Die Therapie der chronischen Kniegelenksinstabilität richtet sich nach dem Insuffizienzmuster und der Schwere der Instabilität. Die Entscheidung zwischen einer konservativen und einer operativen Therapie wird patientenindividuell und anforderungsspezifisch durchgeführt. Die Prävention der instabilitätsbedingten
Osteoarthrose rückt mit zunehmendem Alter in den Hintergrund, sodass insbesondere Instabilitätssymptome ausschlaggebend für die Entscheidung zur operativen Therapie sind (Moksnes et al.
2008).
Konservative Therapie
Die konservative Therapie bei chronischen Kniegelenksinstabilitäten stützt sich auf die physiotherapeutische Beübung sowie ein gezieltes Koordinations- und Kräftigungsprogramm. Im Vordergrund steht ein propriozeptives Training mit Anpassung der sportlichen Aktivität. Eine evidenzbasierte zusätzliche Orthesenversorgungen ist bislang nur für chronische hintere Instabilitäten beschrieben (z. B. PCL Brace). Hartrahmenorthesen, wie die Unloader Brace (z. B. Don Joy®), können bei posteromedialen oder posterolateralen Instabilitäten hilfreich sein, um das subjektive Instabilitätsgefühl zu vermindern.
Operative Therapie
Bei chronischen multiligamentären Kniegelenksinstabilitäten mit oder ohne Deformitäten der betroffenen Beinachse handelt es sich, sowohl was die präoperative Planung, die technische Durchführung des Eingriffes als auch die postoperative Versorgung angeht, um sehr komplexe Eingriffe, die erfahrenen Operateuren und Zentren vorbehalten werden sollten. Die klinischen Umstände sind hierbei häufig selten und sehr vielfältig, sodass sich oft nur schwer allgemeingültige Kriterien oder Behandlungsrichtlinien ableiten lassen.
Grundsätzlich gilt, dass verschiedene operative Strategien zur Behandlung dieser komplexen Fälle existieren: arthroskopische Versorgungen von Begleitschäden, komplexe ligamentäre Rekonstruktionen, Beinachsenverlagerungen (Osteotomien mit Korrekturen in der frontalen und/oder sagittalen Ebene) und Oberflächenersatzeingriffe (Prothesenversorgungen).
Die alleinige arthroskopisch-gestützte Behandlung von Begleitschäden wie Knorpel- und Meniskusläsionen kann eine oft nur vorübergehende Linderung der Symptomatik erzeugen, da sie die Ursache der Verletzung und die Instabilität des Kniegelenks selbst nicht versorgt.
Von den kausalen Operationsmethoden kommen ligamentäre Rekonstruktionen am häufigsten zur Anwendung. In erster Linie kommen hierbei Kreuzbandplastiken zur Verwendung, wobei es sich nicht selten um Revisionseingriffe handelt, bei denen wiederum gesonderte Kriterien berücksichtigt werden müssen (Tischer et al.
2023; Condello et al.
2023). Da es sich häufig um multiligamentäre Bandrekonstruktionen handelt muss, die Transplantatauswahl streng überdacht werden (s. oben). Anterolaterale Instabilitäten können durch Operationstechniken wie die modifizierte Lemaire-Technik oder einer anterolateralen Bandplastik behandelt werden. Zur Versorgung der medialen Begleitinstabilitäten stehen ebenfalls mehrere Bandersatzplastiken zur Verfügung (s. MCL Instabilitäten). Gleiches gilt für die posterolateralen Instabilitäten (AGA-Komitee-Knie-Ligament
2020).
Beinachsenkorrekturen
werden in Abhängigkeit der vorliegenden Deformität bzw. Instabilität in Betracht gezogen. Sie können entweder vor oder gleichzeitig zu ligamentären Rekonstruktionen durchgeführt werden. Bei chronischen anterioren Instabilitäten sollte die Notwendigkeit einer Reduktion der Dorsalneigung des Tibiaplateaus (engl.: slope) überprüft werden. Der Grenzwert liegt hier bei einer kaukasischen Bevölkerung bei 12°, gemessen nach der Methode n. Dejour (Tischer et al.
2023; Dejour
2018). Bei hochgradigen bzw. in der hinteren Schublade fixierten chronischen posterioren Instabilitäten ist eine Erhöhung der Neigung des Tibiaplateaus anzustreben. Es gibt verschiedene Operationsmethoden, um diese Ziele zu erreichen. Die Überlegenheit einer bestimmten Methode über eine andere konnte noch nicht abschließend geklärt werden. Diese ist deutlich präziser als eine lateral schließende Osteotomie. Bei Deformitäten in der frontalen Ebene können valgisierende oder varisierende Osteotomien erfolgen, wobei Letztere weitaus häufiger vorkommen. Zur Vermeidung von Über- bzw. Unterkorrekturen sollten die Prinzipien der Deformitätenkorrekturen nach Paley (
2002) angewendet werden. Zur präzisen Korrektur muss neben dem gewünschten Ergebnis der Ganzbeinachse in der Frontalabene sowohl die Gelenkkongruenz als auch der Gelenkwinkel in Betracht gezogen werden. Bei Letzterem sollte die Lateralneigung des Tibiaplateaus die 4–5°-Grad-Grenze nicht übersteigen. Bei ausgeprägten Korrekturen haben sich deswegen auch sogenannte Doppelosteotomien bewährt, d. h. gleichzeitige Korrekturen am distalen Femur und der proximalen Tibia. Deformitäten in der sagittalen und frontalen Ebene können seit Neuestem dreidimensional mithilfe von CT-Untersuchungen der unteren Extremitäten und anhand von individuellen, patientenspezifischen Implantaten (PSI) durchgeführt werden (Chaouche et al.
2019; Tampere et al.
2020).
Oberflächenersatz-Operationen sind lediglich im Endstadium einer begleitenden Gonarthrose oder bei unkontrollierbarer Instabilität in Erwägung zu ziehen. In diesen seltenen Fällen muss nicht selten auf stabilisierende, teilweise auch achsgeführte Implantate zurückgegriffen werden.