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Säuglingsbilirubin

Verfasst von: A. M. Gressner und O. A. Gressner
Säuglingsbilirubin
Synonym(e)
Neonatales Serumbilirubin
Englischer Begriff
neonatal bilirubin
Definition
Es handelt sich um ein transient auftretendes, unkonjugiertes (somit prähepatisches) Bilirubin bei Frühgeborenen und reifen Neugeborenen, dessen Konzentration im Serum 3–5 Tage post partum maximal ist.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Im Rahmen des physiologischen Neugeborenenikterus (Ikterus neonatorum), der sich vom 2.–3. Lebenstag an entwickelt, kommt es zu einer Zunahme der unkonjugierten Bilirubinfraktion im Blut, der folgende Pathogenese zugrunde liegt (s. Abbildung):
  • 2- bis 3-fach gesteigerte Bilirubinproduktion durch kürzere Lebensdauer und höheren Hämoglobingehalt fetaler Erythrozyten
  • Etwa 2-fach erhöhter Bilirubinanfall aus nicht erythrozytären Quellen und aus ineffektiver Erythropoese (Destruktion erythrozytärer Vorstufen; Erythropoese, ineffektive)
  • Reduzierte Aufnahme in Hepatozyten durch relative Verminderung der zytosolischen Bilirubin-bindenden Proteine Ligandin und Z Protein
  • Verminderte Aktivität der UDP-Glukuronyltransferase in der Neonatenleber und damit reduzierte biliäre Exkretion
Die folgende Abbildung zeigt den zeitlichen Verlauf der medianen Konzentrationen von Bilirubin im Serum Reifgeborener (NG) und Frühgeborener (FG):
Funktion – Pathophysiologie
Häufiger als bei Reifgeborenen entwickelt sich bei Frühgeborenen eine pathologische, therapiebedürftige Hyperbilirubinämie mit Anstiegen über 15 mg/dL (Ikterus gravis) (s. Abbildung). Es besteht die Gefahr des Kernikterus (Bilirubinenzephalopathie) aufgrund der Neurotoxizität des lipophilen Bilirubins. Risikofaktoren für eine verstärkte Hyperbilirubinämie sind:
  • Positive Familienanamnese
  • Ausgeprägter postnataler Gewichtsverlust
  • AB0-Konstellation
  • Hämatome (große Kephal-Subgalealhämatome, Nebennierenblutungen)
  • Sphäro- oder Elliptozytose
  • Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (insbesondere in Verbindung mit Morbus Gilbert-Meulengracht) und andere, mit Hämolyse assoziierte Enzymdefekte, die sich nicht in einem positiven Coombstest widerspiegeln
Bei der Mehrzahl der Kinder mit Kernikterus steht das Auftreten der schweren Hyperbilirubinämie nicht mit einem routinemäßig erfassbaren Risikofaktor in Zusammenhang.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Präanalytik
Lichtgeschützte Probenverwahrung notwendig wegen Photosensibilität des Analyten (Probenstabilität).
Analytik
  • Transkutane (nicht invasive) Bilirubinometrie, bei der reflexionsphotometrisch die Gelbfärbung der Haut gemessen wird.
  • Direkte quantitative spektrometrische Bestimmung des Bilirubins im Neugeborenenserum bei 455 nm (nahe dem Absorptionsmaximum) mit einem direkt lesenden Bilirubinometer. Die spektrale Interferenz von Hämoglobin bei 455 nm wird subtrahiert durch zusätzliche Messung der Absorption bei 575 nm, bei der Oxyhämoglobin die gleiche Absorption wie bei 455 nm aufweist. Voraussetzung für die Anwendung der Methode ist die Abwesenheit von Lipochromen wie Karotin und Xanthophyllester, was während der ersten 2–3 Lebenswochen gewährleistet ist. Bei Konzentrationen über 18 mg/dL (>300 μmol/L) sollte mit einer chemischen Methode Bilirubin bestimmt werden.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
Referenzbereich – Kinder
Alter
Termingerechte Geburten
 
(μmol/L)
(mg/dL)
(μmol/L)
(mg/dL)
24 Stunden
17–136
1–8
34–102
2–6
48 Stunden
102–205
6–12
102–171
6–10
3–5 Tage
171–240
10–14
68–136
4–8
Säuglinge >1 Monat haben Erwachsenenkonzentrationen.
Interpretation
Ein pathologischer Neugeborenenikterus liegt vor bei:
  • Klinisch sichtbarer Ikterus schon am 1. Tag
  • Bilirubinanstieg um mehr als 5 mg/dL pro Tag
  • Hyperbilirubinämie über 13 mg/dL bei Reifgeborenen in den ersten 5 Tagen
  • Eine direkte (konjugierte) Bilirubinkonzentration über 1,5 mg/dL
  • Persistierender Ikterus, der länger als 1 Woche bei Reifgeborenen oder länger als 2 Wochen bei Frühgeborenen dauert.
Ursachen können neben einem verstärkten physiologischen Ikterus neonatorum ein Morbus haemolyticus neonatorum, korpuskuläre hämolytische Anämie (Sphärozytose), kongenitale Hypothyreose, Abbau extravasaler Blutmassen (z. B. bei Kephalhämatom) oder das Crigler-Najjar-Syndrom (UDP-Glukuronyltransferasemangel) sein.
Literatur
Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin Leitlinie Nr. 024/007 vom 21.11.2003: Hyperbilirubinämie – Diagnostik und Therapie bei reifen gesunden Neugeborenen. AWMF on line: www.​uni-duesseldorf.​de/​WWW/​AWMF/​11/​pneon-07.​htm