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Fibrosekenngrößen

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Fibrosekenngrößen
Synonym(e)
Fibrosemarker
Englischer Begriff
markers of (liver) fibrosis
Definition
Nicht invasive, in Serum oder Plasma gemessene klinisch-chemische Kenngrößen (Biomarker), die das Ausmaß der Fibrose (Zunahme des Bindegewebeanteils), die Aktivität der Fibrogenese (Neusynthese des Bindegewebes) und/oder Fibrolyse (Abbau des neu synthetisierten Bindegewebes) in der Leber zu diagnostizieren gestatten.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Ideale labormedizinische, im Vergleich zur histologischen Untersuchung einer Leberbiopsie nicht invasive Kenngrößen der Leberfibrose/-fibrogenese, die ein hohes Maß an diagnostischer Spezifität (Spezifität, diagnostische) und Sensitivität (Sensitivität, diagnostische) aufweisen, analytisch standardisiert sind und damit zu reproduzierbaren Ergebnissen führen, fehlen gegenwärtig. Mögliche Einzelkenngrößen des erhöhten Kollagen-, Glykoprotein- und/oder Glykosaminoglykan- bzw. Proteoglykanstoffwechsels haben sich in der Labordiagnostik der Fibrose bisher nicht durchsetzen können. Stattdessen sind über 20 multiparametrische Testverfahren (Scores) vorgeschlagen worden, die auf überwiegend gängigen Kenngrößen (Kenngröße, klinisch-chemische) beruhen, die in jeweilige Algorithmen Eingang finden. Sensitivitäten und Spezifitäten zwischen 60 und 99 % sind für diese Biomarkerkombinationen berichtet worden.
Pathophysiologie
Fibrose der chronisch geschädigten Leber (Hepatitis C, B, nicht alkoholische und alkoholische Leberschädigungen, genetische Erkrankungen) ist definiert durch eine
  • 3- bis 10-fache Konzentrationszunahme der extrazellulären Matrix (Kollagene, Glykosaminoglykane/Proteoglykane, strukturelle Glykoproteine, Hyaluronan) (Abb. 1)
  • veränderte molekulare Zusammensetzung,
  • Verschiebung der molekularen Mikroheterogenität der einzelnen Matrixkomponenten und
  • histologische Umverteilung mit Einengung der Lebersinusoide (Blutstrombahn).
Die Zunahme der extrazellulären Matrix ist überwiegend auf eine Neusynthese in hepatischen Sternzellen (Itozellen) zurückzuführen, die unter dem Einfluss von „transforming growth factor β“ (TGF-β) und „connective tissue growth factor“ (CTGF) ein breites Spektrum der genannten Bindegewebskomponenten nach Umwandlung in Myofibroblasten in der chronisch geschädigten Leber synthetisieren. Auch Leberparenchymzellen (Hepatozyten) können sich in Bindegewebe-synthetisierende Fibroblasten im Rahmen einer chronischen Leberschädigung umwandeln (epitheliale mesenchymale Transition EMT)
Untersuchungsmaterial
Analytik
Für die nicht invasive, serumbasierte Diagnostik der Fibrogenese sind in umfangreichen klinischen Studien Einzelkenngrößen, Parameterkombinationen und teilweise komplexe, bis zu 10 Einzelparameter (umfassende multiparametrische Algorithmen empfohlen worden. Dabei reflektieren Biomarker der Klasse I vorzugweise den Grad der fibrogenen Aktivität und die der Klasse II das Stadium der Fibrose.
Folgende Biomarker sind für die Leberfibrose empfohlen worden (s. a. Tabelle):
Hyaluronan, Prokollagenpeptid Typ III, N-terminales, Typ-VI-Kollagen, Typ-IV-Kollagen, NC1-Fragment, Prolyl-4-Hydroxylase, Monoaminooxidase (Monoaminooxidase im Serum), Xylosyltransferase, „connective tissue growth factor“ (CTGF), YKL-40, Undulin, Laminin-P1-Fragment (Laminine), „tissue inhibitor of metalloproteinase-1“ (TIMP-1, TIMP-2), Matrix-Metalloproteinase (MMP) 7, γ-Glutamyltransferase/Thrombozyten-(GPR-)Ratio, Enhanced-Liver-Fibrosis-Test (ELF-Test), Forns-Index, Wai-Index, Fibrotest, Actitest, AST/Thrombozyten-(APRI-)Index, PGA-Index, Pohl-Index, Sud-Index, Rosenberg-Score, FIB-4, Hepascore, LOK-Score, FibroSpect, Fibrometer-Test, Fibroindex, u. a.
Auswahl komplexer multivariater Leberfibrose-Scores und deren Messgrößen:
Score/Index
Einzelmessgrößen
PGAA-Index
Prothrombinzeit, γ-GT, Apolipoprotein A1, α2-Makroglobulin
Fortunato-Score
Fibronektin, Prothrombinzeit, PCHE, ALT, Mn-SOD, β-NAG
Fibrotest
Haptoglobin, α2-Makroglobulin, Apolipoprotein A1, γ-GT, Bilirubin
Pohl-Score
AST, ALT, Thrombozytenzahl
Thrombozytenzahl, γ-GT, Cholesterin, Alter
Sud-Index
AST, Cholesterin, Insulinresistenz (HOMA), anamnestisch Alkoholaufnahme, Alter
Fibrometer
Thrombozytenzahl, Prothrombinindex, AST, α2-Makroglobulin, Hyaluronan, Harnstoff, Alter
FIB-4
Thrombozytenzahl, AST, ALT, Alter
HUI-Score
Bilirubin, Albumin, Thrombozytenzahl, BMI
Hepascore
α2-Makroglobulin, Hyaluronan, Bilirubin, γ-GT, Alter, Geschlecht
Leroy-Score
PIIINP, MMP-1
Rosenberg-Score
PIIINP, Hyaluronan,TIMP-1
Vergleichende standardisierte Evaluationen ihrer diagnostischen Leistungsfähigkeit sind im Gange und deuten auf Hyaluronan, Matrix-Metalloproteinasen 1 und 7 und APRI (AST/Thromobozyten-Verhältnis) als geeignete Kenngrößen hin (Irvine et al. 2016). Oft ist die histologische Graduierung der Fibrose (METAVIR-Leberfibrose-Score der histologische Stadien F0 bis F4) und Entzündung einer Biopsieprobe des Lebergewebes als Bezug ungeeignet, da die kleine histologische Bezugsgröße von ca. 30 mg bei einem Organ von ca. 1,5 kg Feuchtgewicht nur 1/50.000 der Lebermasse entspricht und somit einem erheblichen Probennahmefehler unterliegen kann. Das Ergebnis der Biopsie muss somit nicht immer repräsentativ für das gesamte Lebergewebe sein.
Die zur Anwendung kommenden analytischen Methoden sind neben (radioaktiven) Enzymaktivitätsbestimmungen, Radioimmunoassay, FIA, EIA, ELISA.
Indikation
Referenzbereich
Abhängig vom gewählten Verfahren.
Interpretation und Diagnostische Wertigkeit
Die diagnostischen Sensitivitäten für Klasse I der Fibrosemarker bewegen sich zwischen 76–78 %, die der Spezifität zwischen 71–81 %, etwas höhere diagnostische Sensitivitäten von bis zu 90 % bei Spezifitäten um 80 % sind bei Klasse-II-Parametern berichtet.
Eine abschließende Bewertung der zahlreich zur Verfügung stehenden Scores zur nicht invasiven Fibrose-/Zirrhosediagnostik ist noch nicht möglich. Bei den multiparametrischen Testverfahren ist die Präzision durch den Einsatz von mehreren analytischen Kenngrößen beeinträchtigt, da jeder Parameter seine analytische Unpräzision besitzt. Einige Kenngrößen, wie Fibrotest, Actitest und ELF-Test werden kommerziell angeboten, andere Testverfahren sind wenig standardisierte In-house-Verfahren. Ein Wechsel der Methode bei längerer Verlaufskontrolle ist daher zu vermeiden. Unter den Einzelparametern hat sich Hyaluronan mit einer Sensitivität von 97 % und Spezifität von 73 % für Zirrhose als die relativ zuverlässigste Kenngröße erwiesen. CTGF in Serum oder Plasma könnte sich nach Abschluss laufender Studien als ein zuverlässiger Parameter der Leberfibrogenese erweisen.
Alternativen zum biochemischen Verfahren der Fibrosediagnostik und -verlaufskontrolle sind transiente Elastographie (Fibroscan), akustische Strukturquantifizierung (ASQ, Messung der Echogenität) und hochauflösende röntgenologische und Ultraschall-(ARFI-)Techniken.
Literatur
Gressner AM, Rizk M, Gao C, Gressner OA (2010) Potential novel biomarkers for monitoring the fibrogenic process in liver. Arab J Gastroenterol 10:S12–S16CrossRef
Irvine K, Wockner LF, Hoffmann I et al (2016) Multiple serum protein analysis identifies novel biomarkers of advanced fibrosis in patients with chronic liver disease with potential to improve diagnostic accuracy of established biomarkers. PLoS One 11(11):e0167001CrossRefPubMedPubMedCentral
Lee YA, Wallace MC, Friedman SL (2015) Pathobiology of liver fibrosis: a translational success story. Gut 64(5):830–841CrossRefPubMedPubMedCentral
Stasi C, Milani S (2016) Non-invasive assessment of liver fibrosis: between prediction/prevention of outcomes and cost-effectiveness. World J Gastroenterol 22(4):1711–1720CrossRefPubMedPubMedCentral