Präoperative Antibiose und offene Frakturen im Kindes- und Jugendalter
Postoperative Infektionen treten nach 1 % bis 4 % aller operativen Eingriffe bei Kindern auf. Offene Frakturen kommen im Wachstumsalter vor allem am Unterschenkel und Unterarm vor. Auch jedes zehnte, mehrfach verletzte Kind erleidet eine offene Fraktur.
Ein erfolgversprechender Weg, postoperative Infektionen bei kindertraumatologischen Eingriffen zu reduzieren, ist die rasche Verabreichung einer geeigneten präoperativen Antibiotikaprophylaxe und eine weichteilschonende Behandlung und Operationstechnik. Die präoperative Antibiotikaprophylaxe sollte bei Vorliegen offener Frakturen bereits an der Notfallstation mit einem intravenös verabreichten Cephalosporin der 1. Generation erfolgen, sofern nichts dagegenspricht. Als Alternative kann zum Beispiel bei Cephalosporinallergie Clindamycin oder bei Besiedelung mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) Vancomycin verwendet werden. Überschreitet die Operationsdauer die doppelte Halbwertszeit des Antibiotikums, sollte eine weitere Dosis des Antibiotikums verabreicht werden. Die primäre Antibiose richtet sich nach dem Schweregrad der Verletzung und dem vermuteten Keimspektrum, wobei besonders stark verunreinigte Wunden (z. B. nach Unfällen im Stall oder auf frisch gedüngter Wiese) eine Erweiterung der Antibiotikagabe in Absprache mit Krankenhaushygienefachleuten erfordern. In weiterer Folge muss das Antibiotikum gegebenenfalls entsprechend den Vorschlägen der Krankenhaushygieniker umgestellt werden, weil bereits nach 1 Woche ein deutlicher Shift von Straßenkeimen hin zu Krankenhauskeimen eintritt.
Bei der Beurteilung und Behandlung offener Frakturen bedient man sich auch bei Kindern und Jugendlichen vorwiegend der Klassifikationen nach Gustilo-Anderson. Zusätzlich können Tools wie der Mangled Extremity Severity Score (MESS) eine Risikoabschätzung und Therapieentscheidung erleichtern. Oberstes Ziel bei der Behandlung offener Frakturen ist die Wiederherstellung der Integrität der Weichteile und eine Weichteildeckung des verletzten Knochens sowie eine stabile Knochenfixation. Damit werden eine rasche Wiederaufnahme der Funktion des Bewegungsapparates und eine frühfunktionelle Nachbehandlung bei gleichzeitiger Vermeidung eines Infektes ermöglicht. Während bei drittgradig offenen Frakturen die operative Behandlung annähernd gleichwertige Ergebnisse ergibt wie die konservative Behandlung, hat sich bei erst- und zweitgradig offenen Frakturen von Kindern gezeigt, dass diese auch mit Antibiotikaprophylaxe, Säuberung der Wunde an der Notfallstation und konservativer Frakturbehandlung mit sehr guten Ergebnissen behandelbar sind und nicht immer einer operativen Behandlung in Narkose bedürfen. Dies liegt vor allem an der guten Durchblutung des kindlichen Periosts und Knochengewebes, dem günstigen Einfluss von benachbarten Wachstumsfugen auf die Frakturheilung und dem ausgeprägten Remodellingphänomen bei jüngeren Kindern. Ist ein operatives Debridement und eine operative Stabilisation einer erst- oder zweitgradig offenen Fraktur im Wachstumsalter notwendig, so sollten nach Möglichkeit weichteilschonende Stabilisationsverfahren angewandt werden.
Die Verfahrenswahl für die Weichteilversorgung und Frakturstabilisation von offenen Frakturen im Wachstumsalter folgt heute zunehmend einem personalisierten Behandlungskonzept, um optimale Ergebnisse aus der Sicht des Kindes und seiner Familie zu erzielen.