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Antithrombin-3

Verfasst von: T. Stief
Antithrombin-3
Synonym(e)
AT-3; Antithrombin III
Englischer Begriff
antithrombin-3
Definition
Antithrombin-3 (AT-3) ist ein Serinproteinasen-Inaktivator (Serpin), der zusammen mit seinem Kofaktor Heparin (sulphatiertes Glykosaminoglycan = SGAG) die Aktivität der beiden wichtigen Serinproteasen der gemeinsamen Endstrecke im humanen Gerinnungssystem reguliert: Thrombin (F2a) und aktivierter Gerinnungsfaktor X (F10a). Ein weiteres bedeutendes Antithrombin ist Antithrombin-1, ein anderer Name für Fibrin oder quervernetztes Fibrin. Insbesondere in der Analytik gilt es, den störenden Einfluss von Antithrombin-1 zu minimieren.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Das reife AT-3 hat eine Molmasse von 58 kDa und setzt sich aus 432 Aminosäuren zusammen. 6 Cysteinreste bilden 3 intramolekulare Disulfidbrücken aus. Fehlt die N-Glykosylierung am Asn135, entsteht eine Isoform (β-Antithrombin) mit erhöhter Affinität für Heparin. Die tertiäre Struktur des Antithrombin-3 wird bestimmt durch eine fünfsträngige Faltblattstruktur und eine D-Helixstruktur, an die Heparin bindet. Im reaktiven Zentrum (P1-P1‘) von AT-3 befindet sich Arg-Ser, d. h., das aktive Zentrum (His, Asp, Ser) der Serinprotease bindet mittels der negativ geladenen Carboxylgruppe von Asp an die positiv geladene Guanidinogruppe von Arg (P1 des AT-3). Die Leber synthetisiert AT-3. Das Gen, das für AT-3 kodiert, ist auf dem langen Arm des Chromosom 1 (q23–25) lokalisiert. AT-3 ist kein Akute-Phase-Protein (Akute-Phase-Proteine), wird also nicht bei Inflammation hochreguliert. Die biologische Halbwertszeit beträgt 43 h, die Thrombin-AT3-Komplexe (TAT) werden u. a. in Abhängigkeit von der Hepatozytenfunktion innerhalb von wenigen Minuten aus der Zirkulation eliminiert.
Funktion – Pathophysiologie
Antithrombin-3 bildet (typisch für Serpine) einen kovalenten 1:1-Komplex mit den Serinproteasen F10a oder Thrombin. Die reaktive Seite ähnelt den Substraten für Thrombin oder F10a, also Fibrinogen oder Prothrombin. Die Bindung von Heparin an die D-Helixstruktur von AT-3 aktiviert AT-3 ca. 1000-fach. Sobald die Zielprotease die reaktive Seite von AT-3 spaltet, wird sie kovalent an den Inaktivator gebunden und es entsteht ein inaktiver Protease-AT3-Komplex; ein Vorgang, der als „suicide substrate inhibition“ bezeichnet wird. Pentasaccharide sind die kleinsten SGAG, die die Konformation von AT-3 ändern und dadurch die Inaktivierung von F10a beschleunigen können. Die Inhibition von Thrombin erfordert die Bildung eines ternären Komplexes zwischen AT-3, Thrombin und Heparin. Nach der Bildung eines kovalenten Komplexes aus AT-3 und Protease kann Heparin aus der Bindung mit AT-3 und Protease wieder dissoziieren und erneut an ein AT-3 binden. Die Aktivierung von AT-3 erfolgt in vivo wahrscheinlich durch Bindung an Heparansulfatproteoglykane auf der Endotheloberfläche. Die AT-3 Konzentration im Plasma ist 112–140 mg/L. Von größerem klinischen Interesse ist jedoch die Funktion (insbesondere die erniedrigte Funktion), die in Prozent der Norm angegeben wird (Normalbereich: ca. 100 ± 20 %; erhöhte Funktion hat keine pathophysiologische Bedeutung).
Der angeborene AT-3-Mangel wird in der Regel autosomal dominant vererbt. Ein homozygoter AT-3-Mangel ist sehr selten und letal. Typ I des AT-3-Mangels ist gekennzeichnet durch eine Verminderung der AT-3-Aktivität und der immunologisch gemessenen Konzentration. Bislang wurden mehr als 80 Punktmutationen, ca. 30 Änderungen des Leserasters und einige Deletionen bei diesem Typ nachgewiesen. Beim Typ IIa liegt ein Defekt in der Thrombinbindungsdomäne und beim Typ IIb ein Defekt der Heparinbindungsseite vor. Typ-IIc-Mutationen betreffen die Faltblattstruktur des Inhibitors und gehen mit einer Verminderung der Serumkonzentration einher und möglicherweise auch mit einer Modifikation der Interaktion des mutanten Proteins mit Thrombin. Die Prävalenz des angeborenen AT-3-Mangels beträgt für Patienten mit thromboembolischen Ereignissen ca. 4 % (1–6 %), während die Prävalenz für Blutspender mit 0,16 % angegeben wird. Der heterozygote AT-3-Mangel hat wahrscheinlich von allen bislang erhobenen, angeborenen Thrombophilien das höchste Thromboserisiko. Erworbene Mangelzustände finden sich angesichts reduzierter Synthese bei Lebererkrankungen, Mangelernährung, entzündlichen Darmerkrankungen, bei ausgedehnten Verbrennungen, in der Schwangerschaft und unter Therapie mit Ovulationshemmer. Einen erhöhten Verbrauch oder Verlust findet sich bei der disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC), schweren Transfusionsreaktionen, Asparaginasetherapie und beim nephrotischen Syndrom.
Untersuchungsmaterial
Citratplasma.
Präanalytik
Asparaginasetherapie führt zu niedrigerer AT-3-Konzentration (thromboembolisches Risiko erhöht), Abfall unter Heparintherapie.
Analytik
Methode der Wahl ist die funktionelle Bestimmung der AT-3-Aktivität mit einem chromogenen Substrat. Bei diesen Assays wird Patientenplasma mit einem Überschuss an Thrombin oder F10a (weniger Interferenz mit Antithrombin-1) in Gegenwart von Heparin inkubiert und die Restaktivität der Proteasen durch die Spaltung von p-Nitroanillin vom Peptidsubstrat photometrisch quantifiziert. Der Interassay-VK liegt in der Regel bei 3–5 %. Die Verwendung von F10a oder sehr kurze Inkubationszeiten schließt die Miterfassung der Heparin-Kofaktor-II-Aktivität aus, der Einsatz von F10a ermöglicht auch die Bestimmung vom AT-3 in Gegenwart von rHirudin. Fibrin-Polymerisationsinhibitoren wie Arginin können die Interferenz von Antithrombin-1 gegenüber Thrombin insbesondere im nahezu unverdünnten Plasma ausschalten. AT-3 ist ein bedeutender Störfaktor bei der Messung der Endotoxin-Limulus-Kaskade (Faktor Ca, Faktor Ba, Faktor Ga, Faktor Aa): um Lipopolysaccharid- oder β(1 → 3)D-Glukan-Reaktivität im EDTA-Plasma zu quantifizieren, muss AT-3 durch starke (Singlet-Oxygen-freisetzende) Oxidation mittels Chloramin zerstört werden.
Referenzbereich – Erwachsene
Citratplasma: AT-3-Aktivität: 80–120 % der Norm.
Referenzbereich – Kinder
Bei Säuglingen physiologischerweise vermindert: Median 66 % (42–80 %).
Indikation
  • Thrombophilie-Diagnostik
  • Nichtansprechen einer Heparintherapie
  • Verdacht auf eine systemische Gerinnungsaktivierung (DIC)
Interpretation
Schon eine Aktivitätsminderung auf um die 70 % der Norm ist prothrombotisch; bei stark erniedrigten Aktivitäten wie bei schwerer disseminierter intravasaler Gerinnung (DIC) sollte die Infusion von therapeutischem AT-3 (hoher Reinheit) in Kombination mit einem geeigneten SGAG (z. B. Enoxaparin) erwogen und mittels eines ultraspezifischen Thrombingenerierungstests überwacht werden.
Diagnostische Wertigkeit
AT-3 ist ein wichtiger Parameter zur Beurteilung der Gerinnungsinhibition/Gerinnungsaktivierung.
Literatur
Bock SCC (2001) Antithrombin III and Heparin Cofactor II. In: Colman RW, Hirsh J, Marder VJ et al (Hrsg) Hemostasis and thrombosis. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, S 321–333
Kottke-Marchand K, Duncan A (2002) Antithrombin deficiency. Arch Pathol Lab Med 126:1326–1336
Stief TW (2008) Antithrombin III determination in nearly undiluted plasma. Lab Med 39:46–48CrossRef