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Pädiatrie
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Publiziert am: 27.12.2018

Dialyse bei Kindern und Jugendlichen

Verfasst von: Claus Peter Schmitt
Bei schwerer akuter und chronischer Vergiftung durch körpereigene Metabolite oder exogene Substanzen muss bei Kindern eine Blutreinigung (Dialyse) durchgeführt werden. Die meisten der Verfahren können in der Zwischenzeit weitgehend unabhängig vom Alter des Patienten realisiert werden. Bei der Auswahl des Blutreinigungsverfahrens muss auch die zugrunde liegende Erkrankung bzw. die Art der Vergiftung berücksichtigt werden. Wasserlösliche Gifte benötigen grundsätzlich andere Dialyseformen als eiweißgebundene Substanzen.
Bei schwerer akuter und chronischer Vergiftung durch körpereigene Metabolite oder exogene Substanzen muss bei Kindern eine Blutreinigung (Dialyse) durchgeführt werden. Die meisten der Verfahren können in der Zwischenzeit weitgehend unabhängig vom Alter des Patienten realisiert werden. Bei der Auswahl des Blutreinigungsverfahrens muss auch die zugrunde liegende Erkrankung bzw. die Art der Vergiftung berücksichtigt werden. Wasserlösliche Gifte benötigen grundsätzlich andere Dialyseformen als eiweißgebundene Substanzen.

Indikation

Die häufigste Indikation für Dialyse bei Kindern ist das akute bzw. chronische Nierenversagen. Als Ursache für das primär renal bedingte akute Nierenversagen steht an erster Stelle das hämolytisch-urämische Syndrom, für chronisches Nierenversagen die angeborenen Nierenhypo- und -dysplasien. Auch bei Kindern mit Sepsis und nach großen kardiochirurgischen Eingriffen ist nicht selten eine Dialyse wegen Nierenversagen erforderlich.
Ist bei chronischem Nierenversagen die glomeruläre Filtrationsrate unter circa 10 ml/min/1.73m2 KOF gesunken und kann eine zeitnahe Nierentransplantation nicht erfolgen, muss mit der Dialyse begonnen werden. In Deutschland werden ca. 250 Kinder chronisch dialysiert, ungefähr dreimal so viele Kinder sind nierentransplantiert.
Bei Kindern mit Leberversagen sollte eine Dialyse nur begonnen werden, wenn Hoffnung auf Remission der zugrunde liegenden Erkrankung besteht oder innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen mit einer Lebertransplantation gerechnet werden kann. Wasserlösliche Gifte können durch Hämodialyse, eiweißgebundene Toxine durch Plasmapherese eliminiert werden. Autoantikörper können bei schwer verlaufenden Autoimmunerkrankungen mithilfe von Plasmapherese oder Immunadsorption entfernt werden. Für seltene, angeborene Fettstoffwechselstörungen, die mit sehr hohen Cholesterinwerten und einer schlechten kardiovaskulären Prognose einhergehen, wurden spezielle Lipiddialyseverfahren entwickelt.
Dialyse – Indikationen im Kindesalter
1.
Nierenversagen mit
  • glomerulärer Filtrationsrate unter circa 10 ml/min/1.73m2 KOF und/oder
  • wiederholt stark erhöhten Retentionswerten (Harnstoff >200 mg/dl) und/oder
  • kritischer Überwässerung/unkontrollierbarem Bluthochdruck und/oder
  • Elektrolytentgleisungen und/oder
  • medikamentös nicht kontrollierbarer metabolischer Azidose und/oder
  • urämischer Kardiopathie
 
2.
Leberversagen mit
  • Gerinnungsausfall und/oder
  • hepatischem Kreislaufversagen und/oder
  • indirekten Bilirubinwerten >25 mg/dl und/oder
  • unerträglichem Juckreiz
 
3.
Vergiftungen
  • Akzidentell oder in suizidaler Absicht erfolgte, bedrohliche Intoxikationen mit dialysablen Substanzen, die durch andere Maßnahmen wie Magenspülung oder Kohlegabe nicht entfernt werden können,
  • Entgiftung bei akuten Krisen angeborener Stoffwechselerkrankungen, z. B. klassische Organoazidopathien und Harnstoffzyklusdefekte
 
4.
Elimination von Antikörpern bei
  • schweren Autoimmunerkrankungen, die auf medikamentöse Immunsuppression nicht ansprechen
  • Elimination von Antikörpern, die gegen Gewebemerkmale von Transplantaten gerichtet sind, z. B. Blutgruppen-Antikörper
 
5.
Hyperlipidämie
  • Elimination von Cholesterin bei angeborenen, schweren Hyperlipidämien
 

Verfahren

Extrakorporale Verfahren

Hämodialyse

Bei der Hämodialyse wird über einen großlumigen, doppellumigen zentralen Venenkatheter bzw. eine arteriovenöse Fistel dem Patienten Blut entzogen, das heparinisiert und durch einen Dialysefilter geführt wird (Abb. 1). Letzterer besitzt eine Membranoberfläche, die ungefähr der Körperoberfläche entspricht und dessen Kapillaren im Gegenstromprinzip mit einer Dialyseflüssigkeit umströmt werden. Die Dialyseflüssigkeit enthält neben Wasser lediglich Salze, etwas Glukose in physiologischer Konzentration und Bikarbonatpuffer, um die renale Azidose auszugleichen. Die Dialysemembran ist nur für kleine Moleküle durchlässig; für kleinere Proteine wie β2-Mikroglobulin ist sie teilweise permeabel, für größere Moleküle undurchlässig. Der Entzug von Toxinen und von überschüssigen Elektrolyte wie Kalium und Phosphat erfolgt dem Konzentrationsgradienten folgend durch Diffusion entlang einer semipermeablen Membran (= Osmose). Zusätzlich wird bei jeder Behandlung Wasser abgepresst (ultrafiltriert). Hierdurch wird die durch die fehlende Urinproduktion drohende Überwässerung verhindert. Mit dem Ultrafiltrat werden dem Organismus auch gelöste Teilchen entzogen, insbesondere im mittelmolekularen Bereich. Dieser Vorgang wird Konvektion genannt. Die Hämodialyse erfolgt in der Regel 3-mal/Woche über 4–5 h, in einigen Dialysezentren mit sehr gutem Erfolg auch häufiger oder nachts.
Auch bei Kindern mit Stoffwechselerkrankungen und krisenhafter Entgleisung ist bei Überschreiten entsprechender Grenzwerte eine Hämodialyse indiziert (Kap. „Differenzialdiagnose und Notfallbehandlung von Intermediärstoffwechselkrankheiten“). Stoffwechselmetabolite wie Ammoniak und Leucin sind wasserlöslich, ihre Plasmakonzentration kann durch Hämodialyse innerhalb von 6–8 h halbiert werden.
Nebenwirkungen sind bei adäquater Hämodialyse selten. Bei hohen Ultrafiltrationsraten kann der Patient hypotensiv werden, bei zu rascher Entgiftung ein „Dysäquilibrium“ mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Muskelkrämpfen entwickeln. Die Heparingabe ist mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert.

Hämofiltration

Bei der Hämofiltration wird Flüssigkeit in großen Mengen abgepresst und durch saubere Lösungen, die ähnlich wie die oben genannte Dialyseflüssigkeit zusammengesetzt sind, weitgehend ersetzt. Die nicht ersetzte Menge entspricht dem erwünschten Flüssigkeitsentzug. Die Entgiftung erfolgt langsamer, via Konvektion, nicht via Diffusion und ist schonender. Es kommt seltener zu Dysäquilibrium. Das Verfahren eignet sich insbesondere für den Entzug von Wasser und der langsamen Entgiftung bei instabilen Patienten, muss jedoch oft kontinuierlich über mehrere Tage erfolgen.

Hämodiafiltration

Hierbei handelt es sich um die Kombination aus Hämodialyse und Hämofiltration, die die Vorteile beider Verfahren vereinigt. Sie ermöglicht eine effiziente und schonende Entgiftung, mit verstärktem Entzug mittelmolekularer Toxine und stellt die optimale Behandlungsform bei chronischem Nierenversagen dar.

Plasmapherese/Immunadsorption

Bei der Plasmapherese wird ein Filter eingesetzt, der nur korpuskuläre Blutbestandteile zurückhält. Das abgepresste Plasma wird durch Spenderplasma (Fresh frozen plasma) oder durch isoonkotische Albuminlösung ersetzt. Es dient der Elimination von Antikörpern und bei Ersatz des Plasmas durch Fremdplasma auch der Zufuhr von pathogenetisch relevanten Proteinen, z. B. von fehlenden Komplementfaktoren.
Bei der Immunadsorption werden Antikörper bzw. Immunkomplexe an einer spezifischen Filtermembran adsorbiert und so aus dem Plasma entfernt. Der Patient erhält sein eigenes, gereinigtes Plasma zurück, Substitution von Fremdeiweiß ist nicht notwendig. Beide Verfahren werden insbesondere bei schweren Verläufen von Autoimmunerkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes, Myasthenia gravis und Guillain-Barré-Syndrom sowie beim Vorhandensein von gegen Organtransplantate gerichteten Antikörpern eingesetzt.

Lipidapherese

Bei schwerer, angeborener Hypercholesterinämie kann dem Blut mithilfe der Lipidapherese in großen Mengen Cholesterin entzogen werden. Durch Adsorption an Dextran- bzw. Zellulosemembranen oder Ausfällen der Fette bei saurem pH mittels Heparin wird das LDL-Cholesterin im Plasma auf deutlich < 100 mg/dl gesenkt. Bis zur nächsten Behandlung in ca. einer Woche steigt die Konzentration wieder deutlich an, dennoch kann die kardiovaskuläre Prognose erheblich verbessert werden.

Albumindialyse

Die Albumindialyse wird vor allem bei Leberversagen angewandt (Abschn. 1). Hierzu werden zwei in Serie geschaltete Dialysekreisläufe eingesetzt, ein Albuminkreislauf und ein konventioneller Hämodialysekreislauf (Abb. 2). Alternativ zu diesem Verfahren kann eine Hämodialyse zur Entfernung wasserlöslicher Gifte mit einer Plasmapherese kombiniert werden, die die eiweißgebundenen Gifte entfernt. Wird das abgepresste Plasma durch Fremdplasma ersetzt, kann auch die Blutgerinnung verbessert werden.

Peritonealdialyse

Bei der Bauchfelldialyse wird anstelle eines extrakorporalen Filters das Peritoneum als semipermeable Dialysemembran benutzt (Abb. 3). Die peritoneale Oberfläche entspricht der Körperoberfläche und wird durch Mikrovilli weiter vergrößert. Bei Kindern wird mithilfe einer Maschine 6- bis 10-mal/Nacht ca. 1 l Dialysat/m2 KOF in die Peritonealhöhle infundiert und wieder kontrolliert abgelassen. Das Dialysat enthält neben Elektrolyten und einem Säurepuffer 1500–4300 mg/dl Glukose. Diese hochosmolare Lösung entzieht dem Körper neben Toxinen und akkumulierenden Elektrolyten die erforderliche Menge Wasser. Allerdings verursacht die chronische Glukoseexposition im Laufe der Jahre Veränderungen des Bauchfells, die die Dialysefunktion erheblich beeinträchtigen können. Weitere Komplikationen der Peritonealdialyse sind Infektionen im Eintrittsbereich des in die Peritonealhöhle implantierten Katheters und bakterielle Peritonitiden. Letztere können jedoch durch intraperitoneale Antibiotikagabe in der Regel gut behandelt werden. In Deutschland werden ca. zwei Drittel der dialysepflichtigen Kinder peritoneal dialysiert, ein Drittel hämodialysiert. Die Ursachen für diese Verteilung sind verfahrensbedingt (Tab. 1). Bei Neugeborenen und Kleinkindern ist eine Hämodialyse nicht bzw. nur mit erhöhten Risiken realisierbar.
Tab. 1
Vergleich der Hämodialyse mit der Peritonealdialyse
 
Hämodialyse
Peritonealdialyse
Alter
Ab Schulalter
Jedes Alter
Ort
Klinik
Zu Hause
Zugang
Arteriovenöse Fistel oder zentralvenöser Doppellumenkatheter
Abdominaler Katheter (Tenckhoff-Katheter)
Frequenz
3- (bis 4-) mal/Woche, meist tagsüber
Jede Nacht
Risiken
- Kreislaufbelastung durch extrakorporales Blutvolumen und relativ hohen Flüssigkeitsentzug in kurzer Zeit
- Dysäquilibrium bei rascher Entgiftung
- Antikoagulation
- Infektion im Bereich des Katheters
Psychosoziale Aspekte
- Fistelpunktionsschmerz
- Klinikaufenthalte
- Steriles Handling erforderlich
- hohe familiäre Belastung

Prognose

Kinder mit irreversiblem terminalen Nierenversagen sollten möglichst rasch nierentransplantiert werden. Nach Nierentransplantation sind die körperliche Leistungsfähigkeit und die psychosoziale Rehabilitation meist sehr gut, trotz der zur Verhinderung von Abstoßungen erforderlichen Immunsuppression. Gelingt diese nicht, kann eine Dialyse auch bei Kindern über viele Jahre erfolgen. Allerdings nehmen im Laufe der Jahre die Sekundärerkrankungen chronischer Niereninsuffizienz wie Kleinwuchs und renale Osteodystrophie zu. Die langfristige Prognose ist durch bereits im jungen bis mittleren Erwachsenenalter auftretende kardiovaskuläre Komplikationen eingeschränkt. Eine Nierentransplantation kann diese Folgeerkrankungen mildern, jedoch nicht beseitigen.
Bei Kindern mit akutem Leberversagen kann eine Leberersatztherapie allenfalls für wenige Wochen erfolgen. In ca. einem Drittel der Fälle kommt es jedoch zur Erholung der Leberfunktion. Ist eine Lebertransplantation möglich, ist die Prognose ebenfalls gut.
Weiterführende Literatur
Lederman S, Rees L, Shroff R (2011) Long term outcome of chronic dialysis in children. In: Wrady B, Schaefer F, Alexander S (Hrsg) Pediatric dialysis. Springer, New York, S 645–660
Müller D, Geary D (2011) Intensified hemodialysis in children. In: Warady B, Schaefer F, Alexander S (Hrsg) Pediatric dialysis. Springer, New York, S 329–344
Raal FJ, Santos RD (2012) Homozygous familial hypercholesterolemia: current perspectives on diagnosis and treatment. Atherosclerosis 223(2):262–268CrossRef
Schaefer B, Schaefer F, Engelmann G, Meyburg J, Heckert KH, Zorn M, Schmitt CP (2011) Comparison of Molecular Adsorbents Recirculating System (MARS) dialysis with combined plasma exchange and haemodialysis in children with acute liver failure. Nephrol Dial Transplant 26(11):3633–3639CrossRef
TydMe G, Kumlien G, Berg UB (2011) ABO-incompatible kidney transplantation in children. Pediatr Transplant 15(5):502–504CrossRef