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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 27.06.2025 Bitte beachten Sie v.a. beim therapeutischen Vorgehen das Erscheinungsdatum des Beitrags.

Schulterluxation und Instabilitäten des Schultergelenks

Verfasst von: Marvin Minkus, Markus Scheibel und Philipp Moroder
Die Schulter ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers, wodurch es für Instabilitäten bzw. Luxationen anfällig ist. Klinische Symptomatik und Entität einer Schulterinstabilität können sehr unterschiedlich sein. Sowohl glenoidale und humerale knöcherne Defekte als auch Läsionen der Weichteile können im Rahmen einer traumatischen Schulterluxation auftreten und eine chronisch rezidivierende Schulterinstabilität verursachen. In Abhängigkeit des Patientenalters, des Aktivitätsniveaus, der zugrunde liegenden Pathologie und eventueller Begleitläsionen kann eine chirurgische Schulterstabilisierung notwendig werden. Verschiedene Techniken in offener und arthroskopischer Technik sowie mit knöcherner Augmentation und rein weichteilige Stabilisierungsverfahren stehen hierbei zur Verfügung. Aber auch die konservative Therapie und die Immobilisation nach Schulterluxation spielen eine wichtige Rolle. Insbesondere bei der funktionellen Schulterinstabilität, die auf pathologischen Muskelaktivierungsmustern beruht, ist eine chirurgische Intervention obsolet.

Epidemiologie, Pathomechanismus und Klassifikation

Das Schultergelenk ist im Gegensatz zu anderen Gelenken ein primär durch Weichteile stabilisiertes Gelenk, was zum einen den hohen Bewegungsumfang ermöglicht, aber auch zu Instabilitäten prädisponiert. Die Schulterluxation ist mit einem Anteil von etwa einem Drittel aller Pathologien des Glenohumeralgelenks eine der häufigsten Verletzungen des Schultergürtels. Bisher wird davon ausgegangen, dass die Inzidenz der unidirektionalen, vorderen bzw. anteroinferioren Schulterinstabilität bei 90–95 % liegt und die hinteren, multidirektionalen und funktionellen Instabilitäten vergleichsweise selten auftreten (Hovelius 1982; Kroner et al. 1989; Dodson und Cordasco 2008). Jedoch gehen neuere Studien davon aus, dass diese Pathologien häufig übersehen oder fehldiagnostiziert werden und die tatsächliche Prävalenz vermutlich höher ist als bisher angenommen (Moroder et al. 2018). So konnten Song et al. zeigen, dass bis zu 24 % aller jungen und aktiven Patienten, die aufgrund ihrer Schulterinstabilität chirurgisch versorgt wurden, Zeichen einer hinteren glenohumeralen Instabilität aufwiesen (Song et al. 2015). Da die Symptome der posterioren Schulterinstabilität häufig subtiler und weniger eindeutig sind als die der anterioren Luxation, ist die korrekte Diagnosestellung erschwert. Häufig klagen Patienten über unspezifische Schulterbeschwerden bei Belastung oder eine funktionelle Einschränkung. Funktionelle Schulterinstabilitäten sind mit einer Inzidenz von 0,05 % tatsächlich als eher seltene Pathologie zu betrachten, bereiten den betroffenen Personen jedoch einen erheblichen Leidensdruck (Hovelius 1982). Jedoch konnten neuere Untersuchungen zeigen, dass das Auftreten einer funktionellen Schulterinstabilität mit 0,5–2,6 % in einer jungen Population vermutlich häufiger ist als bisher angenommen (Danzinger et al. 2019). Von einer funktionellen Komponente geht man in bis zu 46 % aller Schulterinstabilitätsfälle aus (Malone et al. 2015).
Grundsätzlich muss die traumatische Schulterluxation von atraumatischen Schulterinstabilitäten unterschieden werden. Bei bis zu 90 % der Patienten kommt es im Rahmen einer traumatischen anterioren Schulterluxation zu einer Läsion des Kapsel-Labrum-Komplexes, auch als Bankart-Läsion bezeichnet (Yiannakopoulos et al. 2007; Norlin 1993). Als typischer Mechanismus für die vordere Luxation der Schulter gilt ein Abduktionsaußenrotationstrauma. Rezidivinstabilitäten sind in Abhängigkeit vom Patientenalter, Aktivitätsniveau und von Begleitpathologien in 10–100 % der Fälle beschrieben (Longo et al. 2014; Henry und Genung 1982; Hovelius et al. 2008; Marans et al. 1992). Verschiedene extrinsische und intrinsische Faktoren bestimmen das Risiko für das Auftreten einer rezidivierenden Schulterinstabilität. Ein junges Patientenalter bei Schultererstluxation sowie hohe körperliche Aktivität in Beruf und Sport und das männliche Geschlecht stellen die wichtigsten extrinsischen Risikofaktoren dar. Ein Abriss des anteroinferioren Labrums, knöcherne humeralseitige Defekte (Hill-Sachs-Defekt) sowie glenoidale Substanzdefekte sind als wichtigste intrinsische Risikofaktoren zu nennen. Hingegen können ein intakter Kapsel-Labrum-Komplex und eine nicht dislozierte Tuberculum-majus-Fraktur protektive Faktoren gegenüber einer erneuten Schulterluxation darstellen (Kralinger et al. 2002). Anteriore Glenoidranddefekte führen über einen Verlust der Konkavität und Fläche der Gelenkspfanne zu einem der wichtigsten Risikofaktoren für eine rezidivierende Schulterinstabilität. Hierbei können akute Läsionen vom Fragmenttyp (Typ I) von den chronischen Läsionen vom Fragmenttyp (Typ II) und den Erosionsdefekten (Typ III) unterschieden werden (Tab. 1) (Scheibel et al. 2009). Während knöcherne Fragmente in der Regel reponiert und refixiert werden können, ist bei chronischen Pfannenranddefekten mit signifikantem Knochenverlust häufig eine knöcherne Augmentation notwendig, um die glenoidale Gelenkfläche und damit die Stabilität des Schultergelenks wiederherzustellen.
Tab. 1
Klassifikation anteriorer Glenoidranddefekte (Scheibel et al. 2009)
Typ
Bezeichnung
Kriterien
I
Akuter Fragmenttyp
a. Knöcherne Bankart-Läsion
b. Solitäre Pfannenrandfraktur
c. Mehrfragmentäre Pfannenrandfraktur
II
Chronischer Fragmenttyp
In extraanatomischer Position konsolidiertes oder pseudarthrotisches Fragment (Fragment < Defekt)
III
Glenoidaler Knochendefekt ohne Fragment
a. < 25 % Substanzverlust
b. > 25 % Substanzverlust
Der traumatisch strukturellen Schulterinstabilität gegenüber steht die atraumatisch nicht strukturelle Schulterinstabilität, die durch ein gestörtes Aktivierungsmuster der Muskulatur und muskulären Dysbalancen verursacht wird (Jaggi et al. 2012). Bei diesen Patienten kommt es zu kontrollierbaren oder nicht kontrollierbaren Schulterluxationen und/oder Subluxationen nach anterior, posterior oder bidirektional während der normalen körperlichen Aktivität. Charakteristisch für diese Form der Instabilität ist, dass in der Regel keine strukturellen Läsionen vorliegen, weshalb eine chirurgische Behandlung obsolet ist und die Patienten einer ausschließlich konservativen Therapie zugeführt werden sollten (Takwale et al. 2000; Jaggi und Lambert 2010).
Eine in diesem Zusammenhang geeignete und umfassende Klassifikation der Schulterinstabilität ist die Stanmore-Klassifikation mit dem Bayley-Triangle (Abb. 1) (Jaggi und Lambert 2010). Es wird vor allem in Hinblick auf den Pathomechanismus unterschieden, der letztlich auch maßgeblich über die adäquate Therapie entscheidet. Die Instabilität vom Polar-Typ 1 umfasst beispielsweise die klassische anteriore Schulterluxation mit einem traumatischen Ereignis und einer entsprechenden strukturellen Läsion, die mehrheitlich operativ adressiert wird. Instabilitäten vom Polar-Typ II zeichnet aus, dass strukturelle Läsionen oder Pathologien vorliegen, wie zum Beispiel Hyperlaxität oder Glenoidranddefekte, die eine Schulterinstabilität ohne adäquates Trauma verursachen. In Abhängigkeit der Pathologie sind konservative oder operative Therapiemaßnahmen indiziert. Die Instabilität vom Polar-Typ III wird durch gestörte Muskelaktivierungsmuster hervorgerufen und zeigt keine strukturellen Defekte. Gemäß der Ursache ist hier die konservative Therapie indiziert. Im Gegensatz zur strukturellen Instabilität wurde diese Pathologie kürzlich als funktionelle Instabilität definiert (Moroder et al. 2019a).
Ein dreieckiges Flussdiagramm zeigt drei Polar-Typen: Typ I (traumatisch strukturell) oben, Typ II (atraumatisch strukturell) rechts unten und Typ III (pathologische Muskelaktivierungsmuster, nicht strukturell) links unten. Ein gelber Pfeil zeigt von Typ I zu Typ II mit der Beschriftung „Weniger durch Muskelaktivierungsmuster“. Ein grüner Pfeil zeigt von Typ III zu Typ II mit der Beschriftung „Zunehmend atraumatisch“. Das Diagramm veranschaulicht die Beziehung zwischen den verschiedenen Polar-Typen und ihren Eigenschaften.
Abb. 1
Stanmore-Klassifikation (Bayley-Triangle) für Schulterinstabilitäten. (Modifiziert nach (Jaggi und Lambert 2010))
Aktuelle Untersuchungen konnten zeigen, dass sich die funktionelle Schulterinstabilität letztlich in 4 Subtypen anhand ihres Pathomechanismus und der Kontrollierbarkeit unterscheiden lässt. Hierbei wird zunächst differenziert, ob die Schulterluxationen oder Subluxationen positionsabhängig oder unabhängig von der Stellung des Glenohumeralgelenks sind. Es wird dann jeweils weiterhin berücksichtigt, ob die Luxationen willkürlich hervorgerufen werden können oder unwillkürlich auftreten (Abb. 2) (Moroder et al. 2019a). Während willkürlich herbeigeführte Schulterluxationen von den Patienten häufig eher als zusätzliche Fähigkeit und weniger als Pathologie wahrgenommen werden, haben Patienten, die unter unwillkürlichen Schulterluxationen leiden, in der Regel einen erheblichen Leidensdruck und eine starke Einschränkung der Schulterfunktion.
Ein Flussdiagramm zur funktionellen Schulterinstabilität. Zentral oben steht 'Funktionelle Schulterinstabilität', von der zwei Pfeile zu den Kategorien 'Positionsabhängig' und 'Nicht positionsabhängig' führen. Unter 'Positionsabhängig' sind die Unterkategorien 'Kontrollierbar' und 'Nicht kontrollierbar' aufgeführt. Zusätzlich sind die Begriffe 'Anterior (-inferior)', 'Posterior (-inferior)' und 'Multidirektional' aufgelistet. Unter 'Nicht positionsabhängig' gibt es ebenfalls die Unterkategorien 'Kontrollierbar' und 'Nicht kontrollierbar'.
Abb. 2
Klassifikation der funktionellen Schulterinstabilität. (Modifiziert nach (Moroder et al. 2019a))
Für die ebenfalls seltenere, jedoch häufig schwere posteriore Schulterinstabilität hat sich die ABC-Klassifikation bewährt. Basierend auf verschiedenen pathomechanischen Prinzipien unterscheidet die ABC-Klassifikation 3 Gruppen mit jeweils 2 Subtypen (Moroder et al. 2018; Moroder und Scheibel 2017). Die Gruppe A beschreibt die akute erstmalige Schultersubluxation (Typ A1) bzw. Schulterdislokation (Typ A2). Gruppe 2 umfasst die Gruppe der rezidivierenden dynamischen posterioren Instabilitäten, die sich entweder als funktionelle Instabilität zeigt (Typ B1) oder auf Basis von strukturellen Defekten (Typ B2) entsteht. Patienten mit einer chronischen statischen hinteren Schulterinstabilität werden der Gruppe C zugeordnet. Man unterscheidet weiterhin zwischen der konstitutionellen strukturellen Instabilität (Typ C1) und der erworbenen strukturellen statischen Schulterluxation (Typ C2). Die ABC-Klassifikation ermöglicht neben der Gruppierung und Einteilung der Patienten auch eine mögliche Therapieableitung (Abb. 3).
Ein Flussdiagramm, das zwei Haupttypen darstellt: Typ 1 und Typ 2. Typ 1 ist in drei Kategorien unterteilt: Subluxation, Funktionell und Konstitutionell. Typ 2 ist ebenfalls in drei Kategorien unterteilt: Dislokation, Strukturell und Erworben. Darüber befinden sich drei übergeordnete Kategorien: A (Erstmalig), B (Dynamisch) und C (Statisch). Die Struktur zeigt eine hierarchische Klassifikation.
Abb. 3
ABC-Klassifikation der hinteren Schulterinstabilität. (Modifiziert nach (Moroder und Scheibel 2017))
Während ein initial konservativer Therapieversuch bei den meisten Patienten mit einer hinteren Instabilität vom Typ I (A1, B1, C1) indiziert ist, sollte bei Patienten vom Typ 2 eine chirurgische Intervention individuell erwogen werden.

Diagnostik

Die klinische und radiologische Diagnostik der Schulterinstabilität richtet sich ganz entscheidend nach dem Zeitpunkt und Verlauf und bedarf einer differenzierten Betrachtung zwischen der akuten Schulterluxation und der chronisch, rezidivierenden Schulterinstabilität.

Akute Schulterluxation

Stellt sich der Patient mit einer akuten traumatischen Schulterluxation vor, ist ein strukturierter Ablauf mit gezielter klinischer und radiologischer Diagnostik entscheidend. In der Akutsituation sollte sich die Anamnese auf das Nötigste, wie zum Beispiel den Traumamechanismus, der wiederum Rückschlüsse auf die Luxationsrichtung geben kann, und derzeit bestehende Beschwerden beschränken, um eine rasche Behandlung einleiten zu können. Der Fokus der initialen klinischen Untersuchung sollte darauf liegen, eventuelle Begleitverletzungen zu detektieren. Insbesondere die Prüfung der peripheren Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) ist essenziell vor und nach Durchführung der Reposition. Eine Nativröntgenuntersuchung oder fluoroskopische Durchleuchtung sollte neben der klinischen Diagnostik zur sicheren Feststellung der Luxationsrichtung und Detektion knöcherner Begleitverletzungen erfolgen (Abb. 4). Nach Durchführung der initialen Diagnostik und sicheren Feststellung der Luxationsrichtung ist eine zeitnahe Reposition der Schulter anzustreben.
Röntgenaufnahme des menschlichen Schultergelenks in zwei Ansichten. Bild a zeigt eine seitliche Ansicht des Schultergelenks mit klar erkennbaren Knochenstrukturen wie dem Oberarmknochen und dem Schulterblatt. Bild b zeigt eine frontale Ansicht mit dem Buchstaben 'R' oben links, der die rechte Schulter kennzeichnet. Beide Bilder verdeutlichen die anatomische Struktur und Position der Knochen im Schulterbereich.
Abb. 4
Nativröntgen „true“ a.p. (a) und „Y view“ (b) einer primärtraumatischen anterioren Schulterluxation rechts
Im Anschluss an das Repositionsmanöver sollten unmittelbar eine erneute Testung der pDMS sowie eine Röntgenkontrolle erfolgen, um das Repositionsergebnis zu kontrollieren und knöcherne Begleitverletzungen auszuschließen. Die weiterführende klinische und radiologische Diagnostik dient der Beurteilung des durch die Luxation entstandenen Verletzungsausmaßes. Da in der schmerzhaften Akutsituation die klinische Diagnostik der Rotatorenmanschette eingeschränkt ist, bilden bildgebende Verfahren wie Sonografie und Magnetresonanztomografie (MRT) eine entscheidende Rolle. Mittels Sonografie lassen sich Komplettrupturen der Rotatorenmanschette nachweisen. Eine Beurteilung von Labrumläsionen ist jedoch nicht sicher möglich. Daher gehört die MRT zur Standarddiagnostik nach primärtraumatischer Schulterluxation, um das Ausmaß weichteiliger Verletzungen sicher beurteilen zu können. Insbesondere Läsionen des Kapsel-Labrum-Komplexes können fast regelhaft beobachtet werden (Abb. 5). Außerdem können Läsionen der Rotatorenmanschette, der langen Bizepssehne und Gelenkkapsel sowie der glenohumeralen Ligamente beurteilt werden.
Eine dreiteilige wissenschaftliche Abbildung zeigt MRT-Aufnahmen eines Schultergelenks. Bild a zeigt eine seitliche Ansicht mit Fokus auf die Gelenkstruktur. Bild b bietet eine frontale Ansicht, die die Muskeln und Sehnen um das Gelenk hervorhebt. Bild c zeigt eine axiale Ansicht, die die Rotatorenmanschette und den Gelenkspalt detailliert darstellt. Die Bilder sind in Graustufen gehalten und heben verschiedene anatomische Details der Schulter hervor.
Abb. 5
MRT mit Bankart-Läsion nach primärtraumatischer anteriorer Schulterluxation: (a) coronare PD-T2-Wichtung mit Fettsuppression, (b) parasagittale T2-Wichtung, (c) axiale PD-T2-Wichtung mit Fettsuppression
Bei dem Verdacht auf knöcherne Begleitverletzungen, die sowohl humeral- als auch glenoidalseitig auftreten können, ist insbesondere bei Glenoidbeteiligung eine Computertomografie (CT) indiziert. Eine Unterbrechung der subchondralen Sklerosezone im Röntgen ist hinweisend auf einen vorderen Glenoidranddefekt (Jankauskas et al. 2010). Bei der vorderen Schulterluxation kommt es zu einem Anschlagen des Humeruskopfes am vorderen Glenoidrand. Hierbei entsteht eine Impressionsfraktur im Bereich des posterolateralen Oberarmkopfes, der sogenannte Hill-Sachs-Defekt, der beweisend für eine stattgehabte anteriore Schulterluxation ist (Hill und Sach 1940). Analog hierzu kann bei der hinteren Schulterluxation eine reverse Hill-Sach-Läsion beobachtet werden. In Abhängigkeit der Größe, Lage und Tiefe dieser Läsion, ob anterior oder posterior, kann eine chirurgische Intervention gegebenenfalls indiziert sein. Knöcherne Defekte am Humeruskopf und Glenoid sind maßgeblich entscheidend für das Risiko einer Rezidivluxation. Anteriore Glenoidranddefekte wurden bei bis zu 41 % der Patienten mit traumatischer Schultererstluxation beobachtet (Griffith et al. 2008; Dickens et al. 2019). Entsprechend der in Tab. 1 aufgeführten Glenoidranddefekte sind in der akuten Situation osteochondrale Avulsionsverletzungen oder auch knöcherne Bankart-Läsion (Typ Ia) von solitären (Typ Ib) und mehrfragmentären Glenoidfrakturen (Typ Ic) zu unterscheiden. Zur Beurteilung des Defektausmaßes empfiehlt sich eine Dünnschicht-CT mit 3D-Rekonstruktion des Glenoids unter Subtraktion des Humeruskopfes.

Chronisch rezidivierende Schulterinstabilität

Im Rahmen der Anamnese gilt es, durch gezielte Fragen die Charakteristika der Schulterinstabilität genauer herauszuarbeiten, um Art und Schweregrad der Schulterinstabilität beurteilen zu können. So sollten erfragt werden, wie viele Luxations- und Subluxationsergebnisse bereits aufgetreten sind und wie der jeweilige Mechanismus war. Außerdem sind der Zeitpunkt der Erstluxation und die Art der Reposition (Eigen- oder Fremdreposition, eventuelle Notwendigkeit einer Sedierung oder Kurznarkose) relevant. Die Richtung der Instabilität ist für den Patienten selbst häufig schwierig zu beurteilen, jedoch sollte unbedingt geklärt werden, ob die Luxationen willkürlich oder unwillkürlich geschehen. Funktionelle Schulterinstabilitäten durch muskuläre Dysbalancen und pathologische Muskelaktivierungsmuster sind von der traumatischen Instabilität, aber auch atraumatischen mit strukturellen Läsionen oder Korrelaten abzugrenzen. In diesem Zusammenhang sollte bei Patienten mit rezidivierenden Schulterluxationen immer auch auf eine generell vermehrte Beweglichkeit (auch in anderen Gelenken) im Sinne einer Hyperlaxität geachtet werden. Für die Therapieentscheidung von Relevanz ist insbesondere auch der individuelle Funktionsanspruch des Patienten in Sport, Beruf und Alltag.
Körperliche Untersuchung bei Schulterinstabilität
Zur allgemeinen körperlichen Untersuchung gehört die Prüfung des aktiven und passiven Bewegungsumfangs im Seitenvergleich. Spezifische Stabilitäts- und Laxitätstests helfen bei der Beurteilung und richtigen Einteilung der Schulterinstabilität. Es handelt sich hierbei um dynamische Provokationstests, die eine pathologische und symptomatische Translation auslösen. Der Apprehension-Test dient der Beurteilung des Instabilitätsausmaßes anhand eines provozierten Unbehaglichkeitsgefühl, wenn der Humeruskopf bei abduziertem und außenrotiertem Arm nach ventral gedrückt wird (Rowe und Zarins 1981). Beim Relokationstest wird die Abduktions-Außenrotations-Position des liegenden Patienten eingenommen und ein nach dorsal gerichteter Druck zur Zentrierung des Humeruskopfes ausgeübt. Ein Gefühl der Unsicherheit wird damit reduziert und der Außenrotationsumfang in der Regel erhöht (Jobe und Jobe 1990). Wird der Druck vom Humeruskopf plötzlich gelöst und es entsteht ein Instabilitätsgefühl mit Gegenspannen der Muskulatur, ist der Surprise-Test positiv (Silliman und Hawkins 1993).
Unter Schulterlaxität versteht man eine vermehrte passive, in der Regel multidirektionale Verschieblichkeit des Oberarmkopfes im Verhältnis zur Gelenkpfanne ohne Instabilitätssymptome. Der vordere Schubladentest nach Gerber dient der Beurteilung einer anterioren Translation des Humeruskopfes bei fixierter Skapula und neutralrotiertem Arm (Gerber und Ganz 1984). Kommt es beim Zug am hängenden Arm zu einer Hauteinziehung lateral und kaudal des Akromions, ist das Sulkuszeichen als Hinweis auf eine Laxität positiv (Altchek et al. 1991). Kann eine passive glenohumerale Abduktion von mehr als 105° durchgeführt werden, ist das Hyperabduktionszeichen nach Gagey positiv als Zeichen einer Laxität der inferioren Gelenkskapsel (Gagey und Gagey 2001). Ein weiterer Test ist nach Coudane-Walch benannt und beschreibt die vermehrte passive Außenrotation von über 85° bei abduziertem Arm und fixierter Skapula (Coudane et al. 2000). Eine Quantifizierung der allgemeinen Gelenklaxität sollte mittels Beighton Score erhoben werden (Grahame et al. 2000).
Die klinischen Zeichen der posterioren Schulterinstabilität können sehr subtil sein und weisen ein weites Spektrum an Symptomen auf. Häufig kann in der Anamnese keine traumatische Erstluxation benannt werden. Auch für die gezielte Diagnosefindung einer hinteren Schulterinstabilität sind Provokationstests wichtig. Analog zum vorderen Schubladentest können beim Load-and-Shift-Test die dorsalen Kapsel-Labrum-Strukturen getestet werden. Bei fixierter Skapula wird der Oberarmkopf nach dorsal gedrückt. Das Ausmaß der dorsalen Translation sollte im Seitenvergleich beurteilt werden (Hawkins und Bokor 1990). Der Jerk-Test dient ebenfalls der Testung der dorsalen Kapsel-Labrum-Strukturen. Bei fixierter Skapula und flektiertem Ellenbogen wird in Innenrotations- und Abduktionsposition axialer Druck bei gleichzeitiger Adduktion ausgeübt (Hawkins und Bokor 1990; Kim et al. 2003). Ein dorsaler Schmerz mit Instabilitätsgefühl wird als positiv gewertet. Beim Kim-Test wird auf das 90-Grad-abduzierte Schultergelenk eine nach inferior und dorsal wirkende Kraft ausgeübt. Kommt es zu plötzlich eintretenden Schmerzen und Instabilitätsgefühl ist der Test als positiv zu werten (Kim et al. 2005).
Funktionelle Schulterinstabilitäten sind durch eine Störung der muskulären Aktivität und Koordination gekennzeichnet. Die Herausforderung der klinischen Untersuchung liegt darin, das pathologische Bewegungsmuster zu erkennen und zu evaluieren. Grundsätzlich kann zwischen willkürlichen und unwillkürlichen sowie zwischen vorderen, hinteren und multidirektionalen Instabilitäten unterschieden werden. Als klinisches Zeichen für die funktionelle, positionsabhängige hintere Schulterinstabilität kann man den Außenrotationswiderstandstest durchführen. Hierbei lässt man den Patienten eine Flexion durchführen, während ein Widerstand gegen die Außenrotation ausgeübt wird. Dadurch werden die bei der funktionellen hinteren Instabilität hypoaktiven Außenrotatoren rekrutiert, was eine schmerzfreie und luxationsfreie Bewegung ermöglicht. Außerdem kann man den Patienten bitten, ob er seine Schulterluxation mit dem „Show me“-Test nach Moroder demonstrieren kann. Kann der Patient die Schulterluxation vorführen, ist die Wahrscheinlichkeit einer funktionellen Schulterinstabilität sehr hoch; liegen zusätzlich keine relevanten strukturellen Läsionen vor, ist sie bewiesen.
Radiologische Untersuchung bei Schulterinstabilität
Auf die Röntgendiagnostik in der akuten Situation einer Schulterluxation wurde bereits eingegangen. Bei der chronisch rezidivierenden Schulterinstabilität gilt es in der radiologischen Diagnostik abzuklären, inwiefern eine weichteilige oder knöcherne Läsion bzw. Defektsituation vorliegt, die als pathomorphologisches Korrelat der Instabilität zuzuordnen ist. Gezielte Röntgenaufnahmen der sogenannten Instabilitätsserie können bei der Beurteilung des Glenoids und einer möglichen Hill-Sachs-Läsion hilfreich sein. Die Bernageau-Aufnahme im Seitenvergleich und eine 20/20°-Tangentialaufnahme erlauben eine Beurteilung der glenoidalen Gelenkfläche. Eine „true“ a.p. Aufnahme sollte ebenfalls durchgeführt werden. Wie bereits ausgeführt, ist auf eine Unterbrechung der subchondralen Sklerosezone als Hinweis auf einen vorderen Pfannenranddefekt zu achten.
Letztlich ist jedoch zur sicheren Beurteilung der knöchernen Glenoidkonfiguration eine CT notwendig. CT-Aufnahmen haben daher eine hohe Wertigkeit bei der rezidivierenden Schulterinstabilität zur detaillierten Darstellung von knöchernen Glenoid- und Humeruskopfdefekten. Insbesondere Pfannenranddefekte mit Verlust der Konkavität und Gelenkfläche beeinflussen die Schulterstabilität maßgeblich und können mittels CT mit einer hohen Sensitivität diagnostiziert werden (Stevens et al. 1999; Yamamoto et al. 2009). Um einen glenoidalen Knochenverlust adäquat beurteilen zu können, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Quantifizierung und Messung. Diesbezüglich hat sich gezeigt, dass die Messung anhand von 3D-Rekonstruktion des Glenoids unter Subtraktion des Humeruskopfes eine bessere Beurteilung und validere Messung erlaubt, als anhand von 2D-CT-Aufnahmen (Bois et al. 2012). Die am weitesten verbreiteten Techniken zur Quantifizierung eines knöchernen Glenoiddefekts sind die Methoden nach Sugaya (Sugaya et al. 2003) und die Pico-Technik (Baudi et al. 2005). Hierbei wird der Knochenverlust entweder im Seitenvergleich, also anhand bilateraler CT-Aufnahmen, oder anhand des sogenannten „best-fit circle“ bestimmt (Abb. 6). Hierbei wird angenommen, dass physiologischerweise der inferiore Anteil des Glenoids eine annähernd kreisförmige Fläche darstellt. Ab welchem Ausmaß ein Glenoiddefekt knöchern augmentiert werden sollte, wird weiterhin kontrovers diskutiert.
3D-Darstellung von zwei anatomischen Strukturen, die nebeneinander gezeigt werden. Beide Strukturen sind in einem hellen Farbton gehalten und heben sich vor einem dunklen Hintergrund ab. In beiden Bildern ist ein gelber Kreis sichtbar, der einen bestimmten Bereich der Struktur hervorhebt. Bild a zeigt eine unregelmäßige Oberfläche innerhalb des Kreises, während Bild b eine glattere Oberfläche im gleichen Bereich zeigt. Diese Darstellung könnte Unterschiede in der Struktur oder Textur zwischen den beiden Bildern verdeutlichen.
Abb. 6
CT-Aufnahme mit 3D-Rekonstruktion des Glenoids und Subtraktion des Humeruskopfes und „best-fit circle“ (gelb): knöcherner Glenoiddefekt Schulter rechts (a) im Vergleich zur gesunden Gegenseite (b)
Mithilfe der MRT lassen sich vor allem akute Verletzungsfolgen nach Schulterluxation beurteilen. Abrissverletzungen des Labrums (Bankart-Läsion), GLAD- („glenoid labral articular disruption“), ALPSA- („anterior labroligamentous periosteal sleeve avulsion“) oder HAGL- („humeral avulsion of glenohumeral ligaments“) Läsionen können als Folge einer Schulterluxation auftreten und MR-tomografisch diagnostiziert werden. Außerdem können mögliche Begleitverletzungen der Rotatorenmanschette, der langen Bizepssehne oder des Knorpels evaluiert werden. Die MRT hat einen hohen Stellenwert vor allem nach traumatischen Schulterluxationen, spielt bei der chronisch rezidivierenden Instabilität jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Mithilfe des in Abb. 7 dargestellten diagnostischen Algorithmus gelingen in der Regel eine adäquate Beurteilung und Therapiefindung bei Patienten mit rezidivierender Schulterinstabilität.
Ein Flussdiagramm zur Diagnose und Behandlung von rezidivierender anteriorer Schulterinstabilität. Der Prozess beginnt mit der klinischen Untersuchung, gefolgt von Röntgenaufnahmen. Bei Bedarf werden Rotatorenmanschetten-Tests und Bizepssehnen-Zeichen durchgeführt, gefolgt von Sonographie oder MRT. Eine 3D-Computertomographie wird zur weiteren Analyse verwendet. Bei einem kritischen Glenoidddefekt erfolgt eine Schulterstabilisierung mit knöcherner Augmentation. Bei einem unkritischen Defekt wird eine arthroskopische Schulterstabilisierung mit Bankart-Repair durchgeführt.
Abb. 7
Diagnostischer Algorithmus bei rezidivierender Schulterinstabilität (Moroder et al. 2013)

Therapie

Für eine erfolgreiche Therapie ist die sorgfältige klinische und radiologische Diagnostik zur Identifikation und Beurteilung des Ausmaßes der beteiligten strukturellen Läsionen essenziell. Eine Einteilung der Schulterinstabilität gemäß des Bayley-Triangle (vgl. Abb. 1) hilft, die Ursache der Schulterinstabilität zu identifizieren und ob diese mit konservativen Mitteln oder chirurgisch zu adressieren ist. Nach der Primärbehandlung zielt die weitere Diagnostik darauf ab, patientenspezifische Faktoren und die zugrunde liegende Pathologie dezidiert zu beurteilen. Auf Grundlage der individuellen Risikofaktoren und Funktionsansprüche ist dann die geeignete Therapie zu wählen.

Primärbehandlung

In der Primärbehandlung der akuten Schulterluxation ist ein strukturierter Ablauf mit fokussierter Anamnese, gezielter klinischer und radiologischer Diagnostik und rascher, jedoch schonender Reposition entscheidend. Auf eine entsprechende Analgesie sollte geachtet werden, bevor diagnostische oder therapeutische Schritte eingeleitet werden.
Unterschiedliche Techniken zur Schulterreposition in sitzender, liegender oder stehender Position sind beschrieben. Grundsätzlich gilt es, ruckartige Manöver, die zu Begleitverletzungen führen können, zu vermeiden. Die Manipulation sollte schonend mit gleichmäßigen und langsamen Bewegungen unter gleichzeitiger Traktion erfolgen. Das Verfahren sollte letztlich nach persönlicher Erfahrung und in Abhängigkeit der Luxationsrichtung durchgeführt werden. Auch die Eigenreposition ist vor allem bei rezidivierender Schulterluxation eine gute und schonende Möglichkeit.
In seltenen Fällen kann es zu einer irreponiblen Luxation kommen. Dies kann durch Interposition von Weichteilgewebe, knöcherne Fragmente von Glenoid und Tuberculum majus oder einen stark impaktierten Humeruskopf bedingt sein. Gelingt auch unter ausreichender Analgosedierung oder Kurznarkose die Reposition nicht, sollte unbedingt an das Vorhandensein eines Repositionshindernisses gedacht werden und eine Schnittbildgebung zur weiteren Diagnostik erfolgen. Unter Umständen kann eine offene Reposition mit Adressierung der entsprechenden Begleitverletzungen notwendig werden.
Nach erfolgter Reposition sollte die Schulter zunächst ruhiggestellt und auf eine entsprechende Analgesie geachtet werden. Auf die Immobilisation nach der primärtraumatischen Schulterluxation wird im folgenden Abschnitt näher eingegangen.

Konservative Therapie

Immobilisation nach Schulterluxation
Die konservative Therapie der Schulterluxation besteht zum einen aus der posttraumatischen Immobilisation und zum anderen aus der physiotherapeutischen Behandlung. Die Ruhigstellung des Schultergelenks nach einer Verletzung, wie zum Beispiel der anterioren Schulterluxation, erfolgt klassischerweise in Innenrotation und geht letztlich auf Hippokrates zurück. Diese sogenannte „safe position“ ermöglicht dem Patienten vor allem unmittelbar posttraumatisch eine schmerzfreie Ruhigstellung, die außerdem keine Gefahr einer Reluxation aufweist. Die Dauer der Anwendung der Immobilisation richtet sich vorrangig nach der Beschwerdesymptomatik des Patienten, wobei eine länger andauernde Ruhigstellung mit der Entwicklung einer posttraumatischen Schultersteife vergesellschaftet ist. Nach konservativer Therapie sind in Abhängigkeit des Patientenalters mit Immobilisation in Innenrotationsstellung bei traumatischer anteriorer Schulterluxation Rezidivraten von 10–100 % beschrieben (Longo et al. 2014; Henry und Genung 1982; Hovelius et al. 2008; Marans et al. 1992; Kralinger et al. 2002).
2001 wurde von Itoi et al. erstmals die Immobilisation in Außenrotationsstellung nach Schulterluxation mit Bankart-Läsion postuliert. In MR-tomografischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass sich das Labrum in Außenrotationsstellung an das anteroinferiore Labrum anatomisch anlegt (Itoi et al. 2001). Auf Grundlage dieser Erkenntnis wurde das Konzept der Immobilisation in Außenrotation mit der Idee entwickelt, durch eine Reposition des abgelösten Kapsel-Labrum-Komplexes eine Einheilung in anatomischer Position zu ermöglichen. In diversen Studien wurde dann die Immobilisation in Außenrotations- mit der klassischen Innenrotationsstellung verglichen. In einer rezenten Cochrane-Analyse, in die 6 prospektive, randomisierte Studien eingeschlossen wurden, zeigte sich letztlich kein suffizienter Unterschied hinsichtlich der Reluxationsrate zwischen den beiden Gruppen (Braun und McRobert 2019). Berücksichtigt werden muss hierbei, dass die in den jeweiligen Studien gewählte Außenrotation 10–15° betrug. Aus biomechanischen Arbeiten ist jedoch bekannt, dass der Anpressdruck des Labrums mit zunehmender Außenrotation zunimmt, bei 45° sein Maximum erreicht und in Innenrotation dagegen kaum nachweisbar ist (Miller et al. 2004). In einer arthroskopischen Analyse konnten Hart et al. zudem feststellen, dass die anatomische Labrumreposition in einer Außenrotationsstellung von 60° und zusätzlichen Abduktion von 30° gelingt (Hart und Kelly 2005).
Dieser modifizierte Therapieansatz wurde von Heidari et al. aufgegriffen und die Immobilisation in Abduktions-Außenrotations-Position mit der klassischen Innenrotationsruhigstellung verglichen. In dieser Studie zeigte sich eine signifikant geringere Reluxationsrate mit 3,9 % nach Immobilisation in Abduktion-Außenrotation im Vergleich zur Immobilisation in Innenrotation (Hart und Kelly 2005). Weitere klinische Studien, die diese Ergebnisse bestätigen, liegen derzeit nicht vor. Es wird daher weiterhin kontrovers über die Art und Dauer der Immobilisation nach Schulterluxation diskutiert, und ein Goldstandard hierzu existiert nicht.
Physiotherapeutische Behandlung
Begleitend und im Anschluss an die Immobilisation sollten physiotherapeutische Behandlungen mit Bewegungs- und Kräftigungsübungen durchgeführt werden. Hierbei sollten eine Harmonisierung der Muskulatur sowie eine Zentrierung des Glenohumeralgelenks im Vordergrund stehen. Ab der 4. Woche nach dem initialen Trauma kann mit gezieltem Training im Rahmen der Physiotherapie begonnen werden. Anfangs sollte eine Anleitung durch den Therapeuten erfolgen, im Verlauf jedoch auch ein Eigenübungsprogramm entworfen und durchgeführt werden, das die langfristige Wirkung und Behandlung wahrt. Patienten mit einer funktionellen Schulterinstabilität sollten ausschließlich konservativ therapiert werden. Gezielte Kräftigungs- und Koordinationsübungen sowie Biofeedback-Training sind geeignete Techniken (Jaggi und Lambert 2010). Eine chirurgische Behandlung bei einer Instabilität, die durch pathologische Muskelaktivierungsmuster hervorgerufen wird, ist nicht ratsam. In einer Pilotstudie des Shoulder-Pacemaker-Therapiekonzepts konnte gezeigt werden, dass zuvor erfolglos konservativ therapierte Patienten mit einer positionsabhängigen funktionellen posterioren Schulterinstabilität von einer transdermalen Muskelstimulation im Rahmen eines physiotherapeutischen Behandlungskonzepts mit funktionellem Training profitieren (Moroder et al. 2017a). Ziel dieser Therapie ist es, durch eine elektrische Muskelstimulation hypoaktive Muskelgruppen zu aktivieren und durch einen Feed-Forward-Mechanismus das gestörte Muskelaktivierungsmuster zu verbessern. Im Rahmen einer multizentrischen Studie konnte gezeigt werden, dass die neuromuskuläre elektrische Stimulation der alleinigen physiotherapeutischen Behandlung bei funktioneller posteriorer Schulterinstabilität überlegen ist (Moroder et al. 2024).

Operative Therapie

Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes (Bankart-Repair)
Bei der traumatischen anteroinferioren Luxation des Glenohumeralgelenks kommt es in bis zu 90 % der Fälle zu Verletzungen des Kapsel-Labrum-Komplexes (Yiannakopoulos et al. 2007; Norlin 1993). Die Bankart-Läsion ist damit die häufigste Folge einer Schulterluxation. Die weichteilige Refixation und Rekonstruktion des Kapsel-Labrum-Komplexes, der sogenannte Bankart-Repair, stellt demnach das Standardverfahren der Schulterstabilisierung dar. Im Falle einer rezidivierenden Schulterinstabilität mit begleitender Hyperlaxität kann zusätzlich eine Kapselraffung durchgeführt werden. Die zuerst von Perthes und später von Bankart beschriebene Technik der Kapsel-Labrum-Rekonstruktion ist historisch gesehen die offene Refixation des abgerissenen Labrum glenoidale mit transossären Nähten. Heutzutage wird die Schulterstabilisierung mehrheitlich in arthroskopischer Technik durchgeführt und Nahtanker verwendet, die geknotet oder knotenlos verwendet werden können und aus unterschiedlichsten Materialien bestehen. Grundsätzlich unterscheidet man resorbierbare und nicht resorbierbare Fadenanker sowie „All-suture“-Anker, die ausschließlich aus Fadenmaterial bestehen.
Die arthroskopische Schulterstabilisierung mit Bankart-Repair kann sowohl in Seitenlage als auch in „beach chair position“ durchgeführt werden. In Seitenlage gelingt in der Regel eine bessere Visualisierung des Glenoidrands. Nach Anlage der Arbeitsportale erfolgt zunächst die Mobilisation des Kapsel-Labrum-Komplexes, der sich bei länger zurückliegender Luxation oder rezidivierender Instabilität zumeist in medialisierter Fehlstellung befindet (Abb. 8a). Je nach Ausmaß der Läsion werden unterschiedlich viele Nahtanker verwendet. Man unterscheidet die „Anchor-first“-Technik, bei der zunächst der Fadenanker eingebracht und anschließend das Labrum durchstochen wird, von der „Suture-first“-Technik, bei der zunächst das Labrum durchstochen und dann der Fadenanker am vorderen Glenoidrand eingebracht wird (Abb. 8bd). Das arthroskopische Vorgehen ermöglicht, dass auch eventuelle Begleitläsionen adressiert werden können.
Eine vierteilige wissenschaftliche Abbildung zeigt arthroskopische Aufnahmen eines chirurgischen Eingriffs am Knie. Bild a zeigt die Vorbereitung des Gewebes mit einem chirurgischen Instrument. Bild b zeigt das Einführen eines blauen Fadens durch das Gewebe. Bild c zeigt das Anziehen des Fadens mit einem Werkzeug. Bild d zeigt das fertige Nahtbild mit sichtbaren Nähten und Gewebe. Die Abbildungen veranschaulichen die Schritte eines arthroskopischen Verfahrens zur Reparatur von Gewebeschäden.
Abb. 8
Arthroskopischer Bankart-Repair. (a) Mobilisation des anteroinferioren Labrums, (b) Durchstechen des Labrums in „Suture-first“-Technik, (c) Einbringen des Ankers am vorderen Glenoidrand, (d) rekonstruierter Kapsel-Labrum-Komplex
Analog zur vorderen Schulterluxation tritt bei der hinteren Instabilität eine reverse Bankart-Läsion auf, die ebenfalls mit einer Rekonstruktion des posteroinferioren Labrums adressiert werden kann. Der dorsale Bankart-Repair unterscheidet sich in seiner Art und Durchführung nicht von der anterioren Rekonstruktion des Labrums mit der Ausnahme, dass der hintere Kapsel-Labrum-Komplex meist nicht medialisiert fehlverheilt, sondern lediglich abgelöst ist.
Rekonstruktion bei knöcherner Bankart-Läsion und Glenoidfraktur
Knöcherne Bankart-Läsionen (Typ Ia) sollten in Abhängigkeit von Größe und Lokalisation des Fragments sowie Funktionsanspruch und Alter des Patienten refixiert werden. Analog zum Bankart-Repair lassen sich auch knöcherne Avulsionsverletzungen des Labrums in der oben genannten Technik versorgen. Da das knöcherne Fragment meistens am Labrum adhärent ist, lässt sich über eine Mobilisation und anschließende Refixation des Labrums auch eine Reposition des knöchernen Fragments per Ligamentotaxis herbeiführen.
Frakturen des Glenoids können bei primärtraumatischer Schulterinstabilität auftreten. Es werden solitäre (Typ Ib) und mehrfragmentäre (Typ Ic) Pfannenrandfrakturen unterschieden. In Abhängigkeit der Dislokation und Größe der Fragmente ist eine Rekonstruktion häufig erforderlich. Diverse offene und arthroskopische Techniken sind mit unterschiedlichen Fixierungsmöglichkeiten möglich. Die arthroskopische Rekonstruktion von Glenoidfrakturen mit Fadenankern wurde erstmalig von Sugaya et al. beschrieben und erlaubt eine anatomische Wiederherstellung der Gelenkfläche über einen minimalinvasiven Zugang (Sugaya et al. 2005). Nach Ausräumung des Frakturhämatoms erfolgt die Mobilisation des Kapsel-Labrum-Komplexes und Anfrischen des Defekts (Abb. 9a). Inferiore Fragmente sind häufig in den axillären Recessus um 180° gekippt, dabei in der Regel am Labrum anheftend. Über Haltefäden lassen sich die Fragmente indirekt über das Labrum reponieren und letztlich fixieren (Abb. 9b, c), sodass eine Wiederherstellung der glenoidalen Gelenkfläche gelingt (Abb. 9d).
Ein vierteiliges medizinisches Bild zeigt arthroskopische Aufnahmen eines Gelenks. Bild a zeigt ein chirurgisches Instrument, das Gewebe bearbeitet. Bild b zeigt eine Nahaufnahme des Gelenkknorpels mit einem weiteren Instrument. Bild c zeigt die Glättung des Knorpels. Bild d zeigt den Zustand des Gelenks nach dem Eingriff. Die Bilder veranschaulichen Schritte eines arthroskopischen Verfahrens zur Behandlung von Gelenkproblemen.
Abb. 9
Arthroskopische Rekonstruktion einer Glenoidfraktur (Typ Ib). (a) Anfrischen des Defekts und Mobilisation des Fragments, (b) Refixation des Labrums am Glenoid, superior des Fragments, (c) zusätzliche Fixierung des Fragments mit bioresorbierbaren Pins, (d) Rekonstruktion des vorderen Glenoidrands
Remplissage bei Hill-Sachs-Läsionen
Begleitend zu einer Avulsionsverletzung des vorderen Pfannenrands kommt es bei der Schulterluxation häufig auch zu einer humeralseitigen Impression, der sogenannten Hill-Sachs-Delle, am posterosuperioren Oberarmkopf. Entsprechend der Lokalisation und Größe, werden Hill-Sachs-Defekte in „On-track“- und „Off-track“-Läsionen unterteilt. Grundlage für diese Einteilung bilden die biomechanischen und computertomografischen Arbeiten von Yamamoto et al., die zeigen konnten, dass die glenohumerale Kontaktzone während einer Abduktions-Außenrotations-Bewegung vom inferomedialen zum superolateralen Anteil der humeralen Gelenkfläche verschiebt und der Oberarmkopf in Extrempositionen mit einer Fläche von 84 % der gesamten Glenoidbreite artikuliert (Yamamoto et al. 2007). Diese artikulierende Fläche wird „glenoid track“ genannt. Liegt der Hill-Sachs-Defekt innerhalb des „glenoid track“, wird sie als „On-track“-Läsion bezeichnet. Bei diesen Defekten kommt zu keinem Einhaken am vorderen Pfannenrand, und die Schulterstabilität ist durch die humerale Läsion nicht beeinträchtigt. Überschreitet der humerale Defekt jedoch den „glenoid track“, spricht man von einer „Off-track“-Läsion (Di Giacomo et al. 2014). Hierbei kommt es zum „engaging“, also dem Einhaken am vorderen Pfannenrand, das ein erhebliches Risiko für eine Dislokation darstellt. Durch vordere Pfannenranddefekte verkleinert sich der „glenoid track“, somit können auch kleinere Hill-Sachs-Defekte einen Einfluss auf die Stabilität haben, wenn sich durch den fehlenden vorderen Pfannenrand ein Einhaken ergibt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von bipolaren Knochendefekten (Di Giacomo et al. 2014).
Ob eine Hill-Sachs-Läsion operativ adressiert werden muss, ist also nicht nur abhängig von ihrer Lage und Größe, sondern auch von dem Vorhandensein und der Größe eines eventuellen Pfannenranddefekts. Frische Hill-Sachs-Defekte lassen sich gegebenenfalls aufstößeln, das Standardverfahren stellt jedoch die offene oder heutzutage mehrheitlich arthroskopisch durchgeführte Remplissage dar (Abb. 10). Hierbei werden die posterioren Anteile der Gelenkkapsel und der Infraspinatussehne in den angefrischten Hill-Sachs-Defekt eingenäht. Die Läsion wird dadurch nach extraartikulär verschoben und ein Einhaken deutlich erschwert (Franceschi et al. 2012). Bei ausgedehnten und tiefgreifenden Defekten, zum Beispiel bei chronisch verhakten Luxationen, kann eine knöcherne Auffüllung mit Allo- oder Autografts erfolgen.
Drei endoskopische Aufnahmen eines chirurgischen Eingriffs am Gelenk. Bild a zeigt ein metallisches Instrument, das in das Gewebe eingeführt wird. Bild b zeigt zwei blaue Fäden, die durch das Gewebe verlaufen. Bild c zeigt eine Nahaufnahme des Gelenkknorpels. Die Bilder veranschaulichen verschiedene Schritte eines arthroskopischen Verfahrens.
Abb. 10
Arthroskopische Remplissage bei Hill-Sachs-Läsion. (a) Durchstechen der dorsalen Kapsel und Infraspinatussehne, (b) Einbringen eines Fadenankers in den Hill-Sachs-Defekt, (c) mit Weichteilgewebe ausgefüllter Hill-Sachs-Defekt
Analog zur reversen Bankart-Läsion gibt es bei den posterioren Schulterinstabilitäten den reversen Hill-Sachs-Defekt am anteromedialen Humeruskopf, der durch eine Impression am hinteren Pfannenrand entsteht. Während einer Innenrotationsbewegung kann es bei entsprechender Größe und Lage zu einem Einhaken der Läsion am hinteren Pfannenrand kommen (Moroder et al. 2015). Auch bei der posterioren Schulterinstabilität ist auf das Vorhandensein eventueller begleitender hinterer Pfannenranddefekte, also bipolarer Knochendefekte, zu achten. So können auch unkritische reverse Hill-Sachs-Defekte bei gleichzeitigem Vorliegen eines posterioren Glenoiddefekts zum „engaging“ führen und sollten chirurgisch adressiert werden (Moroder et al. 2017b). Als chirurgische Optionen stehen analog zur vorderen Schulterinstabilität die Aufstößelung (im Akutfall) oder Auffüllung des Defekts zur Auswahl, sowie die McLaughlin-Prozedur, bei der die Subscapularissehne in den Defekt versetzt wird, um ein Einhaken und rezidivierende Schulterinstabilität zu verhindern.
Freier Knochenblock bei chronisch rezidivierender Schulterinstabilität mit Glenoiddefekt
Knochenblockverfahren werden angewandt, um bei substanziellen knöchernen Glenoiddefekten die Konkavität des Glenoids zu rekonstruieren und somit eine Stabilisierung bei rezidivierender Schulterinstabilität zu erreichen. Die rezidivierende Schulterinstabilität geht bei bis zu 80 % der Patienten mit unterschiedlich großen knöchernen Defekten des vorderen Pfannenrands einher (Yiannakopoulos et al. 2007; Griffith et al. 2008). Der Grenzwert und die Messmethode zur Definition eines kritischen Glenoiddefekts werden kontrovers diskutiert (Moroder et al. 2019b). Verschiedene biomechanische Studien konnten zeigen, dass substanzielle Knochendefekte mit einer relevanten Abnahme der Glenoidkonkavität und einer konsekutiven Reduktion der glenohumeralen Stabilität assoziiert sind (Yamamoto et al. 2009; Itoi et al. 2000; Yamamoto et al. 2010). Isolierte Rekonstruktionen des Kapsel-Labrum-Komplexes führen in diesen Situationen zu keiner ausreichenden Schulterstabilisierung, weshalb eine knöcherne Augmentation durchgeführt werden sollte.
Freie Knochenblockverfahren gehen letztlich auf die Beschreibungen von Eden und Hybinette zurück, die 1918 und 1932 einen freien Knochenspan als mechanisches Luxationshindernis verwendeten (Eden 1918; De la Hybinette 1932). In der ursprünglichen Beschreibung von Eden wurd ein Autograft der Tibia eingesetzt, während Hybinette ein Autograft des Beckenkamms verwendete, das auch heute mehrheitlich zur Anwendung kommt. Während damals das Graft frei am Skapulahals platziert wurde, wurden in den darauffolgenden Jahren und bis heute verschiedene Techniken zur Fixierung und genauen Platzierung des Grafts entwickelt und modifiziert. So sind grundsätzlich die Fixierung mittels Schrauben und die implantatfreie Impaktion eines Knochenspans zu unterscheiden. DePalma beschrieb erstmals die anatomische Spanfixierung durch Metallschrauben (DePalma 1983). Die implantatffreie Impaktion eines Knochenblocks am vorderen Glenoidrand geht letztlich auf Alvik und Lange zurück (Alvik 1951). Durch Resch et al. erfolgte dann die Modifikation mit der bis heute angewandten und bewährten Technik der J-Span-Plastik, bei der ein J-förmig geformter Beckenkammspan über eine Pressfit-Verankerung am anterioren Pfannenrand platziert wird (Abb. 11) (Resch et al. 1989). Klassischerweise wird der Knochenspan über einen deltoideopektoralen Zugang und horizontalen Subscapularissplit eingebracht. Anderl et al. beschrieben analog die arthroskopische Technik über einen minimalinvasiven Zugang (Anderl et al. 2012).
Eine vierteilige Bildserie zeigt medizinische und chirurgische Szenen. Bild a zeigt eine 3D-Darstellung eines Schultergelenks mit Knochenstrukturen. Bild b zeigt einen chirurgischen Eingriff an der Schulter mit freigelegtem Gewebe, gehalten von chirurgischen Instrumenten. Bild c zeigt ein entnommenes Gewebestück, das mit einer Pinzette gehalten wird. Bild d zeigt eine weitere Ansicht des chirurgischen Eingriffs mit freigelegtem Gewebe und eingesetzten Instrumenten. Die Bilder veranschaulichen Schritte eines medizinischen Verfahrens an der Schulter.
Abb. 11
Schematische Darstellung der offenen J-Span-Technik. (a) 3D-CT mit Rekonstruktion des Glenoids und ventralem Knochendefekt, (b) Präparation des vorderen Glenoidrands, (c) J-förmig modulierter Beckenkammspan, (d) knöcherne Augmentation des vorderen Glenoidrands mit J-Span
Auch die Fixierung mittels Schrauben am vorderen Beckenkamm wurde über die Jahre immer weiter modifiziert, sodass sie heute ebenfalls in arthroskopischer Technik durchgeführt werden kann. Nach Präparation und Anfrischen des vorderen Glenoidrands bzw. -defekts erfolgt die Mobilisation des Kapsel-Labrum-Komplexes. Ein trikortikaler Beckenkammspan wird entnommen und in anatomischer korrekter Stellung intraartikulär platziert. Der Span wird dann zunächst temporär mit K-Drähten und anschließend mit 2 resorbierbaren Kompressionsschrauben permanent fixiert. Abschließend erfolgt die Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes ober- und unterhalb des Knochenblocks, sodass eine anatomische Glenoidrekonstruktion gelingt (Abb. 12) (Scheibel und Kraus 2011).
Die Abbildung zeigt ein anatomisches Diagramm und endoskopische Bilder eines chirurgischen Eingriffs an einem Gelenk. Oben links (a) ist eine schematische Darstellung des Gelenkschnitts mit chirurgischen Instrumenten zu sehen. Oben rechts (c) zeigt das Diagramm den Zustand nach der Reparatur mit einer Naht. Unten links (b) und unten rechts (d) sind endoskopische Aufnahmen des Gelenks während und nach dem Eingriff abgebildet. Die Bilder veranschaulichen den Prozess der Gelenkchirurgie und die Wiederherstellung der Struktur. Schlüsselwörter: Gelenk, Chirurgie, Endoskopie, Naht, anatomisches Diagramm.
Abb. 12
Schematische Darstellung der arthroskopischen autologen Beckenkammspanplastik. (a, b) Darstellung und Anfrischen des Knochendefekt am vorderen Glenoidrand, (c, d) Glenoidrekonstruktion mit Beckenkammspan (Scheibel und Kraus 2011)
Den Knochenblockverfahren gemeinsam ist, dass gemäß dem Wolffschen Gesetz ein Remodelling-Prozess des Glenoids stattfindet. Dabei resorbieren Teile des initial überdimensionierten Knochenblocks in nicht belasteten Arealen. Im Bereich des vormaligen Glenoiddefekts bleibt das Graft bestehen, sodass im Verlauf von etwa einem Jahr eine birnenförmige Anatomie des Glenoids wiederhergestellt ist (Moroder et al. 2012).
Korakoidtransfer bei chronisch rezidivierender Schulterinstabilität mit Glenoiddefekt
Der Korakoidtransfer nach Latarjet ist ein extraanatomisches Verfahren zur Schulterstabilisierung mit knöcherner Augmentation des Glenoids (Latarjet 1954). Nach einer Osteotomie unter Erhalt des Ansatzes der „conjoined tendons“ wird der Processus coracoideus gekippt und über einem permanenten Subscapularissplit am vorderen Pfannenrand fixiert. In der Regel werden 2 Zugschrauben zur sicheren und rotationsstabilen Fixierung verwendet. Für die langfristige Schulterstabilisierung wird nicht nur die knöcherne Augmentation des Glenoids verantwortlich gemacht, sondern auch der Schlingeneffekt der kurzen Armbeuger, die sich in Abduktions-Außenrotations-Position anspannen und den Humeruskopf vor einer anterioren Luxation schützen (Giles et al. 2013; Young et al. 2011). Die klassischerweise offene Technik wird zunehmend von vielen Operateuren auch arthroskopisch durchgeführt, und transglenoidale Fixierungen des Korakoids sind beschrieben. Insbesondere die arthroskopische Technik ist als chirurgisch äußerst anspruchsvoll (Abb. 13) anzusehen und zeigt eine flache Lernkurve.
Eine wissenschaftliche Abbildung zeigt ein anatomisches Diagramm des menschlichen Schultergelenks in fünf Schritten (a-e). \\n\\n- Bild a: Darstellung des Schultergelenks mit hervorgehobenem Muskelansatz.\\n- Bild b: Der Muskelansatz wird entfernt, um die darunterliegende Struktur zu zeigen.\\n- Bild c: Zwei Schrauben sind in den Knochen eingesetzt, um den Muskel zu fixieren.\\n- Bild d: Der Muskel ist wieder am Knochen befestigt, mit einer Naht zur Stabilisierung.\\n- Bild e: Ansicht des vollständig rekonstruierten Schultergelenks mit befestigtem Muskel.\\n\\nDie Abbildung illustriert den Prozess der chirurgischen Rekonstruktion des Schultergelenks.
Abb. 13
Schematische Darstellung des Korakoidtransfers nach Latarjet. (a, b) Osteotomie und Transfer der Korakoidspitze, (c) Fixierung am vorderen Glenoidrand, (d, e) permanenter Subscapularissplit und Darstellung des Schlingeneffekts in Abduktions-Außenrotations-Position
Die Indikation zum Korakoidtransfer nach Latarjet besteht im Allgemeinen bei chronisch rezidivierender Schulterinstabilität mit glenoidalem Knochenverlust. Insbesondere bei Kontaktsportlern, die ein hohes Risiko für eine erneute Schulterluxation aufweisen, sollte der Korakoidtransfer erwogen werden. Außerdem kann dieses extraanatomische Verfahren auch als Revisionseingriff nach gescheiterter Beckenkammspanplastik verwendet werden. Hingegen ist bei einer Rezidivluxation nach einer Latarjet-Operation die chirurgische Revision aufgrund der veränderten Anatomie deutlich erschwert.
In einer prospektiv randomisierten Studie, die die J-Span-Plastik mit dem Korakoidtransfer nach Latarjet vergleicht, zeigten sich in beiden Gruppen zufriedenstellende klinische und radiologische Ergebnisse ohne signifikanten Unterschied nach einem Follow-up von 2 Jahren. Einzig hinsichtlich der Innenrotation wiesen die Patienten nach Korakoidtransfer ein Defizit im Vergleich zu den Patienten mit Beckenkammspanplastik auf. Rezidivinstabilitäten traten in beiden Gruppen nicht auf (Moroder et al. 2019c).

Komplikationen

Es bestehen wie bei allen chirurgischen Eingriffen allgemeine Risiken, wie zum Beispiel Infektion, Wundheilungsstörung und Verletzungen von Gefäßen und Nerven. Operationsspezifische bzw. pathologiespezifische Komplikationen bzw. Langzeitfolgen stellen vor allem die Rezidivinstabilität, die Instabilitätsarthropathie und eventuelle Implantatkonflikte dar. Die freien Knochenblockverfahren und der Korakoidtransfer nach Latarjet weisen ein höheres Komplikationsrisiko gegenüber den weichteiligen Schulterstabilisierungen auf und sind technisch anspruchsvoller (Williams et al. 2018). Insgesamt sind diese Verfahren jedoch mit einem geringeren Risiko einer Rezidivluxation vergesellschaftet.
Nach arthroskopischem Bankart-Repair bei primärtraumatischer Schulterluxation sind Rezidivraten von 0–35 % beschrieben (Chapus et al. 2015; Kirkley et al. 2005; Adam et al. 2018). Bei der weichteiligen Schulterstabilisierung nach rezidivierenden anterioren Schulterluxationen wird die Rezidivrate mit 6–67 % angegeben (Tauber et al. 2004; Burkhart und De Beer 2000; Krueger et al. 2011). Hierbei sind individuelle Risiken, wie zum Beispiel eine Hyperlaxität, ein hoher funktioneller Anspruch oder junges Patientenalter, und pathologiespezifische Faktoren, wie zum Beispiel eventuelle glenoidale oder humerale Knochendefekte, zu berücksichtigen.
Nervenschäden sind grundsätzlich als selten anzusehen. Insbesondere beim Korakoidtransfer nach Latarjet sind jedoch Affektionen des N. axiallaris und N. musculocutaneus bei der Glenoidexposition und Graftfixierung sowie des N. suprascapularis durch die transglenoidale Schraubenfixierung beschrieben (Minkus et al. 2019; Griesser et al. 2013; Delaney et al. 2014). Es sollte genauestens auf eine korrekte Lage der Schrauben geachtet und ein Überstand am posterioren Skapulahals vermieden werden.
Implantatkonflikte können zum einen durch Nahtanker oder Schraubenmaterial und zum anderen bei den Knochenblockverfahren oder Korakoidtransfer durch eine lateralisierte Position des Grafts auftreten und stellen mitunter ein erhebliches Risiko für eine rasche Degeneration des Gelenks dar. Eine korrekte Positionierung und Ausrichtung der Schrauben und Anker ist demnach ebenso essenziell wie die korrekte Positionierung des Knochenblocks oder der Korakoidspitze. Fällt intraoperativ eine lateralisierte Position auf, kann mithilfe einer Fräse der Knochen bis auf das Glenoidniveau reseziert oder das Graft neu ausgerichtet werden.
Die Instabilitätsarthropathie hängt vorrangig von der Anzahl und Art der stattgehabten Luxationen sowie dem Patientenalter ab. Jedoch ist auch beschrieben, dass die Anzahl der verwendeten Anker mit dem Auftreten der Instabilitätsarthropathie vergesellschaftet ist (Aboalata et al. 2017).
Als Komplikation bei der Entnahme vom Beckenkamm sind Patienten außerdem darüber aufzuklären, dass es zu Hypästhesien oder Hämatomen im Bereich der Entnahmestelle kommen kann. Es gibt bereits erste Ansätze mit der Verwendung von allogenen Knochenblöcken, um die Entnahmemorbidität zu verhindern. Jedoch sollten die Langzeitergebnisse abgewartet werden, um zu klären, ob sich diese ebenso gut integrieren wie die Autografts (Provencher et al. 2017; Frank et al. 2017).

Nachbehandlung

Die Nachbehandlung richtet sich selbstverständlich nach der Art der operativen Therapie beziehungsweise auch der Art der vorliegenden Verletzungen. Grundsätzlich ähneln die postoperativen Behandlungen der beschriebenen Verfahren jedoch sehr. Klassischerweise wird die Schulter für 4–6 Wochen nach der Operation in Innenrotation ruhigstellt. In den ersten Wochen sollte ausschließlich eine passive Mobilisation mit limitierter Flexion und Innenrotation sowie insbesondere Außenrotation erfolgen. Ab der 7. Woche werden aktive Bewegungsübungen mit einem schmerzadaptierten freien Bewegungsausmaß empfohlen. Dosierte Kräftigungsübungen sollten parallel eingeleitet werden durchgeführt werden. Insbesondere auf eine Kräftigung und Harmonisierung der schulterstabilisierenden und skapulothorakalen Muskulatur sollte geachtet werden. Eine Sportfreigabe wird in der Regel nach 6 Monaten bei weichteiligen Verfahren und 4 Monaten bei knöchernen Verfahren erteilt.
Erklärung zu konkurrierenden Interessen
Der/die Autor(en) hat/haben keine Interessenkonflikte zu erklären, die für den Inhalt dieses Manuskripts relevant sind.
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