Infektiöse Pneumonien bei Kindern und Jugendlichen
Verfasst von: Ulrich Heininger
Pneumonien werden nach verschiedenen Kriterien wie Ätiologie, Patientenalter sowie anatomischer Lokalisation bzw. dem Röntgenbefund eingeteilt. Unter den ambulant erworbenen Pneumonien dominieren in den ersten Lebensjahren viral erworbene (RSV, Parainfluenza-, Influenza-, Adeno-, Rhino-, humane Metapneumoviren sowie Coronaviren, insbesondere SARS-CoV-2), häufig gefolgt von bakteriellen Sekundärinfektionen (Pneumokokken, unbekapselte Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus, u. a.). Später überwiegen Bakterien, insbesondere Pneumokokken und Haemophilus influenzae, aber auch Mykoplasmen. Bei Neugeborenen und Säuglingen stehen unspezifische Symptome wie Trinkschwäche, Rhinitis, Husten und Hypo- oder Hyperthermie im Vordergrund, bei älteren Kindern imponieren Husten, Fieber, Tachykardie, Blässe und Krankheitsgefühl. Die Diagnose einer Pneumonie wird durch die Kombination von klinischer Symptomatik, Untersuchungsbefund und Röntgenaufnahme gestellt. Die Therapie richtet sich nach den Symptomen und dem mutmaßlichen Erreger. Pneumonien im Säuglings- und frühen Kleinkindesalter sowie schwere Manifestationen (altersunabhängig) sollten bevorzugt stationär behandelt werden.
Definition, Ätiologie und Epidemiologie
Pneumonien sind akut- und chronisch-entzündliche Krankheiten des Lungenparenchyms. Man kann sie nach verschiedenen Kriterien wie Ätiologie, Alter des Patienten sowie anatomischer Lokalisation bzw. dem Röntgenbefund einteilen. Pneumonien werden vorwiegend von Infektionserregern verursacht. Seltenere Auslöser sind allergische, chemische und physikalische Noxen sowie Autoimmunkrankheiten, die an anderer Stelle abgehandelt werden. Die Pneumonien des Neugeborenen werden in Kap. „Lungenkrankheiten bei Früh- und Neugeborenen“ besprochen. Unter den ambulant erworbenen Pneumonien dominieren in den ersten Lebensjahren virale Erreger, die vorwiegend eine Entzündung des Lungeninterstitiums hervorrufen. Am häufigsten werden Respiratory-syncytial-Viren (RSV), Parainfluenza-, Influenza-, Adeno-, Rhino- und humane Metapneumoviren sowie Coronaviren, insbesondere SARS-CoV-2, gefunden. Gelegentlich sind sie Wegbereiter für nachfolgende bakterielle Sekundärinfektionen (Pneumokokken, unbekapselte Haemophilus influenzae, Staphylococcus aureus u. a.). Im späteren Kleinkind- und Schulalter überwiegen Bakterien, insbesondere Pneumokokken und Haemophilus influenzae, als Pneumonieerreger. Zunehmend sind in diesem Alter auch Mykoplasmen Verursacher bakterieller Pneumonien (Abb. 1).
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Bei Patienten mit Grundkrankheiten sowie nosokomial erworben findet sich häufig ein anderes Erregerspektrum. Pseudomonas aeruginosa, Klebsiellen, Entero- und Citrobacter u. a. sind klassische opportunistische Pneumonieerreger bei beatmungspflichtigen Früh- und Neugeborenen. Bei zystischer Fibrose (Mukoviszidose) verursachen Staphylococcus aureus und insbesondere mukoide Formen von Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia spp. oder Stenotrophomonas spp. rezidivierende pulmonale Exazerbationen (Kap. „Zystische Fibrose (Mukoviszidose) im Kindes- und Jugendalter“). Schließlich muss bei Immunsupprimierten auch mit Pilzen (vorwiegend Candida-Spezies und Aspergillen) und Pneumocystis jiroveci als typischen Opportunisten gerechnet werden.
Pneumonien nach Aspiration werden vor allem von anaeroben Bakterien aus dem Oropharynx verursacht. Dazu gehören Fusobakterien, Bacteroides-Spezies und Peptostreptokokken. Aspirationspneumonien finden sich gehäuft bei Patienten mit neurologischen Grundkrankheiten, die mit Schluckstörungen bzw. mentaler Retardierung einhergehen.
Rezidivierende Pneumonien sind ein Hinweis auf Störungen des Immunsystems oder, vor allem bei identischer Lokalisation, auf angeborene Anomalien, wie z. B. Lungensequester (Kap. „Kongenitale Anomalien von Atemwegen und Lungen inklusive primäre ziliäre Dyskinesie“).
Pathogenese
Eintrittspforte für die meisten Pneumonieerreger ist der Respirationstrakt nach Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Nach initialer Kolonisierung oder Infektion der oberen Luftwege entstehen Pneumonien vorwiegend durch Deszendenz der Infektionserreger aus den oberen Luftwegen in das Bronchialsystem und in die Alveolen. Seltener liegt eine hämatogene Streuung bei Bakteriämie, Virämie oder Pilzsepsis zugrunde. Opportunistische Erreger stammen meist aus dem Gastrointestinaltrakt der Patienten bzw. finden über Fremdkörper (z. B. Beatmungstubus) Zugang zu den unteren Atemwegen.
Bei bakteriellen Pneumonien wird die Entzündungsreaktion in den Alveolen durch Zellwandbestandteile grampositiver bzw. durch das Endotoxin gramnegativer Erreger hervorgerufen. Exsudation von Kapillarflüssigkeit, Fibrinablagerungen und Einwanderung neutrophiler Granulozyten und Makrophagen bedingen die Abläufe im Rahmen von Bronchopneumonien und der charakteristischen Lobärpneumonie durch Pneumokokken (Abb. 2). Gelegentlich führt die Verlegung von Bronchiolen und Bronchien zur Atelektasenbildung. Virusinfektionen der Pneumozyten führen zum Zelluntergang und dadurch zu einer verminderten Surfactantproduktion gefolgt von der Ausbildung hyaliner Membranen und lokaler Ödeme. Der Entzündungsreiz bedingt eine submuköse und interstitielle lymphozytäre Infiltration. Die Folgen sind verminderter Gasaustausch, exspiratorische Obstruktion und Lungenüberblähung.
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Klinische Symptome und Verlauf
Das klinische Bild ist stark vom Lebensalter abhängig. Bei Neugeborenen und Säuglingen stehen unspezifische Symptome wie Trinkschwäche, Rhinitis, Husten und Hypo- oder Hyperthermie im Vordergrund. In diesem Alter können Pneumonien Teil eines septischen Krankheitsbildes sein (Kap. „Perinatal und postnatal erworbene Infektionen“). Jenseits des Säuglingsalters imponieren Husten, Fieber, Tachykardie, Blässe und starkes Krankheitsgefühl. Ausgeprägte Krankheitsbilder führen zu Tachy- und Dyspnoe, Nasenflügelatmen, interkostalen Einziehungen und Lippenzyanose sowie reduzierter Vigilanz und reduziertem Allgemeinzustand. Der Untersuchungsbefund ergibt über den betroffenen Lungenarealen typischerweise eine abgedämpfte Perkussion, einen positiven Stimmfremitus und ein abgeschwächtes bzw. bronchiales Atemgeräusch, oft auch fein- bis mittelblasige Rasselgeräusche. Ein normaler Auskultationsbefund schließt aber eine Pneumonie nicht aus! Ambulant erworbene bakterielle Pneumonien zeigen nach Beginn der Antibiotikabehandlung meistens eine rasche Rückbildung der Symptome und deutliche Besserung des Allgemeinbefindens. Virale Pneumonien sind dagegen typischerweise durch einen protrahierten Verlauf gekennzeichnet, verlaufen aber im Allgemeinen weniger schwer als bakterielle Pneumonien. Bei opportunistischen bzw. nosokomial erworbenen Erregern ist der Verlauf entscheidend von der Grundkrankheit des Patienten abhängig, und bisweilen sind Pneumonien letztendlich Auslöser für den Tod des Patienten (Malignome, Immundefizienzzustände, Mukoviszidose u. a.).
Wichtigste Komplikationen von Pneumonien sind die Pleuritis, mit oder ohne Empyem, und Lungenabszesse. Bisweilen kommt es zu umschriebenen Überblähungen oder Atelektasen bei bronchialem Sekretstau. Die Ausbildung eines Pneumothorax ist ein seltenes Ereignis.
Schwere Pneumonien, insbesondere auch als seltene Folge von COVID-19 durch SARS-CoV-2, können zu einem akuten Lungenversagen führen (ARDS).
Diagnose und Differenzialdiagnose
Die Diagnose einer Pneumonie wird durch die Kombination von klinischer Symptomatik, Untersuchungsbefund, pulsoximetrischer Messung der peripheren Sauerstoffsättigung und gegebenenfalls (schweres Krankheitsbild!) einer Röntgenthoraxaufnahme gestellt. Letztere kann auch bei fehlender typischer Symptomatik indiziert sein, wenn das Allgemeinbefinden eines fieberhaft erkrankten Patienten stark beeinträchtigt ist und keine andere Ursache gefunden wird. Der spezifische Erregernachweis ist problematisch. Eine Leukozytose, evtl. mit Linksverschiebung, sowie eine deutliche Erhöhung des C-reaktiven Proteins und anderer Akute-Phase-Proteine oder des Prokalzitonins im Serum sind wichtige Hinweise auf eine bakterielle Genese. Ferner kann bei bakteriellen Pneumonien (v. a. Pneumokokken) die Blutkultur den Erregernachweis erbringen, meistens ist sie aber steril. Bei intubierten Patienten kann die Untersuchung von Trachealsekret erwogen werden, beweisend für die Ätiologie der Pneumonie ist ein Erregernachweis hier aber nicht. Rachenabstriche und Sputumuntersuchungen sind dagegen diagnostisch nicht hilfreich, da sich meist eine bakterielle Mischflora zeigt. In Ausnahmefällen, z. B. bei stark immunsupprimierten Patienten oder lebensbedrohlichem therapierefraktärem Verlauf, wird Untersuchungsmaterial durch Bronchiallavage oder Lungenbiopsie gewonnen. Virale Pneumonieerreger lassen sich durch Antigentest, Zellkultur oder mittels PCR (polymerase chain reaction, Polymerase-Kettenreaktion) im Nasopharyngealsekret (NPS) nachweisen. Auch dies ist in erster Linie schweren Verläufen, wie sie typischerweise bei Säuglingen durch Influenza- oder RS-Viren hervorgerufen werden, bzw. epidemiologischen Fragestellungen vorbehalten. Bei Verdacht auf Chlamydia- oder Mykoplasma-Pneumonien sind ebenfalls vorwiegend PCR-Untersuchungen aus NPS sinnvoll, wohingegen Antikörperbestimmungen aus dem Serum zur Diagnosestellung eher nicht geeignet sind. Urintests auf Pneumokokken-Antigen sollten nicht durchgeführt werden, da sie nicht zwischen Kolonisierung und Infektion unterscheiden können und somit keine verwertbaren Befunde liefern. Pneumonien, die als Komplikation einer anderen Grundkrankheit in Erscheinung treten, wie beispielsweise bei Masern oder Varizellen, können aufgrund der typischen klinischen Begleitmanifestationen ätiologisch zugeordnet werden.
Differenzialdiagnostisch sind nichtinfektiöse Ursachen wie Fremdkörperaspirationen (akuter Beginn, typischerweise Kleinkinder; Kap. „Fremdkörperaspiration“), Allergene (Alveolitis; Kap. „Diffuse (interstitielle) Krankheiten der Lunge und der Pleura bei Kindern und Jugendlichen“) und Autoimmunkrankheiten (systemischer Lupus erythematodes, Sarkoidose u. a.; Kap. „Systemischer Lupus erythematodes und seltene rheumatische Krankheiten im Kindes- und Jugendalter“; Kap. „Diffuse (interstitielle) Krankheiten der Lunge und der Pleura bei Kindern und Jugendlichen“) zu beachten.
Therapie, Prophylaxe und Prognose
Die Therapie richtet sich nach den Symptomen des Patienten und dem mutmaßlichen Erreger. Pneumonien im Säuglings- und frühen Kleinkindesalter sowie schwere Manifestationen (altersunabhängig) sollten bevorzugt stationär behandelt werden. Bei Hypoxämie (O2-Sättigung < 92 %) ist die Sauerstoffzufuhr über eine Nasensonde indiziert. Bei ausgeprägter Dys- und/oder Tachypnoe mit drohender respiratorischer Erschöpfung kann durch sog. High-flow-Oxygenierung über Nasenbrillen oftmals eine maschinelle Beatmung verhindert werden. Mukolyse durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist hilfreich und wichtig. Antipyretika mit gleichzeitiger analgetischer und antiphlogistischer Wirkung (z. B. Ibuprofen oder Paracetamol) dürfen großzügig eingesetzt werden. Der Hustenreiz sollte nicht medikamentös unterdrückt werden.
Kinder und Jugendliche mit schwerer Pneumonie durch Influenza sollten frühzeitig (wenn möglich innerhalb der 48 Krankheitsstunden) antiviral behandelt werden. Bei schwerer Pneumonie im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion sollte ab dem Alter von 4 Wochen mit Remdesivir behandelt werden, möglichst früh innerhalb der ersten sieben Krankheitstage.
Schon bei Verdacht auf eine bakterielle Genese ist bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern wegen des oftmals foudroyanten und bedrohlichen Verlaufs bakterieller Pneumonien sowie bei schwerer Krankheit altersunabhängig die Gabe eines Antibiotikums indiziert. Zumindest zu Beginn der stationären Behandlung ist dann die intravenöse Applikation vorzuziehen, ebenso bei erschwerter oraler Aufnahme. Grundsätzlich aber ist die Evidenz für eine Überlegenheit der intravenösen gegenüber der oralen Behandlung sehr gering. Chlamydia- und Mykoplasmen-Pneumonien sind im Allgemeinen gut durch orale Makrolide oder Tetrazykline (ab Alter 9 Jahre) beherrschbar. Die Wahl des Antibiotikums muss alle individuellen Besonderheiten berücksichtigen. Dazu zählen Patientenfaktoren (Alter, Grundkrankheiten) aber auch hospitalspezifische Gegebenheiten, wie beispielsweise das regionale Erregerspektrum und Antibiotikaresistenzen. Die Behandlungsdauer richtet sich nach der Befundbesserung, meistens genügen 5 Tage, bei Komplikationen sind es 2 (− 4) Wochen. Auch bei Pneumonien durch Mykoplasma pneumoniae, wenn sie antibiotisch behandelt werden, genügen 5 Tage wohingegen bei Chlamydien- und Legionellen-Infektionen weiterhin 7–10 Tage empfohlen sind, bei C. psittaci sogar 21 Tage. Tab. 1 soll als Orientierungshilfe für die Wahl des Antibiotikums dienen.
Tab. 1
Die häufigsten bakteriellen Pneumonieerreger und ihre empirische antibiotische Behandlung
Makrolide (z. B. Clarithromycin oder Azithromycin), Amoxicillin
p.o. (Makrolide, Tetrazykline) oder i. v. (andere)
Nosokomial erworbene Pneumonien
Intensivstation, beatmet
Gramnegative Stäbchen oder Staphylokokken
Breitspektrumpenicillin oder Cephalosporin der Gruppe 3
i. v.
Aspiration
Gramnegative Stäbchen, oft auch Anaerobier
Breitspektrumpenicillin mit β-Laktamase-Hemmer oder Cephalosporin der Gruppe 3 + Clindamycin
i. v.
Immunsupprimierte
Staphylokokken, gramnegative Stäbchen (+ Pilze)
Meropenem (+ Antimykotikum)
i. v.
Die Prognose der Pneumonie hängt vom Alter und etwaiger Grundkrankheit des Patienten ab. Je jünger der Patient ist, desto langwieriger ist der Verlauf. Bei schweren Grundkrankheiten sind Pneumonien häufige Komplikationen im Finalstadium.
Weiterführende Literatur
Esposito S et al (2012) Do we know when, what and for how long to treat? Antibiotic therapy for pediatric community-acquired pneumonia. Pediatr Infect Dis J 31:e78–e85CrossRefPubMed
Leitlinie 048-013. Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pCAP) Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/048-013.html