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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 28.06.2024

Amputationen im Schulterbereich

Verfasst von: Patrick Schröter und Gunther Hofmann
Amputationen im Schultergürtelbereich stellen ein seltenes, aber mit erheblichen Einschränkungen der Selbstständigkeit vergesellschaftetes Ereignis dar. Neben Veränderungen der Körperstatik sind naturgemäß die Funktionsverluste Gründe für unter Umständen erheblichen Unterstützungsbedarf bei den Aktivitäten des täglichen Lebens. Im Folgenden werden Operationstechniken der inneren und klassischen Amputation im Schulterbereich dargestellt. Neben der subcapitalen Amputationsform und der Exartikulation im Schultergelenk werden auch größere Eingriffe wie die interthoracoscapuläre Amputation, auch als Fourquarter Amputation bezeichnet, detailliert beschrieben. Dabei werden wertvolle Hinweise auf Fallstricke der Operation und Probleme einer möglichen späteren Exoprothesenversorgung gegeben.

Einleitung

Amputationen im Schultergürtelbereich bedingen sowohl durch den Funktionsverlust bei fehlender Extremität als auch durch die ausgeprägten Veränderungen des Haltungs- und Bewegungsapparates des Rumpfes erhebliche Einschränkungen für den Betroffenen. Es droht in vielen Fällen der Verlust der Selbstständigkeit.
Diese Amputationsformen sind erfreulicherweise ein sehr seltenes Ereignis. Das Statistische Bundesamt berichtet im Jahr 2019 von 225 Amputationen proximal des Handgelenks (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020). Dabei stellen Amputationen am Unter- und Oberarm den Hauptanteil dar. Amputation im Schulterbereich sind somit als Rarität zu betrachten. Insbesondere die interskapulothorakalen Amputationen, auch als Forequater-Amputation bezeichnet, stellen einen sehr seltenen Eingriff dar.
Abb. 1 zeigt ein Beispiel zu erfolgreichen Amputationen aus dem vergangenen Jahrhundert.
In Zentraleuropa bedingen onkologische, infektiologische und selten traumatologische Ursachen die Notwendigkeit von Amputationen am Schultergürtel. Dabei steht aufgrund der Bedeutung der Funktion des Armes – nach Möglichkeit mit Techniken der inneren Amputation – der Extremitätenerhalt im Vordergrund. Durch multimodale Therapieansätze sind heutzutage bis zu 90 % schultergürtelnaher Neoplasien dem Extremitätenerhalt zugänglich (O’Connor et al. 1996; Öztürk et al. 2019).
Bereits James Syme, Professor für Chirurgie der Universität Edinburgh, der für die nach ihm benannte Syme-Amputation an der unteren Extremität bekannt wurde, berichtete von einer inneren Amputation. Im Jahre 1857 führte er bei einer fast 70-jährigen Patientin aufgrund eines Tumors eine vollständige Entfernung des linken Schulterblattes durch. Die komplette chirurgische Prozedur erfolgte in einer Chloroformnarkose. Der linke Arm konnte erhalten werden. Bedauerlicherweise verstarb diese Patientin trotz einer initial gut beschriebenen Wundheilung und eines funktionsfähigen Unterarmes zwei Monate nach dem operativen Eingriff an Symptomen „allgemeiner Schwäche“ (Syme 1857). Dieses Beispiel zeigt eine frühe komplexe innere Amputation mit Extremitätenerhalt.
Weitere Versuche, eine Armrestfunktion auch bei ausgedehnt notwendigen Resektionen zu erhalten, zeigen sich in der Tikhoff-Linberg-Prozedur. Dabei wurde bereits in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine innere Amputation durch Entfernung der Skapula, Teile der Klavikula sowie des proximalen Humerus beschrieben (Malawer und Wittig 2001). Zur Stabilisierung der Extremität wurde der proximale Humerus durch eine innere Prothetik rekonstruiert, um die Armlänge wieder herzustellen. Die Prothese sollte sich im Bereich der zweiten Rippe abstützen. Auch in der aktuelleren Literatur wird die Tikhoff-Linberg-Prozedur weiter beschrieben. So zeigt Voggenreiter in einem 10-Jahres-Zeitraum eine Fallserie von 19 Patienten auf. Dabei konnte bei zwölf dieser Patienten ein tumorfreies Überleben erreicht werden. Allerdings wird über alle Patienten eine hohe Komplikationsrate von 74 % beschrieben. Diese steht jedoch den enormen Vorteilen einer Restfunktion bei erhaltenem Unterarm gegenüber (Voggenreiter et al. 1999).
Durch die ständige Weiterentwicklung der Medizin sind mittlerweile auch komplexe innere Amputationen mit Rekonstruktionen möglich. Neben aufwendigen Tumorendprothesen wurden auch Kombinationen des prothetischen Ersatzes mit sowohl autologen als auch homologen knöchernen Aufbauplastiken durchgeführt (Zhang et al. 2009; Salminger et al. 2016).

Chirurgische Anatomie

Die Muskulatur, welche den Schultergürtel umspannt, lässt sich aus chirurgischer Sicht in eine oberflächliche und eine tiefe Schicht einteilen. Die bedeutsamen Muskeln bilden hierbei am Schultergürtel ventral der Musculus pectorales major, über die Schulterklappe gehend der Musculus deltoideus und dorsal der Musculus trapezius. Dabei zieht der Musculus trapezius bis an den lateralen Oberrand des Schlüsselbeines und fixiert sowohl dieses als auch mit seinem Ansatz an der Spina scapulae das Schulterblatt am Brustkorb. Insbesondere mit seinem aufsteigenden und absteigenden Anteil ist der Musculus trapezius ein kräftiger, die Schulter dorsal stabilisierender Muskel. Das Schulterblatt ist am Rücken rein muskulär und wird ventralseitig über das Akromioklavikulargelenk durch die Klavikula gelenkig am Brustkorb fixiert.
Die Rotatorenmanschette bildet aus den dorsalen Muskeln des Musculus supraspinatus, infraspinatus und teres minor und dem flächig auf der Unterseite des Schulterblattes liegenden Musculus subscapularis den Muskelmantel des Glenohumeralgelenkes. Im Rahmen einer interskapulothorakalen Amputation wird die Rotatorenmanschette aus diesem Grund auch vollständig, ohne das Gelenk zu eröffnen, mit entfernt. Wichtig ist der Ansatz des Musculus serratus anterior am medialen Rand des Schulterblattes. Sowohl bei der inneren Amputation der Skapula als auch bei der interskapulothorakalen Amputation muss auf die saubere Trennung zwischen dem Musculus subscapularis und dem Musculus serratus anterior geachtet werden (Abb. 2).
Der Musculus deltoides sollte bei der Exartikulationen des Schultergelenkes erhalten werden. Dieser dient als wichtiger Muskel bei der myoplastischen Deckungen des Glenoids. Dabei kommt dem Nervus axillaris als versorgender Nerv eine wichtige Bedeutung zu. Um eine Muskelatrophie zu vermeiden, muss dieser, soweit aufgrund des Amputationsgrundes vertretbar, aufgesucht und geschont werden. Am günstigsten ist dieser Nerv in der Achselhöhle von ventral unterhalb des Schultergelenkkopfes als 3–4 mm starke bandförmige Struktur zu palpieren. Auf diese Weise kann der Nerv sicher identifiziert werden und wird nicht erst lateral etwa 7 cm unterhalb des Acromions aufgesucht. An dieser Landmarke hat der Nerv bereits relevante Äste für den dorsalen Anteil des Musculus deltoideus abgegeben. Bei proximaler Identifikation können abgehende Nervenäste im weiteren Vorgehen sicherer geschont werden.
Die Blutversorgung des Schultergürtels und Armes erfolgt durch die Arteria subclavia, welche sich in die Arteria axillaris fortsetzt, und dem Truncus thyreocervicalis. Dieser entspringt dem Truncus brachiocephalicus oder unmittelbar nach ihrem Abgang aus der Arteria subclavia. Aus dem Truncus thyreocervicalis entwickelt sich ein Gefäßsystem, welches sowohl den medialen als auch den lateralen Rand des Schulterblattes versorgt. Dabei ist der Arteria suprascapularis, welche die Spina scapulae am Hinterrand des Glenoids unterkreuzt und über Äste mit der Arteria axillares verbunden ist, aufgrund des Kalibers besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Über dieses Gefäß besteht ein relevanter Blutfluss in die Arteria axillares und somit noch eine Blutzufuhr in Richtung des Armes (Abb. 3).
Die nervale Versorgung des Schultergürtels erfolgt über den Plexus brachialis, welcher durch die Spinalnerven C5 bis Th 1 gebildet wird. Dabei treten die Spinalnerven durch die Skalenuslücke nach supra- und später infraklavikulär. Die Spinalnerven entwickeln sich in ihrem Verlauf zu drei Hauptästen (Trunci), welche die Nerven für die Versorgung des Schultergürtels, die Muskeln des Schulterblattes als auch des Armes bilden. Durch eine Klavikulaosteotomie und Lateralisierung des äußeren Anteils kann das Nervengeflecht um den Plexus gut von ventral nahe der Arteria und Vena subclavia aufgesucht und im Rahmen von Operationen versorgt werden. (Schiebler und Schmidt 1991)

OP-Techniken

Innere Amputationstechniken

Der proximale Humerus stellt die dritthäufigste Lokalisation für Osteosarkome dar und somit sind trotz des insgesamt seltenen Auftretens innere Amputationen im Schultergürtelbereich notwendige Operationen (Malawer und Sugarbaker 2001; Ham et al. 1993). Aufgrund der Fortschritte der Kombination von Chemotherapien, Antibiotikabehandlung und dem chirurgischen Vorgehen ist heutzutage vorwiegend der Extremitätenerhalt möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass weder eine Gefäß- noch Nervenbeteiligung für die Amputationsursache vorliegt, da sonst keine adäquate Amputation erfolgen würde.
Die häufigste durch die Autoren durchgeführte innere Amputation ist die Resektionsarthroplastik des Schultergelenkes bei Infektverlauf. Hierbei handelt es sich meist um geriatrische Patienten, welche postoperativ nach Versorgungen von schultergelenksnahen Frakturen mittels Osteosynthese oder Endoprothesen eine implantatassoziierte Infektion entwickelten. Nicht immer ist ein Erhalt der Osteosynthese bzw. Prothese zu erreichen. Nur durch vollständiges Entfernen sämtlichen Fremdmateriales kann die Infektberuhigung erreicht werden. Unter Umständen ist aufgrund der Komorbiditäten des Patienten oder der anatomischen Gegebenheiten eine endoprothetische Versorgung mit einem erheblichen Risiko verbunden und wird deswegen nicht durchgeführt. Nach Resektionsarthroplastik besteht in der Regel noch eine gute Hand-, Unterarm- und Ellenbogengelenksfunktion. Naturgemäß können diese Patienten in Abhängigkeit vom Verlust der Funktionen des Musculus deltoideus und der Musculi pectorales unter Umständen keine aktiven Bewegungen mehr im ehemaligen Schultergelenk durchführen. Bei erheblicher Instabilität wird mit Orthesen oder Bandagen im Schultergürtel stabilisiert. Die vorhandene Restfunktion des Armes ist jedoch einer Exoprothese deutlich überlegen und sollte aus Sicht der Autoren immer bevorzugt werden. Wird eine innere scapuläre Amputation durchgeführt, sollte der belassene Humerus oder Resthumerus mit einem Anbindungsschlauch, wie er in der Megaendoprothetik Anwendung findet, am Brustkorb fixiert werden. Dies dient einerseits der Reduktion eines Teleskoping des Armes und der resultierenden Gefäß- und Nervenirritation, andererseits kann damit eine mögliche zweizeitige Individualendoprothetik vorbereitet werden. Nach eigener Erfahrung sind bei proximalen Humerusresektionen die vorhandenen Gewebsstrukturen ausreichend und eine Fixierung mit einem Anbindungsschlau ist nicht nötig (Abb. 4).
Bei Resektionen am Schulterblatt werden Augmentationen mit autologem Knochen durchgeführt. Für größere innere Amputationen stehen zahlreiche Implantate für den proximalen Humerusersatz, totalendoprothetische Versorgung des Glenohumeralgelenks oder auch individuell angefertigte Tumorendoprothetik zur Verfügung. Diese können mit autologen und homologen knöchernen Grafts augmentiert werden. Dabei sind bereits ausgedehnte Rekonstruktionen mit vollständigen Ersatz des proximalen Humerus der komplette Skapula als auch der lateralen Klavikula möglich (Öztürk et al. 2019; Salminger et al. 2016; Zhang et al. 2009). Abb. 5 zeigt einen Fall bei Tumoren um das Glenoid.

Die subcapitale Amputation

Ultrakurze knöcherne Stümpfe, welche knöchern nur bis in die subkapitale Region reichen oder nur wenige Zentimeter länger sind, werden als subcapitale Amputationen dem Schultergürtel zugerechnet, da eine klassische Oberarmprothetik nicht möglich ist. Meist findet sich zudem häufig insuffiziente Muskelansätze (Musculus pectorales major, Musculus deltoideus oder Musculus latissimus dorsi). Besteht jedoch bei der Amputation die Möglichkeit, das Schultergelenk zu erhalten, ist dies für die Muskelsymmetrie des Oberkörpers zu bevorzugen. Insbesondere die Rotatorenmanschette ist für das Erscheinungsbild des Rückens und der Schulter sehr bedeutsam. Eventuell ergeben sich zudem im zeitlichen Verlauf auch Möglichkeiten, durch Kallusdistraktion oder andere rekonstruktive Verfahren einen kurzen Oberarmstumpf, der eine Prothese aufnehmen kann, zu rekonstruieren. Abb. 6 zeigt einen Fall einer traumatischen Amputation.
Bei der subkapitalen transhumeralen Amputation ergibt sich die Amputationshöhe aus der Pathologie. Dabei ist die Führung des Hautschnittes meist durch den Amputationsgrund vorgegeben. Prinzipiell sollte, wenn möglich, der Musculus deltoideus im Haut-Unterhaut-Verbund belassen werden und über seinen Ansatz am lateralen proximalen Humerus gelöst werden. Somit ist die Durchblutung wesentlich geringer beeinträchtigt. Gleiches gilt bei Lösen des Musculus pectoralis major vom Ansatz der Innenseite des Oberarms. Die Haut medial der Mohrenheimschen Grube muss in der Regel nicht gehoben werden. Die Rotatorenmanschette bleibt bei dieser Amputationsform unberührt. Der Musculus deltoideus kann ventral im Sinne einer Myoplastie mit dem Ansatz des Musculus pectorales major verbunden werden. Gestattet der Ansatz des Musculus latissimus dorsi von der medialen Hinterkante des Humerus ebenfalls eine Myoplastie mit dem Musculus deltoideus, kann dies zur besseren Deckung und Herstellung einer günstigeren Muskelsymmetrie erfolgen (Abb. 7).

Die Exartikulation im Schultergelenk

Besteht die Indikation zu einer Schultergelenksexartikulation, ist so viel wie möglich vom Musculus deltoideus zu erhalten. Dieser kann eine gute weichteilige Deckung der Gelenkpfanne unterstützen. Die Lagerung des Patienten kann je nach Vorlieben des Operateurs in Seitenlage oder in Rückenlage mit 30° Oberkörperlagerung durchgeführt werden. Die Beachchair-Lagerung gestattet einen etwas besseren Zugang zu den dorsalen Anteilen des Schultergürtels. Es empfiehlt sich, zur guten Orientierung die knöchernen Landmarken und auch die geplante Schnittführung einzuzeichnen. Dabei kann man einen Hautschnitt beginnend analog zum deltoideopectoralen Zugang wählen. Ausgehend vom ventral gut palpablen Processus coracoideus wird der Schnitt nach kaudal in Richtung der Achselhöhle geführt. In dieser wird die Schnittführung so gewählt, dass die Achselhaut am Amputat verbleibt, anschließend wird nach dorsal geführt. Nach Erreichen der ventralen oberflächlichen Muskulatur kann mit stumpfer Präparation deltoideopectoral ohne Muskeldurchtrennung in Richtung des Glenohumeralgelenks eingegangen werden. Anschließend wird der Musculus pectorales major vom humeralen Ansatz gelöst und nach medial geschlagen. Danach gelingt ausgehend vom Processus coracoideus das Aufsuchen des Musculus coracobrachialis problemlos. Dieser wird am Processus gelöst und nach distal geschlagen. Dabei wird gleichzeitig die kurze Bizepssehne mitabgelöst. Hiernach kann weiter unter stumpfer Präparation mit dem Finger unter den Musculus deltoideus gegangen werden. Dieser wird bis zum lateralen Ansatz unterhalb des Humeruskopf verfolgt und dort gelöst. Dabei können sowohl die ventralen als auch dorsalen Anteile des Musculus deltoideus nach kranial geschlagen werden und verbleiben im Verbund mit dem Haut-Unterhautfettgewebe. Es resultiert eine sehr gute Sicht auf die Rotatorenmanschette von ventral und lateral. Es empfiehlt sich zu diesem Zeitpunkt den Nervus axillares sowohl in der Achselhöhle, als auch am lateralen Oberarmkopf zu identifizieren und zu schonen. Der Nervus axillares kann als etwa 3–4 mm messender Strang unterhalb des Glenohumeralgelenkes von ventral mit dem Finger gut palpieren werden.
In der Achselhöhle kann in diesem Schritt das Gefäßnervenbündel identifiziert werden. Die axillären Gefäße werden über separaten Ligaturen durchtrennt. Anschließend kann mit wechselnder Innen- bzw. Außenrotation des Oberarmes die Rotatorenmanschette unter jeweiliger Muskelanspannung durchtrennt werden. Wenn es vertretbar ist, sollte die Muskulatur in der Nähe der Gelenkpfanne so abgesetzt werden, dass eine Myoplastie zur Pfannendeckung möglich ist. Es empfiehlt sich deswegen, die Muskulatur vor dem Durchtrennen mit resorbierbarem Nahtmaterial anzuschlingen, um einer übermäßigen Retraktion vorzubeugen. Die so vorgelegten Nähte können später für die Myoplastie genutzt werden. Die lange Bizepssehne wird am Ansatz des Tuberculum supraglenoidale und die Sehne des langen Trizepskopfes am Tuberculum infraglenoidale abgesetzt. Anschließend wird der kräftige Musculus deltoideus ebenfalls über die Gelenkpfanne gezogen und kann mit der Muskulatur des pectorales major oder auch Teilen des Muskulus latissimus dorsi verbunden werden.
Zu achten ist auf eine zu starke knöcherne Prominenz des Akromions. Sollte dies zu einer übermäßigen Weichteilirritation führen, empfiehlt es sich dieses mittels Osteotomie zu kürzen. Besteht ein ausreichender Weichteilmantel, sollte das knöcherne Schulterdach für den besseren Ansatz einer Prothese belassen werden. Beim letztendlichen Hautverschluss ist, wenn möglich, die behaarte und reichlich mit Schweißdrüsen versehene Axillahaut zu resezieren. Damit wird gleich späteren Problemen der prothetischen Versorgung entgegengewirkt.

Die Forequarter oder interscapulothorakale Amputation

Diese Amputationstechniken stellen den größten Eingriff der Amputationen im Schultergürtelbereich dar. Dabei können neben der Entfernung des Schulterblattes, dessen umspannender Muskulatur auch Teile der knöchernen Brustwand reseziert werden. Hierbei handelt es sich jedoch um komplikationsträchtige Eingriffe. Die Kombination der ausgedehnten chirurgischen Resektion sowie der Amputationsgrund stellen für den Patienten eine enorme peri- und postoperative Belastung dar. In der Literatur werden verschiedene Präferenzen für den hinteren bzw. vorderen Zugang beschrieben (J. Ivan Krajbich et al. 2018; Greitemann et al. 2016). Die Autoren dieses Kapitels erhalten eine Kombination beider Vorgehensweisen für die sicherste Variante. Im Rahmen des vorderen Zuganges kann nach Resektion der Klavikula eine gute Sicht auf die Arteria und Vena subclavia gewonnen werden. Zudem können die Strukturen des Plexus brachiales von vorne sicher identifiziert werden. Der dorsale Zugang gestattet eine gute Sicht auf die Muskulatur des Schulterblattes. Insbesondere nach Ablösen der Muskuli rhomboidei, des Musculus levator scapulae und des Musculus latissimus dorsi kann über diesen Zugang das Schulterblatt sicher von der Thoraxwand gelöst werden.
Die Lagerung des Patienten erfolgt in Seitenlage mit freier Mobilität des zu amputierenden Armes. Unbedingt sollten neben der geplanten Schnittführung des vorderen bzw. hinteren Zuganges auch anatomische Landmarken wie die laterale Schulterblattbegrenzung sowie das Schlüsselbein eingezeichnet werden. Dies erleichtert die Orientierung intraoperativ deutlich.
Die Schnittführung beim vorderen Zugang beginnt auf Höhe der Mitte des Schlüsselbeines, wird nach kaudal in die vordere Axillarlinie geführt und unterquert diese. Bei Bedarf kann eine zusätzliche T-förmige Schnittführung nach medial über der Clavicula geführt werden, um eine bessere Übersicht zu erlangen (Abb. 8).
Die posteriore Inzision beginnt ebenso im mittleren Drittel des Schlüsselbeines, verfolgt nach dorsal gehend den medialen Rand des Musculus deltoideus und zieht nach Überqueren der Spina scapulae zum unteren Schulterblattwinkel. Nach Erreichen des unteren Schulterblattwinkels wird leicht bogenförmig nach lateral gehend die Inzision mit der durch die Axilla gehenden ventralen Schnittführung verbunden. Zu empfehlen ist, in Abhängigkeit der Pathologie bei Zweifel eines sicheren Verschlusses die dorsale Inzision am lateralen Rand der Scapula zu führen, damit ausreichend Haut zum Verschluss verbleibt. Eine spätere, kontrollierte Nachresektion der Haut erleichtert den spannungsfreien Wundverschluss. Es sollten aber keine Kompromisse hinsichtlich einer onkologisch adäquaten Resektion erfolgten. Im Zweifel können freie Transplantate oder eine Spalthautdeckung mit Entnahme vom Amputat durchgeführt werden.
Nun werden zunächst die Muskelansätze des Musculus trapezius und Musculus pectoralis vom Ober- bzw. Unterrand der Klavikula gelöst. Anschließend wird diese im mittleren Drittel osteotomiert. Zur besseren Übersicht kann auch das komplette mittlere Drittel reseziert werden. Durch Lateralisieren der Klavikula ergibt sich eine gute Sicht auf die darunterliegenden Strukturen. Nachdem der Musculus subclavius durchtrennt wurde, können die Vena subclavia, die Arteria subclavia sowie die Nervenfasern des Plexus brachialis identifiziert werden. Es empfiehlt sich, zunächst die Gefäße zu isolieren, aber noch nicht zu durchtrennen, da es sonst zu einem Blutpooling innerhalb der zu amputierenden Extremität kommen würde. Die Gefäße werden deswegen zunächst angeschlungen. Im späteren Operationsverlauf, wenn die dorsalen Strukturen dargestellt und die größeren Hauptgefäße durchtrennt wurden, können die Arteria und Vena subclavia sicher über Ligaturen versorgt werden. Ein späterer Gefäßverschluss bietet zudem eine kürzere Ischämiezeit, falls vom Amputat Gewebe zur Weichteildeckung gewonnen werden soll. Über den vorderen Zugang kann aus der Skalenuslücke kommend der Plexus brachialis gut identifiziert werden. Die Nerven des Plexus brachialis werden separiert und für ein späteres leichteres Auffinden mit einem nicht resorbierbarem Nahtmaterial – nach erfolgender Infiltration mit einem Lokalanästhetikum – markiert. Anschließend werden die Nervenenden in die spätere verbleibende Muskulatur transferiert. Sollte bei dem Patienten perspektivisch eine Targeted Muskel Reinnervation (TMR) in Betracht kommen, empfiehlt es sich, die Nervenenden für eine spätere operative Verlagerung nicht zu weit zu kürzen. Die Nerven werden auch in diesem Fall mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial markiert, im Zweifelsfall aufgerollt und in das Muskelgewebe verlagert. Es ist eine detaillierte Beschreibung der Position der Nerven im Operationsbericht vorzunehmen.
Nachdem der Plexus brachialis identifiziert und ggf. bereits durchtrennt wurde, erfolgt der Wechsel auf den dorsalen Zugang. Nach dem Hautschnitt erfolgt das Durchtrennen der oberflächlichen dorsalen Muskulatur. Dabei werden der aufsteigende, absteigende und quere Teil des Musculus trapezius durchtrennt. Danach kommt die tieferliegende Muskulatur zum Vorschein. Der Musculus levator scapulae, die Muskuli rhomboidei und weiter kaudal in Richtung Axilla ziehend der Musculus latissimus dorsi werden abgesetzt. Anschließend kann der mediale Schulterblattrand nach lateral gehoben werden. Dabei wird die Sicht auf die subscapulare Region freigegeben. Aufmerksamkeit ist unbedingt den das Schulterblatt umgebenden Gefäßen zu widmen. Dabei stellen die Arterie subscapularis als auch die am medialen Rand deszendierenden Gefäße Hauptblutungsquellen dar. Neben der Arteria subclavia erfolgt über diese Gefäße die Hauptdurchblutung des lateralen Schulterblattes und auch des dorsalen Glenohumeralgelenks.
Im weiteren Vorgehen ist zu beachten, dass die Fasern des Muskulatus serratus anterius, welcher von den Rippen kommt, am medialen Rand des Schulterblattes ansetzt. Es ist die Grenzschicht zwischen Musculus subscapulares und dem Musculus serratus anterior sicher aufzusuchen, damit es im weiteren Vorgehen nicht zum ungewollten Ablösen des Musculus serratus anterior von den Rippen kommt. Die Grenzschicht kann von der Axilla gut gefunden werden. Dabei kann stumpf mit dem Finger unter dem Musculus subscapulares unter Elevation des Armes nach dorsal zwischen die beiden Muskeln geglitten werden. Der Musculus serratus anterior stellt eine gute Weichteildeckung der Brustkorbwand dar und kann im Zweifelsfall auch als Basis einer Spalthautdeckung dienen.
Ventral wird das Amputat noch partiell von der Pektoralismuskulatur gehalten. Dabei zieht der pectoralis minor von den Rippen 3–5 in Richtung des Processus corakoideus und der darüber befindliche Musculus pectorales major, welcher bereits partiell im Rahmen der Klavikulaosteotomie von deren Unterrand gelöst wurde, zum proximalen medialen Oberarm. Beide Muskeln werden nun abgesetzt und können anteilig für die muskuläre Deckung genutzt werden. Durch diesen letzten Schritt wurde die Amputation komplettiert. Die Muskulatur wird den Umständen entsprechend mittels Myoplastie oder Myopexie rekonstruiert. Zum Schluss werden die vorderen und hinteren gebildeten Hautlappen entsprechend eingekürzt und es erfolgt der spannungsfreie Wundverschluss (Ferrario et al. 2004; Daland 1930). Abb. 9 zeigt Resektionen von Muskeln je nach Amputationsgrund, Abb. 10 einen Fall mit Exazerbation eines Spindelzellsarkomes.
Literatur
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