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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 29.10.2024

Diagnostik des Kniegelenkes

Anamnese, Inspektion, Palpation, Funktionsprüfung, Behandlungsdokumentation
Verfasst von: Sarah Schröter und Casper Grim
Die klinische Untersuchung des Kniegelenks bleibt weiterhin von zentraler Bedeutung für die Diagnosestellung. Sie bietet oft wichtige Hinweise für die weitere bildgebende Diagnostik und die Entwicklung einer gezielten Behandlungsstrategie. Eine präzise Interpretation der bildgebenden Untersuchungen und eine angemessene therapeutische Planung erfordern häufig eine sorgfältige Abstimmung mit den klinischen Befunden. Die Untersuchung des Kniegelenks erfolgt üblicherweise an entkleideten Beinen, wobei auch das Becken, die untere Lendenwirbelsäule und die Füße/Sprunggelenke in die Untersuchung einbezogen werden sollten.
Eine umfassende Kenntnis der Anatomie, der funktionellen Anatomie und der anatomischen Gegebenheiten im lebenden Organismus sind Voraussetzung für eine erfolgreiche klinische Untersuchung. Die Grundlage eines diagnoseorientierten Vorgehens bildet eine effiziente, gründliche und systematisch strukturierte klinische Untersuchung des Kniegelenks, einschließlich Inspektion, Palpation und funktioneller Tests. Eine strukturierte Anamnese ist unerlässlich und bildet zusammen mit der körperlichen Untersuchung die Basis für weiterführende Diagnostik, trotz der Verfügbarkeit hoch technisierter bildgebender Verfahren.
Bei der Inspektion liegt der Fokus zunächst auf der Beurteilung von Achsfehlstellungen, Asymmetrien und Muskelatrophien im Vergleich mit der Gegenseite. Im Weiteren werden einige klinisch relevante Tests und Untersuchungen für das Kniegelenk vorgestellt. Die Bewegungsanalyse ist ebenfalls von großer Bedeutung bei der Diagnose muskuloskelettaler Beschwerden, nicht nur im Zusammenhang mit dem Kniegelenk.
Bei traumatischen Beschwerden ist eine detaillierte Rekonstruktion des Unfallhergangs hilfreich. Insbesondere bei Sportlern ist ein Verständnis für die sportartspezifischen Bewegungsabläufe und Belastungen wichtig, um klinische Befunde zu interpretieren. Informationen wie Alter, vorangegangene Ereignisse, Beginn und Verlauf der Beschwerden sowie genaue Angaben zur Schmerzlokalisation und -charakter (z. B. Einlaufschmerz, Bewegungsschmerz, Belastungsschmerz oder Ruheschmerz) bieten wichtige differenzialdiagnostische Hinweise.

Einleitung

Die klinische Untersuchung des Kniegelenks bleibt weiterhin von zentraler Bedeutung für die Diagnosestellung. Sie bietet oft wichtige Hinweise für die weitere bildgebende Diagnostik und die Entwicklung einer gezielten Behandlungsstrategie. Eine präzise Interpretation der bildgebenden Untersuchungen und eine angemessene therapeutische Planung erfordern häufig eine sorgfältige Abstimmung mit den klinischen Befunden. Die Untersuchung des Kniegelenks erfolgt üblicherweise an entkleideten Beinen, wobei auch das Becken, die untere Lendenwirbelsäule und die Füße/Sprunggelenke in die Untersuchung einbezogen werden sollten.
Eine umfassende Kenntnis der Anatomie, der funktionellen Anatomie und der anatomischen Gegebenheiten im lebenden Organismus sind Voraussetzung für eine erfolgreiche klinische Untersuchung. Die Grundlage eines diagnoseorientierten Vorgehens bildet eine effiziente, gründliche und systematisch strukturierte klinische Untersuchung des Kniegelenks, einschließlich Inspektion, Palpation und funktioneller Tests (Berrsche und Schmitt 2015). Eine strukturierte Anamnese ist unerlässlich und bildet zusammen mit der körperlichen Untersuchung die Basis für weiterführende Diagnostik, trotz der Verfügbarkeit hoch technisierter bildgebender Verfahren.
Bei der Inspektion liegt der Fokus zunächst auf der Beurteilung von Achsfehlstellungen, Asymmetrien und Muskelatrophien im Vergleich mit der Gegenseite. Im Weiteren werden einige klinisch relevante Tests und Untersuchungen für das Kniegelenk vorgestellt. Die Bewegungsanalyse ist ebenfalls von großer Bedeutung bei der Diagnose muskuloskelettaler Beschwerden, nicht nur im Zusammenhang mit dem Kniegelenk.
Bei traumatischen Beschwerden ist eine detaillierte Rekonstruktion des Unfallhergangs hilfreich. Insbesondere bei Sportlern ist ein Verständnis für die sportartspezifischen Bewegungsabläufe und Belastungen wichtig, um klinische Befunde zu interpretieren. Informationen wie Alter, vorangegangene Ereignisse, Beginn und Verlauf der Beschwerden sowie genaue Angaben zur Schmerzlokalisation und -charakter (z. B. Einlaufschmerz, Bewegungsschmerz, Belastungsschmerz oder Ruheschmerz) bieten wichtige differenzialdiagnostische Hinweise.

Inspektion

Bei der klinischen Untersuchung des Kniegelenks ist der Vergleich mit der meist gesunden Gegenseite unerlässlich. Die Untersuchung beginnt mit der Inspektion, bei der zunächst der Stand und das Gangbild von vorne und hinten beurteilt werden, gefolgt von der seitlichen Ansicht.
Im Stand, mit vollständig entkleidetem Bein, werden die Beinlänge, -achse und mögliche Achsabweichungen sowie auffällige Formveränderungen wie z. B. das Genu recurvatum beurteilt. Im Gang sollten Stand- und Schwungphase getrennt beurteilt werden, wobei auf funktionelle Instabilitäten, Ausweichbewegungen und unvollständige Belastung geachtet wird.
Inspektorisch kann ebenfalls eine Untersuchung in Rückenlage zum Ausschluss von Rotationsfehlstellungen bei gebeugtem Knie- und Hüftgelenk durchgeführt werden. Es wird besonders auf Konturausstreichungen, Hautveränderungen, Position und Kontur der Patella sowie Muskelatrophien geachtet. Typische Konturveränderungen in seitlicher Ansicht können auf Pathologien hinweisen, z. B. eine prominente Tuberositas tibiae bei Morbus Osgood-Schlatter.

Palpation

Die Palpation umfasst die Untersuchung der Hauttemperatur, der Sensibilität und der Durchblutung sowie das Abtasten der Muskelstränge des Quadrizeps und der Hamstrings. Intraartikuläre Ergüsse lassen sich am besten im Liegen im Recessus suprapatellaris tasten, wobei das Phänomen der „tanzenden Patella“ bei größeren Ergussmengen auslösbar ist.
Die Mobilität der Patella wird getestet, Krepitationen können auf Chondromalazien hinweisen. Druckempfindliche Auftreibungen im Bereich der knöchernen Insertion der Patellasehne können auf Entzündungsgeschehen hinweisen.
Lokale Schwellungen können auf Bursitiden hinweisen, während Vorwölbungen in der Kniekehle auf eine Bakerzyste hinweisen können. Pathologische Knochenvorsprünge sind entlang der Tibiakonsole und der Femurkondyle zu tasten, ebenso wie die Kollateralbandansätze lateral.
In Flexion können die Gelenkflächen des Kniegelenks palpatorisch teilweise zugänglich sein, wobei Druckschmerz im Gelenkspalt auf eine mögliche Meniskusläsion hinweisen kann. Meniskusganglien sind als subkutan verschiebliche Indurationen tastbar, und eine ausgeprägte Plica mediopatellaris kann zwischen der medialen Patellafacette und dem vorderen Meniskushorn palpiert werden.
Ebenfalls sollten das Fibulaköpfchen und das Tibiofibulargelenk in 90° Beugestellung palpatorisch untersucht werden.

Funktionsprüfung

Bewegungsausmaß

Die Untersuchung der Beweglichkeit des Kniegelenks wird gemäß der Neutral-Null-Methode (NNM) durchgeführt und entsprechend dokumentiert. Die Erfassung des Bewegungsumfangs erfolgt, wie bei anderen Gelenken üblich, bevor spezifische Funktions- und Provokationstests durchgeführt werden.

Muskelkraftprüfung

Die Prüfung der Muskelkraft am Kniegelenk erfolgt idealerweise in Rückenlage für die Strecker und in Bauchlage für die Beuger, wobei der Widerstand vom Untersucher ausgeübt wird. Die Bewertung der Muskelkraft erfolgt nach der standardisierten Janda-Skala (Janda et al. 1996), die in sechs Grade unterteilt ist:
  • Grad 0: Keine sichtbare oder spürbare Muskelkontraktion
  • Grad 1: Muskelkontraktion ohne sichtbare Bewegung
  • Grad 2: Unvollständige oder vollständige Bewegung gegen die Schwerkraft
  • Grad 3: Vollständige Bewegung gegen die Schwerkraft möglich
  • Grad 4: Bewegung gegen den Widerstand des Untersuchers möglich
  • Grad 5: Bewegung gegen starken Widerstand des Untersuchers möglich
Eine verminderte Muskelkraft kann durch strukturelle Ursachen wie einen Riss der Quadricepssehne oder schmerzbedingte Reflexe wie eine Insertionstendinopathie des Ligamentum patellae verursacht sein. Auch neurogene Läsionen und Lähmungen können zu einer verminderten Muskelkraft führen. Zur Differenzierung der verschiedenen Anteile der Beugemuskulatur des Kniegelenks kann die Kniegelenksflexion gegen Widerstand mit einer Innenrotation des Unterschenkels (Pes anserinus) oder einer Außenrotation (M. biceps femoris) kombiniert werden.

Anteriore Stabilitätstestung

Lachman-Test
Durchführung: In der Rückenlage wird eine optimale muskuläre Entspannung erreicht, wenn der Kopf ruhig liegt und die Ellenbogen neben dem Körper ruhen. Das Knie wird in einer Flexion von 20–30° gehalten. Der Untersucher hält das Knie mit einer Hand seitlich knapp oberhalb der Patella fest (punctum fixum). Der Patient sollte sich dabei sicher fühlen und sein Bein entspannt ablegen können. Mit der anderen Hand des Untersuchers (punctum mobile) wird der Unterschenkel medial knapp unterhalb des Gelenkspalts umfasst. Zunächst wird leichter Druck nach dorsal ausgeübt, bevor der Unterschenkel zügig nach ventral gezogen wird. Dabei wird das Ausmaß der Tibiatranslation nach ventral sowie der Endpunkt der Bewegung beurteilt. Die Sensitivität und Spezifität des Lachman-Testes ist gegenüber dem Schubladentest deutlich erhöht (Coffey und Bordoni 2022).
Bei einer Verletzung des hinteren Kreuzbands beginnt die Bewegung nach ventral aufgrund des anfänglichen Zurückschiebens nach dorsal und der Schwerkraft aus einer hinteren Schubladenposition. Der verlängerte Weg sollte daher nicht irrtümlich als VKB-Insuffizienz interpretiert werden.
Interpretation: Das Ausmaß der Tibiatranslation nach ventral (+, ++, +++) sowie der gefühlte Endpunkt (weich oder fest) werden beurteilt und dokumentiert. Die Untersuchung erfolgt immer im Seitenvergleich. Physiologische, seitengleiche Bandlaxizitäten (wie z. B. in der präpubertären Phase) sollten daher keine Fehlinterpretationen verursachen. Ebenso kann der verlängerte Translationsweg bei gleichzeitig festem Bewegungsanschlag, wie er beispielsweise bei einer insuffizienten VKB-Plastik vorliegen kann, leicht identifiziert werden.
Schubladen-Test
Durchführung: Die Durchführung ähnelt dem Lachman-Test. In entspannter Rückenlage, mit ruhigem Kopf und abgelegten Ellenbogen, wird das Knie in 90° Flexion gehalten und der Fuß in neutraler Rotation positioniert. Der Untersucher sitzt vorzugsweise auf dem Fuß des Patienten, nachdem dieser darauf hingewiesen wurde. Beide Hände des Untersuchers umfassen den proximalen Unterschenkel knapp unterhalb des Gelenkspalts, wobei die Daumen ventral auf dem Gelenkspalt liegen, um die Translation der Tibia zu palpieren. Ähnlich wie beim Lachman-Test wird zunächst leichter Druck nach dorsal ausgeübt, bevor der Unterschenkel zügig nach ventral gezogen wird. Die vollständige muskuläre Entspannung des Patienten ist wichtig und kann durch die Palpation des Tonus der ischiocruralen Muskulatur beurteilt werden. Dabei werden das Ausmaß der Tibiatranslation nach ventral und der Endpunkt der Bewegung beurteilt. Der gleiche Test kann auch in einer Außen- oder Innenrotationsstellung des Unterschenkels durchgeführt werden. Nach dem ventralen Schub kann auch die hintere Schublade in gleicher Weise getestet werden, indem eine kräftige Tibiatranslation nach dorsal durchgeführt wird.
Interpretation: Ein verlängertes vorderes Schubladenphänomen kann nur dann als ventrale Instabilität eingestuft werden, wenn zuvor eine hintere Schublade und damit eine hintere Instabilität ausgeschlossen wurde. In 90° Flexion wird das Kniegelenk zusätzlich durch den medialen und lateralen Kapsel-Band-Komplex stabilisiert. Eine isolierte Ruptur des vorderen Kreuzbands ohne Verletzung der kollateralen Strukturen führt typischerweise nur zu einer geringen Translation nach ventral. Eine höhergradige vordere Schublade in 90° Flexion lässt daher auf eine zusätzliche mediale oder laterale Begleitverletzung schließen. Eine Zunahme des vorderen Schubladenphänomens in Außenrotationsstellung mit gleichzeitiger Stabilisierung in Innenrotationsstellung deutet auf eine begleitende Insuffizienz der medialen Stabilisatoren hin, wie dem tiefen Blatt des medialen Kollateralbands und der dorsomedialen Kapsel mit dem Ligamentum popliteum obliquum. Eine Zunahme des vorderen Schubladenphänomens in Innenrotationsstellung deutet auf eine komplexe Verletzung mit zusätzlicher Insuffizienz der posterolateralen Strukturen und/oder des hinteren Kreuzbands hin.
Pivot-shift Test (nach MacIntosh)
Der Pivot-Shift-Test (Galway und MacIntosh 1980) ist stark von der Erfahrung des Untersuchers abhängig und kann bei wachen, nicht entspannten Patienten nicht immer zuverlässig durchgeführt und bewertet werden. Eine Voraussetzung für eine angemessene Durchführung des Tests ist ein intaktes Innenband, das als Stützpunkt fungiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Tractus iliotibialis, dessen Spannung das „Pivotieren“ oder das Phänomen des Shifts verursacht. Wenn das vordere Kreuzband und die anterolateralen Strukturen nicht ausreichend funktionieren, kann das laterale Tibiaplateau bei gestrecktem Knie nach vorne subluxieren. Bei Beugung des Kniegelenks verschiebt sich der Zug des Tractus iliotibialis so, dass er die Tibia zwischen etwa 20 und 30 Grad bis 50 Grad Flexion aus ihrer vorne subluxierten Position nach hinten zurückbringt.
Durchführung: In Rückenlage kann der Oberschenkel auf der Untersuchungsliege ruhen, während der seitlich überhängende Unterschenkel vom Untersucher sicher gehalten wird. Alternativ kann der Patient auch mit angewinkelten Hüften und angehobenem Unterschenkel positioniert werden. Die Hand auf der gleichen Seite umfasst den Fuß, wobei der Daumen seitlich am Fersenbein und die Finger medial platziert werden. Dabei wird ein leichter axialer Druck in Streckstellung und Innenrotation ausgeübt. Die andere Hand greift seitlich unterhalb des Gelenkspalts und übt einen leichten Valgusstress auf das Knie aus. Durch das Drücken dieser Hand nach vorne kommt es zu einer initialen vorwärtsgerichteten Verschiebung des lateralen Tibiaplateaus. Das Knie wird dann zunehmend gebeugt, und bei Insuffizienz des vorderen Kreuzbands kommt es zwischen 20 und 50 Grad Flexion zu einem deutlichen Zurückschnappen des lateralen Tibiaplateaus, was eine Reposition der initialen Verschiebung darstellt. Aufgrund der erforderlichen muskulären Entspannung kann dieser Test besonders gut unter Narkose während einer Operation durchgeführt werden. Die Durchführung des Tests ist schwierig und kann Schmerzen verursachen, daher sollte er eher am Ende der Untersuchung durchgeführt werden.
Interpretation: Das Zurückschnappen des lateralen Tibiaplateaus nach hinten wird in drei Stufen eingeteilt (geringfügiges, deutliches Gleiten, sehr deutliches mit spür- und hörbarem Schnappen, +, ++, +++). Ein seitengleich positiver Pivot-Shift-Test kann physiologisch begründet sein, z. B. bei Kindern oder Frauen mit Genu valgum. Einseitig positiv ist jedoch hochgradig verdächtig für eine Verletzung des vorderen Kreuzbands. Ein negativer Test kann aufgrund mangelnder Entspannung des Patienten leicht fehlinterpretiert werden.
Weitere Tests für das Pivot-Shift-Phänomen wurden von Strobel et al. zusammengestellt und ausführlich beschrieben (Strobel et al. 2013). Dazu gehören der Jerk-, Slocum-, Lemaire- und der Losee-Test.

Mediale und laterale Stabilitätstestung

Varus- und Valgusstress in Streckung und bei 30° Beugung
Durchführung: Der Patient liegt entspannt in Rückenlage. Die Hand auf der gleichen Seite umfasst den Unterschenkel von innen und übt seitlichen Druck aus, während die andere Hand das Knie seitlich fixiert. Dadurch entsteht ein Valgusstress am Kniegelenk. Um die laterale Stabilität zu prüfen, werden die Hände vertauscht, und es wird ein Varusstress in gleicher Weise ausgeübt. Alternativ kann der Unterschenkel in die Flanke des Untersuchers gedrückt werden, wobei beide Hände den Tibiakopf umfassen und die Daumen auf den Gelenkspalt gelegt werden können. Die Untersuchung erfolgt jeweils in gestreckter Position und dann bei 30° Beugung, ohne Rotation und bei unveränderter Patellaposition.
Interpretation
Medial: Wenn Schmerzen auftreten, aber keine erhöhte Aufklappbarkeit im Vergleich zu sehen ist, deutet dies auf eine partielle Ruptur hin. Die Lokalisation des Schmerzes kann Hinweise auf eine Verletzung des femoralen, tibialen oder intra-ligamentären Bereichs geben. Das tiefe Blatt des medialen Kollateralbands (dMCL) reißt häufig vor dem oberflächlichen Blatt (sMCL) bei einem Valgustrauma und kann auch den medialen Meniskus betreffen. Wenn das sMCL intakt ist, ist die Instabilität meist geringfügig (+). Eine höhergradige Instabilität deutet auf Rupturen des dMCL und sMCL hin. Bei einer Grad-3-Aufklappbarkeit sind in der Regel auch das hintere oblique Band (POL) und möglicherweise die zentralen Säulen (VKB und/oder HKB) betroffen. Starke Instabilität bei geringen Schmerzen deutet oft auf komplexe Verletzungen der Band-Kapsel-Strukturen hin, die nicht unterschätzt werden sollten.
Bei stärkerer medialer Instabilität und Druckschmerz auf der tibialen Seite des MCL-Ansatzes ist auch an eine Stener-ähnliche Läsion des MCL zu denken. Hier kann das oberflächliche MCL-Blatt über den Pes anserinus superficialis rutschen und die Heilung beeinträchtigen.
Lateral: Wenn in 30° Beugung eine erhöhte Aufklappbarkeit festgestellt wird, deutet dies auf eine isolierte Verletzung des lateralen Kollateralbands hin. Wenn zusätzlich eine laterale Instabilität in gestreckter Position besteht, könnte eine Verletzung der posterolateralen Strukturen vorliegen (siehe posterolaterale Instabilität).
MERKE: Eine erhöhte laterale Aufklappbarkeit in gestreckter Position ist immer pathologisch.
Bei Varus- oder Valgustrauma sollten auch Verletzungen des lateralen oder medialen Kniegelenks durch Stauchung in Betracht gezogen werden. Meniskusverletzungen und mediale oder laterale Eindrucksfrakturen des Tibiakopfes können Folgen der Krafteinwirkung sein. Bei ausgeprägter lateraler Instabilität sollte besonders auf eine Verletzung des N. peroneus geachtet werden.

Posteriore Stabilitätsprüfung:

Das hintere Kreuzband trägt hauptsächlich zur Stabilisierung des Kniegelenks bei 90° Flexion bei. Daher wird die Untersuchung am 90° gebeugten Knie im Rahmen des Schubladen-Tests durchgeführt. Bei chronischer posteriorer Instabilität kann in seitlicher Ansicht beider Kniegelenke bei 90° Flexion eine hintere Verschiebung (Posterior Sag Sign) beobachtet werden. Durch Aktivierung des Quadrizepsmuskels und Fixierung des Fußes kann der Tibiakopf nach ventral hervorgezogen werden.

Posterolaterale Stabilitätsprüfung:

Eine isolierte Verletzung des lateralen Kollateralbands führt zu erhöhter Aufklappbarkeit in 30° Flexion (im Vergleich der Seiten). Die posterolaterale Verletzung führt zu einer lateralen Aufklappbarkeit des Kniegelenks in 30° Flexion und in voller Streckung. Zusätzlich tritt eine vermehrte tibiale Außenrotation auf. Bei Kombinationsverletzungen von hinterem Kreuzband und posterolateraler Ecke sollte die Außenrotation des Knies in Bauchlage untersucht werden. Der Untersucher prüft die Außenrotationsfähigkeit des Knies in 30°, 60° und 90° Flexion (Dial-Test) (Loomer 1991; Miller 1999). Vermehrte Außenrotationsfähigkeit in 30° und 90° weist auf eine Kombinationsverletzung hin, während vermehrte Außenrotationsfähigkeit in 30° auf isolierte posterolaterale Instabilität hindeutet.

Instrumentelle Stabilitätsmessung

Eine instrumentelle Messung der anteroposterioren (a/p) Stabilität des Kniegelenks ist empfehlenswert zur objektiven Bewertung. Der KT-1000-Messapparat ist das bekannteste Gerät, wird jedoch hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke verwendet. Es gibt auch einfachere Geräte wie das Rolimeter, das deutlich kostengünstiger und sterilisierbar ist, wodurch es auch intraoperativ verwendet werden kann (Abb. 1). Neben dem KT-1000 und dem Rolimeter sind in Europa auch andere Geräte wie das GNRB-Gerät, das Articometer und der Knielaxizitästester (KLT) für die instrumentelle a/p-Stabilitätsmessung verfügbar. Idealerweise beginnt die Messung mit der unverletzten Seite und wird auf beiden Seiten durchgeführt. Ein reproduzierbares Ergebnis wird für jede Seite dokumentiert, und es folgt ein Seitenvergleich. Beispielhaft kann eine Rolimeter-Messung wie folgt aussehen: unverletzte Seite: 6 mm, verletzte Seite: 11 mm, Seitendifferenz = + 5 mm (Balasch et al. 1999).
Die Auswirkungen einer hinteren Kreuzbandverletzung können auch mittels instrumenteller Stabilitätsprüfung objektiviert werden. Eine Studie ergab eine hohe Korrelation zwischen den Messergebnissen des Rolimeters und gehaltenen Röntgenaufnahmen im Scheuba-Apparat. Voraussetzung für korrekte Messergebnisse sind ein intaktes vorderes Kreuzband und das Fehlen einer fixierten hinteren Schublade. Die instrumentelle a/p-Stabilitätsmessung kann bei 30° und 90° durchgeführt werden und entspricht somit den Werten des Lachman- und Schubladentests.

Patella

Die Mobilität der Patella wird hauptsächlich durch ihre medio-laterale Verschieblichkeit überprüft, was eine suffiziente Einschätzung der ligamentären patellofemoralen Führung ermöglicht.

Medio-laterale Patellaverschieblichkeit (Patella Glide Test)

Durchführung: Der Patella Glide Test (Puniello 1993) wird bei entspanntem Quadrizepsmuskel zunächst bei 0° und dann bei 20° Knieflexion durchgeführt. Die medio-laterale Patellaverschieblichkeit wird in vier Quadranten unterteilt, und die Patella wird passiv maximal nach medial und lateral verschoben.
Interpretation: Eine laterale Verschieblichkeit der Patella von drei Quadranten oder mehr deutet auf eine unzureichende mediale Patellaführung hin. Eine mediale Verschieblichkeit von einem Quadranten oder weniger kann mit einer möglichen Anheftung des lateralen Retinaculums assoziiert sein.

Erweiterte medio-laterale Patellaverschieblichkeitsprüfung und Apprehension Test

Durchführung: Der Patellaverschieblichkeitstest kann in verschiedenen Flexionsgraden durchgeführt werden, um eine differenziertere Bewertung zu ermöglichen. Dabei wird die Patella bei 0°, 30°, 60° und 90° Flexion lateral verschoben.
Interpretation: Das Patella-Apprehension-Zeichen ist pathognomonisch für patellofemorale Instabilität (PFI). Ein positives Zeichen tritt auf, wenn der Patient bei 30° Knieflexion und entspanntem Quadrizepsmuskel die laterale Verschiebung der Patella als äußerst unangenehm empfindet und/oder den Quadrizeps in einer Abwehr- oder Schutzbewegung kontrahiert. Eine Insuffizienz des passiven Halteapparats (mediales patellofemorales Ligament, MPFL) wird durch ein positives Apprehension-Zeichen zwischen 0° und 30° Flexion angezeigt. Ein positives Zeichen zwischen 30° und 60° kann auf zusätzliche ossäre Pathologien wie Trochleadysplasie hinweisen. Insuffiziente Patellastabilisierung über 60° Flexion deutet auf Achsdeformitäten wie vermehrte femorale Innentorsion, vermehrte tibiale Außentorsion und Genu valgum hin.

Relokationstest nach Fulkerson

Der Test nach Fulkerson (Fulkerson 2002) kann als umgekehrter Apprehension-Test für symptomatische mediale Instabilität (MPI) oder mediale Subluxation betrachtet werden.
Durchführung: Die Patella wird bei gestrecktem Kniegelenk manuell nach medial verschoben. Bei anschließender passiver Kniegelenksflexion fällt die Patella von medial nach lateral zurück in die Trochleagrube.
Interpretation: Ein positives Ergebnis zeigt sich durch eine schmerzhafte, ruckartige Reposition der Patella mit typischer Schmerzprovokation für den Patienten. MPI kann auch postoperativ nach lateralem Release auftreten und ist häufig in den ersten 30° der Flexion zu finden.

Patella-Tilt-Test

Durchführung: Der Untersucher versucht, den lateralen Rand der Patella vom lateralen Femurkondylus anzuheben.
Interpretation: Eine übermäßig straffe laterale Patellaführung kann zu einem neutralen oder negativen Winkel in Bezug auf die Horizontalebene führen. Zur genauen Messung und Dokumentation kann ein Goniometer verwendet werden. Männer zeigen im Durchschnitt eine ca. 5° geringere laterale Patellaverschieblichkeit als Frauen.

Superior Inferior Glide Test

Durchführung: Die superiore und inferiore Patellaverschieblichkeit wird am vollständig gestreckten Kniegelenk überprüft und mit der Gegenseite verglichen.
Interpretation: Eine verminderte inferiore Verschieblichkeit kann auf Verklebungen im oberen Rezessus hinweisen und möglicherweise mit eingeschränkter Kniegelenksbeweglichkeit (Flexion) einhergehen, insbesondere in der postoperativen Phase.

J-sign (J-Zeichen)

Durchführung: Das J-Zeichen zeigt sich in sitzender Position, wenn der Patient aufgefordert wird, das Kniegelenk von 90° Beugung vollständig zu strecken.
Interpretation: Ein positives J-Zeichen tritt auf, wenn bei aktiver Streckung eine plötzliche Lateralisation der Patella auftritt, was einen umgekehrten „J“-Lauf der Patella darstellt.

Klinische Funktionsdiagnostik der Menisken

Klinische Funktionsdiagnostik der Menisken basiert auf der Kombination aus Schmerzprovokation und Stressbelastung, wobei Varus-, Valgusstress und/oder Innen- und Außenrotation zusätzliche Kompression auf den Meniskus ausüben, der über das Tibiaplateau gleiten muss.

Steinman I- und II-Zeichen

Durchführung: Bei Steinman I-Zeichen wird in Rückenlage das flektierte Kniegelenk passiv durch den Untersucher einer wiederholten Innen- und Außenrotationsbewegung unterzogen.
Interpretation: Eine Meniskusschädigung kann Schmerzen im medialen oder lateralen Gelenkspalt provozieren. Bei positivem Steinman I-Zeichen kann mit zunehmender Kniegelenksflexion eine Verlagerung des Schmerzes nach hinten (Steinman II-Zeichen) auftreten.

McMurray-Test

Durchführung: Bei diesem Test wird das Hüft- und Kniegelenk der betroffenen Seite gebeugt. Für die Prüfung des Innenmeniskus erfolgt eine maximale Außenrotation und Adduktion (Varusstress) des Unterschenkels. Zur Prüfung des Außenmeniskus wird eine Unterschenkelinnenrotation und Abduktion (Valgusstress) durchgeführt.
Interpretation: Die Palpation des Gelenkspalts und die Extension können bei einem Innen- oder Außenmeniskusschaden Schmerzen auslösen.

Payr-Zeichen

Durchführung: In Rückenlage wird das betroffene Kniegelenk gebeugt und die Hüfte abduziert.
Interpretation: Diese Bewegung führt zu einer Kompression des medialen Meniskus. Bei einer Schädigung kann dies Schmerzen im medialen Gelenksspalt auslösen, die sich verstärken, wenn das Knie gegen die Unterlage gedrückt wird.

Apley-Grinding Test

Durchführung: Der Test wird in Bauchlage durchgeführt, wobei das betroffene Kniegelenk 90° gebeugt wird. Der Untersucher übt axiale Kompression auf die Ferse aus und führt gleichzeitig Rotationsbewegungen am Unterschenkel durch.
Interpretation: Ein unter Kompression ausgelöster Schmerz kann auf eine Meniskusläsion hinweisen, während Schmerzen unter Zug eher auf eine Beteiligung von Bändern oder der Kapsel hinweisen.

Intraartikuläre Diagnostik

Gelenkpunktionen dienen der Diagnostik und Therapie von Erkrankungen des Gelenks. Eine umfassende Aufklärung der Patienten ist von großer Bedeutung, da sie über den Eingriff informiert sein müssen. Das Infektionsrisiko bei Gelenkpunktionen ist zu minimieren, da Gelenkinfektionen schwerwiegende Komplikationen verursachen können. Die Häufigkeit von Gelenkinfektionen nach Injektionen variiert, wobei unzureichende Asepsis als Hauptursache gilt. Aseptische Techniken, wie sie in den Hygienerichtlinien empfohlen werden, sind daher unerlässlich. Assistenz sollte bei Gelenkpunktionen am Kniegelenk und anderen großen Gelenken sowie der Wirbelsäule vorhanden sein. Die Einwirkzeit des Desinfektionsmittels ist zu beachten.
Die Zugänge zum Kniegelenk (Abb. 2) können im Wesentlichen den Arthroskopiezugängen entsprechen:
  • antero-lateral
  • antero-medial
  • medial
  • lateral
  • supero-lateral
Der supero-laterale Zugang, der in der Arthroskopie häufig als Zusatzportal zur Beurteilung der Trochlea verwendet wird, eignet sich besonders gut für die Punktion von größeren Ergüssen.
Der antero-laterale Zugang kann effektiv als Injektionszugang genutzt werden, insbesondere wenn der Patient sitzt und der Unterschenkel hängt. Diese Position ermöglicht dem Patienten oft eine bessere Entspannung im Vergleich zum Sitzen mit aufgestellten Füßen.
Der laterale Zugang auf Höhe des lateralen Patellarands (bei gestrecktem Kniegelenk) ermöglicht auch unerfahrenen Anwendern einen zuverlässigen Injektionszugang zum Kniegelenk und minimiert das Risiko, dass die Injektion im Hoffa-Fett-Körper oder in den Kreuzbändern endet.
Tipps für den Zugang zum Kniegelenk
  • Die Auswahl der Injektions- oder Punktionszugänge orientiert sich an den Arthroskopie-Zugängen.
  • Sorgen Sie für eine bequeme Lagerung des Patienten, entweder mit unterpolstertem Knie oder einem Knie, das um 90 Grad abgehängt ist.
  • Für eine Punktion wird der supero-laterale Zugang bevorzugt (verwenden Sie eine dicke Nadel oder eine Braunüle).
  • Bei einer Injektion erfolgt der Zugang lateral der Patella oder antero-lateral.
  • Praktizieren Sie den Zugang vor einer Arthroskopie, um Routine zu entwickeln.
  • Das Legen des antero-medialen Zugangs kann für Unerfahrene deutlich schwieriger sein und birgt das Risiko einer fehlerhaften Positionierung der Nadel.
Literatur
Balasch H, Schiller M, Friebel H, Hoffmann F (1999) Evaluation of anterior knee joint instability with the RolimeterA test in comparison with manual assessment and measuring with the KT-1000 arthrometer. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 7:204–208CrossRefPubMed
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Strobel M, Stedtfeld H-W, Eichhorn H-J (2013) Diagnostik des Kniegelenkes. Springer, Berlin