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Hämoglobin A1c

Verfasst von: K. J. Lackner und D. Peetz
Synonym(e)
HbA1c, β N1-Deoxyfructosyl-Hämoglobin
Englischer Begriff
hemoglobin A1c
Definition
Am N-terminalen Valin der β-Globinkette mit D-Glukose glykiertes Hämoglobin (Hb).
Molmasse
N-terminal mit Glukose glykiertes β-Globin: 16028 Da.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
HbA1c entsteht im Erythrozyten durch spontane Glykierung in Abhängigkeit von der Höhe der intrazellulären Glukosekonzentration.
Halbwertszeit
Bei normaler Erythrozytenüberlebensdauer ca. 60 Tage.
Funktion – Pathophysiologie
HbA1c hat keine spezifische Funktion im Stoffwechsel. Seine Fähigkeit, O2 zu transportieren, ist nicht signifikant verändert. Da Erythrozyten das glykierte Hämoglobin nicht abbauen, nimmt der Anteil von HbA1c am Gesamt-Hb über die Lebensdauer der Zelle zu. Mehrere große Studien konnten eine inverse Korrelation zwischen HbA1c-Konzentration im Blut und der Prognose diabetischer Patienten nachweisen, sodass HbA1c heute als einer der wichtigsten Therapie- und Prognosemarker bei Diabetikern gilt.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
EDTA-Blut.
Probenstabilität
Unterschiedliche Angabe für Vollblut von <48 Stunden bei 4 °C bis zu 4 Wochen bei 4 °C. Generell besteht jedoch Konsens, dass Proben normalerweise innerhalb von 24 Stunden bestimmt sein sollten. Daneben werden die verschiedenen Methoden unterschiedlich beeinflusst, deshalb wird empfohlen bei geplanter Langzeitlagerung, z. B. im Rahmen von Studien, den Einfluss auf die verwendete Methode spezifisch zu klären.
Analytik
Zur Analytik kommen verschiedene Methoden infrage: Kationenaustausch-HPLC, Affinitäts-HPLC, Affinitätschromatographie mit Fluoreszenzdetektion, Elektrophorese oder Immunturbidimetrie. Point-of-Care-Systeme zur HbA1c Bestimmung beruhen entweder auf immunologischen oder affinitätschromatographischen Prinzipien. Die immunologischen Methoden verwenden in der Regel Antikörper gegen den modifizierten N-Terminus des β-Globins. Als Referenzmethode werden von der IFCC 2 Protokolle, die auf proteolytischer Spaltung von Hämoglobin beruhen, geführt. Die N-terminalen Peptide werden mittels HPLC getrennt und über ESI-MS/MS oder Kapillarelektrophorese quantifiziert. Analytik von Referenzmaterialien sollte mit diesen Methoden erfolgen. Die IFCC hat verschiedene Referenzmaterialien entwickelt, die einem Netzwerk von Referenzlabors zur Verfügung stehen. Die Standardisierung mithilfe der IFCC-Referenzmethode führt zu deutlich niedrigeren Werten für HbA1c als die bisher übliche Kalibration nach NGSP/DCCT (National Glycohemoglobin Standardization Program/Diabetes Control and Complications Trial). Aus diesem Grund werden die IFCC-standardisierten Werte in der Einheit mmol/mol Hb angegeben. Eine Umrechnung der mit den jeweiligen Kalibrationen bestimmten Werte ist mit der Formel
NGSP (%Hb) = 0, 0915 × IFCC (mmol/mol Hb) + 2, 15
möglich. Dabei ist aber immer zu bedenken, dass es sich nicht um eine einfache Umrechnung von Einheiten handelt. Deshalb wird heute generell empfohlen, dass beide Werte angegeben werden.
Die Routinemethoden reagieren unterschiedlich auf Stör- und Einflussfaktoren. Deshalb ist auch die Wertelage noch von der Methode beeinflusst. Generell können Hämoglobinvarianten sowohl zu falsch hohen als auch falsch niedrigen Werten führen. In Abhängigkeit vom Epitop der Antikörper werden abnorme glykierte Hämoglobine nicht erfasst, insbesondere wenn Mutationen die ersten 6–8 Aminosäuren betreffen. Azetylsalizylsäure und Alkohol können Hämoglobinaddukte (Acetylhämoglobin, Acetaldehydaddukte) verursachen, die vorzugsweise die chromatographischen Verfahren stören. Hämolyse oder anderweitig verkürzte Überlebensdauer der Erythrozyten führt zu falsch niedrigen Werten.
Konventionelle Einheit
% Hb.
Internationale Einheit
mmol/mol Hb (bei Verwendung der IFCC-Standardisierung).
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
Eine Umrechnung muss die bei Verwendung der unterschiedlichen Einheiten auch üblicherweise verwendete unterschiedliche Kalibration berücksichtigen (s. oben).
Referenzbereich – Erwachsene
4,5–5,6 % (methodenabhängig); für die IFCC-Standardisierung wurde ein vorläufiger Referenzbereich von 28–38 mmol/mol Hb angegeben, der nicht genau mit den in großen Studien erhobenen Referenzbereichen für die NGSP/DCCT-Kalibration übereinstimmt und deshalb einer Überprüfung bedarf.
Referenzbereich – Kinder
S. Erwachsene.
Indikation
Langzeitkontrolle von Patienten mit Diabetes mellitus; Erstdiagnose des Diabetes mellitus.
Interpretation
Unter Berücksichtigung der o. g. methodenabhängigen Stör- und Einflussfaktoren bedeutet ein erhöhtes HbA1c eine schlechte Diabeteseinstellung und ungünstige Prognose. Im Hinblick darauf wird gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie für Typ-2-Diabetes in Deutschland ein HbA1c von 6,5–7,5 % und bei ausgewählten Patienten <6,5 % als Therapieziel angestrebt. Generell wird in den Leitlinien inzwischen eine individualisierte, an Nutzen und Risiken adaptierte Diabetestherapie empfohlen, sodass die Zielwerte für HbA1c orientierenden Charakter haben. Erhöhte HbA1c-Werte lassen auf eine inadäquate Therapie oder Compliance in den letzten 6–8 Wochen schließen. Einige Fachgesellschaften (u. a. die Deutsche Diabetesgesellschaft) empfehlen das HbA1c für die Erstuntersuchung von Diabetikern. Dabei gilt ein Diabetes bei Werten <5,7 % als ausgeschlossen, bei Werten >6,4 als bewiesen. Im Bereich dazwischen ist eine weitere Diagnostik (Glukose) erforderlich.
Diagnostische Wertigkeit
Das HbA1c stellt heute einen der wichtigsten Parameter in der langfristigen Therapiekontrolle von Diabetikern dar. Für das Populationsscreening in der Erstdiagnostik des Diabetes mellitus wird das HbA1c inzwischen von einigen Fachgesellschaften empfohlen. HbA1c ist eingeschränkt verwertbar bei Splenektomie und Hämoglobinvarianten.
Literatur
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Jeppsson JO, Kobold U, Barr J et al (2002) International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (IFCC). Approved IFCC reference method for the measurement of HbA1c in human blood. Clin Chem Lab Med 40:78–89CrossRef
Müller-Wieland D, Petermann A, Nauck M et al (2016) Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Diabetologie 11(Suppl 2):S78–S81
National Glycohemoglobin Standardization Program. HbA1c Assay Interferences. NGSP Web site. http://​www.​ngsp.​org/​interf.​asp. Updated 12-2016