Nahezu ausschließlich unkonjugierte (indirekte) Fraktion des Bilirubins im Fruchtwasser, deren normalerweise sehr geringe Konzentration bei fetomaternalen Blutgruppeninkompatibilitäten (fetale Erythroblastose) in Abhängigkeit vom Schweregrad ansteigt.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Das beim Hämkatabolismus während der Fetalperiode gebildete Bilirubin liegt wegen der geringen Glukuronidierungsfähigkeit der fetalen Leber nahezu ausschließlich in unkonjugierter (indirekt reagierender) Form vor und besitzt aufgrund seiner Lipophilie eine große Permeationsfähigkeit in zentralnervöse Strukturen. Normalerweise findet sich Bilirubin ab der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) im Fruchtwasser und verschwindet bis zur 36–37. SSW. Es gelangt in das Fruchtwasser durch Diffusion über die Haut oder Umbilikalgefäße, über fetalen Urin und Mekonium oder durch tracheobronchiale Sekretion.
Funktion – Pathophysiologie
Fetale Erythroblastosen (Morbus haemolyticus fetalis) treten aufgrund intrauteriner Blutgruppeninkompatibilitäten im Rhesus- oder wesentlich schwächer im AB0-System auf. Bei fetomaternalen Transfusionen kommt es zur Immunhämolyse durch mütterliche irreguläre Blutgruppenantikörper (IgG), wobei das Ausmaß des hämolytischen Prozesses beim Fetus anhand der Bilirubinbestimmung im Fruchtwasser abgeschätzt werden kann.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Zellfreies Fruchtwasser. Sterile Entnahme von 5–10 mL durch Amniozentese. Spezimen wird vor der Analyse 20 Minuten bei 5000 g zentrifugiert und lichtgeschützt aufbewahrt.
Probenstabilität
Nach Zentrifugation ist die Probe im Dunkeln wegen der Photosensibilität des Bilirubins aufzubewahren (Abnahme um 50 % bei Sonnenexposition von 15 Minuten).
Präanalytik
Störfaktoren sind Kontaminationen mit fetalem oder maternalem Blut bzw. Hämoglobin und Mekonium (Biliverdin), die zu falsch hohen Werten führen.
Analytik
Direkte Spektrofotometrie des Fruchtwasserüberstandes in einem Wellenlängenbereich von 350–600 nm. Ermittlung der Absorptionsdifferenz bei 450 nm zwischen der Basislinie (Verbindung der spektralen Minima bei 350 und 550 nm) und dem Spektrumverlauf (Abb. 1, Einsatz A). Bei 450 nm liegt normalerweise das Absorptionsmaximum bilirubinhaltigen Fruchtwassers. Die Absorptionsdifferenz wird anhand eines empirischen Nomogramms nach Liley (1961), bezogen auf die jeweilige SSW, in eine der 3 Risikogruppen (Abb. 1, Einsatz B) eingeordnet.
×
Referenzbereich – Frauen
SSW
(μmol/L)
(mg/dL)
7.–12.
0–2,0
0–0,1
28.
<1,3
<0,075
▵E450 < 0,048
40.
<0,43
<0,025
▵E450 < 0,020
Indikation
Erkennung, Beurteilung und Verlaufskontrolle des Schweregrades von Blutgruppenunverträglichkeiten des Feten ab ca. 20. SSW.
Interpretation
Die semiquantitative Bilirubinbestimmung im Fruchtwasser durch Messung der Absorption bei 450 nm und Einordnung des Absorptionswertes in Risikogruppen erfolgt unter Berücksichtigung des Gestationsalters in dem Nomogramm nach Liley (1961). Ein ΔE450 > 0,13 weist auf eine schwere fetale Erythroblastose hin. Auch in sehr schweren Fällen werden Bilirubinkonzentrationen von >17 μmol/L (1 mg/dL) selten überschritten. Rhesusunverträglichkeiten haben einen schwereren Verlauf als AB0-Inkompatibilitäten.
Diagnostische Wertigkeit
Obwohl es sich um ein semiquantitatives Verfahren handelt, liefert die Methode wichtige Informationen über den Gefährdungsgrad des Fetus und der sich daraus ergebenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen.
Literatur
Liley AW (1961) Liquor amnii analysis in the management of the pregnancy complicated by Rhesus sensitization. Amer J ObstetGynec 82:1359–1370CrossRef