasiertem Adenokarzinom der Lunge. Gesamtdosis von 35 Gy, verschrieben auf die 65 %-Isodosislinie, in fünf Fraktionen
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Lebermetastasen
Bei Lebermetastasenvon kolorektalen Karzinomen ist die chirurgische Resektion der Behandlungsstandard und kann zu langen Remissionen führen, wenn eine vollständige Entfernung der Metastasen möglich ist. Allerdings ist bei einem großen Anteil der Patienten aufgrund ausgedehnter Tumormasse in der Leber oder Lokalisation der Metastasen an kritischen anatomischen Strukturen, wie den Gefäßen oder Gallengängen, keine Resektion möglich. Systemische Therapien sind in diesem Fall palliativer Natur. Zusätzliche intensive Lokaltherapie bei Patienten mit nicht resektablen Lebermetastasen können zu einer Verlängerung des Überlebens führen.
In einer randomisierten Studie erhielten Patienten mit kolorektalen Karzinomen und weniger als zehn Lebermetastasen entweder die systemische Standardtherapie oder zusätzlich eine Lokaltherapie bestehend aus RFA mit oder ohne chirurgischer Resektion (Ruers et al. 2017). Es zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens bei den mit zusätzlicher RFA behandelten Patienten. Diese Ergebnisse verdeutlichen einerseits, dass neben Chirurgie und Strahlentherapie weitere Techniken zur effektiven Behandlung metastasierter Tumorerkrankungen eingesetzt werden können. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass in einem ausgewählten Patientenkollektiv unter Umständen auch eine Anzahl von bis zu zehn Metastasen als oligometastatisch angesehen werden und langes Überleben oder sogar Heilung potenziell erreichbar ist.
In retrospektiven und nicht randomisierten Serien konnten vielversprechende lokale Kontrollraten nach SBRT von Leberoligometastasen gezeigt werden (Andratschke et al. 2018; Petrelli et al. 2018). Eine Validierung durch große, randomisierte Studien ist noch ausstehend, um den Stellenwert der SBRT bei der Behandlung von nicht resektablen Lebermetastasen zu definieren.
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