Ätiologie
Die ulnare Epicondylopathie ist im Vergleich zur radialen Insertionstendinopathie deutlich seltener. Die
Prävalenz liegt unter 1 %, das Verhältnis zur radialen Form beträgt je nach Literaturangabe 1:5 bis 1:7. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt mit der 4.–6. Lebensdekade marginal höher, es sind keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern bekannt. Die Erkrankung betrifft vorwiegend die dominante Extremität.
Analog zur radialen Form liegt auch hier ein degenerativer Schaden des gemeinsamen tenoossären Ursprungs der Unterarmflexoren durch lokale Überlastung am ulnaren Epicondylus zugrunde. Hieraus resultiert eine gestörte Regeneration des Sehnengewebes mit einer hyperplastischen Narbenbildung mit dem histopathologischen Bild einer angioblastischen Hyperplasie. Charakteristischerweise sind insbesondere der M. flexor carpi radialis (FCR) und der M. pronator teres (PT) betroffen.
Die Erkrankung betrifft oft Sportler, insbesondere Golfer, Pitcher beim Baseball, Handballer, aber auch Tennisspieler oder Kraftsportler. Somit hat sich die Bezeichnung als
Golfer- oder
Pitcher-Ellenbogen durchgesetzt. Auslöser sind hier exzentrische Kontraktionen der medialen Unterarmmuskulatur, die durch eine Kombinationsbewegung aus Flexion im Handgelenk, Pronation des Unterarms und zeitgleichem Valgusstress auf den Ellenbogen forciert werden. Diese Kräfte entstehen insbesondere bei Überkopfwürfen oder beim Abschlag im Golfsport, da der FCR und der PT als dynamische Stabilisatoren des Ellenbogengelenks fungieren und hier besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Bei Profisportlern wird häufig eine Hypertrophie der zuvor genannten Muskeln beobachtet.
Auch eine berufliche Überlastung (Handwerker, insbesondere Teppichverleger, Fliesenleger) oder ein Trauma kann Auslöser der Erkrankung sein (Amin et al.
2015; Heinrichs et al.
2014; Shiri et al.
2006; Tichener et al.
2013; Milz et al.
2004; Thiele et al.
2013).
Diagnostik
Die Patienten berichten in der Regel von einem schleichenden Beschwerdebeginn mit Schmerzen am medialen Epicondylus und Ausstrahlung entlang der medialen Unterarmmuskulatur bei körperlicher Belastung. Bei ausbleibender Schonung kommt es zunehmend zu Einschränkungen in Alltagssituationen und teilweise auch zu Ruheschmerz.
In der klinischen Untersuchung ist nur selten eine lokale Schwellung zu sehen, es besteht ein lokaler Druckschmerz, das Bewegungsausmaß ist in der Regel frei, die Griffkraft kann im Seitenvergleich reduziert sein. Klassischerweise beklagen die Patienten Schmerzen am medialen Epicondylus bei Flexion des Handgelenks und Pronation des Unterarms gegen Widerstand (sog. Reverse-Cozen-Test). In bis zu 20 % der Fälle ist die Erkrankung mit einer Irritation des N. ulnaris vergesellschaftet.
Auch die mediale Epicondylopathie ist eine klinische Diagnose. Bei Zweifeln sollte analog zur radialen Form eine apparative Diagnostik eingesetzt werden, wobei die Magnetresonanztomografie den größten Informationsgewinn und die beste Abgrenzung gegenüber den Differenzialdiagnosen ermöglicht (Pitzer et al.
2014; Plancher et al.
1996).
Therapie
Etwa 80 % der Fälle verlaufen selbstlimitierend, somit ist auch die ulnare Epicondylopathie eine Domäne der konservativen Therapie. Ziele der Therapie sind die Schmerzreduktion, eine Verbesserung der Kontrolle der Krafteinwirkung und dadurch die Rezidivprävention.
In der Akutphase kann bei starken Schmerzen eine kurzfristige Ruhigstellung für 3–5 Tage erfolgen. Wichtige Maßnahmen sind eine lokale Kryotherapie, die symptomatische Analgesie mit NSAR (analog zur Intervalltherapie der Epicondylopathia radialis humeri für bis zur 6 Wochen), Sport-/Belastungskarenz für 6–12 Wochen und ggf.
additiv das Tragen einer Bandage oder eine nächtliche Ruhigstellung.
Nach Abklingen der akuten Schmerzen kommen physikalische und manualtherapeutische Techniken zum Einsatz (siehe oben). Der Fokus in dieser Phase liegt auf der Dehnung und Stärkung der medialen Ellenbogenmuskulatur. Der Übergang von passiver zur aktiver Beübung sollte entsprechend der Beschwerden langsam erfolgen, um ein Rezidiv zu vermeiden.
Auch die ESWT kann bei chronischen Verläufen erwogen werden, bezüglich der Epicondylopathia ulnaris humeri gibt es aber nur begrenzte Evidenz.
Nach frustraner konservativer Therapie über 6 Monate oder dem MR-morphologischen Nachweis einen Sehnenruptur kann eine operative Therapie erwogen werden.
In der Literatur finden sich verschiedene Verfahren, ein
Goldstandard existiert nicht. Analog zur radialen Epicondylopathie steht ein lokales Debridement des tenoossären Ursprungs im Vordergrund. Die Prozedur nach Cicotti et al. ermöglicht über einen Schnitt am medialen Epicondylus die Exploration des N. ulnaris und des ulnaren Bandapparats. Es erfolgt ein Debridement des tendinösen Ursprungs, eine Mikrofrakturierung des medialen Epicondylus und ggf. eine Refixation von Sehnen bei (sub)totalen Rupturen. Die Operation nach Cho erfolgt über einen 1,5 cm großen Zugang („mini-open“). Hierdurch kann ein lokales Debridement der gemeinsamen Insertionstelle erfolgen. Eine abschließende Mikrofrakturierung mit nachfolgendem Faszienverschluss bewirkt ein subfasziales Hämatom, das förderlich für lokale Regenerationsprozesse ist. Begleitpathologien können bei diesem Vorgehen nicht adressiert werden.
Alternativ kann ein perkutanes oder arthroskopisches Release der Flexoren erfolgen. Die vorliegenden Studien lassen aufgrund der begrenzten Datenlage noch keine sichere Aussage zu, jedoch scheinen arthroskopische und offene Verfahren ebenbürtig und den perkutanen Verfahren überlegen zu sein.
Postoperativ erfolgt eine Ruhigstellung für 1–2 Wochen, anschließend eine frühfunktionelle Mobilisation ohne Bewegungseinschränkung unter Entlastung. Im Falle einer Sehnenrefixation sollte die Nachbehandlung jedoch restriktiver mit initial passiver Beübung und langsamem Übergang zu aktiver Bewegung erfolgen.
Die Rückkehr zum Sport ist nach 3–6 Monaten möglich (Heinrichs et al.
2014; Amin et al.
2015; do Nascimento und Claudio
2017).