Immuntherapie und Checkpoint-Inhibitoren
Die Einführung der Immuntherapie
als vierte Säule der onkologischen Behandlung war die wichtigste Entwicklung der letzten Dekade. Vor allem der Einsatz der
Checkpoint-Inhibitoren bei Erkrankungen wie dem malignen
Melanom oder dem Bronchialkarzinom hat einen wesentlichen Überlebensvorteil gebracht (Hodi et al.
2010; Topalian et al.
2012; Weber et al.
2015; Robert et al.
2014; Brahmer et al.
2015).
Der
Anti-CTLA4-Inhibitor Ipilimumab war der erste Immuncheckpoint-Inhibitor, der die Überlebensrate bei inoperablen oder metastasierten
Melanomen signifikant verbesserte, er erhielt im Jahr 2011 die amerikanische FDA-Zulassung (Hodi et al.
2010). Seit 2012 hat das Medikament die EMA-Zulassung als Zweitlinientherapie und seit 2013 auch als Erstlinientherapie bei fortgeschrittenen Melanomen.
CTLA-4 wird auf der Oberfläche von Treg und CD4+ T-Zellen exprimiert und hemmt die CD4+ T-Zellaktivierung nach Bindung von
Tumorantigenen (Lenschow et al.
1996; Peggs et al.
2009). Das inhibitorische CTLA-4 und das kostimulatorische CD28 binden kompetitiv die CD80- (B7.1) oder CD86- (B7.2)
Liganden (Azuma et al.
1993). Nach der Bindung stimuliert CTLA-4 gleichzeitig die Endozytose von CD80 und CD86, was die Immunantwort weiter einschränkt (Qureshi et al.
2011). Somit kann eine CTLA-4-Blockade
mit spezifischen
Antikörpern bei ca. 10–30 % der Patienten eine antitumorale Immunität auslösen (Hodi et al.
2010).
Nivolumab und
Pembrolizumab waren die ersten
PD-1-Inhibitoren, die von der FDA und später von der EMA zugelassen wurden, zunächst bei inoperablem oder metastasierendem therapierefraktärem
Melanom. Sie zeigten im Vergleich zur konventionellen Chemotherapie einen deutlichen Überlebensvorteil bei verbesserter und akzeptabler Toxizität (Wersäll et al.
2006; Topalian et al.
2012; Weber et al.
2015; Robert et al.
2014). Aufgrund überzeugender Daten wurde die Zulassung von Nivolumab und Pembrolizumab für einen Einsatz bei fortgeschrittenen (metastasierten) Plattenepithelkarzinomen sowie nicht squamösen nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen erweitert, speziell für Patienten mit Tumoren, die PD-L1 exprimieren und die unter konventionellen Behandlungen progredient sind (Garon et al.
2015; Brahmer et al.
2015).
Die
PD-1/PD-L1-Expression im Tumorgewebe wird aktuell bei diesen Patienten regelmäßig abgefragt und könnte vielleicht in Zukunft sogar nichtinvasiv mittels Positronenemissionstomografie untersucht werden (Hettich et al.
2016a). Eine Expression von PD-L1 von mindestens 50 % führt zu einem signifikant besseren Ansprechen auf die Pembrolizumab-Therapie (Reck et al.
2016) und führte daher zur Zulassung in der Erstlinie. In der Zweitlinientherapie ist eine solche direkte Assoziation nicht mehr gegeben, sodass der Einsatz von Pembrolizumab, Nivolumab und Atezolizumab hiervon unabhängig ist (Carbone et al.
2017; Rittmeyer et al.
2017). Die immunsupprimierende Wirkung von PD-1 wird bei Bindung an seine
Liganden PD-L1 (B7-H1) und PD-L2 (B7-DC, CD273) die auch auf der Oberfläche von Tumorzellen überexprimiert werden (Dong et al.
1999,
2002; Derer et al.
2016), ausgelöst (Latchman et al.
2001). Ähnlich wie CTLA-4 kann PD-1 die immunsuppressive Funktion von Treg stimulieren (Francisco et al.
2009).
Eine PD-1- oder PD-L1-Blockade mit spezifischen
Antikörpern führt zu einer Ansprechrate von ca. 20–30 %. Die Kombination von CTLA-4- und PD-1-Checkpoint-Inhibitoren steigert diese Rate, insbesondere bei
Melanomen mit erhöhter Therapietoxizität (Wolchok et al.
2017), jedoch erlangt weiterhin nur eine Minderheit von Patienten mit anderen Tumorentitäten ein dauerhaftes Ansprechen nach durchgeführter Immuncheckpoint-Therapie. Die genauen Gründe einer solchen primären oder sekundären Behandlungsresistenz sind derzeit noch unklar.
Tab.
1 gibt eine Übersicht der
Checkpoint-Inhibitoren.
Tab. 1
Checkpoint-Inhibitoren und Zulassungsstatus bei malignem
Melanom, nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom,
Kopf-Hals-Tumoren und Urothelkarzinom (Stand 01/2019)
MM Stadium III | Adjuvant nach Resektion | Pembrolizumab | |
Erstlinie, wenn inoperabel | Ipilimumab | |
Pembrolizumab | |
MM Stadium IV | Erstlinie | Ipilimumab | |
Pembrolizumab | |
Ab Zweitlinie | Ipilimumab | |
Nivolumab | |
NSCLC Stadium III | Adjuvant, wenn SD nach RCT | Durvalumab (nur bei PD-L1>1 %) | Antonia und Ozguroglu 2018 |
NSCLC Stadium IV | Erstlinie | Pembrolizumab (nur bei PD-L1 ≥50 %) | |
Pembrolizumab + Pemetrexed + Platin | |
Ab Zweitlinie | Pembrolizumab | |
Nivolumab | |
Atezolizumab | |
Kopf-Hals-Tumoren rezidiviert/progredient nach Platin-CTh | Ab Zweitlinie | Nivolumab | |
Pembrolizumab | |
UC Stadium IV | Erstlinie, wenn Platin-CTh nicht möglich | Pembrolizumab | |
Atezolizumab | |
Ab Zweitlinie | Pembrolizumab | |
Atezolizumab | |
Nivolumab | |
Durvalumab | |
Avelumab | |
Radioimmuntherapie – Grundlagen und erste klinische Evidenz
Die Kombination aus Strahlen- und Immuntherapie ist ein vielversprechender Ansatz mit dem Potenzial, die Inzidenz lokaler und abskopaler Effekte sowie das Ansprechen auf eine Immuntherapie zu steigern.
Die systemische Wirkung der
Strahlentherapie wird durch die Freisetzung von
Tumorantigenen,
Zytokinen und Gefahrensignalen nach dem ICD ausgeübt, die wie eine „In-situ-Autovakzinierung“ agiert (Formenti und Demaria
2009; Frey et al.
2017a). Dennoch, Strahlentherapie alleine sorgt in der Mehrheit der Fälle nur für eine gute lokale Tumorkontrolle und nicht für einen systemischen Effekt. Ein Grund dafür könnte die Persistenz tumorinduzierter immunsuppressiver Signale sein (Formenti und Demaria
2009). Daher würde die
Kombination der Strahlentherapie mit Inhibitoren von immunsuppressiven Signalwegen möglicherweise zu einer Verschiebung des Gleichgewichts im Sinne einer verstärkten antitumoralen Immunantwort führen, was bisher auch präklinisch gezeigt werden konnte (Zeng et al.
2013; Belcaid et al.
2014; Hettich et al.
2016b; Zhang und Niedermann
2018).
Die genauen bzw. optimalen klinischen Bedingungen einer solchen Kombinationstherapie hinsichtlich Dosierung, Fraktionierung, Zielvolumina, Reihenfolge und zeitlichem Ablauf sind jedoch noch nicht definiert.
Postow et al. (
2012) waren die ersten, die einen abskopalen Effekt nach der Verabreichung von SBRT und einem Anti-CTLA-4-Antikörper beschrieben haben. Sie behandelten eine Patientin mit chemotherapieresistentem metastasiertem malignem
Melanom mit Ipilimumab
. Unter der Immuntherapie entwickelte die Patientin weitere Metastasen, unter anderem eine schmerzhafte paraspinale Läsion. Eine palliative SBRT der symptomatischen Metastase mit drei Fraktionen à 9,5 Gy wurde durchgeführt, und eine zusätzliche Dosis Ipilimumab wurde ein paar Wochen nach der
Strahlentherapie verabreicht. Die Patientin erhielt anschließend Ipilimumab in Erhaltungsdosis. Erstaunlicherweise zeigten die weiteren Verlaufskontrollen eine signifikante und langanhaltende
Regression nicht nur der paraspinalen Masse, sondern auch der anderen, nicht bestrahlten Metastasen. Dies war mit immunologischen Veränderungen im Blut einhergehend (vgl. Abschn.
2.3).
Stamell et al. (
2013) berichteten über den Fall eines Patienten mit metastasiertem
Melanom, der nach einer hypofraktionierten Bestrahlung seines Primärtumors eine systemische Tumorkontrolle aufwies. Als der Patient Lymphknoten- und Hirnmetastasen entwickelte, erhielt er eine palliative SRS, gefolgt von einer Ipilimumab-Therapie. Die Kombination aus Immun- und
Strahlentherapie induzierte erneut signifikante, abskopale Effekte, bestehend aus einer vollständigen Remission und einer signifikanten Zunahme der
Autoantikörper gegen MAGEA3.
Hiniker et al. (
2012) beschrieben einen 57-jährigen Patienten mit metastasiertem
Melanom, der trotz mehrfacher Behandlungsschemata, einschließlich Chemotherapie und konventioneller
Strahlentherapie, einen Tumorprogress zeigte. Die Kombination von SBRT und Immuntherapie wurde als letzte Option gewählt, um einen abskopalen Effekt auszulösen. Der Patient erhielt zwei Zyklen Ipilimumab. Zwei progrediente Leberläsionen wurden mit SBRT in drei Fraktionen à 18 Gy behandelt, gefolgt von zwei zusätzlichen Ipilimumab-Zyklen. Der Patient erreichte innerhalb von fünf Monaten eine vollständige Remission und blieb ein Jahr nach der Bestrahlung krankheitsfrei.
Golden et al. (
2013) beschrieben einen ähnlichen Fall, diesmal bei einem Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC), der mit hypofraktionierter
Strahlentherapie und Ipilimumab behandelt wurde. Bestrahlt wurde eine metabolisch aktive Lebermetastase in fünf Fraktionen à 6 Gy. Die Immuntherapie bestand aus drei Zyklen Ipilimumab und wurde einen Tag nach der ersten Bestrahlungsfraktion initiiert. Nach 2,5 Monaten gab es eine signifikante Verringerung der Größe und der metabolischen Aktivität der In- und Out-of-Field-Läsionen. Darüber hinaus gab es eine Zunahme der absoluten Lymphozyten- und Eosinophilenzahlen. Eine Biopsie einer solitären Lymphknotenmetastase zeigte das Muster einer verstärkten T-Zellinfiltration.
Radioimmuntherapie – Klinische Wirksamkeit und Behandlungsstrategie
Nach diesen Berichten haben das Interesse und die Beachtung einer Kombination aus Strahlen- und Immuntherapie in den letzten Jahren erheblich zugenommen, wobei zahlreiche Gruppen sich auf die Untersuchung verschiedener Dosisfraktionen und der Zeitabstände der Kombinationstherapie konzentriert haben. Die meisten Studien zielen darauf ab, die Kombinationstherapie bei metastasierenden soliden Krebserkrankungen, wie malignem
Melanom, NSCLC, Pankreaskrebs, Brustkrebs,
Nierenzellkarzinom, Kolorektal- und Prostatakrebs, zu untersuchen. Das NSCLC scheint auf die kombinierte Behandlung am meisten zu reagieren (Welsh et al.
2017).
Eine Sekundäranalyse des Patientenkollektivs der Phase-I-KEYNOTE-001-Studie hat die Tumorkontrolle und pulmonale Toxizität bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC untersucht, die eine
Strahlentherapie vor der Immuntherapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab
erhalten haben. Im Vergleich zu Patienten, die keine vorherige Strahlentherapie hatten, zeigten Patienten mit einer vorangegangenen Strahlentherapie ein längeres progressionsfreies Überleben und Gesamtüberleben bei einer akzeptablen Behandlungssicherheit (Shaverdian et al.
2017).
Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem, inoperablem NSCLC hat die Erhaltungstherapie mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Durvalumab
1–42 Tage nach RCT des Primarius zu einem signifikant längeren progressionsfreien Überleben im Vergleich zu Placebo, ohne signifikanten Anstieg der Nebenwirkungen, geführt (Antonia et al.
2017).
Eine retrospektive Analyse hat 70 Patienten, die mit Ipilimumab und gleichzeitiger
Strahlentherapie bei fortgeschrittenem
Melanom behandelt wurden, mit 31 Patienten ohne gleichzeitige Strahlentherapie verglichen (Koller et al.
2017). Das mediane Gesamtüberleben sowie die Raten der vollständigen Remission waren im Radioimmuntherapiearm signifikant erhöht, und die Gesamtansprechrate in den Gruppen betrug 37,1 % gegenüber 19,4 %.
Die Kombination der palliativen
Strahlentherapie und der Anti-CTLA-4-Blockade mit Ipilimumab wurde weiter in einer kleineren prospektiven Studie bei 22 Patienten mit fortgeschrittenem malignem
Melanom untersucht (Hiniker et al.
2016). Die Strahlentherapie wurde fünf Tage nach Einleitung der Immuntherapie durchgeführt, und es wurden vier Zyklen Ipilimumab appliziert. Eine Ansprechrate von 50 % wurde erreicht, wobei bei 27,3 % der Patienten noch eine komplette Remission 55 Wochen nach Behandlung nachweisbar war. Im Gegensatz dazu veröffentlichten Twyman-Saint Victor et al. (
2015) die ersten Ergebnisse einer Phase-I-Studie mit SBRT gefolgt von Ipilimumab bei metastasierendem Melanom, die zeigte, dass nur 18 % der 22 Patienten eine partielle Remission aufwiesen, 18 % eine stabile Krankheit (SD), während die Mehrheit (64 %) einen Progress hatten.
Eine weitere Phase-I-Studie zeigte wiederum einen klinischen Vorteil für die Kombination von Ipilimumab und SBRT sowie eine Korrelation des guten Ansprechens mit der Anzahl der peripheren CD8+ T-Zellen, dem CD8+/CD4+ T-Zell-Verhältnis und dem Anteil von CD8+ T-Zellen, die 4-1BB und PD1 exprimierten (Tang et al.
2017).
Größere prospektive Studien sind erforderlich, um die Rolle einer Kombination von
Strahlentherapie mit Ipilimumab weiter abzuklären.
Die Auswirkungen der Fraktionierung der
Strahlentherapie in Kombination mit Ipilimumab wurde von Chandra et al. (
2015) bewertet. Die Zeit zwischen Strahlen- und Immuntherapie betrug weniger als ein Monat. SBRT, SRS sowie konventionell fraktionierte Bestrahlungsschemata wurden berücksichtigt, und die Größe von außerhalb des Feldes liegenden Läsionen wurde vor und nach der Kombinationstherapie gemessen. Überraschenderweise zeigten ihre Ergebnisse, dass die konventionelle Fraktionierung mit einer höheren Inzidenz von abskopalen Effekten assoziiert war.
Abgeschlossene Studien in anderen Tumorentitäten zeigten keine eindeutige Wirksamkeit dieses Ansatzes. Eine Phase-I/II-Studie von Slovin et al. (
2013) schloss 71 Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs ein. Von diesen erhielten 41 eine palliative SBRT für eine oder mehrere Knochenläsionen, gefolgt von 3 mg/kg KG (sieben Patienten) oder 10 mg/kg KG Ipilimumab (34 Patienten). Abskopale Effekte wurden in keiner Gruppe festgestellt.
Kwon et al. (
2014) führten die erste multizentrische, randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie bei Patienten mit metastasiertem, Docetaxel-resistentem
Prostatakarzinom durch und testeten Ipilimumab nach SBRT einer Knochenmetastase im Vergleich zu SBRT und Placebo. Trotz des gründlichen Designs und der hohen Anzahl an Patienten (799, davon 399 im SBRT/Ipilimumab-Arm) gab es keinen signifikanten Unterschied im Gesamtüberleben zwischen den beiden Armen.
Insgesamt wurden bisher nur wenige klinische Studien zum Thema kombinierte Strahlen- und Immuntherapie veröffentlicht. Abgesehen von
Checkpoint-Inhibitoren und CTLA-4-Inhibitoren wurden auch andere immuntherapeutische Strategien in der Kombination mit
Strahlentherapie untersucht. Eine Studie testete die Wirksamkeit der
Einzeitbestrahlung bei fortgeschrittenem Hepatom, gefolgt von der intratumoralen Injektion von DZ, und zeigte eine verstärkte Antitumorimmunität mit nur leichten Nebenwirkungen (Chi et al.
2005).
Andere klinische Publikationen verwendeten
konventionell fraktionierte Strahlentherapie, darunter eine Proof-of-Principle-Studie, die palliative Bestrahlung mit der parallelen und nachfolgenden Verabreichung von
GM-CSF kombiniert (
Golden et al.
2015). In dieser Studie wurden abskopale Effekte bei elf der 41 eingeschlossenen Patienten mit einer tolerierbaren Rate und Intensität von Nebenwirkungen festgestellt. Andere Untersuchungen der Kombinationstherapie umfassten konventionelle Bestrahlung und Vakzinierung mit oder ohne zusätzliche Verabreichung von IL-2 oder GM-CSF (Gulley et al.
2005; Brody et al.
2010; Okwan-Duodu et al.
2015; Lechleider et al.
2008).
Eine weitere Schwierigkeit in der Durchführung klinischer Studien sowie in der klinischen Routine kann die Frage einer korrekten Beurteilung des Ansprechens nach Immuntherapie und Radioimmuntherapie sein. Durch die Immuntherapie kann es zu einer initialen Vergrößerung der bestrahlten Läsionen kommen. Diese wird als
Pseudoprogression bezeichnet, und es wird angenommen, dass diese auf eine erhöhte Lymphozyteninfiltration und somit auf die (gewünschte) Immunantwort zurückzuführen ist (Pardoll
2012; Hoos et al.
2010). Basierend auf diesem Wissen sollte die Bewertung des Ansprechens auf Basis der immunspezifischen Response-Kriterien durchgeführt werden („immune-related Response Criteria“ [irRC], Wolchok et al.
2009). Hierbei sind wiederholte
Scans im Abstand von mindestens vier Wochen erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen (Hoos et al.
2010).
Radioimmuntherapie bei zerebralen Metastasen
Die Durchführung der Immuntherapie betrifft aktuell vorwiegend Patienten mit malignem
Melanom und NSCLC. Hervorzuheben gilt, dass sich bei diesen Tumoren eine hohe Inzidenz von Hirnmetastasen
zeigt (Schuette
2004). Da diese Tumoren eine hohe Mutationslast (Lawrence et al.
2013) und somit möglicherweise eine hohe Immunogenität aufweisen, könnten immuntherapeutische bzw. kombinierte strahlen- und immuntherapeutische Ansätze hierbei zu einem wichtigen Teil der Therapie werden.
Das Immunsystem des Gehirns wird jedoch immer als separat vom Rest des Körpers betrachtet, da die Blut-Hirn-Schranke (BHS) nur eine protektive und restriktive Passage von Molekülen erlaubt, einschließlich der meisten
Antigene und
Antikörper. Die Immunzellen im Gehirn gehören zum angeborenen (Mikroglia oder
Makrophagen und MDSCs) und zum adaptiven Immunsystem (T- und B-Zellen) (Hamilton und Sibson
2013). Obwohl sie fähig sind, sowohl immunsuppressive als auch immunaktivierende Reaktionen auszulösen, scheint eine wichtige Rolle dieser Zellen auch darin zu bestehen, die zerebrale Metastasierung zu unterstützen. Spezifisch wurde gezeigt, dass M2-tumorassoziierte Makrophagen die Tumorzellmigration durch die BHS sowie ihre Intra- und Extravasation erleichtern (Hamilton und Sibson
2013; Berghoff und Preusser
2015). TAM scheinen auch für das periläsionale Ödem bei Hirnmetastasen verantwortlich zu sein (Shinonaga et al.
1988) und führen daher oft zu dem Bedarf an
Kortikosteroiden, die ein bekanntes Hindernis in der Antwort auf die Immuntherapie darstellen.
Aus diesem Grund wurden in den meisten klinischen Studien zur Immuntherapie zerebral metastasierte Patienten ausgeschlossen. Margolin et al. (
2012) waren die ersten, die die Sicherheit und intrazerebrale Wirkung von Ipilimumab bei Patienten mit malignem
Melanom bewertet haben. Ohne Steroide war die intrazerebrale Ansprechrate 24 %, vergleichbar mit der von der Literatur bekannten extrazerebralen Ansprechrate. Die Gabe von
Kortikosteroiden führte jedoch zu einer Abnahme der Ansprechrate von 14 %. In dieser Veröffentlichung wurde keine unerwartete Toxizität berichtet. Weitere Studien zu anderen Präparaten unterstützten die Idee, dass die alleinige Immuntherapie für ausgewählte Patienten sicher und effizient in der Kontrolle von Hirnmetastasen sein könnte (Guirguis et al.
2002; Weber et al.
2011; Di Giacomo et al.
2012; Goldberg et al.
2015).
Zusätzlich zu der o. g. immunstimulierenden Wirkung kann die
Strahlentherapie die
Permeabilität der BHS erhöhen (Barker und Postow
2014). SRS z. B. unterbricht die BHS innerhalb von Stunden nach der Anwendung, sodass Zellen und Substanzen für einen Zeitraum von etwa einem Monat leichter in das ZNS eindringen können (Nakata et al.
1995). Dementsprechend könnte die Kombinationstherapie wirksam in der Behandlung von Patienten mit zerebral metastasierten Tumoren sein. Die wenigen Studien, die bisher zur Kombinationstherapie von Hirnmetastasen veröffentlicht wurden, sind hauptsächlich retrospektive Studien oder Fallberichte, die sich vor allem auf Patienten mit malignen
Melanomen konzentrieren, die mit dem Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab behandelt wurden. Die Kombination zwischen Immuntherapie und Ganzhirnbestrahlung (GHB) oder SRS wurde in Bezug auf das Timing, die Sicherheit, die lokale Tumorkontrolle, das Gesamtüberleben und das Auftreten von abskopalen Effekten bewertet.
In mehreren Publikationen erscheint die Kombinationstherapie aus Strahlen- und Immuntherapie den jeweils einzelnen Therapieformen überlegen zu sein (Knisely et al.
2012; Silk et al.
2013; Tazi et al.
2015; Schoenfeld et al.
2015; Ahmed et al.
2016), auch wenn ein möglicher Bias in der Patientenauswahl beachtet werden sollte. Aus der aktuellen Literatur bestehen Hinweise, dass möglicherweise die SRS die optimale Bestrahlungsform für die Kombinationstherapie von zerebralen Metastasen ist (Knisely et al.
2012; Silk et al.
2013; Tazi et al.
2015; Qian et al.
2016). Bei so behandelten Patienten zeigt sich ein Gesamtüberleben von bis zu 29,3 Monate (Tazi et al.
2015), signifikant höher als das durchschnittliche Überleben von Patienten mit zerebral metastasiertem
Melanom von 3,4 Monaten mit alleiniger
Strahlentherapie oder von 8,9 Monaten mit Operation und Strahlentherapie (Fife et al.
2004). Das Gesamtüberleben für Patienten, die eine SRS und Immuntherapie bekommen, scheint vergleichbar mit dem von Patienten ohne Hirnmetastasen zu sein. In Anbetracht der Tatsache, dass Patienten, die mittels SRS behandelt werden, weniger Metastasen aufweisen im Vergleich zu denen, die GHB erhalten (Gerber et al.
2015), ist eine Verallgemeinerung jedoch schwierig und sollte durch weitere klinische Studien bestätigt werden. Auch sollte ein Augenmerk auf eine mögliche RT-bedingte Reaktivierung von Zytomegalievirus (CMV) gelegt werden (Goerig et al.
2016a,
b,
2017).
Bezüglich des
Zeitpunktes sowie der
Sequenz der beiden Therapien zeigen die meisten Studien einen Vorteil, wenn die Bestrahlung entweder vor oder parallel zur Immuntherapie durchgeführt wird (Knisely et al.
2012; Silk et al.
2013; Schoenfeld et al.
2015; Kiess et al.
2015), mit einem Benefit von 10–20 Monaten im Vergleich zu der Applikation der
Strahlentherapie nach der Immuntherapie. Das optimale Intervall zwischen Bestrahlung und Immuntherapie ist jedoch noch unklar.
Qian et al. (
2016) schlagen vor, dass eine gleichzeitige Bestrahlung und Immuntherapie innerhalb von 30 Tagen erfolgen sollte, da dies für die lokale Reaktion und das Gesamtüberleben vorteilhaft sein kann. Insbesondere da die
Halbwertszeit von Ipilimumab nur 14,9 Tage beträgt (Weber et al.
2008), könnte aber auch ein kürzeres Intervall günstig sein (Patel et al.
2015; Kiess et al.
2015). Allerdings wurden für kürzere Intervalle erhöhte Toxizitäten, insbesondere eine erhöhte intratumorale Blutung (Kiess et al.
2015; Mathew et al.
2013) und höhere Raten von Radionekrose (Patel et al.
2015), die letzte möglicherweise durch Vermeidung von
Kortikosteroiden, festgestellt.
Andere Komplikationen wie
Ödeme, Krampfanfälle,
Kopfschmerzen und
Schwindel wurden bei der kombinierten Therapie nicht häufiger beobachtet. Um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden, wurden in einigen Kohorten
Kortikosteroide als Prophylaxe verabreicht (Kiess et al.
2015; Mathew et al.
2013), während sie in anderen möglichst vermieden wurden (Knisely et al.
2012; Schoenfeld et al.
2015; Patel et al.
2015). Ein signifikanter Unterschied in Tumorkontrolle und Gesamtüberleben zwischen den beiden Kategorien konnte nicht festgestellt werden, obwohl ein Trend zu einer
verbesserten Prognose ohne Kortikosteroide bestand.
Die lokale Kontrolle, die durch eine Kombinationstherapie erreicht wurde, war der alleinigen
Strahlentherapie ähnlich (Knisely et al.
2012; Silk et al.
2013; Mathew et al.
2013; Patel et al.
2015). Die Beurteilung des Ansprechens auf SRS nach der Applikation der Immuntherapie kann jedoch aufgrund einer erhöhten Inzidenz von Pseudoprogression durch T-Zellinfiltration und lokale Entzündung schwierig sein (vgl. Abschn.
4.3 und
2.1). In einer Studie wurde beispielsweise eine vorübergehende Größenzunahme der bestrahlten Läsion auf über 150 % beobachtet (Kiess et al.
2015). Hinsichtlich der systemischen Wirksamkeit wurden in mindestens drei Studien abskopale Effekte festgestellt, diese zeigten im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie eine deutlich höhere Inzidenz in der Kombinationsbehandlung (Schoenfeld et al.
2015; Kiess et al.
2015; Grimaldi et al.
2014). Ferner wurde in einer Publikation von Acharya et al. (
2017) gezeigt, dass die Radioimmuntherapie mit einer reduzierten Rate an lokalen, aber auch distanten intrazerebralen Rezidiven korreliert (Acharya et al.
2017).
Die Kombination von Strahlen- und Immuntherapie zur Behandlung von Hirnmetastasen zeigt sich daher wirksam und sicher. Dennoch ist eine Bestätigung in prospektiven kontrollierten Studien erforderlich, ebenso wie eine weitere Bewertung anderer immuntherapeutischer Wirkstoffe und Tumorentitäten. Mehrere klinische Studien (wie NCT02696993, NCT02978404, NCT02716948 oder NCT03297463) wurden bereits eingeleitet und zielen darauf ab, die optimale Behandlungsstrategie zu klären.
Tab.
2 gibt eine Auswahl multizentrischer prospektiver randomisierter Studien, die die Kombination aus Strahlen- und Immuntherapie untersuchen.
Tab. 2
Auswahl laufender multizentrischer prospektiver randomisierter Studien, die die Kombination aus Strahlen- und Immuntherapie untersuchen (Stand 01/2019)
Bronchialkarzinom |
NCT02658097 | II | A Phase II Trial of Pembrolizumab Sequentially Following Single Fraction Non-ablative Radiation to One of the Target Lesions, in Previously Treated Patients With Stage IV NSCLC | 1 × 8 Gy vs. Ø | Pembrolizumab |
NCT03446547 | II | Ablative STEreotactic RadiOtherapy wIth Durvalumab (MEDI4736) (ASTEROID) | SBRT | Durvalumab vs. Ø |
NCT03540420 | II | Atezolizumab After Concurrent Chemo-radiotherapy Versus Chemo-radiotherapy Alone in Limited Disease Small-cell Lung Cancer (ACHILES) | RCT | Atezolizumab vs. Ø |
NCT03519971 | III | Study of Durvalumab Given With Chemoradiation Therapy in Patients With Unresectable Non-small Cell Lung Cancer (PACIFIC2) | 30 × 2 Gy | Durvalumab vs. Placebo |
Kopf-Hals-Tumoren |
NCT03546582 | II | SBRT +/- Pembrolizumab in Patients With Local-Regionally Recurrent or Second Primary Head and Neck Carcinoma (KEYSTROKE) | SBRT | Pembrolizumab vs. Ø |
NCT02777385 | II | Pembrolizumab in Combination With Cisplatin and Intensity Modulated Radiotherapy ( IMRT) in Head and Neck Cancer | 35 × 2 Gy | Pembrolizumab parallel vs. sequenziell |
NCT03480672 | II | Postoperative aRCH With Cisplatin Versus aRCH With Cisplatin and Pembrolizumab in Locally Advanced Head and Neck Squamous Cell Carcinoma | 30–35 × 2 Gy | Pembrolizumab vs. Ø |
NCT03410615 | II | Cisplatin Plus Radiotherapy vs Durvalumab Plus Radiotherapy Followed by Durvalumab vs Durvalumab Plus Radiotherapy Followed by Tremelimumab and Durvalumab in Intermediate Risk HPV-Positive Oropharyngeal SCC (LA-OSCC) | 35 × 2 Gy | Durvalumab parallel + adjuvant vs. Durvalumab parallel und Tremelimumab adjuvant |
EudraCT 2016-004787-20 | II | A Trial of Nivolumab investigating Effiacy and safety of Nivolumab given once prior to, concurrent to the radiotherapy (RT) and as maintenance therapy over 12 months in patients with advanced resectable HNSCC after surgery (NadiHN) | Standard-RT | Nivolumab vs. Ø |
NCT03452137 | III | A Study of Atezolizumab (Anti−Pd-L1 Antibody) as Adjuvant Therapy After Definitive Local Therapy in Patients With High-Risk Locally Advanced Squamous Cell Carcinoma of the Head and Neck (IMVOKE) | Standard-RCT | Atezolizumab vs. Placebo |
NCT03040999 | III | Study of Pembrolizumab (MK-3475) or Placebo With Chemoradiation in Participants With Locally Advanced Head and Neck Squamous Cell Carcinoma (MK-3475-412/KEYNOTE-412) | 35 × 2 Gy | Pembrolizumab vs. Placebo |
NCT03765918 | III | Study of Pembrolizumab Given Prior to Surgery and in Combination With Radiotherapy Given Post-surgery for Advanced Head and Neck Squamous Cell Carcinoma (MK-3475-689) (LA HNSCC) | 30–35 × 2 Gy | Pembrolizumab vs. Ø |
NCT02952586 | III | Study To Compare Avelumab In Combination With Standard of Care Chemoradiotherapy (SoC CRT) Versus SoC CRT for Definitive Treatment In Patients With Locally Advanced Squamous Cell Carcinoma Of The Head And Neck (JAVELIN HEAD AND NECK 100) | 35 × 2 Gy | Avelumab vs. Placebo |
NCT03700905 | III | Study of Nivolumab Alone or in Combination With Ipilimumab as Immunotherapy vs Standard Follow-up in Surgical Resectable HNSCC After Adjuvant Therapy (IMSTAR-HN) | Adjuvante RT | Nivolumab + Ipilimumab neoadjuvant und adjuvant vs. Ø |
NCT03386357 | II | Study to compare abscopal responses by immune stimulation with Pembrolizumab alone or in combination with radiotherapy in second line therapy of metastatic head and neck squamous cell carcinoma (IMPORTANCE, Keynote-717) | 12 × 3 Gy | Pembrolizumab vs. RT + Pembrolizumab |
NCT03426657 | II | First-line treatment of locally advanced HNSCC with double checkpoint blockade and radiotherapy dependent on intratumoral CD8+ T cell Infiltration after initial chemoimmunotherapy (CheckRad-CD8) | 33 × 2,12/1,80/1,64 Gy (70,0 Gy) | Durvalumab + Tremelimumab + RT vs. Standard-RCT |
Glioblastoma multiforme |
NCT02866747 | II | A Study Evaluating the Association of Hypofractionated Stereotactic Radiation Therapy and Durvalumab for Patients With Recurrent Glioblastoma (STERIMGLI) | 3 × 8 Gy | Durvalumab vs. Ø |
NCT02617589 | III | An Investigational Immuno-therapy Study of Nivolumab Compared to Temozolomide, Each Given With Radiation Therapy, for Newly-diagnosed Patients With Glioblastoma (GBM, a Malignant Brain Cancer) (CheckMate 498) | 30 × 2 Gy | Nivolumab vs. Temozolomid |
Merkelzellkarzinom |
NCT03304639 | II | Pembrolizumab With or Without Stereotactic Body Radiation Therapy in Treating Patients With Advanced or Metastatic Merkel Cell Cancer | SBRT vs. Ø | Pembrolizumab |
NCT03071406 | II | Randomized Study of Nivolumab+Ipilimumab+/- SBRT for Metastatic Merkel Cell Carcinoma | SBRT vs. Ø | Nivolumab |
NCT03712605 | III | Pembrolizumab Compared to Standard of Care Observation in Treating Patients With Completely Resected Stage I-III Merkel Cell Cancer | Standard-RT vs. Ø | Pembrolizumab |
Andere/multiple Tumorentitäten |
NCT02635360 | II | Pembrolizumab and Chemoradiation Treatment for Advanced Cervical Cancer | Standard-RT | Pembrolizumab parallel vs. sequenziell |
NCT02888743 | II | Durvalumab and Tremelimumab With or Without High or Low-Dose Radiation Therapy in Treating Patients With Metastatic Colorectal or Non-small Cell Lung Cancer | Niedrige vs. höhere Dosis | Durvalumab vs. Durvalumab + Tremelimumab |
NCT03511391 | II | CHEckpoint Inhibition in Combination With an Immunoboost of External Body Radiotherapy in Solid Tumors (CHEERS) | SBRT vs. Ø | Pembrolizumab/Nivolumab |
NCT03474094 | II | Clinical and Biological Activity of an Anti-PD-L1 (Atezolizumab) in Operable Localised Soft Tissue Sarcomas Patients to be Treated With Radiotherapy (RT-Immune) | Präoperative vs. postoperative RT | Atezolizumab präoperativ vs. Atezolizumab postoperativ |
NCT02305186 | II | Safety and Immunological Effect of Pembrolizumab in Resectable or Borderline Resectable Pancreatic Cancer (UVA-PC-PD101) | 28 × 1,8 Gy | Pembrolizumab vs. Ø |
Zusammenfassend stellt die Radioimmuntherapie eine der vielversprechendsten Behandlungsoptionen für Patienten mit metastasierten Tumorerkrankungen dar. Die Wirkmechanismen beider Therapien legen einen Synergismus bei der Kombination dieser Therapiemodalitäten nahe. Dies wurde bereits in einigen Behandlungsstudien gezeigt und bietet ein enormes Potenzial für ausgewählte Patientengruppen. Um die Überlegenheit einer bestimmten Dosierung, eines Fraktionierungsmusters oder eines genauen zeitlichen Ablaufs zu bestimmen, sind weitere präklinische Arbeiten sowie prospektive klinische Studien, wie sie insbesondere auch bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten
Kopf-Hals-Tumoren aktuell durchgeführt werden (wie NCT03426657 oder NCT03386357), notwendig. Im Hinblick auf das Sicherheitsprofil der kombinierten Therapie scheinen die Nebenwirkungen bisher vergleichbar mit denen der einzelnen Therapien zu sein.