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Immunoassay, heterogener

Verfasst von: G. Töpfer
Immunoassay, heterogener
Synonym(e)
Festphasen-Immunoassay
Englischer Begriff
heterogenous immunoassay
Definition
Bestimmungsmethode für Antigene oder Antikörper, wobei die markierten Immunkomplexe vor der Messung der Radioaktivität oder Lichtstrahlung von den ungebundenen Reaktanten abgetrennt werden (Abb. 1).
Physikalisch-chemisches Prinzip
Man unterscheidet kompetitive Immunoassays von immunometrischenAssays (Two-site-Assay, Sandwichverfahren):
  • Kompetitiver Immunoassay. Abgeleitet von Radioimmunoassay, bei dem die Antigenmoleküle der Probe (z. B. Insulin) mit radioaktiv markiertem Antigen (etwa gleicher Konzentration) um die im Unterschuss an der Röhrchenwand fixierten Antikörpermoleküle konkurrieren: Ersetzt man die radioaktive Markierung durch ein Enzym, so liegt ein Enzymimmunoassay vor, desgleichen kann die Markierung auch mit Fluoreszenzfarbstoffen oder Luminogenen erfolgen. Die Kalibrationskurve ist abfallend, d. h. die niedrigste Konzentration des Analyten bringt das höchste Signal. In der Regel stellt man die Bindungskapazität des Antikörpers so ein, dass maximal 50 % des markierten Antigens gebunden werden. In einer anderen Form wird das Antigen oder Hapten (Molekül ohne immunogene Wirkung, meistens mit einer Molmasse <1500 Da – hier über ein Trägerprotein) an die Röhrchenwand gebunden. Das Probenantigen (Hapten) konkurriert mit dem fixierten Antigen um die konstanten, im Unterschuss vorhandenen Bindungsstellen des markierten Antikörpers. Der Vorteil ist, dass unspezifische Antikörper weniger an das fixierte Antigen als an den fixierten Antikörper binden (z. B. Rheumafaktoren), damit keine Blockierung der Antikörperbindung stattfindet.
  • Immunometrischer Assay. Synonyme sind „Two-site-Assay“ und Sandwichverfahren, bei radioaktiver Markierung immunoradiometrischer Assay „IRMA“, bei Enzymmarkierung „IEMA“ oder ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay), wobei sich der Begriff ELISA durchgesetzt hat. Die Empfindlichkeit ist höher (untere Nachweisgrenze niedriger) als beim kompetitiven Assay.
Antigen-capture-Assay
Der Antikörper ist im Überschuss im Vergleich zur Antigenkonzentration der Probe an Röhrchenwand, Mikrotiterplattenvertiefung, magnetische bzw. Latexpartikel fixiert. Entweder werden dann simultan Probe (Antigen) und markierter Zweitantikörper hinzugegeben (Ein-Schritt-Assay) oder dies erfolgt in zwei Schritten mit einem Waschzyklus dazwischen. Der zweite Antikörper kann auch unmarkiert sein. In diesem Fall wird ein enzymmarkierter dritter Antikörper eingesetzt, der gegen IgG (Fc-Fragment) der Tierspezies des zweiten Antikörpers gerichtet ist.
Möglich ist der Sandwich-Assay mit größeren Antigenen (Mindestmolekülgröße >3000 Da), da das Antigen mindestens 2 verschiedene Epitope haben muss. Für Peptide mit 15–20 Aminosäuren und für die meisten Arzneimittel und Drogen ist das Testschema des IEMA nicht möglich.
Antibody-capture-Assay
Um spezifische Antikörper in der Probe (z. B. Virusantikörper) zu bestimmen, wird an der Festphase entweder das Antigen im Überschuss oder ein klassenspezifischer Anti-Human-Antikörper (meist gegen IgM) als Fängerantikörper verwendet. Das Antigen an der Festphase bindet nach Zugabe des Serums nur den spezifischen Antikörper. Nach einem Waschschritt erfolgt der Nachweis dieses gebundenen (Human-)Antikörpers mit enzymmarkiertem Antihumanserum. Im Falle des (klassenspezifischen) Fängerantikörpers werden bei Inkubation mit Serum zunächst alle Immunglobulinmoleküle der entsprechenden Klasse (z. B. IgM) des Patientenserums gebunden. Es erfolgt ein Waschschritt. Der spezifische Antikörper wird durch Zugabe des homologen Antigens und einen gegen das Antigen gerichteten enzymmarkierten Antikörper gemessen. Wenn man alternativ das Antigen selbst markiert hinzufügt, wird das Testschema vereinfacht (Enzyme-labeled-antigen-Assay; ELA).
Eine weitverbreitete Variante des Antigen- und Antibody-Capture-Assays ist der Mikropartikel-Enzymimmunoassay (MEIA). Der monoklonale erste Antikörper oder das Antigen sind an Latexmikropartikel gebunden (große wirksame Oberfläche, kurze Reaktionszeiten). Der nach Serumzugabe an den Mikropartikeln gebildete Immunkomplex wird an einer Glasfasermembran irreversibel gebunden und reagiert mit dem Konjugat aus Zweitantikörper und alkalischer Phosphatase (AP). Danach wird 4-Methylumbelliferyl-Phosphat (MUP) hinzugefügt, das zum fluoreszierenden Methylumbelliferonhydrolysiert wird.
Der Elektrochemilumineszenz-Immunoassay (ECLIA) wurde am ELECSYS- (jetzt Cobas e-)System als heterogener Immunoassay durchgeführt.
Mikropartikel-Immunoassays mit Fluoreszenzmarkierung im Durchfluss-Zytometer (Multiplexed immunoassay by flowcytometry-Luminex Assay)
Latexpartikel mit etwa 10 μm im Durchmesser werden mit Antikörpern beladen. Die als kompetitiver oder Sandwich-Immunoassay ablaufende Reaktion führt zur Bindung von mehr oder weniger Fluoreszenzfarbstoff (Fluoreszenzfärbung). Die Verwendung unterschiedlich großer Latexpartikel (Latex-Agglutination), die mit unterschiedlichen Antikörpern besetzt sind, führt dazu, dass simultan mehrere Analyten bestimmbar sind. Das gleiche kann erreicht werden, wenn im Sandwich-Assay spezifische Zweitantikörper mit unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen markiert sind.
Mikrospot-Immunoassays (Microarray immunoassay)
Ähnlich wie die Mikrochips bei der Genanalyse können die festen Phasen bei den Immunoassays miniaturisiert werden. Systeme mit 196 Vertiefungen in einem Plastikträger (Vertiefungsdurchmesser = 3 mm), Glas- und Filterträger wurden beschrieben. Als Tracer wurden Fluoreszenz-und Lumineszenzfarbstoffe, aber auch präzipitierende Enzymsubstrate verwendet. Da die Background-Signale bei Verkleinerung der Festphase abnehmen, kann eine ähnliche analytische Sensitivität wie im „Normal“-Ansatz erreicht werden. Neuere Entwicklungen nutzen aus, dass durch Bindung von Antikörpern an Antigene auf Membranen Ionenkanäle der Membranen geöffnet oder geschlossen werden, was zum Anstieg oder Abfall des Stromflusses an Goldelektroden führt. Die Empfindlichkeit des Verfahrens bleibt derzeit allerdings noch um den Faktor 2–3 hinter dem Lumineszenz- oder Fluoreszenz-Tracer zurück.
Trennung der (markierten) Antigen-Antikörper-Komplexe vom Reaktionsgemisch
Üblich ist heute die Solid-Phase-Methode in Form der Bindung von Antigen (Antibody-Capture-Assay) oder Antikörper (Antigen-Capture-Assay) an die feste Phase. Damit bildet sich der Immunkomplex an der festen Phase und Waschvorgänge sind möglich. Diese erste Komponente des Sandwich-Komplexes ist entweder adsorptiv oder kovalent an die feste Matrix (Polystyrol, Glas) gebunden. Die Beschichtung mit Antikörpern erfolgt entweder beim Hersteller des Testkits, oder es werden Röhrchen mit Streptavidin beschichtet verwendet, die 4 Bindungsstellen für biotinylierte Antikörper oder Antigene aufweisen. Da die Bindungsenergie sehr hoch ist, erfolgt diese Beschichtung direkt vor dem Assay. Die früher (bei RIA und IRMA) übliche unspezifische Abtrennung markierter Immunkomplexe mit Aktivkohle und die spezifische Abtrennung mit einem zweiten Antikörper unter Beschleunigung mit PEG wurden weitestgehend durch die Solid-Phase-Methode ersetzt. Eine weitere Möglichkeit der Trennung von gebundenen und ungebundenen Tracer-Molekülen besteht in einer Auftrennung des Reaktionsgemischs mittels Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie oder Kapillarelektrophorese. Es verfolgt dann die getrennte Detektion beider Komponenten (Prä-Column-Immunoassay). HPLC-Methoden sind anderseits geeignet, eine Vorreinigung und Konzentration des Analyten vor dem Immunoassay durchzuführen (z. B. bei Spurenanalyten, Entfernung von Metaboliten bzw. kreuzreagierenden Substanzen – Post-Column-Immunoassay).
Einsatzgebiet
Bestimmung von Antigenen und Antikörpern, selten von Haptenen.
Untersuchungsmaterial
Serum (Plasma), Urin, Liquor und andere Körperflüssigkeiten.
Instrumentalisierung
Geräte mit hohem Automatisierungsgrad und manuelle Abarbeitung sind möglich. Entsprechend dem Selektionsverfahren unterscheiden sich die Sensoren für Farbmessungen, Fluoreszenzmessungen, Lumineszenzmessungen oder Messkammern für die Elektrochemilumineszenz. Markierung der Antikörper mit Goldnanopartikeln führt bei Bestrahlung der Immunkomplexe mit Laserlicht (bei Plasmonresonanzwellenlänge) zu fotothermalen oder fotoakustischen Messsignalen. Weiterhin wurden Smartphone-Bilderauswertungen von Gold-/Silberpräzipitaten zur Quantifizierung herangezogen.
Spezifität – Fehlermöglichkeit
Zu niedrige Ergebnisse werden beim immunochemischen Assay im Ein-Schritt-Verfahren bei Antigenüberschuss (High-Dose-Hook-Effekt = Prozonen-Phänomen) beobachtet. Rheumafaktoren der IgM-Klasse erhöhen das Signal bei der Bestimmung von spezifischem IgM im Sandwich-ELISA, wenn die Probe gleichzeitig spezifisches IgG enthält. Die gleichzeitige Anwesenheit von spezifischen IgM und spezifischen IgG kann durch Konkurrenz der Antikörper das IgM-Ergebnis vermindern. Beim Nachweis von Autoantikörpern können falsch positive Reaktionen durch Antikörper gegen Blockierungsproteine (Rinderserumalbumin, Kasein, Gelatine u. a.) auftreten.
Sensitivität
Die Sensitivität der Immunoassays ist in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Nachweisgrenzen ausgewählter Tracer:
Tracer
Nachweisgrenze (Mol/Ansatz)
Enzyme, Farbdetektion
10−16
Enzyme, Fluoreszenzdetektion
2 × 10−18
zeitaufgelöste (zeitverzögerte) Fluoreszenz
10−18
Radioaktivität (125J)
10−18
Chemilumineszenz (direkte Luminogenkopplung)
10−18
Peroxidasen, Lumineszenzdetektion (Luminol)
6 × 10−19
Alkalische Phosphatase, Lumineszenzdetektion (Chemilumineszenz) mit AM PP D = Dinatriumsalz des 3-(2′-Spiroadamantyl)-4-Methoxy-4-(3″-phosphoryloxy)-Phenyl-1,2-Dioxetans
10−20
Acetatkinase/Luciferase/Luciferin (nach Ito et al. 2003)
10−20
Weitere Erhöhungen der Empfindlichkeit sind mit der Immuno-PCR möglich.
Praktikabilität – Automatisierung – Kosten
Neben der manuellen Bearbeitung von Plattentesten mit der Möglichkeit in einzelnen Kavitäten wenige Proben zu bearbeiten und der manuellen Bearbeitung von Röhrchentesten, vor allem für die Chemilumineszenzdetektion, gibt es eine Vielzahl hochautomatisierter Analysensysteme. Antikörper werden neuerdings auch als molekular geprägte Polymere an einer Antigenmatritze geprägt (moleculary imprinted polymer = MIP).
Literatur
Ito K, Nakagawa K, Murakami S, Arakawa H, Maeda M (2003) Highly sensitive simultaneous bioluminescent measurement of acetate kinase and pyruvate phosphate dikinase activities using a firefly luciferase-luciferin reaction and its application to a tandem bioluminescent enzyme immunoassay. Anal Sci 19:105–109CrossRefPubMed
Leng SX, Mc Elhaney JE, Walston JD, Gongxu X, Fedarko NS, Kuchel GA (2008) ELISA and multiplex technologies for cytokine measurement in inflammation and aging research. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 63(8):879–884CrossRefPubMedPubMedCentral
Porstmann T, Porstmann B (1987) Immunologische Arbeitsmethoden, 4. Aufl. Fischer, Jena, S 135–150
Tang Y, Jingwen G, Liu X et al (2017) Ultrasensitive detection of clenbuterol by a covalent imprinted polymer as a biomimetic antibody. Food Chem 228:62–69CrossRefPubMed