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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 04.09.2019

Gelenkinfektionen

Verfasst von: Hergo G. K. Schmidt und Matthias Bühler
In der Übersichtsarbeit werden alle Kriterien der bakteriellen Gelenkinfektion (GI) detailliert dargestellt und kritisch analysiert: Infektgenesen, infektbahnende Faktoren, Pathogenese, Klassifikationen, Erreger, Klinik, Labordiagnostik, Infektverläufe, operative und konservative Therapie, Komplikationen und Prognose. Das operative Vorgehen bei akuter bakterieller GI – arthroskopisch und/oder offen, möglichst stadienorientiert – wird ausführlich dargestellt, auf spezielle Situationen wird detailliert eingegangen. Die systemische und lokale antibiotische Therapie wird ebenso wie die entscheidende frühfunktionelle Weiterbehandlung beschrieben. Auf mögliche Zusatzmaßnahmen wie Jet-Lavagierung, Drainagen, befristete Spül-Saug-Drainagen, antibiotikahaltige Vliese oder Ketten wird eingegangen. Die operative Behandlung im Stadium IV (= chronische Infektion) nach Kuner, Gächter und Schmidt mit allen erforderlichen Maßnahmen – operativ, antibiotisch – wird umfassend ausgeführt, ebenso die Grundsätze der konservativen Weiterbehandlung. Die Prognose einer bakteriellen GI ist entscheidend abhängig von rascher Diagnose, adäquater Therapie und Mitarbeit des Patienten.

Definition

Synonyme (AWMF 2013; Heisel 1992):
  • Gelenkinfektion = Gelenkentzündung = Arthritis
  • Akute Gelenkinfektion = akute Arthritis
  • Chronische Gelenkinfektion = chronische Arthritis
  • Bakterielle Arthritis, eitrige Arthritis, septische Arthritis = bakterielle Gelenkentzündung
  • Pyarthros, Pyarthrose = eitrige Gelenkentzündung
  • Synovitis = Synovialitis = Entzündung der Synovialmembran
  • Arthrosynovialitis = Entzündung der Synovialmembran eines Gelenkes
  • Synovitis purulenta = eitrige Entzündung der Synovialmembran
  • Gelenkempyem = Gelenkentzündung auf die Synovialis beschränkt (Empyem = Eiterherd, Eiteransammlung in einer präformierten Körperhöhle durch direkte oder fortgeleitete Infektion)
  • Kapsel-Band-Phlegmone = eitrige Gelenkinfektion und des periartikulären Gewebes einschließlich der fibrösen Kapsel
  • Osteoarthritis = Infektion von Gelenk und angrenzendem Knochen
  • Panarthritis = Entzündung aller Teile eines Gelenkes, eventuell. mit Verödung der Kasel, fibröser und/oder ossärer Ankylose
  • Arthritis ankylosans = zur Versteifung führende Gelenkentzündung
  • Arthropathie = meist nicht entzündliches, vorwiegend degenerativ ausgelöstes Gelenkleiden
  • Gelenkprotheseninfektion = Gelenkinfektion bei einliegender Prothese
  • Periprothetische Gelenkinfektion = Protheseninfektion mit Infektion der umgebenden Knochen-/Weichteile
Die Arthritis oder Gelenkinfektion stellt entweder ein isoliertes Krankheitsgeschehen dar oder tritt im Rahmen oder im Verlauf einer anderen Erkrankung auf, wobei die Arthritis recht unterschiedliche Symptome und Erscheinungsbilder zeigt.
Arthritiden können nach verschiedenen Gesichtspunkten ein- und unterteilt werden (Pschyrembel 2004):
I.
Nach Anzahl der betroffenen Gelenke: Monoarthritis, Oligoarthritis, Polyarthritis
 
II.
Nach Verlauf:
1.
Akute Arthritis (v. a. septische Arthritis, kristallinduzierte Arthritis, reaktive Arthritis, akute Sarkoidose)
 
2.
Subakute Arthritis
 
3.
Chronische Arthritis (v. a. rheumatoide Arthritis, Arthritis bei seronegativer Spondylarthritis)
 
 
III.
Nach Ursache:
1.
Infektiös (septische Arthritis = Gelenkempyem):
a.
Direkte Infektion durch penetrierende Wunde (Injektion, Punktion)
 
b.
Fortgeleitete Infektion, v. a. septisch-metastatisch (hämatogen) bei bakteriellen Infektionskrankheiten (Gonorrhoe, Sepsis), selten im Rahmen einer Tuberkulose bzw. durch Pilze, Brucellen, Parasiten
 
 
2.
Para- oder postinfektiös ohne Nachweis lebender Erreger im Gelenk (reaktive Arthritis):
a.
Nach bakteriellen Infekten (meist akute Mon- oder Oligoarthritis, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) oft stark erhöht, häufig Fieber, granulozytäre Leukozytose im peripheren Blutbild); Vorkommen v. a. nach Infekten mit Yersinien, Chlamydien, Mykoplasmen, Gonokokken (auch im Rahmen der Reiter-Krankheit), Borrelien (Lyme-Borreliose) sowie Campylobacter, Mykobakterien, Brucellen; im Rahmen einer Streptokokkeninfektion seltener bei rheumatischem Fieber, häufiger bei subakuter bakterieller Endokarditis; Rheumafaktor oft positiv (Gefahr der Verwechslung mit rheumatoider Arthritis)
 
b.
Bei oder nach Virusinfektionen (oft eher subakute Polyarthritiden, normale Leukozytenzahlen oder Leukopenie, relative Lymphozytose im peripheren Blutbild); insbesondere bei Hepatitis B (Arthritis verschwindet beim Auftreten des Ikterus), Röteln, Mumps, infektiöse Mononukleose, Windpocken, Pocken, Coxsackie-Virus-Infektionen, Adenovirus-Infektionen (v. a. bei Kindern mit Pharyngitis, makulopapulösem Exanthem, symmetrischer Polyarthritis) und Arbovirus-Infektionen, aber auch Infektionen durch Alphaviren, ECHO-Viren, Zytomegalie-Virus, Herpes-Viren, eventuell HIV; chronische Verläufe wahrscheinlich bei Infekten mit Epstein-Barr-Virus (EBV), Parvoviren (ggf. zusammen mit chronischer Polyarthritis)
 
c.
Bei Infektion mit Parasiten (Leitsymptom: Eosinophilie), v. a. Filarien (Wuchereria bancrofti, Loa loa), Onchocerca caecutiens
 
 
3.
Bei seronegativen Spondylarthritiden und verwandten Erkrankungen; v. a. als Spondylitis ankylosans, Arthritis psoriatica, Arthritis bei entzündlichen Darmerkrankungen (sog. enteropathische Arthritis), z. B. Enteritis regionales Crohn, Colitis ulcerosa, Whipple-Krankheit, Behçet-Krankheit; auch nach intestinaler Bypass-Operation und Magenresektion nach Billroth II (Polyarthritis, episodisches Fieber, Hautläsionen ähnlich dem Sweet-Syndrom)
 
4.
Rheumatoide Arthritis
 
5.
Juvenile chronische Arthritis
 
7.
Allergische Arthritis; relativ häufige Ursache: Medikamente (Beginn 1–2 Wochen nach Einnahmebeginn); Symptome: Fieber, Tachykardie, Kopfschmerz, Übelkeit, Bauchschmerzen, Lymphadenopathie, Exanthem; BKS normal, evtl. Leukopenie, Eosinophilie; Dauer einige Tage über das Absetzen des Medikamentes hinaus; Vorkommen häufig in Kombination mit Vaskulitis (Arzneimittelallergie)
 
8.
In Verbindung mit Stoffwechselerkrankungen und ernährungsbedingten Störungen: Arthritis urica (Gicht), Arthritis bei Chondrokalzinose (sog. Pseudogicht), Hydroxylapatitkristall-Ablagerungskrankheit (Kristallarthropathie); Hämochromatose, Hyperlipoproteinämien (v. a. familiäre Formen, Typ II: hohes Fieber, migratorische Polyarthritis kleiner und großer Gelenke, Xanthome), Ochronose (Arthropathie alcaptonurica), Lipoidkalzinogranulomatose (Teutschländer), Osteochondropathia endemica (Kaschin-Beck), Amyloidose (Dialysearthropathie)
 
9.
Arthritis bei endokrinen Störungen: Hyper- und Hypothyreose, Hyper- und Hypoparathyriodismus, Diabetes mellitus, Cushing-Syndrom, Akromegalie, Phäochromozytom
 
10.
Arthritis bei granulomatösen Erkrankungen:
a.
Sarkoidose (akut: Löfgren-Syndrom)
 
 
11.
Bei Gelenkblutungen infolge Störungen der Blutgerinnung:
a.
Koagulopathien: Hämophilien (hämophile Arthropathie, Blutergelenk)
 
b.
Antikoagulanzientherapie
 
 
12.
Arthritis bei Erkrankung des hämatopoetischen Systems:
a.
Hämolytische Anämien (Sichelzellenanämie, Thalassämie)
 
b.
Leukosen (reaktiv ohne synoviale leukämische Infiltration)
 
 
13.
Neoplastische Arthritis:
a.
Primäre Gelenktumoren: benignes (villonoduläre Synovialitis) oder malignes Synovialom (Synovialsarkom); Chondromatose
 
b.
Synoviale Infiltration bei bösartigen Systemerkrankungen: v. a. Leukosen, maligne Lymphome (im Kindesalter v. a. akute lymphatische Leukämie [ALL]);
 
 
14.
Paraneoplastische Arthritis: v. a. bei Plasmozytom, Bronchial-, Prostata-, Mammakarzinom
 
15.
(Post-)traumatische Arthritis (auch postoperative Synovialitis)
 
16.
Arthritis bei Erkrankungen des Gelenkknorpels: sog. aktivierte Arthrosen, Chondropathia patellae, freie Gelenkkörper (v. a. Osteochondrosis dissecans), rezidivierende Polychondritis
 
17.
Arthritis bei Neuropathien (Arthropathia neuropathica, Charcot-Arthropathie): Tabes dorsalis (Arthropathia tabica), Syringomyelie (Arthropathia syringomyelica), diabetische Neuropathie, Spina bifida mit Meningomyelozele (Arthropathia myelodysplastica), hereditäre sensible Neuropathie, angeborene Analgesie, Lepra;
 
18.
Arthritis bei pustulösen, abszedierenden, nekrotisierenden oder mit Gewebeneutrophilie einhergehenden Dermatosen: v. a. Sweet-Syndrom, Akne-assoziierte Arthritis (siehe Psoriasis-Arthritis; Hyperostosis sternocostoclavicularis, SAPHO-Syndrom)
 
19.
Arthritis bei sonstigen extraartikulären Grunderkrankungen, z. B. familiäres Mittelmeerfieber
 
 
In diesem Artikel über Gelenkinfektionen wird nur auf die Besonderheiten der bakteriellen Gelenkinfektion eingegangen und dabei Klassifikation, Ätiologie und Pathogenese, Klinik, Diagnostik, Therapie, Komplikationen und Prognose dargestellt. Oben skizzierte Differenzialdiagnosen und deren Ausschluss oder deren spezielle Diagnostik und Therapie werden nicht berücksichtigt.
Darüber hinaus wird auch nicht auf die Besonderheiten der periprothetischen Infektion eingegangen. Die Bearbeitung dieses Themas erfolgt im Kap. „Periprothetische Infektionen“.

Klassifikation

Zur Klassifikation von bakteriellen Gelenkinfektionen wurden von mehreren Autoren unterschiedliche Einteilungsvorschläge veröffentlicht.
Eine Klassifikation der bakteriellen Gelenkinfektion dient dazu, verschiedene Formen von Krankheitsbildern in einem System zu gliedern, in dem einerseits alle Varianten einer Erkrankung erfasst sind und andererseits die verschiedenen Stadien der Krankheitsproblematik wiedergegeben werden. Es ist möglich, eine Ordnung zu schaffen, in der erst nach Abschluss der Behandlung, jede individuelle Gelenkinfektion zwecks Vergleich von Diagnostik, Therapie und Prognose eingegliedert werden kann, oder es besteht die Möglichkeit, eine Ordnung zu bilden, in der die individuelle Gelenkinfektproblematik bereits schon während der Therapie eingegliedert werden kann, um hierdurch Hinweise für weitere Diagnostik und/oder Therapie zu erhalten. Es gibt sicher noch andere Intentionen für eine Klassifikation, wir favorisieren die zweitgenannte Variante, aus der sich Hinweise für Diagnostik und/oder Therapie ergeben.
Welche Kriterien und Informationen sind für eine derartige Klassifikation vonnöten:
1.
Formen der bakteriellen Gelenkinfektion/bakteriellen Arthritis: akute Arthritis, chronische Arthritis, eitrige Arthritis, Stadien der Synovialisveränderungen, Kapsel-Band-Phlegmone, Osteoarthritis, Panarthritis
 
2.
Faktoren der Gelenkinfektion, die für Diagnostik und Therapie wesentlich sind: anatomische Lokalisation der Gelenkinfektion, Ursache der Gelenkinfektion, verursachende Bakterien mit Resistenzen, Aktivität der Gelenkinfektion (akut, chronisch, rezidivierend), erfolgte Behandlung des Gelenks vor der Infektion, einliegendes Material/Metall, erfolgte Vorbehandlung der Gelenkinfektion, Infektionsausdehnung (Beteiligung von Knochen und Weichteilen), Ausmaß der Synovialisveränderungen, alle Zweiterkrankungen des Patienten, insbesondere die immunschwächenden Erkrankungen
 
Eine Klassifikation, die viele dieser Einzelfaktoren berücksichtigt, konnten wir bislang in der Literatur nicht finden. Die S1-Leitlinie „Bakterielle Gelenkinfektionen“ der Leitlinienkommission der deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, überarbeitet am 26.08.2013, nennt 3 Klassifikationen, die das Krankheitsbild in Stadien untergliedern (siehe auch Tab. 1, 2 und 3):
1.
Nach pathologisch-anatomischen Gesichtspunkten: von Draijer et al. (1994)
 
2.
Nach klinischen Gesichtspunkten: von Kuner et al. (1987)
 
3.
Nach arthroskopischen Gesichtspunkten: von Gächter (1988, 1994; Stutz und Gächter 2001)
 
Tab. 1
Kurzgefasste Stadien der Klassifikationen von Kuner et al. (1987) und Gächter (1988, 1994)
Autoren
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Stadium IV
Kuner et al. 1987
Synovitis purulenta
Erguss, Schwellung, Überwärmung, Schonhaltung
Gelenkempyem
Starke periartikuläre Schwellung, Rötung, Schmerz, BSG↑, Leukozytose, Fieber
Panarthritis
Rötung, Überwärmung, Spontanschmerz, septische Temperatur, Synovialisnekrosen, Knorpelrisse
Chronische Arthritis
Schwere sekundäre Veränderungen, Entzündungszeichen gering, Instabilität, Deformierung, Funktion massiv eingeschränkt, Fisteln, Vernarbung
Gächter 1988, 1994
Trüb-seröser Erguss, Synovialis gerötet, evtl. petechiale Blutungen
Deutliche Synovitis, Fibrinausschwitzung, Eiterbildung
Zottenbildung, Kammerung, sog. Badeschwamm
Shaver erforderlich
Einwachsen Synovialis/Unterminierung Knorpel, radiologisch Arrosionen, subchondrale Aufhellungen, arthroskopische Spülung allein reicht nicht mehr
Tab. 2
Kurzgefasste Stadien der Klassifikationen von Draijer et al. (1994), Jensen et al. (1989) und Dittrich et al. (2002)
Autoren
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Draijer et al. 1994
Gelenkempyem
Entzündung auf Gelenkinnere/Synovialis beschränkt
Kapsel-Band-Phlegmone/Panarthritis
Entzündung auf Kapsel übergegriffen, evtl. Weichteile betroffen
Osteoarthritis
Keimdurchtritt in gelenkbildenden spongiösen Knochen
Jensen et al. 1989
Erguss, erhöhte Zellzahl, Rötung der Synovialis
Kapsel-Band-Phlegmone/Panarthritis
Gelenkkapsel betroffen, ggf. periartikuläre Weichteile
Osteoarthritis
Keimdurchtritt in gelenkbildenden spongiösen Knochen
Dittrich et al. 2002
Milde Infektion
Symptome 24 Stunden bis 5 Tage, nach Injektion oder Operation, geringe Bakterienzahl, meist negative Kultur
Mäßige Infektion
Seit 5–10 Tagen, Eiteransammlung, meist positive Bakterienzahlen
Schwere Infektion
Seit mehr als 10 Tagen, Fehlen von Eiter,
IIIA: Weichteilgewebsnekrose
IIIB: ohne Weichteil- oder Knochennekrosen
Tab. 3
Kurzgefasste Stadien der Klassifikation von Schmidt et al. 2001, 2005, modifiziert 2010 (Schmidt et al. 2001, 2003, 2005)
Gliederung
Stadium I
Stadium II
Stadium III
Stadium IV
Vorbehandlung der Infektion
V0:
Keine spezifische Vorbehandlung, keine Antibiose
V1:
Keine chirurgische Vorbehandlung, Antibiose
V2:
Nur arthroskopisch
V3:
Offen chirurgisch oder arthroskopisch und offen chirurgisch
Infektionsausdehnung
G:
Nur Gelenk = intraartikuläre Infektion
G, K:
Gelenk und gelenkbildende Knochen
G, W:
Gelenk und Weichteile (Infekt oder Defekt)
G, K, W:
Gelenk und gelenkbildende Knochen + Weichteile (Infekt oder Defekt)
Gelenkschädigung
I:
Synovialishyperämie, Gelenkerguss
II:
Synovialishypertrophie, Eiter intraartikulär
III:
Synovialisschwamm, beginnender Knorpelschaden
IV:
Synovialisschwamm, deutlicher Knorpelschaden und Periosteomyelitis
Wir kennen 3 weitere deutsche Klassifikationen, deren Kenndaten in den Tab. 2 und 3 wiedergegeben sind. Die S1-Leitlinie empfiehlt, bei der Therapie von bakteriellen Gelenkinfektionen eine Klassifikation zu verwenden und nach Stadien zu operieren. Analysiert man die in den Tab. 1, 2 und 3 wiedergegebenen 6 Klassifikationen, muss festgestellt werden, dass alle jeweils nur Teilaspekte der bakteriellen Gelenkinfektionen wiedergeben und meist in Stadien zusammenfassen, deren Symptome und Kriterien auf mehrere Stadien zutreffen könnten, aber nur in einem Stadium genannt sind. In den Klassifikationen von Kuner, Draijer, Jensen, Dittrich (siehe Tab. 1 und 2) wurde versucht, unterschiedlichste Symptome und Kriterien unter jeweils einem Oberbegriff (= Stadium) zusammenzufassen, was aber zu Überschneidungen führt und keine klare Einteilung ermöglicht.
In der Klassifikation von Gächter wird konsequent nur ein Symptom oder ein Kriterium – nämlich die Synovialisveränderungen – erfasst, womit eine klare Stadienaufteilung der Synovialisveränderungen möglich ist. Anleitungen für Diagnostik und/oder Therapie des Krankheitsbildes „bakterielle Gelenkinfektion“ ergeben sich dadurch nur unzureichend. Gächter selbst beschreibt diese Synovialisklassifikation auch als Anleitung für die arthroskopische Therapie und gibt bei Stadium III den Hinweis, dass der Shaver eingesetzt werden muss, und im Stadium IV, dass in diesem Stadium arthroskopische Spülbehandlung nicht ausreicht. Mit dieser Synovialisklassifikation lässt sich arthroskopisch gut arbeiten. Für bakterielle Gelenkinfektionen mit Weichteil- und Knochenbeteiligung genügt diese Klassifikation aber nicht.
Schmidt et al. (1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005) erfasst in seiner Klassifikation (siehe Tab. 3) mehrere unterschiedliche Faktoren getrennt und unterteilt diese jeweils in 4 Stadien: Dadurch ergibt sich für die Beurteilung der individuellen Gelenkinfektion eine Einstufung auf 3 Ebenen, wobei die Faktoren jeder Ebene frei mit den anderen 2 Ebenen kombiniert werden können. Das ermöglicht eine eindeutigere Zuordnung eines einzelnen individuellen Krankheitsbildes in einer komplexen Gliederung, die auch Hinweise für Diagnostik und Therapie zulässt (Abb. 1).

Ätiologie und Pathogenese

Die bakterielle Gelenkinfektion kann auf endogenem oder exogenem Weg ausgelöst werden. Die endogene Infektion entsteht auf hämatogenem oder lymphogenem Weg. Weil die Synovialis keine Basalmembran besitzt (Carpenter et al. 2011; Simank et al. 2004; Stutz und Gächter 2001), können die Erreger die Synovialflüssigkeit leicht infizieren. Ausgangspunkte der endogenen Infektion sind Organinfektionen (Herz, Nieren, Leber, Pankreas), einliegende Katheter und Implantate (intravaskulär, Urin) (AWMF 2013), gelenknahe Wunden und Hautaffektionen (Erysipel, Intertrigo) (AWMF 2013; Bettin 1995; García-Arias et al. 2011; Lindner 1995; Mathews et al. 2010), Bursitiden (AWMF 2013; Bettin 1995; García-Arias et al. 2011; Mathews et al. 2010) sowie gelenknahe offene Frakturen (AWMF 2013).
Prädisponierend wirken immunsupprimierende Allgemeinerkrankungen (Sepsis, Leukämie, Niereninsuffizienz, HIV) (Attmanspacher et al. 2003; AWMF 2013; Böhmer et al. 2001; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Stutz und Gächter 2001; Zimmerli und Borens 2015), immunmodulierende medikamentöse Therapien (z. B. Biologicals wie TNF-alpha-Blocker (Meyer-Olson et al. 2010; Lindner 1995)) und auch das höhere Patientenalter, bei dem die Infektwahrscheinlichkeit steigt, weil die Reaktionsweise des Organismus durch verlängerte Diffusionsstrecken und eine herabgesetzte Immunabwehr verändert ist (Bettin 1995; Dittrich et al. 2002; Yanmis et al. 2011). Als infektfördernde Allgemeinerkrankungen sind insbesondere zu nennen: Diabetes mellitus mit Mikro- und Makroangiopathie und der häufig vergesellschafteten peripheren Neuropathie (Al-Nammari et al. 2008; AWMF 2013; Behrend und Hertel 2003; Dittrich et al. 2002; Esenwein et al. 2000; Federlin 1995; Hofmann 2003; Pozzilli und Leslie 1994; Paul et al. 2008; Pschyrembel 2004; Schul et al. 1995; Simank et al. 2004; Stutz und Gächter 2001), dialysepflichtige Niereninsuffizienz, vorbestehende Gelenkerkrankungen wie Arthrose und rheumatoide Arthritis, Gelenkprothesen (Al-Nammari et al. 2008; Attmanspacher et al. 2003; Bettin 1995; Garcia-De La Torre 2003; Goldenberg und Reed 1985; Ho 2001; Lindner 1995; Niermann und Zakrzewski 1999; Paul et al. 2008), Alkoholabhängigkeit und/oder Drogensucht (AWMF 2013; García-Arias et al. 2011; Lindner 1995; Mathews et al. 2010; Schul et al. 1995; Wollenhaupt und Zeidler 1998).
Als exogene Ursache der bakteriellen Gelenkinfektion sind penetrierende traumatische oder iatrogene Verletzungen der Haut/Weichteile einzustufen (Böhmer et al. 2001; Dahmen und Klyk 1987; Tscherne und Trentz 1973). Während traumatische gelenknahe Weichteilverletzungen in der Literatur immer mehr in den Hintergrund treten (Böhmer et al. 2001; Schmidt und Leffringhausen 1985), gewinnen als Infektursache Punktionen, Injektionen sowie arthroskopische Diagnostik und Therapie immer mehr an Bedeutung (Ateschrang et al. 2011; Attmanspacher et al. 2003; Cheng und Abdi 2007; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Draijer et al. 1994; Esterhai und Gelb 1991; Heppert et al. 2002; Kieser 2001; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Riegels-Nielsen et al. 1987; Schmidt et al. 1995; Shemesh et al. 2011; Simank et al. 2004; Stutz und Gächter 2001; Westphal et al. 1992; Yanmis et al. 2011). Die Prävalenz einer Gelenkinfektion nach Punktion wird in der Literatur mit 0,03–3,4 % angegeben (Attmanspacher et al. 2003; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Simank et al. 2004; Walenkamp 1995), die diagnostische Arthroskopie ist mit einer Infektrate von 0,1–0,42 % belastet (Diefenbeck et al. 2012; Esterhai und Gelb 1991; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Kieser 2001; Riegels-Nielsen et al. 1987; Stutz und Gächter 2001), die therapeutische Arthroskopie mit einer solchen von 0,05–0,4 % (Dittrich et al. 1999; Draijer et al. 1994; Paul et al. 2008; Shemesh et al. 2011), ambulante Arthroskopien an 66 operativen Zentren ergaben eine Gelenkinfektionsinzidenz von 0,13 % (Paul et al. 2008). Steroiddepots im Gelenk, wie sie häufig per Injektion eingebracht werden, erhöhen das Infektrisiko um den Faktor 20, sie führen auch zu kristalloidalen Einlagerungen in der Synovialis (Attmanspacher et al. 2003; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Jerosch 2004; Kieser 2001; Paul et al. 2008; Zimmerli und Borens 2015). Werden Steroide während der Arthroskopie gegeben, ist das Risiko einer Gelenkinfektion um das 27,4-Fache höher als ohne Steroide (Zimmerli und Borens 2015).
Das Gelenkinfektrisiko durch Arthrotomien bei Gelenkoperationen oder Versorgungen gelenknaher Frakturen werden in der Literatur relativ einheitlich mit bis zu 1 %, gelegentlich bis >3 % eingestuft (Attmanspacher et al. 2003; Diefenbeck et al. 2012; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Simank et al. 2004; Westphal et al. 1992). Systemische oder intraartikuläre Therapien mit Steroiden erhöhen das Risiko einer Gelenkinfektion aufgrund der Immunsuppression (Attmanspacher et al. 2003; Dittrich et al. 2002; Jerosch 2004; Kieser 2001; Paul et al. 2008). Die oben genannten infektfördernden Erkrankungen steigern das Infektrisiko auch bei exogener Auslösung: Länge der Operationszeit/-dauer, stattgehabte frühere Gelenkoperationen und erfolgte Eingriffe am Knorpel erhöhen das Infektrisiko zusätzlich (Jerosch 2004; Kieser 2001; Stutz und Gächter 2001).
In der Bundesrepublik Deutschland treten pro Jahr mehr als tausend Neuerkrankungen des Kniegelenkempyems auf (Morbiditätsrate 1,16) (Westphal et al. 1992). Ein nicht unerheblicher Teil aller Kniegelenkempyeme ließe sich bei strengster Indikationsstellung und peinlichster Beachtung der Asepsis vermeiden, was insbesondere für intraartikuläre Injektionsbehandlungen gilt, deren therapeutischer Nutzen oftmals fragwürdig ist (Westphal et al. 1992).
Gelenkinfektionen sind in allen Gelenken des menschlichen Körpers möglich, am häufigsten treten sie auf (in der Reihenfolge der Häufigkeit): im Kniegelenk, Schultergelenk, Ellenbogen, Hüftgelenk, oberen Sprunggelenk, in den Fingergelenken, im Handgelenk und in den Zehengelenken (AWMF 2013; Lindner 1995; Zimmerli und Borens 2015). Bei heroinabhängigen Patienten waren spezielle Gelenke besonders häufig betroffen (Kreuzdarmbeinfuge/Iliosakralgelenk, Sternoklavikulargelenk, Hüfte und Schultergelenk (Lindner 1995).
Wie oben unter Definition skizziert, können Gelenkinfektionen durch Bakterien, Pilze, Brucellen oder Parasiten verursacht werden (Diefenbeck et al. 2012; Lindner 1995). In diesem Artikel wird nur auf die bakterielle Infektion eingegangen.
Grundsätzlich können bakterielle Gelenkinfektionen durch jeden bakteriellen Erreger ausgelöst werden, allerdings werden nur wenige Spezies häufig nachgewiesen (Dahmen und Klyk 1987; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; García-Arias et al. 2011; Kieser 2001; Kraus et al. 2004; Lindner 1995; Mathews et al. 2010; Scheffer et al. 2008; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Siegel et al. 2000; Smith und Piercy 1995; Westphal et al. 1992; Yanmis et al. 2011). Gelenkinfektionen können spezifisch (Tuberkulose, Gonorrhoe, Brucellose, Typhus) sowie unspezifisch verursacht werden (AWMF 2013; Bettin 1995; Diefenbeck et al. 2012; Lindner 1995). Häufigster Erreger der unspezifischen Infektionen ist mit 40–70 % Staphylococcus (S.) aureus, was insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass S. aureus eine besondere Bindungsfähigkeit an den hyalinen Knorpel sowie an kollagene Strukturen besitzt (Bettin 1995; Dahmen und Klyk 1987; Diefenbeck et al. 2012; Esterhai und Gelb 1991; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Lungershausen et al. 1998; Nade und Speers 1987; Stutz und Gächter 2001). In abnehmender Häufigkeit verursachen S. epidermidis (10–15 %), früher Genus S. albus, Streptokokken/Enterokokken (2–8 %), andere grampositive Bakterien (0–3 %) und hochresistenter MRSA (Methicillin-resistenter S. aureus)/ORSA (Oxacillin-resistenter S. aureus) (0,5–3 %) Gelenkinfektionen. Zunehmend werden auch gramnegative Bakterien (3–9 %) (besonders häufig bei immungeschwächten Patienten mit intervaskulären oder Urinkatheter) als Erreger der bakteriellen Gelenkinfektion identifiziert (Bettin 1995; Dahmen und Klyk 1987; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Kraus et al. 2004; Lungershausen et al. 1998; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Siegel et al. 2000; Stutz und Gächter 2001; Westphal et al. 1992; Yanmis et al. 2011).
Bei 2–5 % der bakteriellen Gelenkinfektionen werden Mischinfektionen nachgewiesen, wobei wiederum S. aureus häufigster Partner mit anderen grampositiven oder gramnegativen Erregern ist (nicht selten Pseudomonaden [Nonfermenter] oder Enterobakterien) (Dahmen und Klyk 1987; Kraus et al. 2004; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Siegel et al. 2000). In den letzten Jahren werden auch leicht vermehrt hochresistente gramnegative Erreger (MRGN 3/4) als Verursacher beobachtet, was auf die zunehmende globale Resistenzentwicklung und deren vermehrte Ausbreitung durch die exzessiv gesteigerten Reisegewohnheiten zurückzuführen ist (Dittrich et al. 2002; Seara et al. 2002; Siegel et al. 2000; Yanmis et al. 2011). Bei Kindern werden neben S. aureus, Haemophilus influenzae Typ B, Streptokokken der Gruppe A, Streptococcus pneumoniae, Kingella kingae, Neisserien und/oder Salmonellen nachgewiesen/detektiert (Brook 2002; Chen et al. 2001; Faust et al. 2012; John und Chandran 2011; Kang et al. 2009; Pääkkönen und Peltola 2013; Zimmerli und Borens 2015).

Pathogenese der bakteriellen Gelenkinfektion

Tierexperimentell wurde gezeigt, dass 15 Minuten nach intraartikulärer Injektion von Staphylokokken eine Phagozytose der Bakterien durch Synovialzellen erfolgt und die Zahl der Lysosomen (Hydrolasen enthaltende Zellorganellen) deutlich ansteigt. Nach 2–4 Stunden sind polymorphkernige Leukozyten in der synovialen Deckschicht und im Synovialgewebe nachweisbar. Bereits nach 24 Stunden treten Nekrosen in der Synovialis auf, weil die Leukozyten nach Aufnahme der Bakterien zerfallen und lysosomale Enzyme freisetzen. Die Schichtdicke der Synovialzellen, die im gesunden Gelenk nur wenige Zellreihen beträgt, steigt auf ein Vielfaches an. Für den Entzündungsverlauf ist das Ansteigen der Lysosomenzahl wesentlich, weil Lysosomen enzymatische Prozesse auslösen, die Nekrosen der Gelenkkapsel und Zerstörung des Gelenkknorpels verursachen. Bradytropher Gelenkknorpel wird von der regelrecht zusammengesetzten Synovialflüssigkeit ernährt, wobei es sich um ein Plasma-Dialysat handelt, welches – bevor es die Gelenkhöhle erreicht – die Doppelbarriere von Kapillarwand und synovialer Matrix passieren muss. Diese Doppelmembran erklärt die unterschiedliche Proteinzusammensetzung von Plasma und Synovia. Hyaluronsäure ist ein Produkt der aktiven Synovialzellen, – Glukose passiert die Barriere ungehindert. Bei den wenigen zellulären Komponenten der normalen Synovia handelt es sich überwiegend um Lymphozyten und nicht um segmentkernige Granulozyten. Gerinnungsfaktoren kommen in der physiologischen Synovia nicht vor (Carpenter et al. 2011; Cotta und Ewerbeck 1988; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Hofmann 2003; Lindner 1995; Paul et al. 2008; Riegels-Nielsen et al. 1987; Simank et al. 2004).
Bei septischer Arthritis steigt die Zellzahl meist über 20.000/μl, der Glukosegehalt ist wegen vermehrten Verbrauchs stark erniedrigt und die Laktatdehydrogenase (LDH) wegen des intraartikulären Zellzerfalls erhöht. Als Folge der gestörten Membranbarriere gelangen vermehrt Proteine und Gerinnungsfaktoren in den Gelenkinnenraum, was von entscheidender Bedeutung ist. Einerseits führen die lysosomalen Enzyme aus den Synovialzellen und den Granulozyten direkt zur Knorpelzerstörung, andererseits sammeln sich aufgrund der gestörten Kapillarpermeabilität Gerinnungssubstanzen auf dem Knorpel und behindern den Synovialstoffwechsel und die Knorpelnutrition. Chondrozytennekrosen können bereits nach 24 Stunden nachgewiesen werden. Makroskopisch erkennbare Rissbildungen in der Knorpeloberfläche treten in der 3. Krankheitswoche auf, wodurch die Gefahr des Übergreifens der Infektion auf den Knochen besteht (Carpenter et al. 2011; Cotta und Ewerbeck 1988; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Hofmann 2003; Lindner 1995; Paul et al. 2008; Riegels-Nielsen et al. 1987; Simank et al. 2004).
Im zeitlichen Verlauf läuft die bakterielle Gelenkinfektion beim Kaninchen wie in Tab. 4 dargestellt ab (Heppert et al. 2002; Riegels-Nielsen et al. 1987).
Tab. 4
Zeitlicher Verlauf der Gelenkinfektion im Tierexperiment (Kaninchen) (Heppert et al. 2002; Riegels-Nielsen et al. 1987)
24 Stunden nach Infektionsbeginn
Freisetzung von lysosomalen Enzymen in den Gelenkraum
2. Tag nach Infektionsbeginn
Hypertrophie der Synovialis
3. Tag nach Infektionsbeginn
Klinische Infektzeichen
5. Tag nach Infektionsbeginn
Erweichung und Auffaserung der Knorpeloberfläche, Fibrinbeläge blockieren Knorpelernährung
11. Tag nach Infektionsbeginn
Pannus überwuchert den Knorpel (= „maligne Synovialishypertrophie“)
17. Tag nach Infektionsbeginn
Durchbruch der Gelenkkapsel
35. Tag nach Infektionsbeginn
Beginn der Ankylosierung
Aus Pathogenese und dem zeitlichen Verlauf der bakteriellen Gelenkinfektion im Tiermodell sind mehrere Schlussfolgerungen für Diagnostik und Therapie hervorzuheben:
1.
Die bakterielle Gelenkinfektion verursacht innerhalb von wenigen Stunden entscheidende Synovialisveränderungen: Ansammlung von polymorphkernigen Leukozyten und Lysosomen in der Synovialis, Schichtdickenzunahme, Zerstörung der Doppelbarriere von Kapillarwand und synovialer Matrix, was zum ungestörten Eintritt von Proteinen und Gerinnungsfaktoren in den Gelenkinnenraum führt.
 
2.
Knorpelzerstörung durch lysosomale Enzyme (aus Synovialzellen und aus den Granulozyten) und durch ungestörtes Einwandern von Gerinnungsfaktoren, die Synovialstoffwechsel und Knorpelnutrition behindern.
 
3.
Völlige Veränderung der Zusammensetzung der Synovia und damit Sistieren der Knorpelernährung und Verlust aller weiterer Synoviaqualitäten (Verlust der unterschiedlichen Proteinzusammensetzung von Plasma und Synovia aufgrund der Zerstörung der Doppelmembran).
 
4.
Rasches Voranschreiten der gelenkzerstörenden Faktoren ab 11. Tag. Pannusartige Überwucherung des Knorpels durch die hypertrophierte qualitätsveränderte Synovialis, ab 17. Tag Durchbruch der Gelenkkapsel.
 
5.
Zellansammlung (neutrophile Granulozyten) im Gelenkinnenraum, Minderung des Glukosegehalts in der veränderten Synovia, Anstieg der LDH.
 
6.
Aufgrund der tierexperimentell nachgewiesenen raschen Zerstörung eines infizierten Gelenks ist zu schlussfolgern, dass die Therapie zur Gelenkrettung rasch und zielgerichtet erfolgen muss und die Entfernung der qualitätsveränderten Synovialis erforderlich ist.
 

Klinik

Der klinische Befund der bakteriellen Gelenkinfektion ist individuell sehr mannigfaltig und wird von vielen Einzelfaktoren beeinflusst: anatomische Lokalisation, Infektursache (exogen, endogen), Aktualität/Aktivität der Infektion (akut, subakut, chronisch), Infektdauer, Zahl und Virulenz der verursachenden Erreger, Alter des Patienten, Zweiterkrankungen und insbesondere immunabwehrstörende Erkrankungen des Patienten (z. B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz), Ausdehnung der Gelenkinfektion (nur intraartikulär oder mit Beteiligung der Weichteile und/oder des Knochens), Ausmaß der Synovialisveränderungen (Stadien), Vorbehandlung des Gelenkes und evtl. erfolgte Behandlung der Gelenkinfektion (Schmidt und Leffringhausen 1985).
Das Spektrum der klinischen Befunde der bakteriellen Gelenkinfektion reicht von völlig unauffällig bis zu hoch dramatisch. Es werden unterschiedlichste Krankheitsbilder beschrieben, vom wenig beeinträchtigenden Dauererguss bis zum hochakuten, lebensbedrohlichen septischen Krankheitsbild (Ballard et al. 1975; Diefenbeck et al. 2012; Esenwein et al. 2000; Heppert et al. 2002; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Akute bakterielle Gelenkinfektionen zeigen häufig die klassischen Entzündungszeichen Schwellung (Tumor), Überwärmung (Calor), Rötung (Rubor), Schmerzen (Dolor), eingeschränkte Funktion (Functio laesa) in unterschiedlich starker Ausprägung und in verschiedener Zusammensetzung (Abb. 2 und Abb. 3).
Insbesondere bei Säuglingen kann die septische Arthritis ohne Fieber beginnen. Auch die klassischen Entzündungszeichen sind beim Säugling und Kleinkind nicht immer nachzuweisen, die schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Gelenks steht im Vordergrund, die Pseudoparalyse ist ein Kardinalzeichen. Der klinische Befund wird nicht selten durch ein scheinbares oder tatsächlich stattgefundenes Trauma beeinflusst, die klinische Symptomatik ist progredient und weist durch den deutlich beeinträchtigten Allgemeinzustand auf ein septisches Geschehen hin (Raab 2004).
Bei Kindern und Jugendlichen bestehen häufig alle oben genannten Symptome gleichzeitig und dazu in Kombination mit Fieber. Bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen werden meist nur Schwellung, Schmerzen, Funktionseinschränkung mit Schonhaltung festgestellt, selten Fieber. Fast immer findet sich Gelenkerguss unterschiedlicher Ausprägung, der von „eben nachweisbar“ bis „prall elastisches Gelenk“ reicht (Diefenbeck et al. 2012; Heppert et al. 2002; Jerosch und Prymka 1998).
Das Gelenkpunktat ist undurchsichtig, trübe, grau bis cremefarben, evtl. blutig, evtl. eitrig, zeigt erniedrigte Viskosität (fadenziehende Eigenschaft vermindert, mit Glasstäbchen prüfbar), eine hohe Zellzahl (überwiegend Granulozyten), ein erhöhter Enzymgehalt und erniedrigter Glukoseanteil lassen sich nachweisen, und nicht selten gelingt mikroskopisch bereits Bakteriennachweis (Diefenbeck et al. 2012; Müller 1979; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schwarz und Katthagen 1985; Stojan 1982).
Laborchemisch ist die BSG maximal beschleunigt, es findet sich meist ein deutlicher bis exzessiver Anstieg der Leukozyten mit Linksverschiebung im Differenzialblutbild sowie eine deutliche Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP) (Lob 1980; Paar und Bernett 1983; Schmidt und Leffringhausen 1985). Weitere Entzündungsmarker wie Granulozyten-Elasterase (= PMN), Prokalzitonin (PCT), Neopterin, Fibrinogen, Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) haben noch keinen Stellenwert in der Routineentzündungsdiagnostik. Röntgenologisch lassen sich während der ersten 2 Krankheitswochen – außer einem Erguss – keine infektspezifischen Veränderungen nachweisen. Anschließend sind subchondrale Entkalkungen – sog. Trauerränder – auffällig (Diefenbeck et al. 2012; Lob 1980; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schwarz und Katthagen 1985; Schwarz 1982).
Während die klinische Gesamtproblematik in der Phase der ausschließlich intraartikulären Infektion relativ harmlos bleibt, entsteht bei Übergreifen der Infektion auf die Weichteile (Kapselphlegmone/Panarthritis) und/oder den Knochen (Osteoarthritis) ein ernstes Krankheitsbild mit lebensbedrohlicher Symptomatik, und es können die toxischen Allgemeinsymptome im Vordergrund stehen (Esenwein et al. 2000; Kieser 2001; Schmidt und Leffringhausen 1985; Tscherne und Trentz 1973). Bakterielle Gelenkinfektionen können ohne gezielte Therapie ab der Phase der Kapselphlegmone/Panarthritis, insbesondere bei immungeschwächten Individuen, zur völligen Gelenkdestruktion mit Funktionsunfähigkeit oder auch zum Tod des Erkrankten führen. Exitus letalis kann auch dadurch eintreten, dass die erforderliche operative Behandlung zu zögerlich oder zu begrenzt erfolgt, weshalb von einigen Autoren empfohlen wird, bereits nach 1 Woche Infektionszeit eine offene Synovialektomie und bei Überschreiten der Synovialisgrenze (beginnende Kapsel-Band-Phlegmone/Panarthritis) keine arthroskopische Synovialektomie mehr auszuführen (Attmanspacher et al. 2003; Dittrich et al. 2002; Esenwein et al. 2000).
Die bakterielle Gelenkinfektion kann auch – primär oder sekundär – chronisch verlaufen. Bei primär chronischem Verlauf (verursacht durch schwächer virulente Erreger, z. B. S. epidermidis, Corynebacterium) ist die klinische Symptomatik meist deutlich weniger auffällig. Die sonst typischen Infektzeichen bestehen häufig nicht oder können sogar völlig fehlen. Auffällig ist meist eine ausgeprägte schmerzhafte Bewegungsstörung, nicht selten sogar Gelenkeinsteifung, und es kommt häufiger zu Fistelbildungen (partieller Durchbruch der Gelenkkapsel) (Diefenbeck et al. 2012; Heppert et al. 2002; Poigenfürst und Vécsei 1979; Schmidt und Leffringhausen 1985) (Abb. 4, 5, 6 und 7).
Die Laborveränderungen bei chronischer Infektion können diskretere Erhöhungen der BSG, der Leukozyten und des CRP aufweisen, können aber auch völlig unauffällig sein, das heißt, sie können Normalbefunde bieten. Radiologisch lassen sich Verschmälerungen des Gelenkspalts mit verwaschener Begrenzung, Usuren und Destruktionen, Periostreaktionen der Gelenkkapsel und der periartikulären Weichteile und schließlich septische Luxationen bzw. Ankylosen nachweisen (Diefenbeck et al. 2012; Heppert et al. 2002; Muhr et al. 1983; Poigenfürst und Vécsei 1979; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schwarz und Katthagen 1985; Tscherne und Trentz 1973).
Bei sekundär chronischer Gelenkinfektion geht dem chronischen Stadium ein akutes oder subakutes Stadium voraus. Beide Anfangsstadien können fehlbeurteilt oder bagatellisiert werden und bestehen dann nur kurz, wenn der Patient zum Beispiel mit ungezielter antibiotischer Therapie behandelt wurde oder bei sehr guter Immunabwehr nur einen diskreten Krankheitsverlauf bietet. Klinische Befunde und Laborveränderungen entsprechen während der akuten Phase dem oben geschilderten akuten Bild, während der chronischen Phase dem oben geschilderten chronischen Bild.
Die Diagnosestellung einer typischen akuten bakteriellen Gelenkinfektion bereitet aufgrund der Anamnese, der Symptomatik, der laborchemischen inkl. Punktatbefunde sowie des Röntgenbefundes zur Abgrenzung gegenüber anderen Diagnosen wenig Probleme (Attmanspacher et al. 2003; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Lob 1980; Schmidt et al. 1995; Schmidt und Leffringhausen 1985; Simank et al. 2004). Die Diagnosefindung bei laufender Antibiotikatherapie, nach umfangreicherer Vorbehandlung und insbesondere im chronischen Stadium kann sehr schwierig sein und erfordert dann Ausschöpfung aller diagnostischen Möglichkeiten (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Havemann und Voigt 1976; Heppert et al. 2002; Linke et al. 2009; Poigenfürst und Vécsei 1979; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schwarz 1982).

Diagnostik

Bei Verdacht auf eine bakterielle Gelenkinfektion ist primär die entscheidende Frage zu beantworten, welche Diagnostik erforderlich ist, um abschätzen zu können, ob es sich um eine akute Infektion mit beginnender oder bereits eingetretener Sepsis, um eine akute oder um eine chronische Gelenkinfektion handelt.
Der diagnostische Untersuchungsgang sollte stets dem gleichen Schema folgen, wobei nahezu alle Autoren die gleichen Kriterien empfehlen: Anamneseerhebung, klinische Untersuchung, Labor mit Gelenkpunktion, Röntgenübersichten in 2 Ebenen (Attmanspacher et al. 2003; Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Carpenter et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Gächter 1988, 1994; Havemann und Voigt 1976; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Kieser 2001; Kraus et al. 2004; Lindner 1995; Lob 1980; Lungershausen et al. 1998; Muhr et al. 1983; Müller 1979; Neumann und Muhr 1990; Paar und Bernett 1983; Paul et al. 2008; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schwarz und Katthagen 1985; Schwarz 1982; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Simank et al. 2004; Strobel et al. 1989; Tscherne und Trentz 1973; Yanmis et al. 2011; Zimmerli und Borens 2015).

Erhebung der Anamnese

Dabei ist nach dem Zeitpunkt erster Anzeichen der Infektion und nach dem Entstehungsmechanismus zu fragen, nach möglichen Folgen
  • eines Unfalles mit Gelenkeröffnung (auch Tier- oder Menschenbisse),
  • einer fortgeleiteten Infektion (akute oder chronische Wunde, Fremdkörpereindringen in das Gelenk – auch Holzsplitter, gelenknahe Verletzung oder Entzündung),
  • einer intra- oder periartikulären Injektion (speziell mit oder ohne Kortison),
  • einer offenen Gelenkoperation oder nach Implantation einer Gelenkendoprothese (AWMF 2013; Diefenbeck et al. 2012; Lindner 1995).
Bei der Anamnese ist weiterhin zu klären,
Dann ist zu klären, ob wesentliche Erkrankungen bestehen:
  • Diabetes mellitus
  • Periphere vaskuläre Erkrankungen: pAVK, Varikosis, postthrombotisches Syndrom
  • Ulzera
  • Rheumatische Erkrankungen
  • Tumoren (speziell maligne)
  • Leber- und/oder Nierenkrankheiten
  • Neurologische Erkrankungen
  • Infektionen: Pharyngitis, Tonsillitis, Gingivitis, Zahngranulom, Zahnkaries, Zahnimplantat, Endokarditis, Harnwegsinfekt, Hepatitis, HIV, Borreliose, Tuberkulose, Gastroenteritis, Geschlechtskrankheiten, Infektionen durch resistente Erreger.
Schließlich ist zu erfragen,
  • welche Medikamente eingenommen werden, speziell antirheumatische, antibiotische, „blutverdünnende“, immunsupprimierende, Analgetika.
  • ob Selbstständigkeit besteht oder häusliche oder Heimpflege erfolgt,
  • ob Drogen konsumiert werden,
  • wie viel Alkohol getrunken wird und
  • wie der Impfstatus ist (Tetanusschutz) (AWMF 2013; Heisel 1992).

Klinische Untersuchung

Erfassung von Ruhe-, Bewegungs- und Palpationsschmerzen (VAS), lokalen Infektzeichen (Tumor, Rubor, Calor, Dolor, Functio laesa), Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Gelenkerguss, Ausdehnung der vermuteten Infektion (Beteiligung von Weichteilen, Knochen, Gefäßen, Nerven), Durchblutungsverhältnisse (Pulsstatus), Messung des Bewegungsumfanges, Schonhaltung, eventuell vergleichende Umfangsmessung zur Gegenseite, Lymphangitis, Lymphadenitis, Wunden, Verletzungsfolgen, stattgehabte Injektionen, Fisteln, Narben, Katheter, Zeichen der Infektion in anderer Region, speziell Mund-, Rachen-, Gesichtsbereich, Lunge, Herz, Zentralnervensystem (ZNS), urogenital, Zeichen der Sepsis (AWMF 2013; Heisel 1992).

Laboruntersuchungen

Bei vermuteter akuter Infektion: kleines Blutbild, Differenzialblutbild, CRP, evtl. BSG, Kreatinin.
Bei vermuteter chronischer Infektion oder Unsicherheit der Aktivität der Infektion: zusätzlich Suchtests auf Borrelien, Chlamydien, Viren.
Bei höherem Alter des Patienten, Zweiterkrankungen oder laufender Therapie: erweiterte Laboruntersuchungen.
Bei Verdacht auf Bakteriämie/Sepsis: Blutkulturen mit je 10 ml Venenblut in einer aeroben und einer anaeroben Blutkulturflasche, ggf. nach 6 Stunden wiederholen, Aufbewahrung bis zum möglichst raschen Transport bei Raumtemperatur (keine Bebrütung, keine Kühlung) (Mathews und Coakley 2008; Mathews et al. 2007).

Gelenkpunktion

Gelenkpunktion erfolgt bei Verdacht auf bakterielle Gelenkinfektion präoperativ, nur bei Indikation zur sofortigen Operation (Prä- oder Sepsisvollbild) kann sie unterlassen werden. Intraoperativ sollte immer Synovia entnommen werden, weil diese wesentlich häufiger zum positiven bakteriologischen Nachweis führt als Abstriche von der Synovialis. Mikrobiologisch ist die Untersuchung von Flüssigkeiten und/oder Gewebeanteilen (Synovialis, Weichgewebe, Knochenproben) grundsätzlich der Abstrichuntersuchung vorzuziehen (die häufiger falsch-negative bakteriologische Ergebnisse liefert; siehe unten). Wenn zusätzliche Abstrichuntersuchungen erfolgen, immer in sterilem Röhrchen mit Transportmedium (Thioglykolat: Nährboden für Anaerobier) versenden (Mathews und Coakley 2008; Mathews et al. 2007).
Die Gelenkpunktion ist unter strengster Beachtung der Hygienevorschriften vorzunehmen: lokales Abwaschen/Sprühen mit zugelassenen Desinfektionsmitteln (Einwirkzeiten beachten, mindestens 1 Minute), hygienische Händedesinfektion, Kopf-, Mundschutz, steriler Kittel, sterile Handschuhe, steriles ausreichend großes Abdecken der Punktionsregion, Arbeiten ausschließlich mit sterilem Instrumentarium. Das Punktat wird zur bakteriologischen Untersuchung und zur Synoviaanalyse gegeben, evtl. parallel zur Histologie gesendet.
Synoviabeurteilung: Bestimmung der Punktatmenge, Beurteilung der Farbe und Konsistenz: eitrig (= Verdacht auf Infektion mit S. aureus oder anderem virulenten Erreger), trüb, flockig, grau, gelb (= Verdacht auf Infektion mit S. epidermidis oder anderem schwächer virulenten Erreger), wässrig (= Verdacht auf Infektion mit Tuberkuloseerreger) (Heisel 1992).
Synoviaanalyse (Zellzahl- und Zellqualitätsbestimmung): Leukozytenzahlen zwischen 1000–10.000/μl schließen Gelenkinfektion nicht aus (Carpenter et al. 2011; Coutlakis et al. 2002; Kang et al. 2009; Mathews und Coakley 2008). Leukozytenzahlen zwischen 10–25.000/μl sind verdächtig auf Gelenkinfektion, Leukozytenzahlen ab 25.000/30.000/μl und neutrophile Granulozyten von 85–95 % sind infektbeweisend (Bettin 1995; Diefenbeck et al. 2012; Heisel 1992; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Paul et al. 2008).
Versuch des Erregernachweises im Punktat: mikroskopische Untersuchung eines Gram-gefärbten Abstriches aus dem Punktat. Nachweis von grampositiven oder gramnegativen Erregern beweist die bakterielle Infektion (Diefenbeck et al. 2012; Heisel 1992; Schmidt und Leffringhausen 1985; Stutz und Gächter 2001).
Bei Fistelabstrichen und Drainageflüssigkeiten besteht eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit der sekundären Kontamination, sodass in jedem Einzelfall abgewogen werden muss, ob die hieraus nachgewiesenen Bakterien tatsächlich die jeweilige Infektion verursachen. Besonders gilt dies für Bakterien, die die Haut bewohnen, wie z. B. koagulasenegative Staphylokokken und Corynebakterien, während dies für S. aureus und gramnegative Bakterien (z. B. E. coli, andere Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa) sehr viel weniger wahrscheinlich wäre. Intraoperative Abstriche sind bei der zu erwartenden niedrigen Keimzahl unangemessen, da nur Erreger an der Oberfläche erreicht werden, wobei auch die Größe der abgestrichenen Fläche eine Rolle spielt. Biopsien aus mehreren makroskopisch verdächtigen Regionen des Operationssitus sind am aussagekräftigsten (Frommelt und Herrmann 2004).
Das Gelenkpunktat und diagnostische Biopsien müssen in einem qualifizierten Eingriffsraum unter aseptischen Bedingungen gewonnen werden. Intraoperative Biopsien sollten aus mehreren Regionen des Operationssitus entnommen werden. Das Probenvolumen sollte – wenn immer möglich – jeweils 1 cm3 betragen. Gewebeproben sollten in einem sterilen Probenröhrchen nach Zugabe einiger Tropfen steriler Kochsalzlösung oder Thioglykolat-Bouillon transportiert werden. Da auch empfindliche Erreger zu erwarten sind, ist generell ein rascher Probentransport ins Untersuchungslabor erforderlich (innerhalb 2 Stunden) (Frommelt und Herrmann 2004). Falls Zwischenlagerung nicht zu umgehen ist, immer bei Raumtemperatur lagern, nicht bebrüten, nicht kühlen (Mathews und Coakley 2008; Mathews et al. 2007). Bei vorangegangener Antibiotikatherapie ist die Inokulation in Blutkulturflaschen sensitiver als die native Einsendung (Zimmerli und Borens 2015).
Bei Verdacht auf Virusinfektionen stehen serologische Untersuchungen im Vordergrund. Bei bakteriellen Infektionen sind kulturelle Methoden zum Erregernachweis das Standardverfahren, die die Erregeranzucht ermöglichen und die Voraussetzung für eine Resistenzbestimmung sind. Molekularbiologische Methoden zum Nachweis bakterieller Nukleinsäuren sind nur bei speziellen Fragestellungen verfügbar (Mykobakterien, MecA-Gen bei Staphylokokken) (Frommelt und Herrmann 2004). Nach Anreicherung der bakteriellen DNA können die Erreger mit Multiplex-PCR identifiziert und auch genetisch fixierte Resistenzen nachgewiesen werden (Diefenbeck et al. 2012).
Bei den mikrobiologischen Laboruntersuchungen sollten erfolgen: mikroskopische Direktuntersuchung sowie Kulturuntersuchung auf festen und in flüssigen Medien aerob und anaerob. Bebrütungsdauer mindestens 14 Tage, weil insbesondere bei der „low grade infection“ die Erreger lange Anzuchtzeiten benötigen und die Erreger in veränderter Form (sessile Form) vorliegen können. Bei positivem Erregernachweis schließt sich die Identifizierung und Resistenzbestimmung an (Frommelt und Herrmann 2004). Tuberkulosediagnostik erfolgt auf speziellen Medien und mit PCR (Tierversuch veraltet); bei Verdacht: Rheumadiagnostik (AWMF 2013).
Cave: Ein negatives Kulturergebnis schließt die bakterielle Gelenkinfektion nicht aus (Frommelt und Herrmann 2004; Heppert et al. 2002), in vielen Untersuchungen wurden bei 10 bis >40 % der untersuchten Proben keine Erreger nachgewiesen (Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Draijer et al. 1994; Heppert et al. 2002; Hofmann 2003; Schmidt et al. 1984; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Siegel et al. 2000; Simank et al. 2004; Yanmis et al. 2011).
Bei der Diagnostik seltener Erreger, wie Bartonellen, Borrelien und Yersinien, sind neben Kultur und Mikroskopie auch Antikörperuntersuchungen und PCR erforderlich, bei Leptospiren Antikörperuntersuchungen. Der Antikörpernachweis erfolgt aus Serum, der molekularbiologische Erregernachweis (PCR) vorzugsweise aus Synovia (Mathews und Coakley 2008; Mathews et al. 2007).

Röntgenuntersuchung und Sonografie

Standardröntgenaufnahmen des Gelenkes in 2 Ebenen sollten stets erfolgen, weil sie evtl. Wesentliches zeigen können, z. B. Gelenkerguss, Gelenkosteosynthesen (evtl. mit Lockerungszeichen, evtl. fehlerhaft eingebracht, evtl. mit Sequestern), Fremdkörper, Gelenkprothesen, Frakturen, Luxationen oder Tumoren. Ab 3. Woche Infektion: deutliche Gelenkspaltverschmälerungen, Grenzlamellenzerstörung mit unruhigen, zum Teil flauen Gelenkspaltbegrenzungen, Demineralisation der Grenzlamelle, sog. Trauerrand, Stadium Gächter IV im Röntgen erfassbar, Osteomyelitiszeichen wie Lysen, Usuren, Sequester, periostale Reaktionen (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Heisel 1992; Lob 1980; Lungershausen et al. 1998; Schmidt et al. 2001, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schwarz und Katthagen 1985; Schwarz 1982). Bei geeigneter Situation kann auch eine radiologische Fisteldarstellung erfolgen.
Alternativ oder ergänzend kann die Arthrosonografie durchgeführt werden, in der der Gelenkerguss quantifiziert werden kann und sonografisch gesteuerte Punktionen des Gelenkes und/oder extraartikulärer Flüssigkeitsansammlungen möglich sind (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Zimmerli und Borens 2015).

Diagnostik bei chronischer Gelenkinfektion oder Verdacht auf chronische Gelenkinfektion

Zur Ein- und Abgrenzung können weitere bildgebende oder andere Untersuchungen erfolgen.
Die MRT gibt Auskunft über Ausdehnung und Lokalisation der Infektion in den Weichteilen und im Knochenmark, eine Korrelation zu den Infektstadien 2–4 nach Gächter ist möglich. In der T2-Wichtung stellen sich entzündliche Veränderungen als Weichteilabszesse und Synovialisveränderungen gut dar. Nach Kontrastmittelgabe zeigen Abszesse und Empyeme ein Enhancement des Rands (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Linke et al. 2009; Lungershausen et al. 1998).
CT ist bei Gelenkinfektionen Methode der 2. Wahl, bei chronischen Infektionen kann es auch kleine Sequester zeigen, und es ermöglicht die Beurteilung des Ausmaßes der Demineralisation und dient der Operationsplanung (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Linke et al. 2009).
Die 2- oder 3 Phasen-Skelettszintigrafie zeigt hochsensitiv jede Steigerung des Knochenstoffwechsels, besitzt aber nur geringe Spezifität. Die negative Szintigrafie schließt Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, die positive Szintigrafie hilft wegen der geringen Spezifität nur zum Nachweis einer einseitigen Sakroiliitis weiter (gehäuft bei Frauen nach gynäkologischem Eingriff) (Zimmerli und Borens 2015). Bei gleichzeitig bestehender Osteitis/Osteomyelitis kann die zusätzliche Gelenkinfektion schneller aufgedeckt werden (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Linke et al. 2009).
Bei der 18F-FDG-PET/CT dient 18F-Desoxyglukose als Tracer, die sich in Neutrophilen, Lymphozyten und Makrophagen anreichert, wodurch die räumliche Ausdehnung und die Konfiguration von Entzündungsprozessen gut dargestellt werden können. Allerdings ist die Unterscheidung zwischen bakteriellen Gelenkinfektionen und unspezifischen Gelenkinfektionen nur begrenzt möglich (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012).

Differenzialdiagnosen

Reaktive Arthritiden (ohne Erregernachweis im Gelenk) (Morris und Inman 2012), s. auch „Definition“:
a)
Para- oder postinfektiös nach bakteriellen Infektionen:
  • Gastrointestinale Infektionen durch: Salmonella enterica, Campylobacter jejuni, Yersinien, Shigellen, Brucellen, Clostridium difficile (AWMF 2013)
  • Urogenitale Infektionen durch: Chlamydia trachomatis, Mykoplasmen und Ureaplasmen, Neisseria gonorrhoe (David und Vrahas 2000)
  • Respiratorische Infektionen durch: Chlamydia pneumoniae, Streptococcus pyogenes, Haemophilus influenzae, Neisseria meningitidis (Wollenhaupt und Zeidler 1998)
  • Systemische Infektionen durch: Treponema pallidum (AWMF 2013)
 
b)
Para- oder postinfektiös nach Virusinfektion (virale Arthritis) (AWMF 2013):
 
c)
Sonstige (AWMF 2013; Heisel 1992; Zimmerli und Borens 2015):
  • Postoperative Gelenkirritation
  • Hämarthros
  • Meniskopathie
  • Knorpelaffektion
  • Rheumatisches Fieber
  • Aktivierte Arthrose
  • Chronische Polyarthritis
  • Kristallarthropathie (Gicht, Pyrophosphatgicht)
  • Begleitsynovialitis bei einer Virus- und/oder bakteriellen Erkrankung
  • Nekrotisierende Fasciitis
  • Gelenknahe oder intraartikuläre Frakturen
  • Bursitiden
  • Lockerung eines künstlichen Gelenks
  • Exazerbierte Abriebsynovitis bei künstlichem Gelenkersatz
  • Implantatlockerung
  • Gelenknahe Weichteil- oder Knochentumoren
  • Allergisch bedingte Synovialitis (Nahrungsmittel, Medikamente)
 

Therapie

Behandlungsziele der Therapie einer bakteriellen Gelenkinfektion sind dauerhafte Infektionsberuhigung/Rezidivfreiheit, Schmerzfreiheit, Wiederherstellung der Gelenkfunktion und Vermeidung von Komplikationen (AWMF 2013; Draijer et al. 1994; Hofmann 2003).
Die akute bakterielle Gelenkinfektion ist als Notfall einzustufen und unverzüglich operativ zu behandeln (Al-Nammari et al. 2008; Attmanspacher et al. 2003; AWMF 2013; Böhmer et al. 2001; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999; Heppert et al. 2002; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Bei Verdacht auf oder bei bestehender Sepsis ist nach notfallmäßiger Vorbereitung (Notfalldiagnostik, Entnahme von Blutkulturen (aerob, anaerob), Analgesie, Anästhesie) sofort zu operieren, wobei parallel bestehende pulmonale oder urogenitale Infektionen sofort präoperativ behandelt werden müssen (AWMF 2013). In einer derartigen Situation wird kalkulierte antibiotische Therapie ohne Kenntnis des verursachenden Erregers bereits vor Narkoseeinleitung begonnen (selbstverständlich trotzdem intraoperativ Entnahme von Synovia und/oder Gewebeproben für die bakteriologische Analyse). Bestehen keine allgemeinen schwerwiegenden begleitenden Infektionen, erfolgt die systemische antibiotische Behandlung – auch bei Sepsis – erst intraoperativ nach Entnahme der bakteriologischen Proben.
Bei akuter bakterieller Gelenkinfektion ohne Sepsisverdacht erfolgt die im Abschn. 5 dargestellte Diagnostik mit Anamnese- und Befunderhebung, Laboruntersuchungen, Gelenkpunktion nach oben beschriebenem Vorgehen, mikroskopische Untersuchung eines Synoviaabstriches auf Erreger, Röntgen-Nativaufnahmen des betroffenen Gelenkes in 2 Ebenen. Parallel werden die üblichen präoperativen allgemeinen Maßnahmen ausgeführt: Schmerztherapie, Thromboseprophylaxe (keine Anwendung intermittierender pneumatischer Kompression oder Fußpumpen), Dekubitusprophylaxe (AWMF 2013).
Bestätigen die Untersuchungen den Verdacht auf bakterielle Gelenkinfektion, ist bei bestehender Operationsfähigkeit unverzüglich operativ zu behandeln (Al-Nammari et al. 2008; Attmanspacher et al. 2003; AWMF 2013; Böhmer et al. 2001; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985). Bestätigen die Untersuchungen den Verdacht auf bakterielle Gelenkinfektion, aber der Allgemeinzustand verbietet operatives Vorgehen, ist konservative Therapie der Gelenkinfektion einzuleiten (siehe unten).
Bestätigen die Untersuchungen den Verdacht auf akute bakterielle Gelenkinfektion nicht, sind nicht bakterielle Gelenkinfektionen (reaktive Arthritiden, siehe Abschn. 7) durch entsprechende Diagnostik zu bestätigen, oder es ist eine erweiterte Diagnostik erforderlich, um die Ursache der Gelenkinfektion aufzudecken (siehe Abschn. 1; z. B. rheumatoide Arthritis, Arthritis bei entzündlichen Bindegewebserkrankungen, allergische Arthritis, Arthritis in Verbindung mit Stoffwechselerkrankungen, Arthritis bei Gelenkblutungen).
Die operative Gelenkinfektionsbehandlung gründet sich auf 3 Therapiesäulen (Attmanspacher et al. 2003; Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Kraus et al. 2004; Lungershausen et al. 1998; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001; 2003; 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Stutz und Gächter 2001; Yanmis et al. 2011):
1.
Operative Synovialisentfernung
 
2.
Systemische antibiotische Behandlung
 
3.
Frühfunktionelle Übungsbehandlung
 
Die operative Gelenkinfektionsbehandlung erfolgt nach Klinik und Klassifikation möglichst stadienorientiert (siehe Abschn. 2) arthroskopisch oder offen (Attmanspacher et al. 2003; AWMF 2013; Bettin 1995; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Paul et al. 2008; Schul et al. 1995; Stutz und Gächter 2001; Zimmerli und Borens 2015). Die Gelenkinfektion verläuft immer stadienabhängig, wobei grundsätzlich gilt, je früher ein therapeutischer Eingriff erfolgt, desto eher ist mit einem guten Ergebnis (Infektberuhigung, Funktionserhalt) zu rechnen (Attmanspacher et al. 2003; AWMF 2013; Bettin 1995; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Jerosch 2004; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Paul et al. 2008; Schul et al. 1995; Stutz und Gächter 2001; Zimmerli und Borens 2015).
Die Entscheidung, arthroskopisch oder offen vorzugehen, richtet sich unter anderem nach der Infektgenese, der Infektionsdauer, der anatomischen Lokalisation, der Infektausdehnung, der evtl. erfolgten Gelenkvorbehandlung und/oder der evtl. erfolgten Vorbehandlung der Gelenkinfektion, dem Alter des Patienten und den Erfahrungen und Möglichkeiten des Operateurs:
Infektgenese: Bei penetrierenden traumatischen oder iatrogenen Verletzungen der Weichteile oder des Knochens, gelenknahen Weichteil- oder Knocheninfektionen, stattgehabten Gelenkfrakturen, bei liegenden Gelenkosteosynthesen operiert man eher offen oder beginnt arthroskopisch und setzt die Operation bei Beteiligung von Knochen und/oder Weichteilen offen fort (Attmanspacher et al. 2003; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Draijer et al. 1994; Schmidt et al. 1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Stutz und Gächter 2001).
Infektdauer: Beträgt diese nur wenige Tage, operiert man eher arthroskopisch und setzt die Operation offen fort, wenn man ein Synovialisinfektstadium (III oder) IV feststellt. Beträgt die Infektionsdauer mehr als 3–4 Wochen, ist von einer chronischen oder chronisch rezidivierenden Gelenkinfektion mit akuter Exazerbation auszugehen, wobei das offene Vorgehen therapeutisch meist günstiger ist als das arthroskopische. Auch kann man arthroskopisch beginnen und bei Feststellung schwerer Gelenkschäden die Operation offen fortsetzen (Attmanspacher et al. 2003; Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Hofmann 2003; Neumann und Muhr 1990; Schmidt et al. 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Stutz und Gächter 2001).
Anatomische Lokalisation:
  • Meist gut zu arthroskopierende Gelenke: Schulter, Handgelenk, Knie, oberes Sprunggelenk operiert man eher arthroskopisch
  • Schwieriger zu arthroskopierende Gelenke: Ellenbogen, Fingergelenke, Wirbelsäulengelenke, Iliosakralfuge, Hüftgelenk oder bei unzureichender Arthroskopieerfahrung des Operationsteams operiert man eher offen.
Infektausdehnung: Rein intraartikuläre Infektionen, z. B. nach Punktionen oder Arthroskopien, operiert man in den Synovialisstadien I und II möglichst arthroskopisch, im Synovialisstadium III arthroskopisch oder offen, im Synovialisstadium IV möglichst offen, letztere nur bei spezieller und ausreichender Erfahrung rein arthroskopisch. Infektionen von Gelenk und Weichteilen (Weichteilinfektionen, Bursitiden, Weichteildefekte) operiert man eher offen oder beginnt arthroskopisch und setzt offen fort. Infektionen von Gelenk und Knochen operiert man von Beginn an eher offen, gleiches gilt auch für Gelenkinfektionen nach Gelenkfrakturen oder -osteosynthesen (Attmanspacher et al. 2003; Bettin 1995; Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Jerosch und Prymka 1998; Kraus et al. 2004; Neumann und Muhr 1990; Schmidt et al. 1995, 2004; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Stutz und Gächter 2001).
Alter des Patienten: Sprechen bei Säuglingen oder Kindern Klinik, Labor und Sonografie für eine septische Arthritis wird das Gelenk in Allgemeinanästhesie punktiert. Zeigt sich trüber oder eitriger Erguss wird in der gleichen Narkose – wenn möglich – arthroskopische Spülung des Gelenkes durchgeführt, nur bei offensichtlich starker Destruktion wird das Gelenk klassisch arthrotomiert, um ausgedehntes Debridement auszuführen, wobei Gewebeproben für Bakteriologie und Histologie gewonnen werden sollten (Raab 2004). Sind arthroskopische Verfahren nicht etabliert, wird das Gelenk sofort offen chirurgisch debridiert und gespült (Raab 2004).
Ziel der operativen Gelenkinfektionsbehandlung ist – der Pathogenese folgend (siehe Abschn. 3) – in den Synovialisstadien I bis III die Reinigung der Gelenkhöhle von Erregern, Leukozyten, lysosomalen Enzymen und von hypertrophierter Synovialis, was zum Teil bereits durch arthroskopische Spülung gelingt (Böhmer et al. 2001; Carpenter et al. 2011; Dittrich et al. 2002; Draijer et al. 1994; Heppert et al. 2002; Jerosch und Prymka 1998; Kraus et al. 2004; Neumann und Muhr 1990; Paul et al. 2008; Seara et al. 2002; Strobel et al. 1989; Stutz und Gächter 2001). Ist die Synovialishypertrophie weit fortgeschritten – wie im Synovialisstadium III –, ist arthroskopisch mindestens der Shaver erforderlich (Attmanspacher et al. 2003; Dittrich et al. 1999, 2002; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Kraus et al. 2004; Seara et al. 2002; Simank et al. 2004; Strobel et al. 1989; Stutz und Gächter 2001). Im Synovialisstadium III ist häufiger, im Stadium IV regelmäßig die komplette Entfernung der Synovialis erforderlich (Synovialektomie, sprachlich bislang Synovektomie), was in den Stadien III und IV arthroskopisch stets anspruchsvoll ist und nur dem Geübten sicher gelingt (Böhmer et al. 2001; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Kraus et al. 2004; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Simank et al. 2004). Gelingt die arthroskopische Synovialektomie nicht, ist offenes Vorgehen anzuraten, in den Synovialisstadien III und IV ist die alleinige arthroskopische Gelenkspülung nie zielführend (Attmanspacher et al. 2003; Bettin 1995; Dittrich et al. 2002; Gächter 1988, 1994; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Neumann und Muhr 1990; Seara et al. 2002; Strobel et al. 1989; Stutz und Gächter 2001).
Viele Autoren, die die arthroskopische Therapie bevorzugen, arbeiten in den Stadien I und II bei intraartikulären Gelenkinfektionen nur arthroskopisch, im Stadium III zum Teil weiter arthroskopisch oder bevorzugen ab diesem Stadium die offene Vorgehensweise, im Stadium IV arbeiten nur wenige Autoren rein arthroskopisch, die meisten eher offen (Attmanspacher et al. 2003; Böhmer et al. 2001; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Kraus et al. 2004; Lindner 1995; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Stutz und Gächter 2001; Yanmis et al. 2011; Zimmerli und Borens 2015).
Die Kombination von arthroskopischer Spülbehandlung und Antibiotikatherapie führte in der Stadium-I-Gruppe bei 96 %, in der Stadium-II-Gruppe bei 95 % und in der Stadium-III-Gruppe nur noch bei 67 % zur Infektberuhigung (Heppert et al. 2002; Stutz und Gächter 2001).
Die arthroskopische Therapie der bakteriellen Gelenkinfektion kann im Synovialisstadium I einmalig durchgeführt werden, in den Synovialisstadien II–IV (falls Stadium IV nur arthroskopisch synovialektomiert worden ist) ist sie hingegen stets so lange in den kommenden Tagen zu wiederholen (programmierte Etappenrevision), bis eindeutig keine klinischen Infektionszeichen mehr vorliegen, bei der Arthroskopie keine Synovialishypertrophie mehr gesehen wird und sich die pathologischen Laborveränderungen normalisiert haben. Die Wiederholungen der arthroskopischen Therapie erfolgen bei vielen Autoren durchschnittlich dreimal, können im Einzelfall bis zu zehnmal ausgeführt werden (Attmanspacher et al. 2003; Böhmer et al. 2001; Dittrich et al. 1999, 2002; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Kraus et al. 2004; Seara et al. 2002; Stutz und Gächter 2001; Yanmis et al. 2011).
Von der Synovialektomie (Synovektomie) wird im Akutstadium (Infektionsdauer maximal 7 Tage) bzw. in den Stadien I bis evtl. III von einigen Autoren abgeraten, weil die Synovialis eine gewisse Barriere gegen bakterielle Erreger darstellt (und die systemisch eingebrachten Antibiotika verfügbar macht) (Carpenter et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Gächter 1988, 1994; Jerosch 2004).
Wenn man offen synovialektomiert hat, kann zur Vermeidung einer neuerlichen Ansammlung von Leukozyten und lysosomalen Enzymen in der gereinigten Gelenkhöhle die Arthrotomie offen verbleiben, wobei von einigen Autoren antibiotikumhaltige feste Medikamententräger (Ketten) eingelegt werden. Nach Abklingen der akuten Gelenkinfektion wird die Arthrotomie sekundär nach erneutem Debridement, Entfernen der antibiotikumhaltigen Medikamententräger und nochmaligem intensiven Spülen schichtweise verschlossen (zweizeitiges offenes Vorgehen) (Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Heppert et al. 2002; Paul et al. 2008; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Bei kombiniert intra- und extraartikulären Infektionen, wie z. B. nach Osteosynthesen oder Bandersatz, ist bei der ersten infektberuhigenden Operation intra- und extraartikulär kombiniert vorzugehen. Dabei kann intraartikulär arthroskopisch und/oder offen vorgegangen werden, extraartikulär muss offenes Debridement erfolgen. Revisionsarthroskopien sollten nur bei ausbleibender Infektberuhigung durch erneutes extraartikuläres Debridement ergänzt werden (Attmanspacher et al. 2003; Dittrich et al. 1999, 2002; Heppert et al. 2002; Paul et al. 2008; Schmidt et al. 2001, 2003; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Bei im Gelenk oder gelenknah stabil einliegenden Implantaten wird die Gelenkinfektion grundsätzlich dadurch deutlich komplizierter, weil jetzt neben der Gelenkinfektion die Kontamination des Implantates mit den negativen Folgen der Biofilmbildung besteht. Unabhängig vom Implantat zeigte sich in experimentellen Studien, dass ein einmal bakteriell kontaminiertes Implantat entfernt werden muss, um Keimfreiheit zu erzielen. Auch wenn diese Forderung aus Infektgesichtspunkten richtig ist, ist sie aber insbesondere bei Frakturen vom Typ C3 vonseiten der Fraktur nicht zu akzeptieren (Heppert et al. 2002). Besteht Stabilität des Implantats, ist deren Erhalt anzustreben. Dazu müssen alle Teile des Implantats sorgfältig debridiert werden, was bei einliegenden Schrauben oder Nägeln nur möglich ist, wenn man diese entfernt und bei fraglicher Stabilität durch möglichst neue Implantate ersetzt. Kommt es durch die Entfernung des Implantats zur Frakturdislokation, sollte eine Frakturreposition durchgeführt oder ein temporärer gelenkübergreifender Fixateur externe montiert werden. Kommt es im weiteren Verlauf trotz Osteosynthesewechsel nicht zur Beruhigung der Infektion, muss das Implantat zügig und vollständig entfernt werden, wobei die Montage eines Fixateurs externe bis zur Infektberuhigung zu empfehlen ist und nach Infektberuhigung eine Reosteosynthese erfolgen sollte (Heppert et al. 2002; Schmidt et al. 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Bei einliegendem Bandersatz kann dieser initial nur belassen bleiben, wenn er sich vital und stabil erweist, sorgfältiges Debridement und visuelle Inspektion sind obligat. Bei Osteolysen an den Bohrkanälen oder an den Verankerungsschrauben/-klammern ist die Bandentfernung nicht zu umgehen (Attmanspacher et al. 2003; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Schmidt et al. 2003).
Als Zusatzmaßnahmen der operativen Therapie – arthroskopisch wie offen – werden verwendet: Jet-Lavage, Drainagen, befristete Spül-Saug-Drainagen, Einlegen von antibiotikahaltigen, resorbierbaren oder nicht resorbierbaren Medikamententrägern, evtl. Muskellappenplastiken, evtl. Vakuumbehandlung zum temporären Weichteildefektverschluss.
Bei der Spülung von infizierten Gelenken sollte als Spüllösung lediglich zusatzfreie Ringer-Lösung (mindestens 5 l, meist 15–25 l) verwendet werden, denn Zusätze von Desinfektionslösungen zur Spüllösung können den Knorpel schädigen und dürfen deshalb z. B. nur bei der Therapie der periprothetischen Infektion eingesetzt werden (Gächter 1988, 1994; Heppert et al. 2002; Lindner 1995; Schmidt et al. 1995; Zimmerli und Borens 2015).
Die Jet-Lavage kann bei Gelenkinfektionen – intra- und/oder extraartikulär – zur intensiven Reinigung der Weichteile und des Knochens zusätzlich eingesetzt werden, auch hier sollte zur Spülung wirkstofffreie Ringer-Lösung verwendet werden (Attmanspacher et al. 2003; Dittrich et al. 2002; Jerosch 2004; Schmidt et al. 2003).
Spül-Saug-Drainagen (SSD) werden in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Methode wurde 1962 von Willenegger als Therapie von infizierten Hohlräumen, insbesondere bei Gelenkinfektionen, empfohlen (Willenegger 1967; Wörsdörfer 1989). Der Effekt der Spül-Saug-Drainage – Verhinderung von neuerlichem Verhalt von Hämatom, Fibrinbelägen, lysosomalen Enzymen, Granulozyten – ist bei richtiger Anwendung effektiv (Zugang am höchstgelegenen Punkt, Ablauf am tiefstgelegenen) und kann geschlossen oder offen ausgeführt werden (Burri 1974; Michiels und Albrecht 1995; Strobel et al. 1989; Willenegger 1967). Bei längerer Anwendung oder falscher Platzierung von Zu- und Abgang der Drainagen kann das Prinzip der SSD aufgehoben werden, weil sog. Spülstraßen entstehen, sodass es trotz laufender Spül-Saug-Drainage zum neuerlichen Verhalten in Weichteiltaschen des Gelenks kommen kann (Draijer et al. 1994; Gächter 1988; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Lungershausen et al. 1998; Michiels und Albrecht 1995; Neumann und Muhr 1990; Riel et al. 1994; Wörsdörfer 1989). Deshalb empfiehlt Wörsdörfer bei Versagen der SSD in den ersten entscheidenden Tagen eine Revisionsarthrotomie auszuführen (Wörsdörfer 1989). Außerdem sind die mögliche Erregereinschwemmung in die Blutbahn, der hohe pflegerische Aufwand dieser Behandlung und die Möglichkeit einer Superinfektion mit Erregerwechsel über die Drainagesysteme bei deren Funktionsunfähigkeit durch Verstopfen, als weitere Nachteile zu erwähnen (Jerosch 2004; Michiels und Albrecht 1995). Darüber hinaus kann es bei Anwendung der Spül-Saug-Drainage ohne gleichzeitige Mobilisation mit „continuous passive motion“ (CPM) zur verzögerten Mobilisation des betroffenen Gelenks kommen (Heppert et al. 2002). Wegen dieser Nachteile des Systems verwenden heute fast alle Autoren, wenn sie sie einsetzen, die Spül-Saug-Drainage kurzfristig (1–8 Tage), meist nach erfolgter arthroskopischer oder offener einzeitiger Synovialektomie/Synovektomie (Böhmer et al. 2001; Dittrich et al. 2002; Draijer et al. 1994; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Wörsdörfer 1989; Yanmis et al. 2011).
Bei der Behandlung von bakteriellen Gelenkinfektionen können Antibiotikavliese und/oder antibiotikumhaltige Ketten intraartikulär oder in die infizierten Weichteile eingelegt werden, weil sie zum Teil extrem hohe Wirkspiegel am Ort der Einlage erreichen sowie Art und Dauer der systemischen antibiotischen Behandlung verändern, speziell abkürzen können. Seit Einführung der lokalen Antibiotikumträger hat die Anwendung der Spül-Saug-Drainage abgenommen. Die geringe Eindringtiefe der freigesetzten Antibiotika und die vermehrte Sekretion bei Anwendung von Antibiotikavliesen sind als Nachteile der topischen Antibiotikatherapie zu nennen (Attmanspacher et al. 2003; Böhmer et al. 2001; Bühler und Kirschner 2004; Dittrich et al. 1999, 2002; Härle et al. 1988; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Bei der Therapie von bakteriellen Gelenkinfektionen werden von einigen Autoren nach Debridement und Spülung des Gelenkes Vakuumversiegelungen mit Polyvinylalkohol-Schwämmen oder die Therapie mit Distensions-Irrigations-Verfahren (antibiotische Spülung des Gelenkes mit Drainage mit intermittierendem Stoppen der Spüllösungsausfuhr) empfohlen (AWMF 2013; Fleischmann und Russ 2004; Jackson und Parson 1973; Jerosch 2004; Lüdemann et al. 2006). Wegen unzureichender Erfahrungen mit diesen Methoden kann die Effektivität zurzeit noch nicht abschließend bewertet werden.
Die operative Therapie der bakteriellen Gelenkinfektion sollte stets mit systemischer antibiotischer Behandlung kombiniert werden. Um den verursachenden Infektionserreger sicher zu identifizieren, erfolgt die bakteriologische Probenentnahme intraoperativ. Es sollten möglichst Synovia und Gewebeproben von Synovialis, Weichteilen und Knochen parallel entnommen und eingesandt werden. Erst nach Entnahme der bakteriologischen Proben sollte die intravenöse, systemische antibiotische Behandlung intraoperativ beginnen.
Bei unbekanntem Erreger sind möglichst gegen Staphylokokken und Streptokokken wirksame Antibiotika zu bevorzugen (Breitspektrum Penicilline, Flucloxacillin, Cefazolin, Cefuroxim oder andere Cephalosporine ab der 2. Generation). Bei ausgeprägter Infektion und unbekanntem Erreger sollte die antibiotische Therapie mit Ceftriaxon, Clindamycin, Cefepim, Carbapenemen, Chinolonen und/oder Metronidazol in Rücksprache mit dem klinischen Mikrobiologen kombiniert werden. Bei bekanntem Erreger erfolgt eine dem Antibiogramm bzw. Resistogramm angepasste antibiotische Therapie (Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 1999, 2002; Gächter 1988, 1994; Heppert et al. 2002; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Kraus et al. 2004; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Paul et al. 2008; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Schul et al. 1995; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Siegel et al. 2000; Stutz und Gächter 2001; Yanmis et al. 2011; Zimmerli und Borens 2015).
Die Dauer der zunächst intravenös, später peroralen Medikation ist nicht festgelegt und wird unterschiedlich gehandhabt: Behandlungszeiträume sowohl von 5–10 Tagen (Heppert et al. 2002; Schmidt et al. 2001, 2003; 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt et al. 1984; Siegel et al. 2000) als auch von bis zu 6 Wochen und länger werden empfohlen bzw. angewendet (Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Kraus et al. 2004; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Simank et al. 2004). Weitgehend einheitlich wird die antibiotische intravenöse Therapie zumindest für die Zeit bis zur Normalisierung der klinischen und laborchemischen Infektionsparameter fortgeführt (Attmanspacher et al. 2003; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Jerosch 2004; Kraus et al. 2004; Stutz und Gächter 2001).
Eine intraartikuläre Therapie mit flüssigen Antibiotika ist kontraindiziert, da eine chemische Synovialitis ausgelöst werden kann, ebenso die Injektion von Antiseptika, die die regenerativen Knorpelzellen zerstören (Zimmerli und Borens 2015).
Die Weiterbehandlung bzw. Nachbehandlung der bakteriellen Gelenkinfektion hat sich vom Jahr 1982 an vollständig geändert. Während vor 1982 regelmäßig postoperativ Ruhigstellung erfolgte, wird seitdem frühfunktionelle Physiotherapie bevorzugt. Zur Wiederherstellung und Besserung der gestörten Beweglichkeit kann mit krangengymnastischer Übungsbehandlung und manueller Therapie gearbeitet werden. Auch die Behandlung mit „continuous passive motion“ (CPM) trägt entscheidend zur intraartikulären Stoffwechselregulierung und Knorpelnutrition bei, hilft Gelenkfunktionsstörungen, wesentliche Bewegungseinschränkungen sowie Kontrakturen zu vermeiden (Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Gächter 1988, 1994; Jerosch 2004; Jerosch und Prymka 1998; Kraus et al. 2004; Lindner 1995; Lungershausen et al. 1998; Paul et al. 2008; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Simank et al. 2004; Strobel et al. 1989; Stutz und Gächter 2001). Wesentlich ist es, die frühfunktionelle Behandlung möglichst postoperativ früh zu beginnen (am 1. postoperativen Tag), wobei darauf zu achten ist – auch bei Behandlung mit CPM – Schmerzausschaltung durch i.v. Analgesie oder Schmerzkatheter zu erreichen. Die frühfunktionelle Behandlung ist mit aktiver und passiver Physiotherapie durchzuführen, wobei am Anfang auch Umlagerungstherapie, z. B. auf Kirschner-Schiene oder in Gipsschalen, möglich ist, sie ist durch Bewegungsbäder, Ergotherapie, evtl. mit TENS-Geräten zur Muskelstimulation zu ergänzen (Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985). Die postoperative Belastung der operierten Extremität wird unterschiedlich gehandhabt: Beginn mit Teilbelastung ab 1. postoperativen Tag und Erreichen der Vollbelastung innerhalb von 5 Tagen oder anfängliche Entlastung, nach wenigen Tagen Teilbelastung von 10 kg für 4–6 Wochen und dann erst schrittweises Erreichen der Vollbelastung (Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Jerosch und Prymka 1998; Kraus et al. 2004; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Simank et al. 2004).
Die Bewegungstherapie ist möglichst ohne Unterbrechung von stationärer zu ambulanter Behandlung intensiv fortzusetzen, weil sonst das erreichte Bewegungsausmaß schnell verloren geht. Die Mobilisationstherapie ist mit selbsttätigem Muskel- und Funktionstraining nach Anleitung sowie Physiotherapie mit Bewegungstherapie, Koordinationstraining und Muskelaufbau durchzuführen, anschließend sind je nach Befund Anschlussheilbehandlung, medizinische und/oder berufliche Rehabilitationsmaßnahmen, Ergotherapie, Versorgung mit Orthesen und Einlagen sinnvoll.
Kann die Therapie der bakteriellen Gelenkinfektion nicht operativ vorgenommen werden, weil der Patient aus anästhesiologischer Sicht nicht operabel ist oder die operative Behandlung ablehnt, ist eine konservative Behandlung erforderlich.
Die konservative Behandlung besteht aus den beiden Behandlungssäulen antibiotische Therapie und konservative Therapie mit anfänglicher Ruhigstellung und bei abklingender Infektion Mobilisationstherapie wie oben beschrieben (AWMF 2013).
Intraartikuläre Applikationen von Antibiotika bringen keinen therapeutischen Vorteil, vielmehr induzieren sie eine chemische Synovialitis und pH-Wert-Verschiebungen (Neumann und Muhr 1990; Walenkamp 1995). Mehrfachpunktionen sind schmerzhaft, entlasten und drainieren das infizierte Kniegelenk nur ungenügend und erreichen meist nicht die dorsalen Gelenkkompartimente, sodass hier die enzymatische Gelenkzerstörung voranschreitet. Die Versagensquote dieser Methode wird in der Literatur mit 12,5–50 % angegeben, es wird auch von einer Mortalität bis 10 % berichtet (Neumann und Muhr 1990; Walenkamp 1995).
Es kann auch ein Distensions-Irrigations-System in Lokalanästhesie eingelegt werden, wobei nach Punktion und Spülung nach Anlegen eines Dreiwegehahnes die Ringer-Lösung nur aufgrund der Schwerkraft ins Gelenk läuft, dann durch Schließen des Dreiwegehahnes für 5–10 Minuten verbleibt, wobei sich der Patient bewegen sollte, um dann wiederum nur aufgrund der Schwerkraft und Öffnen des Dreiwegehahns abzulaufen. Die Prozedur wird mehrfach wiederholt (Walenkamp 1995).
Vor Einleitung der antibiotischen Behandlung ist der Nachweis des verursachenden Erregers wesentlich, dies gelingt – wie oben dargestellt – durch Gelenkpunktion, wobei gleichzeitig die Einlage eines Drainagesystems möglich ist oder die Installation einer perkutanen Spül-Saug-Drainage.
Die antibiotische Therapie sollte möglichst gezielt erfolgen, anfangs intravenös bei Normalisierung der Laborveränderungen und speziell nach Abklingen der klinischen Infektsymptomatik eine befundadaptierte orale Sequenztherapie. Nach systemischer, intravenöser Antibiotikatherapie ließen sich adäquate Wirkstoffspiegel in der Synovialis nachweisen (Neumann und Muhr 1990). Bei unbekanntem Erreger sind als Antibiotikum die oben genannten Präparate zu bevorzugen, wobei natürlich Pharmakokinetik und Wirkkonzentration des Antibiotikums beachtet werden müssen, ebenso alle Interaktionen mit parallel verordneter Medikation (AWMF 2013; Lüdemann et al. 2006; Schul et al. 1995; Seara et al. 2002). Die Nierenfunktion ist zu berücksichtigen und die Antibiotikumdosierung bei Bedarf anzupassen. Da jedwede antibiotische Therapie bekanntermaßen zahlreiche Nebenwirkungen hat, die insbesondere beim älteren, schwer kranken Patienten erheblich sein können, ist neben den oben genannten prophylaktischen Maßnahmen zur Vermeidung von Superinfektionen (Pneumonie, Harnwegsinfektionen) speziell die Vermeidung von enteralen Problemen (Diarrhoe, Obstipation) zu beachten, wobei sich die regelmäßige tägliche Verordnung von z. B. Joghurt bewährt hat. Joghurt sollte während der gesamten antibiotischen Behandlungszeit zusätzlich gegeben werden. Bei Diarrhoe während der Antibiotikumtherapie ist die Stuhluntersuchung obligat (Clostridien), und die antibiotische Therapie muss beendet oder modifiziert werden. Parallel zur Antibiotikumtherapie müssen Analgesie, Kühlung, Thrombose- und Pneumonie- sowie Dekubitusprophylaxe erfolgen, Zweiterkrankungen sind zu diagnostizieren und zu therapieren. Ob Fieber antipyretisch zu behandeln ist (AWMF 2013), ist anzuzweifeln, weil die Vitalität vieler Erreger bei fiebrigen Temperaturen deutlich herabgesetzt ist.
Durch Ruhigstellung und gleichzeitige antibiotische Behandlung kann eine bakterielle Gelenkinfektion im frühen akuten Stadium möglicherweise in Einzelfällen beruhigt werden (insbesondere bei Säuglingen, Kindern und evtl. bei Jugendlichen). Ein Problem der Ruhigstellung eines infizierten Gelenks stellt der Verlust der Beweglichkeit dar, wobei gerade der Beweglichkeitsverlust beim älteren und alten Patienten erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bedeutet und häufig dazu führen kann, dass der Patient bettlägerig und/oder pflegebedürftig wird. Daher ist das Eintreten einer wesentlichen Gelenkfunktionsstörung möglichst zu vermeiden. Bei Abklingen der Infektionszeichen des Gelenks sollte deshalb mit der passiven Mobilisierung auf einer Bewegungsschiene (CPM, „continuous passive motion“) möglichst rasch begonnen werden und diese durch Physiotherapie und physikalische Therapie ergänzt werden.
Fortgeschrittene bakterielle Gelenkinfektionen (Infektdauer über 3 Wochen), insbesondere durch virulente Erreger, sind selten durch konservative Therapie vollständig zu beruhigen. Hier ist mit dem weitgehenden Verlust/Zerstörung des Gelenks zu rechnen, was dem Patienten bei Einleiten der Therapie – bei älteren Patienten auch den Angehörigen – unbedingt verdeutlicht werden muss. Als Alternative kommt hier die oben dargestellte operative Behandlung in Betracht, wenn sich der Allgemeinzustand des Patienten durch entsprechende Maßnahmen verbessert oder aber die ablehnende Haltung des Patienten überwunden werden konnte. Bei Zerstörung der Gelenkfunktion und begleitender Schmerzpersistenz ist operativ die Gelenkversteifung oder Gelenkresektion zu diskutieren (siehe unten) oder bei Beruhigung/Beseitigung der Gelenkinfektion die Implantation einer Prothese zu empfehlen (nur möglich bei sicherer Infektberuhigung, ansonsten ist das Misslingen vorprogrammiert). Alternativ können bei fehlender Operabilität oder weiterhin fehlender Einwilligung des Patienten 1 oder 2 Dauerdrainagen perkutan im Gelenk platziert werden (Fistula persistens), was zur Ableitung des kontinuierlich entstehenden Gelenkergusses führt und durch gleichzeitige gezielte antibiotische Behandlung einen erträglichen pflegeerleichternden Zustand des Patienten erzeugen kann. Die Gefahr der Dauerdrainage und langanhaltenden antibiotischen Behandlung stellt die Superinfektion dar, die bei virulentem Erreger durchaus katastrophale Befundverschlechterung erzeugen kann.
Die Parameter einer chronischen bakteriellen Gelenkinfektion sind in der Literatur nicht einheitlich formuliert. So wird nach Infektzeitraum – zwischen 7 Tagen (Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985) und >6 Wochen unterschieden (Hofmann 2003) – und/oder nach den klinischen Untersuchungen, Ergebnissen einer arthroskopischen Untersuchung (Synovialisstadium IV) oder radiologischen Untersuchung (Lysen, Gelenkunregelmäßigkeiten, Osteomyelitiszeichen) die Diagnose chronische Infektion gestellt (Attmanspacher et al. 2003; Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005).
Bei chronischer bakterieller Gelenkinfektion ist stets mit eingetretener Gelenkschädigung zu rechnen (Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Hofmann 2003; Jerosch 2004; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985). Aus diesem Grund ist präoperativ die oben genannte Diagnostik für die akute Infektion durch weitere Untersuchungen zu vervollständigen. In der Literatur wird über chronische bakterielle Gelenkinfektionen, speziell deren Therapieergebnisse recht selten berichtet, während die Literatur über akute Gelenkinfektionen außerordentlich umfangreich ist. Auch die S1-Leitlinie „Bakterielle Gelenkinfektionen“ präsentiert über die chronische bakterielle Gelenkinfektion fast keine wesentlichen Therapie-relevanten Informationen.
Chronische Infektionen können entweder von Beginn an als sog. primär chronische Infektionen bestehen, was von der individuellen Immunkompetenz und dem verursachenden Erreger abhängt (Virulenz), oder entwickeln sich aus anfangs akuter Infektion bei unzureichender Therapie. Bei der chronischen Infektion sind die klinischen Entzündungszeichen weniger auffällig, meist bestehen lediglich Schmerzen und Funktionseinschränkung. Bestehen Fisteln aus dem Gelenk und/oder aus Gelenknähe können die Entzündungszeichen auch völlig fehlen. Die Anamnese bringt bei primär chronischer Infektion häufiger keine klaren Hinweise, die Angaben über den Verlauf können „schwammig/unklar“ sein. Bei chronischer Infektion nach akuter Infektion ergibt die Anamnese häufig eindeutigere Hinweise auf eine abgelaufene oder weiter bestehende Gelenkinfektion. Die Untersuchung von CRP und Leukozyten kann bei chronischer Gelenkinfektion durchaus wenig auffällig sein (Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Bei Verdacht auf chronische Infektion ist die MRT zielführender als die 2- oder 3-Phasen-Skelettszintigrafie die – wie im Abschn. 5 dargestellt – zwar hochsensitiv ist, aber nur geringe Spezifität aufweist. Durch MRT und evtl. CT kann die bereits eingetretene oder ursächlich vorliegende Osteomyelitis aufgedeckt werden (Braunschweig et al. 2011; Diefenbeck et al. 2012; Heppert et al. 2002; Lungershausen et al. 1998; Schmidt et al. 2001).
Die chronische Infektion ist in den Klassifikationen von Kuner, Gächter und Schmidt (siehe Abschn. 2) dem Infektstadium IV zugeordnet (Diefenbeck et al. 2012; Gächter 1988, 1994; Heppert et al. 2002; Hofmann 2003; Lindner 1995; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt et al. 1995, 2003, 2004, 2005). In den Klassifikationen von Draijer und Jensen (siehe Abschn. 2) kann die chronische Infektion sowohl dem Infektstadium II als auch dem Infektstadium III beigeordnet werden (Draijer et al. 1994; Jensen et al. 1989). In diesen Infektstadien ist die oben ausführlich dargestellte operative Behandlung der akuten bakteriellen Gelenkinfektion nicht ausreichend. Es sind meist weitere umfassende Maßnahmen erforderlich.
Bei eingetretenen schweren Knorpelschäden ist die Entfernung von avitalen oder lockeren Knorpelanteilen notwendig, bei Mitbeteiligung des Knochens (Periosteomyelitis/Osteomyelitis) ist radikale Sequestrektomie des befallenen Knochenabschnitts erforderlich, bei Beteiligung der das Gelenk umgebenden Weichteile oder der Bandstrukturen sind alle avitalen Strukturen zu entfernen. Die noch erhaltenen, aber infizierten Weichteile sind sehr sorgfältig zu debridieren, intensiv zu spülen, und insbesondere ist abzuklären, ob die Infektion in angrenzende Schleimbeutel oder andere Strukturen reicht. Alle vital gefährdeten Strukturen sind zu reinigen oder bei fortgeschrittener Zerstörung zu entfernen, dabei ist – im Hinblick auf die Infektberuhigung im Gelenk – keine Rücksicht auf die Gelenkstabilität zu legen. Bei festgestellter Gelenkinstabilität ist die Montage eines Fixateur externe zu empfehlen, nur in Ausnahmefällen bzw. an der oberen Extremität sollte nach Gelenkverschluss Ruhigstellung im Gips, Cast oder anderer Schiene erfolgen (AWMF 2013; Böhmer et al. 2001; Diefenbeck et al. 2012; Jerosch 2004; Schmidt et al. 1995, 2001, 2003, 2004, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985) (Abb. 8 und 9).
Mit den oben dargestellten erweiterten diagnostischen Maßnahmen bei chronischer Infektion ist möglichst präoperativ die Gelenkschädigung abzuklären. Zeigen sich schwere Knorpelschäden mit Periosteomyelitis, ist bereits präoperativ die Planung weiterreichender Maßnahmen (wie eben erwähnt) erforderlich. Entweder es erfolgt Gelenkresektion mit Entfernung der zerstörten Gelenkflächen unter Erhalt der Gelenkfunktion oder temporäre oder definitive knöcherne Arthrodese, wobei hierfür die Montage eines Fixateur externe zu empfehlen ist. Bei Gelenkresektion kann die Extremität temporär im Fixateur externe stabilisiert und ruhiggestellt werden, wobei bei Gelenkresektionen an der oberen Extremität postoperativ auch Ruhigstellung im Gips, Cast oder anderer Schiene möglich ist. Bei der Entscheidung Gelenkresektion oder Arthrodese ist zu beachten, dass an der oberen Extremität Beweglichkeit Vorrang vor Stabilität haben sollte, während an der unteren Extremität möglichst schmerzfreie, belastungsfähige Stabilität Vorrang hat (Böhmer et al. 2001; Diefenbeck et al. 2012; Schmidt et al. 1984, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Ist präoperativ das Ausmaß der Gelenkschädigung nicht sicher einzustufen, kann die definitive Beurteilung auch interoperativ erfolgen. Einige Autoren empfehlen, beide Möglichkeiten – Gelenkerhalt oder Gelenkversteifung – präoperativ mit dem Patienten, möglichst auch mit den Angehörigen, intensiv zu erörtern, wobei natürlich alle Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren eindringlich darzustellen sind. Intraoperativ können dann die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden (Borrée et al. 2012; Schmidt et al. 1995, 2001; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985).
Wie bei der operativen Behandlung einer akuten Gelenkinfektion ist selbstverständlich auch bei der chronischen Infektion neben den chirurgischen Maßnahmen die systemische antibiotische Behandlung zwingend erforderlich. Bei Gelenkresektion oder Arthrodese empfehlen einige Autoren auch die Einlage von antibiotikumhaltigen Medikamententrägern (PMMA-Ketten, Kollagen-Vliese).
Die Weiterbehandlung richtet sich danach, ob Gelenkresektion oder temporäre/definitive Arthrodisierung stattgefunden hat. Bei Gelenkresektion erfolgt, nach Entfernung möglicherweise eingelegter antibiotikumhaltiger Medikamententräger, frühfunktionelle Behandlung mit begleitender physikalischer Therapie, evtl. auch die Versorgung mit stabilisierenden Schienen. Bei anhaltender Problematik kann sekundär eine Arthroplastik oder Gelenkprothesenimplantation ausgeführt werden. Bei temporärer Arthrodese mit Stabilisation im Fixateur sind nach Infektberuhigung 3 Varianten möglich:
  • Definitive Arthrodese weiterhin mit Stabilisation im Fixateur externe
  • Verfahrenswechsel auf Nagel- oder Plattenosteosynthese
  • Arthroplastik oder sekundäre Gelenkresektion
Die weitere Behandlung richtet sich dann nach der jeweiligen Situation und folgt den Prinzipien der Frakturbehandlung (Böhmer et al. 2001; Hofmann 2003; Jerosch 2004; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Wodtke und Siegel 2001).

Komplikationen

Die Behandlung der bakteriellen Gelenkinfektion kann bei akuter Infektion und speziell bei jüngerem Patientenklientel problemlos sein. Die Behandlung kann aber auch durch diverse Faktoren deutlich komplikationsbehaftet und problematisch verlaufen, z. B. bei längerer Infektdauer, älterem (>50 Jahren) oder altem (>70 Jahren) Patientenklientel, Patienten mit immunstörenden Erkrankungen, mehrfach operativ vorbehandelter Gelenkinfektion, Gelenkinfektionsausdehnung auf Weichteile und/oder Knochen, chronischer Gelenkinfektion, Synovialisstadium IV bzw. durch fortgeschrittene Gelenkschädigungen (Kapsel-Band-Phlegmone/Panarthritis, Osteoarthritis) (AWMF 2013; Böhmer et al. 2001; Härle et al. 1988; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985). Bei Säuglingen und Kindern kann die septische Arthritis zu einer teilweisen oder kompletten Destruktion der Epiphyse, der Wachstumsfuge oder beider anatomischer Strukturen führen. Schwere Verläufe, die meist eine Kombination mehrerer Schädigungsmuster sind, führen oft zur frühzeitigen Arthrose bzw. Ankylose des Gelenks (Raab 2004).
Die möglichen Komplikationen sollten in Beziehung zum therapeutischen Weg unterteilt werden:
a)
Intraoperative oder operationsbedingte Komplikationen: Nachblutung, Infektpersistenz (fehlende Infektberuhigung), Superinfektion (erneuter Erreger neben dem ursächlichen Erreger), Keimwechsel (ursächlicher Erreger eradiziert, Auftreten eines oder mehrerer neuer Erreger), intraoperative Verletzung/Durchtrennung von Bändern, Gefäßen und Nerven, Gelenkluxation bei Instabilität, Fehllage/Instabilität der eingebrachten Osteosynthese (auch Fixateur externe), als Folge von Operation und/oder Anästhesie Multiorganversagen und/oder Tod des Patienten.
 
b)
Komplikationen während der konservativen Begleit-, Weiter- und Nachbehandlung: Antibiotikabedingte Reaktionen (Allergien unterschiedlichster Ausprägung, akutes auf chronisches Nierenversagen), Clostridiennachweis, Sturz des Patienten mit Zuzug von Verletzungen, Reinfektion des beruhigt gewesenen operierten Gelenks, schwere Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit bis hin zur Gelenksteife, Verweigerung der Weiterbehandlung oder Behandlungsabbruch durch den Patienten, Entwicklung von chronischem Schmerzsyndrom, Auftreten von Depressionen oder Psychosen, die die Weiterbehandlung blockieren können.
 
c)
Allgemeine Komplikationen: Hier sind viele Krankheitsbilder möglich, ältere und alte Patienten, speziell diejenigen mit immunstörenden Erkrankungen sind besonders gefährdet. Häufig auftretende Nebendiagnosen: blutende Magenulzera, vasovagale Synkopen bis hin zum Kreislaufzusammenbruch, Exazerbation einer allergischen Erkrankung, Gefäßverschlüsse, Thrombosen etc.
 
Die Behandlung der Komplikation richtet sich nach Ursache, Schwere, Folgen und nach der Dringlichkeit der eingetretenen Komplikation, den Möglichkeiten von Therapeut und Patient und anderen Faktoren. Operationsbedingte Komplikationen müssen meist chirurgisch gelöst werden, Exazerbationen der Gelenkinfektion und/oder Keimwechsel bzw. Superinfektionen sollten chirurgisch in Kombination mit antibiotischer Therapie behandelt werden, wobei die Zusammenarbeit zwischen Chirurg/Orthopäde mit den Kollegen der Diagnostik (Radiologie, Bakteriologie, Labormedizin) erforderlich ist. Manche Infektexazerbation erfordert rasche Entscheidung zur Revisionsoperation, zur Arthrodesierung oder Amputation, intensivmedizinischer Therapie und weiterer Maßnahmen. Allgemeine Komplikationen und solche während der Weiter-/Nachbehandlung erfordern je nach eingetretenen Problemen sehr unterschiedliche Maßnahmen und häufig die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Anästhesisten, Intensivmedizinern, Internisten, Diabetologen, Neurologen, Kardiologen, Gefäßchirurgen und Psychiatern, nicht selten ist die Weiterbehandlung auf der Intensivstation, in einer anderen Krankenhausabteilung oder der Wechsel des behandelnden Krankenhauses erforderlich.
Die Folgen einer Komplikation sind von vielen Faktoren abhängig und reichen von der nahezu problemlosen dauerhaften Infektberuhigung bis hin zum Verlust der operierten Extremität, dem Eintreten von Pflegebedürftigkeit oder dem Tod des Patienten.
Entscheidend ist bei jedweder Behandlung einer bakteriellen Gelenkinfektion, Komplikationen durch akribische Planung und Therapiedurchführung möglichst zu vermeiden, die diversen Komplikationsmöglichkeiten zu kennen, sie bei ihrem Auftreten zu erkennen und sie rasch und zielgerichtet zu behandeln. Je komplexer die Gelenkinfektion und/oder der zu behandelnde Patient sind, desto umfangreicher müssen die Maßnahmen sein, die das Therapieziel erreichen lassen und die das Eintreten von Komplikationen zu verhindern helfen.

Prognose

Die Prognose einer bakteriellen Gelenkinfektion ist von der schnellen Diagnosestellung, vom raschen Einleiten der adäquaten Therapie und von der wesentlichen Mitarbeit des Patienten abhängig und ist bei Erreichen all dieser Voraussetzungen als günstig einzustufen. Fehlt nur einer der genannten Faktoren, kann sich die Prognose deutlich verschlechtern und wesentliche Funktionsminderung, anhaltende Beschwerden oder der Verlust des Gelenks entwickeln (Attmanspacher et al. 2003; Bettin 1995; Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Diefenbeck et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Heppert et al. 2002; Kraus et al. 2004; Schmidt et al. 1984, 1995, 2001, 2003, 2005; Schmidt und Gerlach 2005; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Siegel et al. 2000; Yanmis et al. 2011).
Durch Aufschieben der erforderlichen Diagnostik und/oder Therapie wird bei bakterieller Gelenkinfektion stets nur eine Verschlechterung erreicht, die alleinige Entlastungspunktion, auch mit kombinierter systemischer oder lokaler Antibiose, bringt kaum einen Nutzen, denn die ungünstigen pathophysiologischen Abläufe führen rasch – auch abhängig von der Virulenz der Erreger – zur Zerstörung des Gelenks und Ausbreitung der Infektion auf Weichteile und Knochen. Aus diesen Gründen ist zwingend die rasche operative Behandlung erforderlich, wie sie oben dargestellt ist (Voraussetzungen für konservative Therapie bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern sind oben ebenfalls erwähnt).
Infektberuhigung erreicht man – bei korrekter Durchführung der operativen Behandlung – durch die Operation und begleitende systemische antibiotische Therapie. Für die Funktionswiederherstellung bei infektfreiem Gelenk ist die Weiter-/Nachbehandlung von entscheidender Bedeutung, hier ist die Schmerzausschaltung ebenso wesentlich wie die Mobilisation des Patienten und Durchführung von Physiotherapie und physikalischer Medizin, Ergotherapie, Sportmedizin, orthetische Versorgung, die zwingend von kompetenter ärztlicher Betreuung und Beratung abhängig ist. Fehlt die enge Zusammenarbeit von Arzt und den anderen Therapeuten, gelingt die Wiederherstellung der Funktion kaum, der Patient fühlt sich alleingelassen oder zwischen den Zuständigkeiten zerrieben. Die Funktionswiederherstellung muss Teamarbeit sein und erfordert – wie oben angesprochen – viele Maßnahmen (sowohl stationär als auch ambulant).
Bei jeglicher Therapieführung ist die übergangslose Kontinuität von stationärer zu ambulanter Behandlung entscheidend. Bei unzureichender Verantwortungsübernahme durch die ambulanten Behandler entstehen häufig Behandlungslücken von vielen Tagen bis hin zu 3–4 Wochen oder mehr. Derartige Lücken können ebenso wie unzureichende Unterrichtung/Aufklärung des Patienten und mangelhafte Einsicht in die Notwendigkeit intensiver Therapie durch den Weiterbehandler, den Patienten und den Versicherungsträger ein anfangs zufriedenstellendes Ergebnis rasch zur schweren Funktionsunfähigkeit, Belastungsunfähigkeit und/oder Gelenksteife führen.
Die optimale Therapie gelingt keineswegs nur durch korrekte chirurgische und antibiotische Behandlung, sondern sie muss, um erfolgreich zu sein, auch die umfangreiche Weiterbehandlung umfassen, was – nach unseren langjährigen Erfahrungen – häufig recht mangelhaft oder nur lückenhaft erfolgt. An der Betreuungsschiene speziell des älteren oder alten oder primär behinderten Patienten muss vielerorts weiter dringend gearbeitet werden, ansonsten sind bakterielle Gelenkinfektionen, insbesondere bei den genannten Problempatienten, nicht zum guten Ergebnis zu führen.
Ungünstige Behandlungsergebnisse – gleichgültig wodurch eingetreten – sollten sekundär behoben werden: Infektrezidive sind erneut konsequent zu therapieren, hier sind gelegentlich auch sekundäre Amputationen zu erwägen. Schwere Beweglichkeitseinschränkungen oder schmerzhafte Gelenksteifen können durch Arthrolyse, plastische Weichteileingriffe, prothetischen Gelenkersatz oder Arthrodesen verbessert oder behoben werden. Gelenkinstabilitäten können orthetisch, prothetisch oder durch Korrekturoperation beseitigt werden. Anhaltende Beschwerden müssen meist zwischen mehreren Disziplinen (Orthopäden, Schmerztherapeuten, Internisten, Physiotherapeuten, Orthopädietechniker oder-schumacher) abgeklärt und entsprechend behandelt werden.
Das Behandlungsergebnis sollte am Ende der stationären Behandlung und zusätzlich möglichst durch eine Nachuntersuchung nach 2–3 Jahren postoperativ umfassend dokumentiert werden. Ein spezieller Score für bakterielle Gelenkinfektionen ist unserem Wissen nach nicht veröffentlicht worden. Die verschiedenen Therapeuten verwenden folgende: Lysholm/Gillquist-Score (Braunschweig et al. 2011; Kraus et al. 2004), IKDC-Score (International Knee Documentation Committee) (Kraus et al. 2004), Tegner/Lysholm-Score (Seara et al. 2002), Bussiere/Beaufils-Score (Yanmis et al. 2011). Manche Autoren verwenden auch selbstentwickelte Scores (Schmidt und Leffringhausen 1985).
Das Behandlungs-/Nachuntersuchungsergebnis sollte folgende Kriterien erfassen: Infektberuhigung, Rezidivfreiheit, Gelenkerhalt oder Gelenkverlust, Gelenkresektion, Endoprothese, Arthrodese, Beschwerden, Bewegungsumfang mit Extensions- und Flexionsverlust (Vergleich zur Gegenseite bei Aufnahme, Entlassung, Nachuntersuchung), Muskelminderungen, Röntgenveränderungen, Sportfähigkeit, berufliche oder vergleichbare Tätigkeit (Schmidt und Leffringhausen 1985).
Behandlungsergebnisse wurden von unterschiedlichen Therapeuten mitgeteilt: Zusammenfassend ist zu entnehmen, dass folgende Gesichtspunkte für das Ergebnis entscheidend sind: Infektzeit (akute, chronische, rezidivierende Infektion), Patientenalter, Vorerkrankungen des Patienten, Infektionsausdehnung (rein intraartikulär, intraartikulär und Weichteile, intraartikulär und Knochen, intraartikulär und Knochen und Weichteile), Gelenkschädigung (Synovialisstadien I–IV), Virulenz des Erregers, Vorbehandlung des Gelenks und Vorbehandlung der Gelenkinfektion.
Je kürzer die Infektzeit bis zum Therapiebeginn, je geringer die Gelenkschädigung (Synovialisstadien I bis maximal III), je jünger der Patient, je weniger Begleiterkrankungen vorliegen, je weniger erfolglos chirurgisch vorbehandelt und je intensiver physiotherapeutisch nach- und weiterbehandelt wurde, desto günstiger sind die Behandlungsergebnisse in Hinblick auf eine dauerhafte Infektberuhigung im Gelenk, ein günstiges schmerzarmes Bewegungsausmaß sowie ein funktionelles Ergebnis (Böhmer et al. 2001; Borrée et al. 2012; Dittrich et al. 2002; Schmidt et al. 1984; Schmidt und Leffringhausen 1985; Seara et al. 2002; Shemesh et al. 2011; Yanmis et al. 2011).
Literatur
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