blood group glycosyltransferases; A transferase; B transferase
Definition
Glykosyltransferasen, die die Addition des endständigen Zuckers der antigenen Kohlenhydratstrukturen der Blutgruppen A, B und AB katalysieren.
Beschreibung
Die A- und B-Glykosyltransferasen sind Enzyme, die die Addition des terminalen N-Acetyl-Galaktosamin- oder Galaktoserests auf erythrozytäre Kohlenhydratstrukturen katalysieren, was die phänotypische Ausprägung der AB0-Blutgruppen bewirkt. Gegen diese endständigen Kohlenhydratstrukturen werden angesichts ihrer ubiquitären Verbreitung bei Bakterien innerhalb der ersten Lebensmonate Antikörper (Isoagglutinine) gebildet, sofern die jeweilige Kohlenhydratstruktur nicht auf den eigenen Erythrozyten präsent ist. Das AB0-Blutgruppensystem ist eine Folge von Polymorphismen dieser komplexen Kohlenhydratstrukturen, die auf erythrozytären Glykoproteinen und Glykolipiden vorhanden sind und durch spezifische Glykosyltransferasen synthetisiert werden. Die Synthese der terminalen immunodominanten Zucker erfolgt durch die A- und B-Transferasen, die durch 2 funktionale Allele eines einzigen Gens kodiert werden. Mutationen in diesem AB0-Gen führen zu Glykosyltransferasen mit einer veränderten Substratspezifität, weshalb entweder N-Acetyl-Galaktosamin oder Galaktose auf die H-Substanz Fukose-α-1,2-Galaktose transferiert wird. Das A-Allel kodiert somit für eine UDP-N-Acetyl-Galaktosamin:Fukose-α-1,2-Galaktose-α-1,3-N-Acetyl-D-Galaktosaminyltransferase (A-Transferase), während das B-Allel für die UDP-N-Acetyl-Galaktose:Fukose-α-1,2-Galaktose-α-1,3-N-Acetyl-D-Galaktosyltransferase (B-Transferase) kodiert. Das 0-Allel bei der Blutgruppe 0 ist ein nichtfunktionales Allel, welches für kein aktives Enzym kodiert, sodass folglich die H-Substanz nicht modifiziert wird. Das AB0-Gen ist auf Chromosom 9q34 lokalisiert, weist eine Länge von 18 kb auf und besteht aus 7 Exons. Die Exonlängen variieren zwischen 28 und 1062 Basenpaaren, wobei die Exons 6 und 7 die größten Exons darstellen und den größten Teil der Aminosäuresequenz der Glykosyltransferasen kodieren (s. folgende Abb. 1).
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Die Mutationen und Deletionen im AB0-Gen, die für die veränderte Substratspezifität der B-Transferasen und für den Funktionsverlust der O-Transferase verantwortlich sind, finden sich primär in diesen beiden Exons. So ist die Deletion eines Guaninrests an Position 261 die häufigste Veränderung bei Allelen von Trägern der Blutgruppe 0 (s. folgende Abb. 2).
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Diese Deletion (Allel 01) führt bei der Proteinbiosynthese zu einem vorzeitigen Stoppsignal und zu einem Abbruch der Synthese des Enzyms. Das entstehende Proteinfragment weist keine katalytische Aktivität auf und wird rasch eliminiert. Es existieren aber auch weitere Allele (z. B. Allel 02 oder 03), die Missense-Mutationen tragen, welche zur Substitution von für die katalytische Aktivität essenziellen Aminosäuren im Glykosyltransferaseprotein führen. Somit wird eine inaktive Transferase gebildet, die nicht in der Lage ist, die H-Substanz zu modifizieren. 7 Nukleotidaustausche unterscheiden die für die A- bzw. B-Transferase kodierenden Allele, von denen die erste im Exon 6 an der Nukleotidposition 297 lokalisiert ist, während die anderen 6 Substitutionen sich im Exon 7 befinden. Diese Polymorphismen resultieren in 4 Aminosäureaustausche, in denen sich die A- und die B-Transferasen voneinander unterscheiden. Die kürzlich erfolgte Aufklärung der Röntenkristallstruktur der A- und B-Transferasen konnte zeigen, dass hierbei der Austausch von Leucin gegen Methionin (L266M) an Aminosäurenposition 266 und die Substitution von Glycin gegen Alanin (G268A) funktional von besonderer Bedeutung sind, da sich diese Aminosäuren im Bereich des aktiven Zentrums des Enzyms befinden und für den Wechsel der Substratspezifität der A- und der B-Transferase verantwortlich sind. Der Bereich im katalytisch aktiven Zentrum des Enzyms, in dem die Substratbindung erfolgt, wird durch die beiden Aminosäureaustausche verkleinert, wodurch bei der B-Transferase statt UDP-N-Acetylgalaktosamin nur der kleinere UDP-Zucker UDP-Galaktose gebunden und auf den Galaktoserest der H-Substanz transferiert wird. Mittlerweile konnte eine Vielzahl von Allelen identifiziert werden, die unterschiedlichste Mutationen aufweisen und für Transferasen mit A- oder B-Spezifität oder inaktive Proteine bei Blutgruppe 0 kodieren. Die Expression der AB0-Transferasen ist nicht auf Erythrozyten beschränkt, sondern erfolgt universell in sehr vielen epithelialen und endothelialen Zellen. Das Expressionsniveau kann hierbei entwicklungs- und differenzierungsspezifische Unterschiede aufweisen, wobei eine starke Expression bei einigen malignen Zelltypen gefunden wird. Die Bedeutung der AB0-Kohlenhydratstrukturen für den Organismus ist noch nicht endgültig geklärt, jedoch scheint es bei Trägern des Null-Phänotyps (Null-Phänotyp im Blutgruppensystem) keine apparenten Veränderungen zu geben. Es gibt jedoch auch einige Untersuchungen, die eine Assoziation der Blutgruppe 0 mit einem erhöhten Risiko für Helicobacter-pylori-Infektionen und eine um 25 % reduzierte Konzentration an Von-Willebrand-Faktor, einem an der Blutgerinnung beteiligten Glykoprotein, zeigen. Die Relevanz dieser Befunde ist derzeit allerdings noch unklar. Von höchster medizinischer Relevanz sind die AB0-Blutgruppen bei Transfusionen und der Bereitstellung kompatibler Blutprodukte, da eine AB0-inkompatible Transfusion zu vital bedrohlichen Komplikationen beim Empfänger führt.
Literatur
Chester MA, Olsson ML (2001) The AB0 blood group gene: a locus of considerable genetic diversity. Trans Med Rev 15:177–200CrossRef