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Triiodthyronin, freies

Verfasst von: W. Hubl
Triiodthyronin, freies
Synonym(e)
FT3; Liothyronin; T3, freies
Englischer Begriff
triiodothyronine; liothyronine
Definition
Das freie Triiodthyronin wird in der Schilddrüse gebildet und gehört zu den lebenswichtigen Hormonen, da es gemeinsam mit dem freien Thyroxin den Stoffwechsel nahezu sämtlicher Körperorgane reguliert. Auf zellulärer Ebene steigern sie den Sauerstoffverbrauch und die Wärmeproduktion. Sie zeichnen für die geistige und körperliche Entwicklung und das Wachstum des gesamten Organismus verantwortlich.
Struktur
0-(4-Hydroxy-3-Iodophenyl)-3,5-Diiodo-L-tyrosin, C15H12I3NO4.
Molmasse
651,0 g.
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Biosynthese: Das mit der Nahrung aufgenommene Iod wird im Dünndarm als Iodid resorbiert. Über die Blutbahn gelangt das Iodid in die Schilddrüse. Dieser Iodidtransport in die Schilddrüse kann durch hochdosierte Iodapplikationen gehemmt werden (Wolff-Chaikoff-Effekt). Zum anderen kann dieser Iodidtransport auch kompetitiv im Rahmen der Therapie durch Perchlorat gehemmt werden.
In der Schilddrüse wird das Iodid mithilfe der Schilddrüsenperoxidase (TPO) und H2O2 oxidiert und in Tyrosylreste des Thyreoglobulins (Thyreoglobulin) eingebaut.
Es entstehen inaktive Hormonvorläufer, das 3-Monoiodtyrosin und das 3,5-Diiodtyrosin. Durch Kopplung dieser beiden Substanzen über eine oxidative Kondensation entstehen die Schilddrüsenhormone Thyroxin (Tertaiodthyronin, T4) und das Triiodthyronin (T3). Während das T4 komplett in der Schilddrüse synthetisiert wird, kommt das T3 nur zu 20 % aus der Schilddrüse und ca. 80 % werden in extraglanduären Geweben durch enzymatische Abspaltung eines Iodatoms gebildet.
Die Schilddrüse ist in der Lage, Schilddrüsenhormone als Anpassung an eine unregelmäßige Iodaufnahme bis zu 2 Monate zu speichern.
Transport: Die Schilddrüsenhormone werden in das Blut abgegeben und unmittelbar an folgende Transportproteine mit abfallender Affinität gebunden: Thyroxin-bindendes Globulin (TBG), Albumin und in geringem Maße das High Density Lipoprotein. Nur 0,3 % des T3 liegt in freier, ungebundener Form vor. Dieser freie Anteil ist biologisch aktiv und korreliert deshalb deutlich besser mit der aktuellen Stoffwechsellage als die Gesamtkonzentrationen.
Durch die Proteinbindung der Schilddrüsenhormone wird eine rasche Ausscheidung verhindert.
Metabolismus: Im Rahmen des Stoffwechsels in den Zellen wird von 30 % des T4-Anteils ein Iodatom abgespalten (Monodeiodierung), und es entsteht daraus T3. Daneben wird durch eine spezielle Monodeiodierung an der Position 5 des inneren T4-Ringes ein Iodatom abgespalten, wodurch das sogenannte reverse T3 (rT3) entsteht, das biologisch inaktiv ist. Durch weitere Abspaltungen von Iodatomen entstehen schließlich iodfreie Thyroninkerne.
Die einzelnen Monodeiodierungen benötigen verschiedene Deiodinasen. Das Isoenzym I aus der Leber und der Niere bewirkt die Konversion des T4 zum T3. Diese Deiodase wird durch die Schilddrüsenhornmone, durch Selen und TSH stimuliert, und gehemmt durch Fasten, schwere Erkrankungen sowie Zytokine.
Die Typ-II–Deiodase bildet T3 in der Hypophyse, im Zentralnervensystem, der Plazenta und im Fettgewebe, Typ III kommt im ZNS vor.
Ein anderer Stoffwechselweg (20 % der Schilddrüsenhormone) ist die Konjugation von T4 und T3 mit Glukuronat und Sulfat in der Leber. Diese Konjugate werden über die Galle ausgeschieden oder weiter deiodiert.
Halbwertszeit
Das T3 ist im Blut an Transportproteine gebunden. Hierdurch beträgt die Halbwertszeit 19 Stunden. Für das freie T3 liegen keine verlässlichen Angaben vor.
Funktion – Pathophysiologie
Die Schilddrüsenhormone besitzen aufgrund ihrer zahlreichen Wirkungen auf zentrale Stoffwechselvorgänge eine herausragende Bedeutung:
  • Die Schilddrüsenhormone zeichnen für ein normales Wachstum verantwortlich. Bereits in der Fetalzeit kann eine Unterfunktion der Schilddrüse zu einer verminderten Gehirnreifung führen, die bei unbehandeltem Schilddrüsenhormonmangel in der Neugeborenenphase einen irreversiblen Kretinismus entwickeln kann.
  • Umgekehrt führt ein Überangebot an Schilddrüsenhormonen in der Neugeborenenphase zu einem verstärktem Wachstum mit einem verspäteten Schluss der Epiphysenfugen.
  • Innerhalb des Kohlenhydratstoffwechsels bewirken Schilddrüsenhormone sowohl eine Steigerung der Glukoneogenese als auch einen gesteigerten Kohlenhydratabbau. Zum anderen ziehen Schilddrüsenhormone einen ansteigenden Insulinbedarf nach sich.
  • Im Fettstoffwechsel führen erhöhte Schilddrüsenhormone zu einem beschleunigten Abbau von Speicherfetten und einem Cholesterinabfall.
  • Erhöhte Schilddrüsenhormonwerte bewirken im Proteinstoffwechsel einen verstärkten Proteinabbau.
  • Im Knochenstoffwechsel spielen Schilddrüsenhormone für eine normale Skelettreifung eine primäre Rolle. Eine Unterfunktion der Schilddrüse bewirkt eine verzögerte Skelettreifung.
  • Am Herzmuskel bewirken die Schilddrüsenhormone eine Steigerung der Kontraktilität des Myokards, ein erhöhtes Schlagvolumen mit einer erhöhten Schlagfrequenz. Im Rahmen der Schilddrüsenüberfunktion können sich Extrasystolen, Vorhofflimmern und Angina pectoris entwickeln.
  • Abnorme Schilddrüsenhormonkonzentrationen können zu Gonadenfunktionsstörungen führen.
  • Im zentralen Nervensystem können abnormale Schilddrüsenhormonwerte zu Veränderungen der Sehnenreflexe führen.
  • Die Angriffspunkte für die Wirkungen der Schilddrüsenhormone liegen: im Zellkern mit 2 funktionellen T3-Rezeptoren, hTR-α und hTR-β, an den Mitochondrien und an der Zellmembran.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Probenstabilität
Blut, Serum, Plasma: 20–25 °C 1 Tag; Serum, Plasma: 4–8 °C 14 Tage, −20 °C 3 Monate.
Präanalytik
Triiodthyronin, freies ggf. erhöht unter: Schilddrüsenhormonen, Salicylaten, Phenylbutazon, Diclofenac, Furosemid, erhöhten Konzentrationen an Transportproteinen; erniedrigt unter: Thyreostatika, Glukokortikoide, Amiodaron, Propranolol.
Analytik
Konventionelle Einheit
ng/L.
Internationale Einheit
pmol/L.
Umrechnungsfaktor zw. konv. u. int. Einheit
ng/L × 1,536 = pmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene
2,5–5,2 pmol/L FT3.
Referenzbereich – Kinder
Referenzbereich Säuglinge und Kleinkinder:
Alter
Triiodthyronin, freies (FT3) (pmol/L)
Neugeboren (Nabelschnurblut)
1,6–3,2
1. + 2. Tag
5,2–14,3
3.–30. Tag
4,3–10,6
1.–12. Monat
5,1–10,0
Referenzbereich Kinder (KIGGS-Studie):
Alter
Triiodthyronin, freies (FT3) (pmol/L)
Jungen
Mädchen
4 Jahre
4,9–7,5
5,1–7,7
5 Jahre
4,9–7,5
5,1–7,7
6 Jahre
4,9–7,5
5,1–7,7
7 Jahre
4,9–7,7
5,1–7,7
8 Jahre
4,9–7,5
4,9–7,7
9 Jahre
4,9–7,5
4,9–7,7
10 Jahre
4,9–7,5
4,9–7,7
11 Jahre
4,9–7,5
4,9–7,7
12 Jahre
5,0–7,7
4,8–7,5
13 Jahre
5,1–7,8
4,6–7,2
14 Jahre
5,1–7,8
4,3–6,9
15 Jahre
5,1–7,8
4,1–6,6
16 Jahre
4,9–7,5
4,0–6,5
17 Jahre
4,8–7,4
4,0–6,5
Indikation
  • Nachweis einer manifesten, primären Hyperthyreose
  • Nachweis einer isolierten T3-Hyperthyreose
  • Verdacht auf Low-T3-Syndrom
  • Nachweis einer Hyperthyreose unter Amiodarontherapie
Interpretation
Befundinterpretation:
TSH
FT4
FT3
 
n
  
Ausschluss einer Schilddrüsenfunktionsstörung
+
+
Manifeste primäre Hyperthyreose
+
–, n, +
Manifeste primäre Hypothyreose
+
  
Neugeborenen-Screening auf angeborene Hypothyreose (TSH <50 mIU/L)
n = normal; + erhöht ; − erniedrigt
Weitere Befundkonstellationen s. Tab. 1
Tab. 1
Weitere Befundkonstellationen
TSH
FT4
FT3
Mögliche Ursache
Aktivitäten
+
n
n
1. Subklinische Hypothyreose
2. Thyroxintherapie: Dosis zu niedrig oder mangelnde Compliance
3. Persistierende TSH-Erhöhung in den ersten 6–8 Wochen der Thyroxintherapie bei Hypothyreose
4. HAMA-Störung
1. Schilddrüsenantikörper: +?
2. T4-Dosis erhöhen bzw. Compliance verbessern
3. TSH-Wiederholungsmessung nach 2–4 Wochen
4. Anderen TSH-Testkit wählen (ohne HAMA-Störung)
+
+
+
TSH-produzierendes Hypophysenadenom
Hypophysenuntersuchung mit bildgebenden Verfahren, TRH-Test
n
+
+
1. Thyroxintherapie
2. Antikörperinterferenzen: T4- bzw. T3-Antikörper, Rheumafaktor
1. Therapiekontrolle mit TSH
2. T4- bzw. T3-AK-Bestimmung
n
1. Zentrale Hypothyreose (Hypophyseninsuffizienz)
2. Verringerte Bioaktivität des TSH
3. Schwangerschaft: 2. und 3. Trimester
1. Bildgebende Untersuchung
2. TRH-Test (TSH-Anstieg <200 %)
3. Verwendung schwangerschaftsspezifischer Referenzwerte
n
n
1. Subklinische Hyperthyreose
2. In den ersten 2–3 Monaten nach Therapiebeginn der Hyperthyreose
3. Medikamentenstörung: Glukokortikoide, Dopamin
1. Bildgebende Verfahren: Autonomie?
2. Verwendung von FT4 und FT3 zur Therapiekontrolle
3. Absetzen der Medikamente, wenn möglich
+
Überdosierung mit T3-haltigen Medikamenten (T3-Thyreotoxikose)
Dosisanpassung mit TSH-Kontrolle
n = normal; + erhöht ; − erniedrigt
Diagnostische Wertigkeit
  • FT3 besitzt eine hohe klinische Relevanz zum Nachweis einer isolierten T3-Hyperthyreose mit FT4-Werten im Referenzbereich.
  • Im Vergleich zur Gesamt-T3-Bestimmung liefern FT3-Befunde bei Patienten mit pathologisch veränderten Konzentrationen der Transportproteine (TBG etc.) deutlich höhere diagnostische Sensitivitäten.
  • Durch die frühere Konzentrationsveränderung im Vergleich zum FT4 dient die FT3-Bestimmung zur Frühdiagnostik der Hyperthyreose (gemeinsam mit TSH) einerseits sowie des Low-T3-Syndroms andererseits.
Literatur
Demers LM, Spencer CA (2002) National Academy of Clinical Biochemistry, Washington (NACB) – Laboratory Medicine Practice Guidelines (LMPG) – Laboratory Support for the Diagnosis and Monitoring of Thyroid Disease. AACC Press, Washington, DC. http://​www.​nacb.​org/​
Lehnert H (Hrsg) (2003) Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, 2. Aufl. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York