So besitzen Krebszellen eine unbegrenzte Replikationsfähigkeit, wohingegen normale Zellen nach einer definierten Anzahl von Zellteilungen ihre Fähigkeit zur Replikation verlieren. Zudem ermöglicht die Resistenz gegenüber wachstumshemmenden Signalen die unkontrollierte Proliferation von Krebszellen. Außerdem wird das autonome Tumorwachstum über die Grenzen der physiologischen Homöostase von Geweben dadurch unterstützt, dass Krebszellen in ihrem Wachstum nicht mehr von exogenen Faktoren wie Wachstumsfaktoren oder Kontakten mit anderen Zellen oder Matrixkomponenten abhängig sind.
Neben diesen Faktoren, die das unbegrenzte Wachstum von Tumorzellen fördern, ist bei Krebszellen typischerweise das intrinsische Zelltodprogramm (
Apoptose) gestört. Der programmierte Zelltod wird unter anderem in einer normalen Zelle aktiviert, wenn die Gefahr einer Entartung besteht, und dient der Aufrechterhaltung der Gewebehomöostase. Krebszellen können diesem intrinsischen Zelltodprogramm entrinnen, indem sie Resistenzmechanismen gegenüber der Induktion von Apoptose entwickeln. Darüber hinaus besitzen maligne Zellen die Fähigkeit, die Gefäßneubildung zu stimulieren und dadurch ihre Versorgung mit Nährstoffen zu gewährleisten (Angiogenese). Tumorzellen sind im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung meist auch in der Lage, in das umgebende Gewebe vorzudringen (Invasion). Diese erhöhte Invasionsfähigkeit trägt dazu bei, dass Krebszellen den Anschluss an das Gefäßsystem finden und sich im gesamten Körper ausbreiten können (Metastasierung). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Tumorzellen typischerweise eine erhöhte Instabilität ihres Genoms aufweisen. Außerdem ist der Energiestoffwechsel von Krebszellen verändert, sodass anabole Prozesse und Zellwachstum und -vermehrung gefördert werden.
Neben diesen vielfältigen Veränderungen in Krebszellen weist auch das Mikroumfeld eines malignen Tumors Veränderungen auf, die das Tumorwachstum begünstigen, z. B. Entzündungsprozesse (Übersicht „Charakteristische Merkmale maligner Tumoren“).
Die Fehlregulation intrazellulärer Signalwege fördert nicht nur die Tumorentstehung und -progression, sondern spielt auch eine wichtige Rolle bei der Therapieresistenz. Dies ist damit zu erklären, dass die Wirkung der meisten Therapieverfahren in der Onkologie, wie der Chemo-, Radio- oder Immuntherapie, vor allem auf der Induktion des programmierten Zelltods in Krebszellen beruht. Defekte in Zelltodprogrammen, die zur Evasion von
Apoptose führen, können daher auch Ursache für die Resistenz von Krebszellen gegenüber Therapieverfahren sein. Ein zunehmend besseres Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Defekte intrazellulärer Signalwege wird nicht nur weiterführende Einblicke in die
Tumorbiologie gewähren, sondern kann auch Ansatzpunkte für neue therapeutische Strategien aufzeigen.
Tumorsuppressorgene
Aktivierte dominante
Onkogene erklären nicht alle Phänomene, die mit der Entstehung von Malignomen verbunden sind. Auch der Verlust von genetischem Material, wie er bei verschiedenen Tumoren beobachtet wird, kann der erste Schritt zu einer klonalen Evolution sein. Eine durch spezifische chromosomale
Deletionen ausgelöste Tumorinduktion ist dadurch zu erklären, dass die verlorengegangenen Gene in intakten Zellen ein unkontrolliertes Wachstum unterdrücken. Gene mit dieser Funktion werden als
Tumorsuppressorgene bezeichnet. Gerade familiär auftretende Tumoren können kaum durch wachstuminduzierende Onkogene erklärt werden, da ansonsten schon in den Keimzellen ein falsches Genprodukt entstehen müsste, was dann den Tod des Embryos oder Fetus zur Folge hätte. Mutierte Tumorsuppressorgene werden hingegen sowohl in Keimzellen als auch in somatischen Zellen gefunden. Vergleiche zwischen sowohl familiär als auch spontan auftretenden Tumoren haben zu der Hypothese geführt, dass die familiären Formen durch die konstitutionelle Mutation eines wachstumshemmenden Gens hervorgerufen werden, wobei der manifeste Tumor durch 2 Ereignisse ausgelöst wird.
Dies lässt sich am Beispiel des Retinoblastomgens
RB1 verdeutlichen. Bei der vererbten Form ist bereits in der Keimzelle die Mutation eines
RB1-Gens vorhanden, die von einem Elternteil stammt. Die
maligne Transformation entsteht dann, wenn eine weitere Mutation in dem unveränderten Allel in einer somatischen Zelle entsteht. Das betrifft etwa 40 % aller
Retinoblastome, die dann meist beidseitig auftreten. Keimzellmutationen werden allerdings auch bei 5–10 % der einseitigen Retinoblastome nachgewiesen. Die anderen Fälle treten spontan auf, ohne dass eine Mutation in den Keimzellen nachweisbar ist. Trotzdem ist hier der tumorauslösende Mechanismus grundsätzlich derselbe, es müssen jedoch 2 Mutationen in den somatischen Zellen sukzessiv auftreten.
Mutationen des Retinoblastom-Gens
RB1 werden auch beim
Osteosarkom und verschiedenen Tumoren des Erwachsenen gefunden, es ist also nicht nur ein regulierendes Gen in der Retina.
Auch beim Wilms-Tumor (
Nephroblastom) treten in 10 % der Fälle beidseitige Tumoren entweder spontan oder im Kontext syndromaler Krankheiten auf: Bei letzteren handelt es sich um:
das WAGR-Syndrom (Wilms-Tumor, Aniridie, urogenitale Fehlbildungen und mentale Retardierung),
das
Denys-Drash-Syndrom (Wilms-Tumor, schwere urogenitale Fehlbildungen und Glomerulonephropathie) und
das Beckwith-Wiedemann-Syndrom (Exomphalos, Makroglossie, Gigantismus und andere angeborene Fehlbildungen).
Bei den ersten beiden Syndromen ist das
WT1-Gen auf dem langen Arm von
Chromosom 13 (11p13) von Bedeutung, beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom ist ein Gen in der Nachbarschaft (11p15) involviert, das als
WT2 bezeichnet wird. Die Vererbungsmodi sind zudem durch das Imprinting kompliziert, bei dem es eine Rolle spielt, ob das väterliche oder das mütterliche Gen funktionsfähig ist.
Die
Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen) ist ein weiteres Beispiel für eine Erbkrankheit, die zur Entstehung von Tumoren der Nervenscheiden, der Glia und der Meningen führt. Das auf
Chromosom 17q11 gelegene
NF1-Gen ist verantwortlich für die klassische Form des Morbus Recklinghausen, der mit der Entwicklung verschiedenster Malignome einhergeht. Das
NF2-Gen auf Chromosom 22q12 führt zur
Neurofibromatose Typ 2, bei der das Auftreten beidseitiger Akustikusneurinomen typisch ist.
Auch das
p53-Gen (auf
Chromosom 17p13) ist ein
Tumorsuppressorgen, dessen Inaktivierung für die Entstehung einer großen Zahl sporadisch auftretender Tumoren verantwortlich ist. Das trifft wahrscheinlich auch auf das
Li-Fraumeni-Syndrom zu, bei dem es ebenfalls zu einer familiären Häufung von Krebserkrankungen kommt: Bei den Verwandten 1. Grades eines Patienten treten gehäuft maligne Erkrankungen (Sarkome) vor dem 45. Lebensjahr (häufig im Kindesalter) auf. Genaue Familienanamnesen, besonders bei Kindern mit Sarkomen, können helfen, solche Risikofamilien zu erkennen.
Ein weiteres
Tumorsuppressorgen, das bei Tumoren im Kindesalter häufig genetisch inaktiviert vorliegt, ist das Patched-1-Gen (
PTCH1) auf
Chromosom 9q22.3–9q31.
PTCH1-Mutationen sind bei einer Untergruppe von Patienten mit
Medulloblastom, beim RMS oder beim Basalzellnävus-Syndrom (Gorlin-Syndrom) beschrieben. Bei letzterem handelt es sich um eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung mit kompletter
Penetranz und variabler Expressivität. Neben der Assoziation mit bestimmten Neoplasien entwickeln die Patienten in der Regel in der 2.–4. Lebensdekade zahlreiche Basaliome sowie ein breites Spektrum von Entwicklungsdefekten.
Komplikationen der Chemotherapie
Ein breites Spektrum möglicher akuter Nebenwirkungen und Komplikationen ist zu beachten, da die Chemotherapie in der pädiatrischen Onkologie oft die Grenzen der Belastbarkeit der Patienten erreicht. Das Auftreten therapieinduzierter Knochenmarkaplasien wird in den meisten Protokollen in Kauf genommen. Vor allem die daraus resultierende schwere Neutropenie (<500 neutrophile Granulozyten/μl) und
Thrombozytopenie können zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Während
Thrombozyten ersetzt werden können, begünstigen ausgeprägte Neutropenien das Auftreten schwerwiegender Infektionen. Aufgrund des Mangels an neutrophilen Granulozyten ist die immunologische Abwehrreaktion eingeschränkt oder fehlend, typische Entzündungszeichen bleiben aus oder sind nur schwach ausgeprägt. Infiltrate in der Lunge können sich nicht oder nur gering ausbilden, und auch meningitische Zeichen entwickeln sich trotz massiver Infektion häufig nicht. Die Entwicklung einer
Sepsis ohne ein vorheriges eindeutiges lokales Infektionsgeschehen ist nicht ungewöhnlich.
Eine Isolation der Kinder bei Neutropenie bietet keinen eindeutigen Schutz, da schwerwiegende Infektionen meist von der körpereigenen nasopharyngealen, gastrointestinalen oder Hautflora ausgehen. Die Entlassung der Kinder nach Hause sollte bei Wohlbefinden immer angestrebt werden, da in der häuslichen Umgebung kein Risiko besteht, sich mit resistenten nosokomialen Keimen zu infizieren. Steigt die Körpertemperatur anhaltend über 38 °C oder einmalig über 38,5 °C an, müssen die Kinder sofort vom pädiatrischen Onkologen gesehen werden. Die Behandlung solcher neutropenischer Fieberepisoden erfolgt mit standardisierter Antibiotikatherapie und muss notfallmäßig ohne jede Verzögerung einsetzen, da sich eine tödliche
Sepsis in wenigen Stunden entwickeln kann. Die antibiotische Therapie muss angepasst und erweitert werden, wenn nach 48 Stunden keine Entfieberung eintritt. Die Eskalation der antibiotischen Therapie muss auch dem von der Grunderkrankung ausgehenden Sepsisrisiko angepasst werden, das z. B. bei Patienten mit AML deutlich höher ist als bei Patienten mit soliden Tumoren. Sie sollte solange durchgeführt werden, bis die Zahl der neutrophilen Granulozyten ansteigt und das CRP absinkt oder sich normalisiert. Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass eine Fortführung bis zur Normalisierung der neutrophilen Granulozytenzahlen in der Regel nicht notwendig ist.
Sinkt das
Fieber auch nach Wechsel des Antibiotikaregimes nicht, muss auch an das Vorliegen einer invasiven Pilzinfektion gedacht werden. In den letzten Jahren treten neben systemischen Candida-Infektionen zunehmend invasive
Aspergillosen auf. Eine Prophylaxe gegen Pilzinfektionen ist während der Phase der intensiven Chemotherapie vor allem bei erheblich immunsuppressiven Therapieregimen sinnvoll. Seit Einführung der konsequenten prophylaktischen Gabe von Cotrimoxazol ist das Auftreten interstitieller
Pneumonien durch Pneumocystis jirovecii praktisch verschwunden. Die prophylaktische orale Gabe nichtresorbierbarer
Antibiotika zur selektiven Darmdekontamination ist weiterhin umstritten.
Vereinzelt kommt es auch zur Neuerkrankung oder zur Reaktivierung von Infektionen mit Viren der Herpesgruppe, z. B. einer Zytomegalievirus-Infektion, die zu lang anhaltendem
Fieber und vor allem zu Leberbeteiligung führen und eine längere Therapiepause erforderlich machen kann. Häufiger tritt ein Herpes zoster oder eine frische Windpockeninfektion auf. Beide können unter den Bedingungen der Immunsuppression letal verlaufen. Die sofortige Behandlung mit Aciclovir stoppt die Krankheit in der Regel rasch.
Nach der Einleitung der Therapie ist bei Erkrankungen mit rascher Proliferationsrate (z. B. B-Zell-Leukämien) im Rahmen eines Tumorlyse-Syndroms besonders das akute
Nierenversagen zu fürchten, das durch einen raschen Anstieg der
Harnsäure ausgelöst werden kann; zusätzlich können Hyperkaliämie,
Hyperphosphatämie und
Hypokalzämie auftreten. Die Bestimmung der Harnsäurewerte und des
Kreatinins zu Beginn der Therapie ist unverzichtbar, hohe Flüssigkeitszufuhr und die Gabe von Allopurinol oder von Rasburicase können der Entwicklung eines Nierenversagens vorbeugen. Bei Erkrankungen mit einer besonders hohen Proliferationsrate (z. B. B- und T-Zell-Neoplasien) hat es sich mittlerweile bewährt, die entstandene Harnsäure mittels Rasburicase zu spalten und zur Ausscheidung zu bringen.
Ein spezielles Problem der Chemotherapie ist die schwere Mukositis im Gastrointestinalbereich, wobei besonders Ulzera im Oropharynx wegen der heftigen Schmerzen beim Schlucken und bei der Nahrungsaufnahme die Kinder schwer beeinträchtigen. In diesen recht häufigen Fällen sind Dauerinfusionen von Morphin angebracht, deren Dosierung die Kinder idealerweise selbst steuern sollten.
Die orale Ernährung kann in dieser Situation bei manchen Kindern schwierig sein und in Einzelfällen wird eine parenterale Ernährung notwendig.