Prothrombin ist das in das Blut abgegebene Proenzym der trypsinähnlichen Serinprotease Thrombin, dem zentralen Enzym der plasmatischen Gerinnung.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Prothrombin (Molmasse: ca. 70 kDa) wird als ein 582 Aminosäuren langes einkettiges, glykosyliertes Vorläuferprotein synthetisiert. An die N-terminale A-Region, deren erste 10 peptidisch gebundene Glutaminsäuren durch Vitamin-K-abhängige γ-Carboxylierung in γ-Carboxyglutaminsäurereste umgewandelt werden (Gla-Domäne), schließen sich 2 Kringel-Domänen an, an die sich die C-terminale B-Region anschließt, das das katalytische Zentrum enthält.
Aktivierter Gerinnungsfaktor X (F10a) aktiviert über limitierte Proteolyse (Arg320) den F2 zu Meizothrombin und spaltet an Arg271 das Fragment F1.2 (enthaltend die Gla-Domäne und die beiden Kringel) ab, wodurch α-Thrombin (36 Reste lange A- und 259 Reste lange B-Kette, kovalent über eine Disulfidbrücke verbunden) gebildet wird. Auch Kallikrein, neben F12a ein wichtiger Auslöser des intrinsischen (Kontaktphasen = altered matrix) Gerinnungswegs, kann geringe Mengen von Prothrombin in Thrombin umwandeln, das dann F5a und F8a bildet.
Das für Prothrombin kodierende Gen ist auf Chromosom 11p11 lokalisiert. Prothrombin wird in Hepatozyten synthetisiert. Die für die Gerinnung nötige Bindungsfähigkeit von Ca2+ wird durch posttranslationale Vitamin-K-abhängige γ-Carboxylierung von Glutaminsäureresten des N-Terminus (Gla-Domäne) des F2 erreicht. F2 bindet in Gegenwart von Ca2+ an negativ geladene Phospholipidmembranen und bildet mit F10a und F5a den Prothrombinasekomplex. Der Prothrombinasekomplex, dessen katalytische Aktivität der F10a ist, aktiviert F2 zu aktivem α-Thrombin (F2a) durch limitierte Proteolyse. Die Bildung des Komplexes an prokoagulatorische Membranen führt zu einer lokalen Begrenzung des aktiven α-Thrombins; allerdings ist diese lokale Begrenzung nicht 100 %ig, sodass systemisch zirkulierendes Thrombin (insbesondere transportiert im α2-Makroglobulin) auch bei Gesunden (als Biomarker für die In-vivo-Thrombingenerierung) quantifiziert werden kann.
Die mittlere Halbwertszeit von Prothrombin in der Zirkulation beträgt ca. 57 h; damit hat F2 die längste Halbwertszeit der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren.
Funktion – Pathophysiologie
Unter Vitamin-K-Mangel werden auch die in der Leber gespeicherten Vorstufen des Prothrombinkomplexes (PPBS = F2, F7, F9, F10) und PC, PS in inaktiver Form, in die Zirkulation abgegeben. Diese Vorstufen (PIVKA, „proteins induced by vitamine k absence“) werden auch Acarboxyproteine genannt. Die Acarboxyformen der Proteasen F7a, F9a, F10a, PCa haben noch amidolytische Aktivität gegenüber chromogenen Substraten, aber kaum noch proteinolytische Aktivität.
Hypoprothrombinämien können erworben oder angeboren sein. Angeborener F2-Mangel ist sehr selten und wird wahrscheinlich autosomal rezessiv vererbt. Neben zu geringen Mengen an F2 kommen auch strukturell defekte Faktoren (Dysprothrombine) vor, die mit einer eingeschränkten Thrombin-Aktivität gegenüber Fibrinogen einhergehen oder eine reduzierte Bildung von Thrombin aufweisen. Erniedrigte Plasmakonzentrationen können zusammen mit anderen Vitamin-K-abhängigen Faktoren auch Folge einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten, Leberfunktionsstörungen oder eines alimentären Vitamin-K-Mangels sein. Synthesestörung des F2 oder Verbrauch von F2 gibt es bei Asparaginasetherapie. Antikörper gegen das Phospholipid-bindende Prothrombin treten bei einem Lupus-Antikoagulans auf. Eine Punktmutation (G20210A) führt zu erhöhter Prothrombinkonzentration im Plasma und zu einem 2- bis 5-fach erhöhten Thromboserisiko bei heterozygoten Individuen.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Citratplasma; maximale Standzeit der Plasmen 2 h bei Raumtemperatur. Im völlig durchgeronnenen Serum befinden sich weniger als 4 % an F2.
Analytik
Varianten des Quicktests.
Referenzbereich
Citratplasma. Die normale, individuelle Plasmakonzentration wird mit 70–120 % der Norm angegeben. Unter Ovulationshemmern und während der frühen Schwangerschaftswochen finden sich leichte Anstiege des Faktors im Plasma. Im Alter nimmt die Plasmakonzentration von Prothrombin nicht zu (Gerinnungsfaktoren).
Referenzbereich – Kinder
Die gemessenen Spiegel des reifen Neugeborenen erreichen im Mittel nur 44 % der Norm (24–64 %).
Indikation
Abklärung eines unerklärlichen Quickwertes, V. a. einen singulären oder kombinierten Faktorenmangel bei Blutungsleiden. Zum Nachweis eines Antikörpers gegen Prothrombin (Lupus-Antikoagulans) und zur Diagnose erhöhter Prothrombinkonzentrationen.
Interpretation
Erst bei Aktivitäten unter 25 % muss von einer erhöhten Blutungsneigung ausgegangen werden, die bei Verletzungen oder bei Operationen zu Blutungskomplikationen führen können. Aktivitäten von 15–25 % liegen im therapeutischen Bereich der Cumarintherapie. Aktivitäten unter 10 % können zu lebensbedrohlichen Spontanblutungen führen. F2-Spiegel zwischen 25–50 % finden sich in der Anfangsphase einer Behandlung mit Cumarinen, bei ausgeprägter Einschränkung der Leberfunktion oder bei der disseminierten intravasalen Gerinnung (consumption coagulopathy = PIC-2).
Literatur
Jenny NS, Mann KG (2001) Thrombin. In: Colman RW, Hirsh J, Marder VJ et al (Hrsg) Hemostasis and thrombosis. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, S 171–189