Skip to main content
Orthopädie und Unfallchirurgie
Info
Publiziert am: 08.07.2024

Primäre Endoprothetik bei distalen Femurfrakturen

Verfasst von: Max Jaenisch und Dieter Christian Wirtz
Die distale Femurfraktur ist eine klassische Fragilitätsfraktur bei niedrigenergetischem Trauma und reduzierter Knochensubstanz. Sie betrifft besonders das geriatrische Patientengut und ist mit einer hohen 1-Jahres-Mortalität behaftet. Eine primär endoprothetische Versorgung ermöglicht eine frühzeitige, postoperative Rückkehr zur vollen Belastungsfähigkeit und vollem Bewegungsumfang und wirkt damit Sekundärkomplikationen der Immobilität entgegen. Die operative Versorgung bedarf einer dezidierten präoperativen Planung und einer profunden endoprothetischen Erfahrung. Die stationäre Behandlung sollte im interdisziplinären Team in spezialisierten Zentren erfolgen.

Einleitung

Die Fraktur des distalen Femurs ist selten und macht nur etwa 0,5 % aller Knochenbrüche aus. Sie kann entweder im Rahmen von hochenergetischen Traumata oder bei reduzierter Knochenqualität mit niedrigenergetischem Mechanismus auftreten. Als klassische Fragilitätsfraktur zeigt sie nach dem 60. Lebensjahr eine deutlich steigende Inzidenz. Hierbei sind in 91 % niedrigenergetische Traumamechanismen ursächlich. In 61 % handelt es sich um Stürze aus dem Stand (Elsoe et al. 2018). Im hauptsächlich betroffenen, geriatrischen Patientenkollektiv haben distale Femurfrakturen eine hohe 1-Jahres-Mortalität von bis zu 23 % (Streubel et al. 2011). Besonders die Versorgung von intraartikulären Frakturen bei osteoporotischem Knochen stellt dabei eine Herausforderung an den Operateur und das verwendete Material dar. Die optimale Versorgungstechnik der komplexen distalen Femurfraktur beim älteren Patienten ist unklar. Während traditionell hauptsächlich osteosynthetische Verfahren zur Anwendung kommen, gewinnt die primär endoprothetische Versorgung von komplexen distalen Femurfrakturen stetig an Bedeutung.
Die primäre endoprothetische Versorgung dieser Frakturen ermöglicht direkt eine schmerzadaptierte Vollbelastung und die Rückkehr zu einer regelrechten Gelenkfunktion mit idealerweise verbesserter Mobilität des Patienten und Reduktion von Bettlägerigkeit und assoziierter Komplikationen. Bekannte Komplikation eines osteosynthetischen Vorgehens, wie eine Pseudarthrose, oder das Auftreten einer posttraumatischen sekundären Arthrose bzw. der Progress einer primären, vorbestehenden Arthrose werden durch eine primär-endoprothetische Versorgung vermieden. Besonders nach komplexen intraartikulären Frakturen (AO/OTA 33C) ist die Pseudarthroserate hoch und wird in der Literatur mit bis zu 20 % nach osteosynthetischen Versorgungen berichtet (Hart et al. 2017).
Für die Ergebnisse der Primärendoprothetik nach distalen Femurfrakturen besteht zum aktuellen Zeitpunkt nur eine limitierte Evidenz. Die meisten veröffentlichten Studien weisen eine kleine Fallzahl auf und haben das Evidenzlevel III–IV. Da es zum aktuellen Zeitpunkt keine prospektiven, randomisiert-kontrollierten Studien gibt, ist es schwierig, einen therapeutischen Algorithmus evidenzbasiert zu empfehlen. In den durchgeführten Studien zeigt sich keine klare Überlegenheit der endoprothetischen Versorgung gegenüber der osteosynthetischen Versorgung. Während einige Studien über vergleichbare Reoperationsraten und höhere Wundinfektionsraten in den ersten 90 Tagen nach endoprothetischer Versorgung berichten, beschreiben andere Gruppen eine etwas niedriger Reoperationsrate (Shi et al. 2023; Tibbo et al. 2022). Hierbei gilt es zu beachten, dass die Patienten, welche einer endoprothetischen Versorgung zugeführt werden, in der Regel älter sind und mehr Komorbiditäten sowie komplexere Frakturen aufweisen. Während einige Studien in Bezug auf die entstehenden Kosten bei Einbeziehung aller Faktoren keine signifikanten Unterschiede zwischen einer endoprothetischen und einer osteosynthetischen Versorgung finden, ermittelten andere Studien eine bessere Kosteneffektivität bei osteosynthetischem Vorgehen mit einer höheren Verbesserung der Lebensqualität. In der Mehrzahl der vorliegenden Studien gestaltet sich der stationäre Aufenthalt etwas länger bei Patienten mit einer endoprothetischen Versorgung (Caines et al. 2023; Tibbo et al. 2022; Brodke et al. 2022). Zur Bewertung der Validität einer primär-endoprothetischen Versorgung ist jedoch der singuläre Vergleich zur osteosynthetischen Alternative nicht ausreichend. Häufig wird ein primär-endoprothetisches Verfahren bei Patienten mit bereits vorbestehender Arthrose angestrebt. In diesem Patientenkollektiv ist aber selbst bei guter Frakturkonsolidierung durch eine initiale osteosynthetische Versorgung der Wechsel auf eine endoprothetische Versorgung zeitlich wahrscheinlich. Im Vergleich zwischen primär-endoprothetischer Versorgung und sekundär-endoprothetischer Konversion zeigen sich etwas höhere Komplikationsraten (8–42 % primär, 20–48 % sekundär) und nur in 75 % zufriedenstellende funktionelle Ergebnisse beim zweizeitigen Vorgehen (Bohm et al. 2012; Ries 2012; Boureau et al. 2015; Parratte et al. 2011).

Diagnostik

Anamnese und klinische Untersuchung

Eine ausführliche Anamneseerhebung und klinische Untersuchung gehört zur Diagnostik vor jedem operativen Vorgehen. Besonders bei traumatischen Krankheitsbildern ist der Zustand der Weichteilsituation vor einer operativen Therapie entscheidend. Besonders offene Frakturen und manifeste Kompartmentsyndrome verbieten eine primär endoprothetischen Versorgung und sollten entsprechend chirurgisch saniert werden. Zusätzlich sollte besonders beim geriatrischen Patienten das prätraumatische Aktivitätslevel evaluiert werden. Auch die Compliance ist bei der Durchführung einer Operation entscheidend. Beispielsweise ist es unwahrscheinlich, dass ein dementer Patient eine für die osteosynthetische Behandlung notwendige Teilbelastung suffizient einhalten kann. In diesen Fällen kann eine endoprothetische Versorgung sinnvoller sein. Auch vorbestehenden Kniegelenksbeschwerden bei radiologisch sichtbarer Arthrose helfen der Entscheidungsfindung und ermöglichen eine differenzierte Indikationsstellung. Auch ist die Gefäßversorgung der unteren Extremität für die erfolgreiche Weichteilkonsolidierung und Wundheilung entscheidend. Eine klinische Untersuchung muss daher zwingend eine Erhebung des Gefäßstatus insbesondere zum Erkennen einer begleitenden Gefäßverletzung miteinschließen. So können erste Hinweise für eine Gefäßverletzung, bedingt durch eine ausgeprägte Frakturdislokation oder scharfe Knochenspickel, bereits klinisch gesammelt werden. Auch chronische Gefäßpathologien, wie eine chronische venöse Insuffizienz oder eine peripher arterielle Verschlusskrankheit, sind wichtige Parameter für die Indikationsstellung und sollten präoperativ erkannt werden.

Präoperative Bildgebung und Planung

Besonders bei komplexen Verletzungen ist die exakte Analyse der vorliegenden Frakturmorphologie für die operative Planung entscheidend. Als Goldstandard und Primärdiagnostik gilt das Nativröntgen in 2 Ebenen. Hierdurch kann bereits eine detaillierte Frakturanalyse erfolgen. Es ist ratsam, die Aufnahmen mit einer Maßstabskugel durchzuführen, damit bei Entscheidung zur endoprothetischen Versorgung eine digitale Planung erfolgen kann. Auch bietet sich eine möglichst langstreckige Abbildung der unteren Extremität an, da so ausstrahlende Fissuren in den Femurschaft dargestellt werden können und die digitale Planung einer schaftgeführten Prothese erleichtert wird (s. Abschn. 4.2, die Abbildung zeigt einen detaillierten Planungsvorgang). Bei dem Verdacht auf ausstrahlende Frakturen in die Diaphyse und zur genauen Einschätzung von C-Frakturen sollte eine CT-Bildgebung durchgeführt werden. Die MRT-Diagnostik besitzt zur Planung einer endoprothetischen Versorgung nur einen geringen Stellenwert, kann jedoch ggf. zur Analyse von ligamentären Begleitverletzungen angewendet werden.
Die Klassifikation von distaler Femurfraktur erfolgt in der Literatur und der klinischen Praxis hauptsächlich durch die AO-Klassifikation (siehe Abb. 1) und dient mit der Bewertung der Arthrose nach Kellgren und Lawrence als wesentliche Grundlage für die Therapieentscheidung (Kellgren und Lawrence 1957).

Therapieziel

Das primäre Ziel einer endoprothetischen Versorgung ist die Möglichkeit zur direkt postoperativen Vollbelastung im vollen Bewegungsumfang. Hierdurch sollen sekundäre Komplikationen einer längeren Immobilisation im geriatrischen Patientenkollektiv vermieden werden (siehe Abschn. 6). Um die Möglichkeiten der endoprothetischen Therapie optimal nutzen zu können, ist eine differenzierte Indikationsstellung notwendig.

Indikationen

Die Indikationsstellung zum endoprothetischen Ersatz ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht eindeutig definiert, sodass jeder Fall individuell analysiert werden sollte. Im folgenden Abschnitt werden relevante Faktoren für eine gute Indikation diskutiert und abgewogen.
Die drei Hauptindikationen sind
1.
Komplexe Frakturen des distalen Femurs mit reduzierter Knochenqualität
Diese Indikation ist die häufigste, da die meisten distalen Femurfrakturen, wie vorangestellt beschrieben, im geriatrischen Patientenkollektiv durch niedrigenergetische Traumata ausgelöst werden. Beim Vorliegen einer Osteoporose ist von einer deutlich reduzierten Knochensubstanz auszugehen, welche eine osteosynthetische Versorgung schwierig und risikobehaftet macht. Eine primär endoprothetische Versorgung ist in diesem Fall eine sehr gute Indikation und ermöglicht eine direkte Vollbelastung und Mobilisation der Patienten.
 
2.
Ausgeprägte, vorbestehender Arthrose
Im Rahmen einer vorbestehenden, ausgeprägten Gonarthrose (Kellgren-Lawrence Stadium ≥ III) sollte die Implantation einer primären Endoprothese zur Frakturversorgung erwogen werden, besonders wenn eine zusätzliche Osteoporose (siehe oben) besteht. Für die Entscheidungsfindung ist jedoch auch die Entität und der Schweregrade der Fraktur sowie das Aktivitätslevel des Patienten entscheidend. So können ggf. Patienten mit einem hohen Aktivitätslevel und guter Knochensubstanz von einer primär osteosynthetischen Versorgung zur Konsolidierung des Bandapparats bei Kondylenfrakturen und des Bone Stocks profitieren. Hierdurch ist dann im Intervall die Versorgung mit einer ungekoppelten Standardprothese möglich.
 
3.
Ausgeprägte, artikuläre Schädigung beim jüngeren Patienten durch ein hochenergetisches Trauma
Die vollständige artikuläre Destruktion bei hochenergetischem Trauma ist ein seltenes Krankheitsbild und stellt eine Ausnahmeindikationen dar. Zu bedenken ist bei jüngerem Patientenalter zusätzlich die steigende Wahrscheinlichkeit, im weiteren Leben typische prothesenassoziierte Komplikationen (periprothetische Infektion, aseptische Lockerung etc.) zu erleiden. Die endoprothetische Versorgung ist möglich, sollte jedoch kritisch gestellt werden. Dabei sollten die unter 2. genannten Aspekte in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
 

Operative Therapie

Die endoprothetische Versorgung von distalen Femurfrakturen ist hochkomplex und sollte eine entsprechende Expertise in der Endoprothetik voraussetzen. Die zugrunde liegenden Prinzipien gleichen hierbei denen der Revisions- bzw. Tumorendoprothetik und werden im folgenden Unterkapitel aufgearbeitet. Entscheidend sind die Wahl des Implantats (Implantatfixierung, Kopplungsgrad), die Rekonstruktion der anatomischen Gelenkgeometrie sowie der stabilen Bandführung und der Umgang mit Knochendefekten (augmentierend vs. ersetzend).

Implantatwahl

Die Implantatwahl beruht hauptsächlich auf dem Ausmaß der metaphysären Schädigung und der Stabilität des Bandapparats. Bei einer weitestgehend intakten Metaphyse mit suffizientem Kollateralbandapparat (z. B. AO B3) kann eine ungekoppelte Standardprothese verwendet werden. Dieser Fall ist jedoch eher selten, da es meistens zu einer metaphysären Schädigung mit konsekutiver Instabilität des Kapsel-Band-Apparats kommt. Hierfür ist eine schaftverankernde Rotating-hinge-Prothese notwendig, um ein funktionelles und stabiles Resultat zu erzielen. Bei ausgeprägter metaphysärer Destruktion und/oder Beteiligung der Diaphyse ist eine Tumorendoprothese mit der entsprechenden Segmentresektion zu wählen. Hierfür kommen eine Kondylen- bzw. distaler Femurersatz in Betracht.

Rekonstruktion der anatomischen Gelenkgeometrie

Entscheidend für das funktionelle Resultat der endoprothetischen Versorgung ist die möglichst anatomische Rekonstruktion der ursprünglichen Gelenkgeometrie, hauptsächlich bezogen auf die Rekonstruktion der Gelenklinie und die Rotation der Femurkomponente. Bei komplexen und dislozierten Frakturen und/oder Segmentresektionen ist die Rekonstruktion der Gelenkspalthöhe herausfordernd. Unterstützend wirkt auch hier eine detaillierte präoperative Planung. Diese wird standardmäßig an einer Ganzbeinstandaufnahme im AP-Strahlengang durchgeführt. In der Akutsituation ist dies jedoch meist nicht möglich. Als „Work-around“ hat sich in der klinischen Praxis die digitale Planung an einer lateralen Aufnahme etabliert. Hier kann, basierend auf der Patellahöhe, eine weitestgehend physiologische Rekonstruktion geplant werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Planung basierend auf Normalwerten für den Abstand der Gelenklinie zu vorhanden anatomischen Landmarken (Epikondylusspitze femoral, Fibulaspitze tibial). Intraoperativ kann die geplante Rekonstruktion durch eine temporäre Frakturreposition überprüft werden. Hierbei wird zur Überprüfung der ursprünglichen Gelenkgeometrie die Fraktur ähnlich wie bei einer osteosynthetischen Versorgung reponiert und die Implantatprobekomponenten entsprechend vorbereitet und ausgerichtet (Parratte et al. 2018). Zur Größenbestimmung der Implantatkomponenten kann, wenn verfügbar, ein Planungsbild der unverletzten, nativen Gegenseite erfolgen.
Abb. 2 zeigt einen detaillierten Planungsvorgang für eine möglichst langstreckige Abbildung der unteren Extremität.

Knochendefekte augmentieren oder ersetzen?

Die Augmentierung von Knochendefekten basiert auf den Prinzipien der Revisionsendoprothetik. Hierbei wird in verschiedenen Klassifikation nach umgrenzten (contained) und unumgrenzten (uncontained) Defekten unterschieden (Engh und Parks 1997). Während contained Defekte in der Regel einer biologischen oder Zementaugmentation zuführbar sind, werden uncontained Defekte durch eine metallische Augmentation behandelt. Die Verwendung von strukturellen Allografts und Autografts ermöglicht zwar eine biologische Verkleinerung des Defekts, ist jedoch gefährdet durch fehlende Einheilung, Resorption und konsekutivem Versagen. Aufgrund der dadurch entstehenden segmentalen Instabilität ist eine Verwendung besonders im osteoporotischen Knochen nicht empfehlenswert (Parratte et al. 2015). Kleinere metaphysäre Defekte können durch metallische Blockaugmente, welche direkt an der Implantatkomponente befestigt sind, ausgeglichen werden. Diese Augmente sind für Defekte zwischen 5–20 mm verfügbar und erhöhen durch die Umwandlung eines unebenen Defekts in einen rechteckigen Defekt die biomechanische Stabilität. Bei größeren metaphysären Defekten können makroporöse Cones und Sleeves aus Tantalum oder Titan verwendet werden, für die sich revisionsendoprothetisch ausgezeichnete Ergebnisse und eine gute Primärstabilität zeigen (Rajgopal et al. 2021; Bieganowski et al. 2022; Divano et al. 2018). Sollte der metaphysäre Knochen vollständig zerstört oder von unzureichender biologischer Qualität sein, bleibt häufig nur die Segmentresektion und das Einbringen eines Kondylenersatz (siehe Abb. 3), oder abhängig von der diaphysären Beteiligung, eines distalen Femurersatzes.

Implantatfixierung

Ein weiteres revisionsendoprothetisches Prinzip, welches sich auf die endoprothetische Frakturversorgung übertragen lässt, ist die „Zonal Fixation“ nach Morgan-Jones et al. (siehe Abb. 4) (Morgan-Jones et al. 2015). Es besagt, dass für eine primär stabile Versorgung die Verankerung in mindesten zwei von drei der definierten Zonen (Epiphyse, Metaphyse und Diaphyse) erfolgen muss. In Abschn. 4.3 wurden die Fixierungsmöglichkeiten in der Metaphyse anhand von Sleeves und Cones dargestellt. Die Verankerung in der Diaphyse durch intramedulläre Schäfte kann sowohl zementiert als auch unzementiert erfolgen. Eine klare Überlegenheit konnte für keines der beiden Verfahren bewiesen werden, sodass die Diskussion kontrovers ist und aktuell auf das Belieben des Operateurs entfällt (Bieganowski et al. 2022; Kosse et al. 2017). Eine weitere Möglichkeit ist eine Hybridversorgung. Hierbei werden zementierte Schäfte mit unzementierten Press-fit Cones/metaphysären Komponenten oder zementfreie Schäfte mit unterflächenzementierter Tibia-/Femurkomponente kombiniert.
Als zusätzliche osteosynthetische Maßnahmen bei diaphysär auslaufenden Frakturen können additiv Cerclagen, Strut-Grafts und Verriegelungsbolzen zur Erhöhung der Primärstabilität verwendet werden. Auf die Verwendung von additiven Plattenosteosynthese zur Vermeidung von interprothetischen Frakturen bei zusätzlich einliegender Hüftprothese wird im Abschn. 5 eingegangen.

Komplikationen

Die möglichen Komplikationen gleichen in der Entität denen der Primär- und Revisionsendoprothetik. Sowohl aseptische Lockerungen, Frakturen und periprothetische Infekte können auftreten und müssen bedacht werden. Hinzu kommen internistische Komplikationen, welche bei dem vorliegenden geriatrischen Patientengut zu einer erhöhten Mortalität führen können (Parratte et al. 2011; Liener et al. 2021).
Bei simultan einliegender Hüftendoprothese und Implantation einer schaftgeführten Kniegelenksendoprothese zur Frakturversorgung besteht die Gefahr einer interprothetischen Fraktur des Femurschafts (IFF). Zum aktuellen Zeitpunkt besteht kein Konsensus über die Frakturrisikozunahme bezogen auf die interprothetischen Distanz. Die Versteifung der schaftgestützten Knochenabschnitte führt jedoch in der Theorie zu einer Mehrbelastung des nativen Femurs und damit zu einer erhöhten Frakturwahrscheinlichkeit (Rozell et al. 2019). Während einige Autoren Grenzwerte bezogen auf die interprothetische Distanz (< 110 mm führt zu einem erhöhten Risiko für eine IFF, biomechanische Studie) angeben, wird in anderen Studien das Verhältnis von kortikalem zu intramedullärem Durchmesser als entscheidend angegeben (Soenen et al. 2013; Valle Cruz et al. 2016). Es ist empfehlenswert, eine suffiziente Verankerung der geplanten Prothese nach den oben genannten Prinzipien zu erreichen. Wenn eine Verlängerung der nativen Strecke zwischen beiden Prothesen möglich ist, ohne die grundlegende Stabilität des Implantats zu gefährden, sollte dies durchgeführt werden. Eine klare Empfehlung für einen absoluten Grenzwert kann aktuell nicht ausgesprochen werden. Auch eine protektive bzw. prophylaktische Osteosynthese wird nicht empfohlen. In einigen Fällen lohnt sich jedoch die dezidierte Analyse der einliegenden Schaftkomponente der Hüftprothese. Sollte hier bereits eine relevante und symptomatisch Lockerung vorliegen, kann eine sogenannte Durchsteckprothese erwogen werden. Abgesehen von der hohen Invasivität besteht der Vorteil einer solchen Versorgung in einer vollständigen Übernahme der Lastverteilung durch das Implantat, sodass der Patient weder auf eine Lastübernahme durch die eigene Knochensubstanz noch auf eine Heilung angewiesen ist.

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung sollte auf das geriatrische Patientengut adaptiert werden und auf den Prinzipien des orthogeriatrischen Co-Managements (OGCM) basieren (Liener et al. 2021). Die postoperative Betreuung von alterstraumatologischen und orthogeriatrischen Patienten stellt große organisatorische, fachliche und personelle Herausforderungen an das behandelnde Krankenhaus. In der postoperativen Phase ist die strukturierte Umsetzung eines multimodalen Behandlungskonzepts entscheidend. Hierbei ist es empfehlenswert, für eine enge und koordinierte Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team zu sorgen. Primär postoperativ steht die Behandlung der Auswirkung der Operation und der Narkose im Fokus. Hierzu zählt eine konsequente Umsetzung eines Patient-Blood-Managements, Thromboseprophylaxe, Delir-Früherkennung und -Therapie sowie die medikamentöse Einstellung von Übelkeit und Schwindel. Eine multimodale Schmerztherapie sollte den lokalen und systemischen Einsatz von Analgetika kombinieren und wenn möglich die übermäßige Gabe von Opiaten vermeiden, da hierdurch Sturzneigung und Delir gefördert werden können. Hierfür gibt es bereits etablierte Protokolle, welche eine deutliche Schmerzsenkung und eine verbesserte Mobilisation und funktionell bessere Rehabilitation zeigen konnten (Canata et al. 2016). Eine besondere Bedeutung kommt der Re-Mobilisation zu, die in der Regel vollbelastend erfolgen kann. Diese sollte möglichst innerhalb von 24 h nach der Akutbehandlung erfolgen (Liener et al. 2021). Die erfolgreiche Re-Mobilisation und frühzeitige Belastungsmöglichkeit sind der erste Schritt zur Prophylaxe von sekundären Stürzen, die unter Umständen zu weiteren Frakturen führen können. Hierzu gehört auch die Erfassung des individuellen Sturzrisikos durch die Pflege und Physiotherapie sowie die Umsetzung von weiteren Maßnahmen der Sturzprävention (Gehhilfsmittel, Sensorsystem, starke Kontraste zwischen Boden und Wänden). Die Vermeidung von Sekundärkomplikationen durch eine konsequente Dekubitusprophylaxe, Obstipationsprophylaxe und Atemtherapie ist zusätzlich entscheidend. Es sollten relevante Komorbiditäten, die den postoperativen Verlauf erschweren könnten, identifiziert und adäquat eingestellt werden.
Literatur
Bieganowski T, Buchalter DB, Singh V, Mercuri JJ, Aggarwal VK, Rozell JC, Schwarzkopf R (2022) Bone loss in a septic revision total knee arthroplasty: management and outcomes. Knee Surg Relat Res 34:30CrossRefPubMedPubMedCentral
Bohm ER, Tufescu TV, Marsch JPJ (2012) The operative management of osteoporotic fractures of the knee: to fix or to replace? Bone Joint Surg Surg Br 94:1160–1169CrossRef
Boureau F, Benad K, Putman S, Dereudre G, Kern G et al (2015) Does primary total knee arthroplasty for acute knee joint fracture maintain autonomy in the elderly? A retrospective study of 21 cases. Osthop Traumatol Surg Res 101:947–951CrossRef
Brodke DJ, Devana SK, Upfill-Brown A, Lee C (2022) Cost-effectiveness of fixation versus arthroplasty for geriatric distal femur fractures. Injury 53(2):661–668CrossRefPubMed
Caines A, Adamczyk A, Mahaffey R, Pickell M (2023) Open reduction internal fixation versus distal femoral replacement (DFR) for treatment of OTA/AO 33C fractures in the elderly: a review of functional outcomes and cost analysis. J Orthop Trauma 37(1):14–18CrossRefPubMed
Canata GL, Casale V, Chiey A (2016) Pain management in total knee arthroplasty: efficacy of a multimodal opiate-free protocol. Joints 4(4):222–227CrossRefPubMed
Divano S, Cavagnaro L, Zanirato A, Basso M, Felli L, Formica M (2018) Porous metal cones: gold standard for massive bone loss in complex revision knee arthroplasty? A systematic review of current literature. Arch Orthop Trauma Surg 138(6):851–863CrossRefPubMed
Elsoe R, Ceccotti AA, Larsen P (2018) Population-based epidemiology and incidence of distal femur fractures. Int Orthop 42:191–196CrossRefPubMed
Engh GA, Parks NL (1997) The management of bone defects in revision total knee arthroplasty. Instr Course Lect 46:227–236PubMed
Hart GP, Kneisl JS, Springer BD, Patt JC, Karunakar MA (2017) Open reduction vs distal femoral replacement arthroplasty for comminuted distal femur fractures in the patients 70 years and older. J Arthroplasty. 32(1):202–206CrossRefPubMed
Kellgren JH, Lawrence JS (1957) Radiological assessment of osteo-arthrosis. Ann Rheum Dis 16(4):494–502CrossRefPubMedPubMedCentral
Kosse NM, van Hellemondt GG, Wymenga AB, Heesterbeek PJC (2017) Comparable stability of cemented vs press-fit placed stems in revision total knee arthroplasty with mild to moderate bone loss: 6.5-yedar results from a randomized controlled trial with radiostereometric analysis. J Arthroplasty 32(1):197–201CrossRefPubMed
Liener UC, Becker C, Rapp K, Raschke MJ, Kladny B, Wirtz DC (2021) Weißbuch Altertraumatologie und Orthogeriatrie, Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Mair O, Biberthaler P, Hanschen M (2020) Distale Femurfrakturen. Unfallchirurg 123:547–559CrossRefPubMed
Morgan-Jones R, Oussedik SIS, Graichen H, Haddad FS (2015) Zonal fixation in revision total knee arthroplasty. Bone Joint J 97-B(2): 147–149CrossRefPubMed
Parratte S, Bonnevialle P, Pietu G, Saragaglia D, Cherrier B, Lafosse JM (2011) Primary total knee arthroplasty in the management of epiphyseal fracture around the knee. Orthop Traumatol Surg Res 97:87–94CrossRef
Parratte S, Abdel MP, Lunebourg A, Budhiparama N, Lewallen DG, Hanssen AD (2015) Revision total knee arthroplasty: the end of the allograft era? Eur J Orthop Surg Traumatol 25(4):621–622CrossRefPubMed
Parratte S, Ollivier M, Argenson JN (2018) Primary total knee arthroplasty for acute fracture around the knee. Orthop Trauma Surg Res 104:71–80CrossRef
Rajgopal A, Kumar S, Aggarwal K (2021) Midterm outcomes of tantalum metal cones for severe bone loss in complex primary and revision total knee arthroplasty. Arthroplasty Today 7:76–83CrossRefPubMedPubMedCentral
Ries MD (2012) Primary arthroplasty for management of osteoporotic fractures of the knee. Curr Osteoporos Rep 10:322–327CrossRefPubMed
Rozell JC, Delagrammaticas DE, Schwarzkopf R (2019) Interprosthetic femoral fractures: management challenges. Orthop Res Rev 11:119–128PubMedPubMedCentral
Shi B, Upfill-Brown A, Brodke D, Stavrakis A, Lee C, SooHoo NF (2023) Geriatric distal femur fractures: equivalent long-term reoperation rates between fixation and primary arthroplasty. J Orthop Trauma 37(5):249CrossRefPubMed
Soenen M, Baracchi M, De Corte R, Labey L, Innocenti B (2013) Stemmed TKA in a femur with a total hip arthroplasty: is there a safe distance between the stem tips? J Arthroplasty 28(8):1437–1445CrossRefPubMed
Streubel P, Ricci WM, Wong A, Gardner M (2011) Mortality After Distal Femur Fractures in Elderly Patients. Clin Orthop Relat Res 469(4):1188–1196CrossRefPubMed
Tibbo ME, Parry JA, Hevesi M, Abdel MP, Yuan BJ (2022) Distal femoral replacement versus ORIF for severely comminuted distal femur fractures. Eur J Orthop Surg Traumatol 32(5):959–964CrossRefPubMed
Valle Cruz JA, Urda AL, Serrano L, Rodriguez-Gonzalez FA, Otero J, Moro E, López-Durán L (2016) Incidence of and risk factors for femoral fractures in the gap between hip and knee implants. Int Orthop 40(8):1697–1702CrossRefPubMed