Erkrankungen
Varizellen (Windpocken) und Herpes zoster (Gürtelrose). Die Viren werden durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion von Mensch zu Mensch übertragen. VZV gelten als besonders kontagiös („Windpocken“), deshalb ist die natürliche Durchseuchung sehr hoch (bei 20-Jährigen 80–90 %). In Deutschland infizieren sich jedes Jahr 700.000 Menschen.
Bei der Erstinfektion mit VZV kommt es zu einer Replikation der Viren in den regionalen Lymphknoten, und nach 4–6 Tagen zu einer ersten Virämie. Eine zweite virämische Phase leitet das Prodromalstadium ein, mit unspezifischen Symptomen wie
Kopfschmerzen,
Fieber und Abgeschlagenheit. Durch Befall der Haut und Schleimhäute kommt es anschließend zu einem schubweise auftretenden Exanthem (makulös, papulös, vesikulös, verkrustet; typisch ist das Vorliegen aller Stadien nebeneinander, im Gegensatz zu den Pocken mit gleichförmigen Effloreszenzen). Vielfältige Komplikationen:
Die Komplikationsrate ist besonders hoch bei Kindern ≤1 Jahr, sie sinkt im Kleinkindalter ab und steigt mit dem vierten Lebensjahr wieder an. Für abwehrgeschwächte Patienten können Varizellen lebensbedrohlich sein. Die Therapie erfolgt bei leichten Verläufen symptomatisch, bei Bedarf auch mit Virostatika.
Infizieren sich seronegative Frauen (
Prävalenz um 5 % in Europa) in den ersten 20 Schwangerschaftswochen (SSW), kommt es bei 2 % der Kinder dieser Frauen (600 Fälle pro Jahr in Deutschland!) zu einem fetalen (kongenitalen) Varizellen-Syndrom, mit Mikrozephalie,
Katarakt, Mikrophthalmie, Chorioretinitis, Hypoplasie der Extremitäten, Hautdefekten, Fehlbildungen des Intestinal- und Urogenitaltrakts sowie Skelett- und Muskelhypoplasien.
Konnatale (neonatale) Varizellen entwickeln das Neugeborene in den ersten 2 Lebenswochen, wenn die Mutter innerhalb der letzten 3 SSW an Varizellen erkrankt war. Die Erkrankung wird durch fehlende mütterliche
Antikörper sowie ein unreifes Immunsystem des Neugeborenen begünstigt. Unbehandelt besteht eine Letalität von bis zu 30 %. In Deutschland ist jährlich mit etwa 40–90 Fällen konnataler Varizellen zu rechnen.
Postnatale Varizellen treten nach dem 12. Lebenstag auf. Während bei reifgeborenen Kindern meist keine Komplikationen zu erwarten sind, können sie bei Frühgeborenen in den ersten Lebenswochen einen schweren Verlauf nehmen.
Herpes zoster (Gürtelrose) entsteht durch die Reaktivierung persistierender Viren in den Nervenganglien, mit der Folge einer lokalisierten Neuritis in Verbindung mit typischen Effloreszenzen und Schmerzen im entsprechenden Dermatom (75 % Thoraxbereich). Komplikationen sind Post-Zoster-Neuralgien, Zoster-Meningoenzephalitis und bakterielle Superinfektionen. Bei Immunsupprimierten kann der Zoster langwierig verlaufen und rezidivieren.
Seit 2004 wird in Deutschland von der Ständigen Impfkommission die aktive Immunisierung gegen VZV empfohlen. Der attenuierte Lebendimpfstoff wird einzeln oder als Komponente der Masern-Mumps-Röteln-Varizellen-Impfung verabreicht. Auch Erwachsene mit negativem Serostatus können sich immunisieren lassen, insbesondere Frauen mit
Kinderwunsch. Für die Impfung werden abgeschwächte Wildtypen eingesetzt, und man muss mit gelegentlichen Durchbruchsinfektionen rechnen, die untypische Symptome bieten und milder verlaufen, aber dennoch kontagiös sein können. Sind seronegative Schwangere mit einer Infektionsquelle in Berührung gekommen, sollten sie innerhalb 96 (besser 48) Stunden passiv immunisiert werden. Frauen im gebärfähigen Alter ohne VZV-Immunität sollten nicht in einem Kindergarten arbeiten (Abhilfe: aktive Schutzimpfung vor Beginn einer Schwangerschaft).