Die im Verlauf der mitochondrialen β-Oxidation aus dem trifunktionellen Protein freigesetzten mittelkettigen Fettsäuren werden durch die mittelkettige Acyl-CoA-Dehydrogenase weiter verkürzt und im weiteren Verlauf zu Acetyl-CoA (geradzahlige Fettsäuren) bzw. zu Propionyl-CoA (ungeradzahlige Fettsäuren) abgebaut, die schließlich in den Citratzyklus einfließen.
Bei Defekten der mittelkettigen Acyl-CoA-Dehydrogenase (MCAD) und in geringerem Ausmaß der überlangkettigen Acyl-CoA-Dehydrogenase (VLCAD) werden die mittelkettigen Fettsäuren alternativ durch ω-Oxidation zu mittelkettigen Dicarbonsäuren (Adipinsäure, Suberinsäure, Sebacinsäure) abgebaut. Diese werden entweder in freier Form oder als Glyzinkonjugate (Hexanoylglycin, Suberylglycin) im Urin ausgeschieden.
Funktion – Pathophysiologie
Sebacinsäure hat keine bekannte Funktion im Intermediärstoffwechsel. Untersuchungen zur individuellen Toxizität der durch ω-Oxidation entstandenen Dicarbonsäuren (Adipinsäure, Suberinsäure, Sebacinsäure) liegen erst in Ansätzen vor. In der Summe hemmen diese pathologischen Metabolite und/oder ihre Konjugate den mitochondrialen Energiestoffwechsel.
Hypoketotische Hypoglykämien, rezidivierende Hepatopathien und Enzephalopathien, insbesondere Reye-Syndrom, Myopathien, Rhabdomyolyse.
Interpretation
Erhöhte Sebacinsäure-Ausscheidungen im Urin werden bei zahlreichen genetischen und sekundären Störungen der Fettsäureoxidation beobachtet. Entscheidend für die Beurteilung ist zuerst die Kenntnis des aktuellen Ernährungsstatus und -modus sowie des Abstandes von der letzten Nahrungsaufnahme. Die Differenzierung erfordert ferner Kenntnisse über die Konzentrationen anderer Fettsäureoxidationsprodukte. Die Sebacinsäure findet sich zusammen mit Adipinsäure und Suberinsäure als führender Metabolit beim MCAD-Mangel. Bei Ketosen und Formulanahrung auf der Basis von mittelkettigen Triglyzeriden (Alfaré) tritt Sebacinsäure auch bei Normalpersonen vermehrt auf.
Diagnostische Wertigkeit
Stark erhöhte Urinausscheidungen von Sebacinsäure weisen auf eine gestörte Fettsäureoxidation hin. Die weitere Differenzierung erfordert Kenntnisse über die individuelle Stoffwechselsituation des Patienten, die Konzentrationen weiterer Metabolite und schließlich eine enzymatische oder molekularbiologische Bestätigungsdiagnostik.
Literatur
Blau N, Duran M, Gibson KM, Dionisi-Vici C (Hrsg) (2014) Physician’s guide to the diagnosis, treatment, and follow-up of inherited metabolic diseases. Springer, Berlin/Heidelberg