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Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik
Info
Publiziert am: 12.04.2018 Bitte beachten Sie v.a. beim therapeutischen Vorgehen das Erscheinungsdatum des Beitrags.

AB0-Kompatibilität-Inkompatibilität

Verfasst von: K. Kleesiek, C. Götting, J. Diekmann, J. Dreier und M. Schmidt
AB0-Kompatibilität/-Inkompatibilität
Englischer Begriff
AB0 compatibility; AB0 incompatibility
Definition
Die AB0-Kompatibilität/-Inkompatibilität bezeichnet die Verträglichkeit/Unverträglichkeit innerhalb dieses Blutgruppensystems (s. Blutgruppensysteme).
Beschreibung
Die AB0-Kompatibilität besitzt in der Transfusionsmedizin eine erhebliche praktische Bedeutung. Der wesentliche Grund besteht darin, dass in dem AB0-Blutgruppensystem die Möglichkeit zur blutgruppenungleichen, aber dennoch kompatiblen Transfusion besteht. Eine blutgruppenungleiche, nicht kompatible Transfusion muss stets vermieden werden. Dies beruht auf einer Besonderheit des AB0-Blutgruppensystems, die darin liegt, dass natürlicherweise Alloantikörper, sog. Isoagglutinine, gegen Alloantigene solcher Blutgruppen gebildet werden, die auf den Erythrozyten des Individuums fehlen (Landsteiner Regel). Aus diesem Grund ist eine AB0-inkompatible Transfusion von Erythrozyten bereits bei einem ersten Kontakt/der ersten Transfusion lebensgefährlich (hohe Wahrscheinlichkeit einer intravasalen Hämolyse; s. Hämolyse, transfusionsbedingt intra- und extravasal). Bei anderen, nicht AB0-Blutgruppensystemen kann es erst nach Kontakt zu allogenem Blut, z. B. im Rahmen von Schwangerschaften oder Transfusionen, zu einer Alloimmunisierung (Alloantikörperbildung) kommen. Die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß einer Alloantikörperbildung ist bei den verschiedenen Blutgruppensystemen unterschiedlich hoch. Eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit einer Alloantikörperbildung (Immunisierung) besteht insbesondere bei dem Kontakt emit dem RhD-Merkmal (Rhesus-Faktor), d. h. bei einer Transfusion von RhD-positiven Erythrozyten in einen RhD-negativen Empfänger. Die starke Immunogenität dieses D-Merkmals findet daher besondere Berücksichtigung in den Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie). Die AB0-Kompatibilität/-Inkompatibilität ist sowohl für die Auswahl von Blutprodukten in der Transfusionsmedizin als auch in der Schwangerschaftsvorsorge bedeutsam.
Transfusionsmedizin
Die AB0-Kompatibilität ist abhängig vom verwendeten Blutpräparat: Erythrozytenkonzentrat (EK), gefrorenes Frischplasma (GFP), Thrombozytenkonzentrat (TK) und Granulozytenkonzentrat.
Erythrozytenkonzentrat:
Kompatibles/inkompatibles Erythrozytenkonzentrat (EK) für einen Empfänger:
Empfänger (Proband)
Kompatibles (major-kompatibel) EK
Inkompatibles (major-inkompatibel) EK
A
A oder 0
B oder AB
B
B oder 0
A oder AB
AB
AB, A, B oder 0
 
0
0
A, B oder AB
Gefrorenes Frischplasma:
Kompatibles/inkompatibles gefrorenes Frischplasma (GFP) für einen Empfänger:
Empfänger (Proband)
Kompatibles (minor-kompatibel)
GFP
Inkompatibles (minor-inkompatibel)
GFP
A
A oder AB
B oder 0
B
B oder AB
A oder 0
AB
AB
A, B oder 0
0
0, A, B oder AB
 
Thrombozytenkonzentrat:
  • Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten ist in der Regel „major-kompatibel“ (s. Tabelle oben unter „Erythrozytenkonzentrat“) zu übertragen. Bei der „major-kompatiblen“ Transfusion befinden sich im Serum des Patienten keine Isoagglutinine gegen die AB0-Eigenschaften auf den transfundierten Thrombozyten. Das RhD-Merkmal soll wegen der Möglichkeit einer Immunisierung berücksichtigt werden. Bei Kindern mit einem Körpergewicht unter 25 kg sollte die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten „minor-kompatibel“ (s. Tabelle oben unter „Erythrozytenkonzentrat“) erfolgen. Bei der „minor-kompatiblen“ Transfusion von Thrombozytenkonzentraten finden sich im Plasma des Thrombozytenkonzentrates keine Isoagglutinine gegen die Erythrozyten des Patienten.
Granulozytenkonzentrat:
  • Die Transfusion von Granulozytenkonzentraten muss „major-kompatibel“ (s. Tabelle oben unter „Gefrorenes Frischplasma“) erfolgen. Da Granulozytenpräparate herstellungsbedingt eine erhebliche Beimischung von Erythrozyten aufweisen, müssen zusätzlich die blutgruppenspezifischen Vorsichtsmaßnahmen wie bei einer Erythrozytentransfusion beachtet werden.
Schwangerschaft
Die AB0-Inkompatibilität kann unter bestimmten Umständen in der Schwangerschaft zu einer AB0-Erythroblastose mit der Folge eines Morbus haemolyticus neonatorum (Mhn; s. Morbus haemolyticus fetalis/neonatorum) führen. Ein Mhn bei AB0-Inkompatibilität in der Schwangerschaft tritt vorwiegend bei Müttern mit der Blutgruppe 0 auf, deren Kinder die Blutgruppe A1 oder B besitzen. Die 0/A-Inkompatibilität ist dabei weitaus häufiger als die 0/B-Inkompatibilität. Die Konstellationen A/B, A/AB, B/A1 und B/A1B führen selten zum Mhn. Noch seltener oder nicht bekannt sind Erythroblastosen bei der Konstellation 0/A2, B/A2, B/A2B.
Literatur
Bundesärztekammer (2005) Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie), Aufgestellt gemäß Transfusionsgesetz von der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, Zweite Richtlinienanpassung 2010. Deutscher Ärzteverlag, Köln
Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz) – TFG (1998) Bundesgesetzblatt (Inkrafttreten der letzten Änderung: 26. November 2016)
Klein HG, Anstee DJ (2005) Mollison’s, 12. Aufl. Blood transfusion in clinical medicine, 12. Aufl., first edition by Mollison, Blackwell Publishing 2014, London
Mueller-Eckhardt C, Kiefel V (Hrsg) (2010) Transfusionsmedizin: Grundlagen – Therapie – Methodik, 4. Aufl. Springer, Berlin/Heidelberg/New York
Querschnitts-Leitlinien (2015) Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten, 4., akt. u. überarb. Aufl. 2014. Dtsch Ärztebl 112(6):2015