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Oktopamin

Verfasst von: A. M. Gressner und O. M. Gressner
Oktopamin
Synonym(e)
Desoxynoradrenalin; β,4-dihydroxyphenethylamin; Norsynephrin
Englischer Begriff
octopamine
Definition
Oktopamin entsteht intrazerebral bei hochgradiger Leberinsuffizienz im Rahmen eines alternativen Stoffwechselweges aus Tyrosin bzw. Tyramin und ist als falscher (inaktiver) Neurotransmitter an der Pathogenese der hepatogenen Enzephalopathie und des Coma hepaticum beteiligt.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Die Neurotransmitterhypothese der hepatischen Enzephalopathie geht von komplexen Verschiebungen des Aminosäureprofils im Serum aus, die sich in einer Zunahme der aromatischen Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin und einer Abnahme der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin zeigen (Abb. 1).
Funktion – Pathophysiologie
Das molare Verhältnis der verzweigtkettigen zu den aromatischen Aminosäuren von normalerweise 3–4 ist auf 1 und weniger bei der hepatogenen Enzephalopathie erniedrigt. Dadurch kommt es zu einer vermehrten Aufnahme der aromatischen Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan durch die Blut-Hirn-Schranke und konsekutiv zu einer erhöhten intrazerebralen Tryptophan-, Phenylalanin- und Tyrosinkonzentration. Phenylalanin bewirkt eine kompetitive Hemmung der Tyrosin-3-Monoxygenase, des Schrittmacherenzyms der physiologischen Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Es kommt zu einer starken Erhöhung von Tyrosin, das durch eine Decarboxylase zum Tyramin decarboxyliert und durch eine Dopamin-β-Monoxygenase zum Oktopamin hydroxyliert wird (Abb. 1). Dieses Amin wird in Kompetition mit Dopamin und Noradrenalin in die zentralen Nervenendigungen aufgenommen, gespeichert und durch Depolarisationsreize freigesetzt, entfaltet jedoch postsynaptisch nur etwa 1/50 der sympathomimetischen Wirkung von Noradrenalin. Die kompetitive Verdrängung der physiologischen Neurotransmitter von den synaptischen Nervenendigungen durch Oktopamin und die Synthesehemmung von Dopamin und Noradrenalin führen zu einer starken Beeinträchtigung der synaptischen Erregungsübertragung.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Serum, Heparin-Plasma, Liquor, Urin.
Präanalytik
Eisgekühlte Abnahme, Lagerung bei −20 °C.
Analytik
Referenzbereich – Erwachsene
Im venösen Blut: Abhängig von der Bestimmungsmethode, Richtwert <1,0 μg/L.
Indikation
Diagnose, Verlaufskontrolle und Abschätzung des Schweregrades der hepatischen Enzephalopathie (Coma hepaticum).
Interpretation
Die Oktopaminkonzentrationen im Serum reflektieren den Schweregrad der hepatischen Enzephalopathie zuverlässiger als die Oktopaminausscheidung im Urin.
Diagnostische Wertigkeit
Das Ausmaß der Konzentrationserhöhung im Serum und Liquor korreliert eng mit dem neurophysiologischen und klinischen Stadium (I–IV) der Enzephalopathie. Mäßige Oktopaminanstiege finden sich auch bei Urämie. Oktopamin ist ein Bestandteil einiger Nahrungsergänzungsmittel.
Literatur
Mousseau DD, Butterworth RF (1995) Trace amines in hepatic encephalopathy. Prog Brain Res 106:277–284CrossRefPubMed
Schellinger PD, Hartmann MK, Klingmann C et al (2003) Hepatische Enzephalopathie. Nervenarzt 74:1078–1087CrossRefPubMed