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Überlangkettige Fettsäuren

Verfasst von: T. Arndt
Überlangkettige Fettsäuren
Synonym(e)
Ultralangkettige Fettsäuren; VLCFA
Englischer Begriff
very long-chain fatty acids
Definition
Gesättigte Fettsäuren mit C-Atomen ≥22.
Struktur
Behensäure (syn. C22:0; C22H44O2, 340,588 g/mol), Lignocerinsäure (syn. C24:0; C24H48O2, 368,634 g/mol), Cerotinsäure (syn. C26:0; C26H52O2, 396,70 g/mol), Phytansäure (C20H40O2, 312,538 g/mol), Pristansäure (C19H38O2, 298,511 g/mol).
Strukturformeln:
https://media.springernature.com/b30/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-49054-9_3153-1/MediaObjects/77759_0_De_3153-1_Figa_HTML.gif?as=jpg&s=1
Synthese – Verteilung – Abbau – Elimination
Überlangkettige Fettsäuren kommen physiologisch im Plasma in geringen Konzentrationen vor. Sie werden gewöhnlich in den Peroxisomen, d. h. membranhaltigen, zytosolischen Zellorganellen mit entsprechender Enzymausstattung, durch β-Oxidation abgebaut. Peroxisomen haben daneben eine wichtige Funktion für die Synthese von Lipiden der Myelinscheide von Neuronen.
Störungen in der Biogenese und/oder der Funktion der Peroxisomen sind gewöhnlich genetisch bedingt und führen häufig schon im Kindesalter zu ausgeprägten morphologischen, funktionalen, neurologischen und intellektuellen Auffälligkeiten. Genetische Störungen eines an der β-Oxidation beteiligten Enzyms führen zu abnormalen Verteilungsmustern von überlangkettigen Fettsäuren und/oder der Phytan- und Pristansäure im Blut.
Halbwertszeit
Unbekannt.
Untersuchungsmaterial – Entnahmebedingungen
Bevorzugt EDTA-Blut innerhalb 1 Stunde nach Entnahme zentrifugieren, Serum oder Plasma abtrennen, einfrieren. Wenn möglich gefrorener Versand, insbesondere wenn der Probenversand länger als 2 Tage dauert. Hämolyse, Lipämie und ketogene Diät (fettreich) können die Analytik stören.
Probenstabilität
Raumtemperatur mehrere Tage, gefroren 2 Jahre (Wanders und Duran 2008).
Präanalytik
Wenn möglich Blutnahme vor dem Frühstück nach einer 12-stündigen, nächtlichen Nahrungskarenz.
Analytik
GC-MS, LC-MS(MS) mit deuterierten internen Standards.
Konventionelle und internationale Einheit
μmol/L.
Referenzbereich – Erwachsene und Kinder
Für die überlangkettigen Fettsäuren altersunabhängig, Phytan- und Pristansäure im Alter unter 2 Jahren stärker ernährungsabhängig.
Referenzbereich von 157 Gesunden (Wanders und Duran 2008):
Fettsäure bzw. Fettsäurequotient
Median [μmol/L]
5–95 % KI [μmol/L]
C22:0 (Behensäure)
75
40–119
56
33–84
0,79
o,45–1,32
C24/C22
0,75
0,57–0,92
C26/C22
0,01
0,01–0,02
 
Obere Grenze Referenzbereich ≥2 Jahre
10 μmol/L
Pristansäure
3 μmol/L
Indikation
Verdacht auf eine peroxisomale Stoffwechselstörung, insbesondere:
  • X-linked Adrenoleukodystrophie (ALD, juvenile Form))
  • Neonatale Adrenoleukodystrophie (NALD)
  • Adrenomyeloneuropathie (AMN, adulte Form)
  • Zellweger-Syndrom
  • M. Refsum
  • Rhizomele Chondrodysplasia punctata (RCDP)
Interpretation
Bei erhöhten C26:0-Werten ist abzuklären, ob diese primärer (peroxisomale Stoffwechselerkrankung) oder sekundärer (Lebererkrankungen) Natur sind. Die finale Abklärung erfolgt über Anamnese, Enzymtests in Fibroplasten und/oder Gentests.
Phytansäure ist erhöht bei M. Refsum oder rhizomeler Chondrodysplasia punctata (RCDP), moderat erhöhte Werte von 15–25 μmol/L ohne pathognomonische Bedeutung wurden beschrieben.
Die Interpretation der Ausscheidungsmuster erfordert eine ausgeprägte Expertise unter Einbeziehung möglichst vieler Informationen zur Anamnese, Peroxisomen- und Leberfunktion. Zu Details s. Wanders und Duran 2008.
Diagnostische Wertigkeit
Es handelt sich um ein gezieltes Vorscreening auf peroxisomale Stoffwechselstörungen. Die finale Diagnose erfolgt heute gewöhnlich über enzymatische und genetische Untersuchungen.
Literatur
Moser HW, Moser AB, Frayer KK et al (1981) Adrenoleukodystrophy: increased plasma content of saturated very long chain fatty acids. Neurology 3:542–549
Wanders RJA, Duran M (2008) Very long-chain fatty acids and phytanic acid. In: Blau N, Duran M, Gibson KM (Hrsg) Laboratory guide to the methods in biochemical genetics. Springer, Berlin/Heidelberg, S 221–233CrossRef