Flüssigkeit
Eine bedarfsgerechte Dosierung der Flüssigkeitszufuhr ist im Kindesalter von ungleich höherer klinischer Bedeutung als bei Erwachsenen und erfordert im klinischen Alltag große Aufmerksamkeit. Kinder und besonders Säuglinge haben im Vergleich zu Erwachsenen einen deutlich höheren prozentualen Wassergehalt des Körpers und einen deutlich größeren Anteil des Extrazellularraumes an der Körpermasse. Gleichzeitig ist der relative Flüssigkeitsumsatz gerade bei jungen Kindern wesentlich höher als bei Erwachsenen. Während beim gesunden Erwachsenen der Flüssigkeitsumsatz pro Tag nur etwa 1/7 der Extrazellularflüssigkeit entspricht, sind es beim Säugling etwa 1/3 des Extrazellularraumes. Die Fähigkeit zur Kompensation bei nicht angemessener Flüssigkeitszufuhr ist bei jungen Säuglingen und Frühgeborenen stark eingeschränkt. Bis zum Alter von etwa 6 Monaten ist die Konzentrationsfähigkeit der Niere vermindert, das Neugeborene kann den
Urin auch bei hoher Salz- oder niedriger Wasserzufuhr nur bis zu etwa 700 mosmol/l konzentrieren. Hierdurch kann bei Säuglingen der Flüssigkeitsbedarf im Falle der Notwendigkeit zur vermehrten Elimination harnpflichtiger Substanzen erheblich ansteigen, etwa bei überhöhter Proteinzufuhr oder bei ausgeprägtem Katabolismus. Andererseits führt eine akute Flüssigkeitsbelastung im Säuglingsalter und besonders bei Frühgeborenen schneller zur Wassereinlagerung mit Ödemneigung. Hinsichtlich des postnatalen
Wasserhaushaltes werden 3 Phasen unterschieden:
-
In der Stunden bis Tage dauernden
Transitionsphase erfolgt eine Anpassung der Körperzusammensetzung. Sie ist gekennzeichnet durch eine initiale
Oligurie mit nachfolgender Polyurie und erheblichem Wasserverlust durch die noch unreife Haut. Der normale Verlust am Körpergewicht in dieser Phase beträgt maximal 10 % bei Reifgeborenen und 7–10 % bei Frühgeborenen. Die Flüssigkeitszufuhr soll eine Kontraktion des Extrazellulärvolumens erlauben, ohne eine nachteilige Verminderung des Intrazellulärvolumens und der kardiovaskulären Funktion zu induzieren. Eine Oligurie (<0,1 ml/kg/h) über mehr als 12 Stunden soll vermieden werden.
-
In der nachfolgenden Zwischenphase mit Etablierung der oralen Zufuhr sollte nach dem initialen Körpergewichtsverlust das Geburtsgewicht nach 7–10 Tagen wieder erreicht werden. In dieser Phase ist auf ausgeglichene Natrium- und Elektrolythomöostase zu achten, vor allem bei sehr hoher Flüssigkeitszufuhr (>200 ml/kg/Tag). Eine höhere Natriumzufuhr (4–5 mmol/kg/Tag) wurde bei Frühgeborenen mit besserer neurologischer Entwicklung assoziiert als eine Natriumzufuhr von 1–2 mmol/kg/Tag.
-
In der dritten Phase des stabilen Wachstums, mit einer erwünschten Gewichtszunahme bei Frühgeborenen von 17–20 g/kg/Tag wird eine ausgeglichene Elektrolythomöostase angestrebt.
Orientierungswerte für die Flüssigkeitszufuhr bei Früh- und Neugeborenen zeigt Tab.
1, für Kinder und Jugendliche Tab.
2.
Tab. 1Orientierungswerte für die postnatale Flüssigkeitszufuhr bei Reif- und Frühgeborenen in Abhängigkeit vom Geburtsgewicht und vom Lebensalter. Beachte: Der Bedarf einzelner Patienten kann von diesen Richtlinien stark abweichen, z. B. reduzierte Flüssigkeitstoleranz bei kardialer, pulmonaler oder renaler Insuffizienz, erhöhter Flüssigkeitsbedarf bei vermehrten Sekretverlusten, Hyperventilation oder Temperaturerhöhung. (Mod. nach Jochum et al.
2018)
Frühgeborenes <1000 g | 80–100 | 100–120 | 120–140 | 140–160 | 160–180 | 160–180 | 160–180 |
Frühgeborenes 1000–1500 g | 70–90 | 90–110 | 110–130 | 130–150 | 140–160 | 160–180 | 140–160 |
Frühgeborenes >1500 g | 60–80 | 80–100 | 100–120 | 120–150 | 140–160 | 140–160 | 140–160 |
Reifgeborenes | 40–60 | 50–70 | 60–80 | 60–100 | 100–140 | 140–170 | 140–160 |
Tab. 2Orientierungswerte für die Flüssigkeitszufuhr bei klinisch stabilen Kindern nach der Neonatalperiode. Beachte: Der Bedarf einzelner Patienten kann von diesen Richtlinien stark abweichen! Ein deutlich erhöhter Flüssigkeitsbedarf entsteht durch vermehrte Sekretverluste, Hyperventilation oder Temperaturerhöhung (Zusatzbedarf ca. 5 ml/kg KG pro 1 °C Temperaturerhöhung >37,5 °C; mod. nach Jochum et al.
2018)
Parenterale Flüssigkeitszufuhr (ml/kg/Tag) | 120–150 | 80–120 | 80–100 | 60–80 | 50–70 |
Na+ (mmol/kg Kg/Tag) | 2–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
K+ (mmol/kg Kg/Tag) | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
Cl− (mmol/kg Kg/Tag) | 2–4 | 2–4 | 2–4 | 2–4 | 2–4 |
In den ersten 12–24 Stunden der
postoperativen Phase sowie nach schweren Traumen besteht oft eine erhöhte Wirkung des antidiuretischen Hormons (ADH) mit Tendenz zur Wasserretention, sodass hier die Flüssigkeitsdosierung an der unteren und die Natriumzufuhr (Abschn.
2.2) an der oberen Grenze der Richtwerte orientiert werden.
Elektrolyte
Der Bedarf an
Elektrolyten ändert sich bei Neu- und Frühgeborenen mit dem Lebensalter, ist stark von der Diurese abhängig (Tab.
3 und
4) und besonders hoch bei sehr Frühgeborenen. Schon in den ersten Lebenstagen soll die
parenterale Ernährung bei Frühgeborenen auch Kalzium (Ca), Phosphor (P) und
Magnesium (Mg) enthalten. Wichtig ist es einer Hyperkalziämie und
Hypophosphatämie vorzubeugen.
Phosphat wird in relativ großen Mengen in wachsende Gewebe aufgenommen, sodass der Phosphatbedarf mit höherer Proteinzufuhr und mit dem Beginn einer deutlichen Gewichtszunahme stark ansteigt. In der Neonatalperiode sollten bei parenteral ernährten Säuglingen auch die Serum- bzw. Plasmakonzentrationen von Kalzium, Phosphor, und Magnesium wiederkehrend überprüft werden.
Tab. 3Orientierungswerte für die parenterale Elektrolytzufuhr bei Reif- und Frühgeborenen in der Neonatalperiode. Beachte: Der Bedarf einzelner Patienten kann von diesen Richtlinien stark abweichen! (Mod. nach Jochum et al.
2018)
Natrium | 1.–2. Lebenstag | 0–2(3) | 0–2(3) | 0–2 |
3. Lebenstag | 0–5(7) | 0–3 | 0–2 |
4.–5. Lebenstag | 2–5(7) | 2–5 | 1–3 |
Zwischenphase | 2–5(7) | 2–5 | 2–3 |
Wachstumsphase | 3–5(7) | 3–5 | 2–3 |
Kalium | 1.–3. Lebenstag | 0–3 | 0–3 | 0–3 |
4.–5. Lebenstag | 2–3 | 2–3 | 2–3 |
Zwischenphase | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
Wachstumsphase | 2–4 | 1–3 | 1,5–3 |
Kalzium | Erste Lebenstage | 0,8–2,0 | 0,8–2,0 | 0,8–1,5 |
Wachstumsphase | 1,6–3,5 | 1,6–3,5 | 0,8–1,5 |
Phosphor | Erste Lebenstage | 1,0–2,0 | 1,0–2,0 | 0,7–1,3 |
Wachstumsphase | 1,6–3,5 | 1,6–3,5 | 0,7–1,3 |
Magnesium | Erste Lebenstage | 0,1–0,2 | 0,1–0,2 | 0,1–0,2 |
Wachstumsphase | 0,2–0,3 | 0,2–0,3 | 0,1–0,2 |
Tab. 4Orientierungswerte für die parenterale Elektrolytzufuhr bei klinisch stabilen Kindern nach der Neonatalperiode. Beachte: Die Kaliumzufuhr erfolgt bei Zweifeln an einer intakten renalen Funktion in der Regel nach Einsetzen der Diurese. Der Bedarf einzelner Patienten kann von diesen Richtlinien stark abweichen! (Mod. nach Jochum et al.
2018)
Na (mmol/kg/Tag) | 2–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
K (mmol/kg/Tag) | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
Cl (mmol/kg/Tag) | 2–4 | 2–4 | 2–4 | 2–4 | 2–4 |
Intraoperativ werden natriumreiche Lösungen mit einem Natriumgehalt >70 mmol/l infundiert, während die intraoperativ zugeführten Lösungen in der Regel kein
Kalium enthalten.
Aminosäuren
Neben einer angemessenen Flüssigkeits- und Energiezufuhr ist die Bereitstellung eines quantitativ und qualitativ ausreichenden Aminosäurenangebotes von entscheidender Bedeutung für die Vermeidung eines Eiweißkatabolismus und das Erreichen einer physiologischen Proteinsynthese, welche die Aufrechterhaltung der Organfunktionen und ein angemessenes Wachstum ermöglicht. Heute werden ausschließlich kristalloide L-Aminosäuren in meist 5- bis 10-prozentigen Lösungen verwendet, die alle essenziellen, und als zusätzliche Stickstoffquelle auch nichtessenzielle
Aminosäuren enthalten. Orientierungswerte für die Zufuhrmenge zeigt Tab.
5. Die Zusammensetzung der Aminosäuren soll sich an der eines hochwertigen Proteins (z. B. Muttermilchprotein) orientieren. Zur Deckung des Stickstoffbedarfs wird für Säuglinge und Kleinkinder die Verwendung pädiatrischer Aminosäurelösungen empfohlen, die den Besonderheiten des Bedarfs in diesem Lebensalter angepasst sind. Hier wird berücksichtigt, dass die Aktivität der hepatischen Cystathionase bei Feten und Frühgeborenen als nicht messbar berichtet wurde und somit
Cystein aufgrund einer Unreife der Eigensynthese bei Neu- und Frühgeborenen zur konditionell essenziellen Aminosäure werden kann. Deshalb soll Cystein bei dieser Altersgruppe mit der
parenteralen Ernährung zugeführt werden. Cystein ist in pädiatrischen Aminosäurelösungen wegen seiner begrenzten Löslichkeit und Stabilität in unterschiedlichen Konzentrationen sowie verschiedenen Verbindungen enthalten. Die Zufuhr von
Histidin,
Taurin und durch einige Autoren auch
Tyrosin wird befürwortet, da die Kapazität zur Eigensynthese im Säuglingsalter eingeschränkt sein kann.
Tab. 5Orientierungswerte für die parenterale Aminosäurenzufuhr. (Mod. nach van Goudoever et al.
2018)
Frühgeborene, 1. Lebenstag | 1,5–2,5 |
Frühgeborene, ab 2. Lebenstag | 2,5–3,5 |
Reifgeborene | 1,5–3,0 |
Säuglinge und Kleinkinder, 2. Monat bis 3. Lebensjahr | 1,0–2,5 |
Kinder und Jugendliche, 3–18 Jahre | 1,0–2,0 |
Infundierte
Aminosäuren können nur dann zur Proteinsynthese genutzt werden, wenn sie gleichzeitig mit einer ausreichenden Menge an Nichtproteinenergie infundiert werden. Als Richtgröße kann gelten, dass mit jedem Gramm Aminosäuren auch etwa 20–30 kcal Energie zugeführt werden sollen. Bei zu hoher Dosierung einer Aminosäureninfusion bzw. eingeschränkter Metabolisierbarkeit der infundierten Aminosäuren kommt es typischerweise zu einer deutlichen Zunahme der Harnstoff- und Ammoniakkonzentrationen im
Plasma.
Kohlenhydrate
Die Kohlenhydratzufuhr dient zur Bereitstellung von rasch verfügbarer Energie (ca. 3,8 kcal/g Glukosemonohydrat USP), zur Prävention von
Hypoglykämien und mittelbar zur Vermeidung der Proteolyse. Bei Kindern werden grundsätzlich nur Glukoselösungen angewandt.
Glukose wird von allen Geweben metabolisiert, allerdings ist die Utilisation in den meisten Geweben (nicht im Zentralnervensystem) insulinabhängig. In der Regel wird bei Kindern eine Glukosezufuhr um 10–15 g/kg KG/Tag gut toleriert. Bei schwer kranken Patienten (
Sepsis, schweres Trauma,
postoperative Phase) kann jedoch die Glukosetoleranz ganz erheblich eingeschränkt sein mit der Folge gehäufter Hyperglykämien, die abhängig vom Ausmaß der resultierenden Glukosurie zu relevanten renalen Wasserverlusten führen können. Eine hohe Glukosezufuhr kann auch ohne Auftreten einer Hyperglykämie eine De-novo-Lipazidogenese induzieren und zu einer Leberverfettung führen, der durch Zufuhr eines höheren Kalorienanteils aus Fettemulsionen vorgebeugt werden kann. Orientierungswerte für die Zufuhr bei Früh- und Reifgeborenen zeigt Tab.
6, bei Kindern und Jugendlichen Tab.
7.
Tab. 6Orientierungswerte für die parenterale Glukosezufuhr bei Reif- und Frühgeborenen in der Neonatalperiode. (Mod. nach Mesotten et al.
2018)
Frühgeborene | 4–8(5,8–11,5) | Ziel: 8–10(11,5–14,4) min. 4(5,8); max. 12(17,3) |
Reifgeborene | 2,5–5(3,6–7,2) | Ziel: 5–10(7,2–14,4) min. 2,5(3,6); max. 12(17,3) |
Tab. 7Orientierungswerte für die parenterale Glukosezufuhr bei Säuglingen und Kinder in Abhängigkeit von Körpergewicht und Krankheitszustand (akute Phase = Patient benötigt vitale therapeutische Unterstützung, z. B. Sedierung,
mechanische Ventilation, Blutdruckstabilisierung, Flüssigkeitsersatz; stabile Phase = Patient ist stabil unter vitaler therapeutische Unterstützung oder kann von dieser entwöhnt werden; Erholungsphase = Patient kann mobilisiert werden; mod. Nach Mesotten et al.
2018)
Säugling nach der Neugeborenenperiode bis 10 kg | 2–4(2,9–5,8) | 4–6(5,8–8,6) | 6–10(8,6–14) |
11–30 kg | 1,5–2,5(3,6–2,9) | 2–4(2,8–5,8) | 3–6(4,3–8,6) |
31–45 kg | 1–1,5(1,4–2,2) | 1,5–3(2,2–4,3) | 3–4(4,3–5,8) |
>45 kg | 0,5–1(0,7–1,4) | 1–2(1,4–2,9) | 2–3(2,9–4,3) |
Sowohl eine
Hypoglykämie ≤2,5 mmol/l (≤45 mg/dl) als auch eine Hyperglykämie >8 mmol/l (>145 mg/dl) soll wegen des Risikos einer erhöhten Morbidität und Mortalität vermieden werden. Bei einer Hyperglykämie >10 mmol/l (>180 mg/dl) kann bei fehlenden anderen Optionen (z. B. reduzierte Glukosezufuhr) eine Behandlung mit kontinuierlicher Insulininfusion erwogen werden.
Die als Alternative zur Glukoseinfusion früher übliche Gabe von Infusionslösungen mit
Fruktose (Laevulose) oder dem über Fruktose metabolisierten Sorbit kann bei Patienten mit
hereditärer Fruktoseintoleranz (Kap. „Genetische Defekte des Monosaccharidstoffwechsels“, Abschn. „Fruktosestoffwechselstörungen“) zu schwersten Unverträglichkeitsreaktionen führen. Da wiederholt Todesfälle bei Patienten aufgetreten sind, bei denen die bestehende hereditäre
Fruktoseintoleranz nicht bekannt war, sollten parenterale Lösungen mit Fruktose (Laevulose) oder Sorbit generell nicht mehr zur Anwendung kommen. Bei Erwachsenen wird als alternatives Kohlenhydrat oftmals Xylit eingesetzt, das nach hepatischer Metabolisierung zu Xylose in den Pentosephosphatshunt eingeschleust wird und schließlich in die Stoffwechselwege der
Glykolyse oder Glukoneogenese eingeht. Im Vergleich zu
Glukose führt eine vergleichbare Xylitdosierung zu geringerer Hyperglykämie. Für pädiatrische Patienten sind Xylitlösungen allerdings nicht zugelassen, da keine systematischen Untersuchungen über Wirkungen und Verträglichkeit bei Kindern und Jugendlichen vorliegen.
Lipidemulsionen
Die Infusion von Lipidemulsionen (Tab.
8) erlaubt die Zufuhr einer hohen Energiedichte (wegen des unterschiedlichen Glyzeringehaltes bei 10-prozentigen Emulsionen ca. 11 kcal/ml, bei 20-prozentigen Emulsionen ca. 20 kcal/ml) mit isoosmolaren Lösungen. In der Praxis kann eine Deckung des bei Säuglingen und Kindern hohen Energiebedarfs unter
parenteraler Ernährung nur durch die regelmäßige Fettinfusion erreicht werden. Ein angemessener Anteil an Fett an der Energiezufuhr ermöglicht darüber hinaus die Vermeidung zu hoher Glukoseinfusionsraten und beugt so einer Leberverfettung vor. Zudem sind Lipidemulsionen zur Deckung des Bedarfs an essenziellen
Fettsäuren unverzichtbar notwendig, da sich bei fettfreier parenteraler Ernährung bereits innerhalb 1 Woche ein klinisch manifester Mangel an essenziellen Fettsäuren einstellen kann. Eine systematische Datenauswertung und
Metaanalyse randomisierter Studien bei Frühgeborenen zeigte, dass ein früher Infusionsbeginn in den ersten beiden Lebenstagen im Vergleich zu einem späteren Beginn der intravenösen Lipidgabe keine Nachteile hatte (u. a. auf chronische Lungenkrankheit,
nekrotisierende Enterokolitis,
Sepsis,
Frühgeborenenretinopathie, intrakranielle Blutungen, Mortalität). Auch deshalb wird heute eine Lipidgabe von Beginn der parentalen Ernährung an und bei Frühgeborenen mit Bedarf für eine parenterale Ernährung nicht später als ab dem 2. Lebenstag empfohlen. Die zugeführte Dosis (g Triglyzerid/kg/Tag) soll bei Früh- und Reifgeborenen 4 g/kg/Tag, bei Kinder 3 g/kg/Tag nicht überschreiten. Als minimale Dosis zur Prävention eines Linolsäuremangels wird eine Linolsäurezufuhr von 0,25 g/kg/Tag bei Frühgeborenen und 0,1 g/kg/Tag bei Säuglingen und Kindern empfohlen (entsprechen je nach eingesetzter Lipidemulsion etwa das 2- bis 4-fache an Gesamtriglyzerid).
Tab. 8Zusammensetzung in Deutschland angebotener, für pädiatrische Patienten zugelassener 20-prozentiger intravenöser Lipidemulsionen (nach Herstellerinformationen)
Deltalipid 20 %, Delta-Pharma; Intralipid 20 %, Pharmacia & Upjohn; Lipofundin 20 %, B. Braun; Lipovenös 20 %, Fresenius-Kabi; Salvilipid 20 %, Baxter | ClinOleic 20 %, Baxter | Lipofundin MCT, B. Braun | SMOF Lipid, Fresenis Kabi | Lipidem, B. Braun |
Bei Säuglingen und Kindern werden in der Regel nur Emulsionen mit niedrigem Lecithin-Triglyzerid-Verhältnis eingesetzt, wie es in üblichen 20-prozentigen Emulsionen gegeben ist. Im Vergleich zu klassischen 10-prozentigen Emulsionen mit doppelt so hohem Lecithin-Triglyzerid-Verhältnis zeigt sich bei niedrigem Lecithinanteil eine bessere metabolische Verträglichkeit mit signifikant geringerer Akkumulation von
Phospholipiden und
Cholesterin im
Plasma. Das erwünschte niedrige Lecithin-Triglyzerid-Verhältnis liegt auch in einzelnen neueren 10-prozentigen sowie 30-prozentigen Emulsionen vor.
In Deutschland sind für die Anwendung im Kindesalter derzeit Emulsionen aus Sojaöl, Mischungen aus Sojaöl und Kokosöl bzw. Olivenöl sowie Mischungen aus Sojaöl, Kokosöl und Fischöl mit oder ohne Olivenöl zugelassen. Alle diese Emulsionen enthalten Hühnereiweißlecithin als Emulgator sowie Glyzerin zur Anpassung der
Osmolarität. Für Sojaölemulsionen liegen langjährige Erfahrungen und sehr umfangreiche Daten zur Sicherheit und Nebenwirkungsarmut bei Säuglingen und Kindern vor. Allerdings ist ihre Zusammensetzung dem kindlichen Bedarf nicht optimal angepasst, da sie bei üblicher Dosierung zu einer übermäßig hohen Zufuhr an mehrfach ungesättigten
Fettsäuren führen. Hier besteht Besorgnis hinsichtlich einer möglichen vermehrten Lipidperoxidation und daraus resultierender Gewebeschädigung, insbesondere bei Patienten mit hohem oxidativen Stress (z. B. bei Infektionen) und schlechter antioxidativer Abwehr (z. B. Frühgeborene). Sojaölemulsionen enthalten gleichzeitig nur geringe Konzentrationen der biologisch wirksamen Form des antioxidativen
Vitamin E (α-Tocopherol) und ein niedriges Verhältnis zwischen diesem Antioxidans und den durch das Antioxidans zu schützenden Doppelbindungen der mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Eine neuere
Metaanalyse randomisierter Studien zeigt, dass die Gabe gemischter Emulsionen mit und ohne Fischöl im Vergleich zu reinen Sojaölemulsionen die Sepsisrate bei Frühgeborenen um immerhin 25 % reduzierte. Nicht zuletzt auch deshalb wird die Gabe reiner Sojaölemulsionen im frühen Kindesalter nicht mehr empfohlen.
Bei Kindern mit intestinalem Versagen (z. B. durch Kurzdarm), die eine langfristige
parenterale Ernährung benötigen, kann eine schwere und nicht selten lebensbedrohliche cholestatische Lebererkrankung auftreten („intestinal failure-associated cholestasis“, IFAC). Das Risiko ist besonders hoch bei Frühgeborenen mit unreifer Leber, beim Auftreten septischer Katheterinfektionen in den ersten Lebenswochen und -monaten und bei geringer enteraler Nahrungszufuhr/
-toleranz. Die Zufuhr von Lipidemulsionen mit hohen Konzentrationen an Pflanzensterinen wie Sitosterol, wie sie in reinen Sojaölemulsionen vorhanden sind, scheint zum Cholestaserisiko beizutragen. Eine langsame Besserung der IFAC über 2–3 Monate kann bei deutlich reduzierter Dosis der gegebenen Lipidemulsionen und einem Wechsel zu einer Mischemulsion mit Fischöl, die deutlich geringere Gehalte an Pflanzensterinen aufweist, erzielt werden.
Vitamine und Spurenelemente
Eine über mehr als wenige Tage durchgeführte
parenterale Ernährung wird grundsätzlich durch die Gabe von wasserlöslichen und fettlöslichen
Vitaminen ergänzt (Tab.
9). Wasserlösliche Vitamine werden im Organismus kaum retiniert und sollten deshalb spätestens nach wenigen Tagen einer parenteralen Ernährung zugeführt werden. Besonders bei initial mangelernährten Kindern kann sich andernfalls innerhalb weniger Tage z. B. ein Thiaminmangel mit Laktatazidose manifestieren. Fettlösliche Vitamine werden zwar im Organismus gespeichert, sodass beispielsweise ein manifester Vitamin-A-Mangel bei einem zuvor Gesunden erst nach langer parenteraler Ernährung ohne Retinolzufuhr auftritt. Dennoch sollte bei vollständig parenteral ernährten Patienten von Beginn an ein Präparat mit fettlöslichen Vitaminen einschließlich des Antioxidans
Vitamin E zugeführt werden, da parenteral ernährte Patienten ein hohes Risiko für die vermehrte Bildung von reaktiven Sauerstoffradikalen mit konsekutiver peroxidativer Membranschädigung aufweisen.
Tab. 9Orientierungswerte für die parenterale Vitaminzufuhr bei Säuglingen und Kinder in Abhängigkeit. (Mod. nach Bronsky et al.
2018)
| (700–1500 IU/kg/Tag) (227–455 μg/kg/Tag) | 150–300 μg/kg/Tag oder 2300 IU/Tag (697 μg/Tag) | 150 μg/Tag |
| 200–1000 IU/Tag oder 80–400 IU/kg/Tag | 400 IU/Tag oder 40–150 IU/kg/Tag | 400–600 IU/Tag |
Vitamin E∗ | 2,8–3,5 mg/kg/Tag oder 2,8–3,5 IU/kg/Tag | 2,8–3,5 mg/kg/Tag oder 2,8–3,5 IU/kg/Tag | 11 mg/Tag oder 11 IU/Tag |
| 10 μg/kg/Tag (empfohlen, aber mit verfügbaren Präparaten nicht umsetzbar)∗∗ | 10 μg/kg/Tag (empfohlen, aber mit verfügbaren Präparaten nicht umsetzbar)∗∗ | 200 ug/Tag |
| 15–25 mg/kg/Tag | 15–25 mg/kg/Tag | 80 mg/Tag |
Thiamin | 0,35–0,50 mg/kg/Tag | 0,35–0,50 mg/kg/Tag | 1,2 mg/Tag |
Riboflavin | 0,15–0,2 mg/kg/Tag | 0,15–0,2 mg/kg/Tag | 1,4 mg/Tag |
Pyridoxin | 0,15–0,2 mg/kg/Tag | 0,15–0,2 mg/kg/Tag | 1,0 mg/kg/Tag |
| 4–6,8 mg/kg/Tag | 4–6,8 mg/kg/Tag | 17 mg/Tag |
Vitamin B12 | 0,3 μg/kg/Tag | 0,3 μg/kg/Tag | 1 μg/Tag |
| 2,5 mg/kg/Tag | 2,5 mg/kg/Tag | 5 mg/Tag |
| 5–8 μg/kg/Tag | 5–8 μg/kg/Tag | 20 ug/Tag |
| 56 μg/kg/Tag | 56 μg/kg/Tag | 140 μg/Tag |
Bei längerfristiger
parenteraler Ernährung ist eine Supplementierung mit für pädiatrische Patienten konzipierten Spurenelementpräparaten empfehlenswert (Tab.
10). Bei spurenelementfreier Infusion wird häufig ein Mangel an
Zink und
Kupfer offensichtlich, besonders rasch bei Kindern mit Aufholwachstum. Zusätzlich werden die
Spurenelemente Chrom,
Eisen, Jod,
Kobalt und
Selen als sicher essenziell sowie die Elemente
Mangan und
Molybdän als wahrscheinlich essenziell angesehen. Allerdings fehlen ausreichende Daten, um den tatsächlich notwendigen, altersbezogenen Bedarf bei parenteraler
Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern zu definieren. Pragmatisch wird man einer über mehr als nur wenige Tage andauernden parenteralen Ernährung eines der für Kinder zugelassenen Spurenelementpräparate zugeben. Zur Verminderung des Risikos adverser Effekte soll die Eisenzufuhr bevorzugt enteral erfolgen, sofern diese toleriert wird. Eine intravenöse Eisenzufuhr soll bei längerdauernder parenteraler Ernährung erfolgen sofern eine enterale Zufuhr nicht möglich ist.
Tab. 10Orientierungswerte für die parenterale Zufuhr an Spurenelementen bei Säuglingen und Kindern. (mod. nach Domellof et al.
2018)
Eisen | 200–250 | 50–100 | 50–100 | 50–100 | 5 mg/Tag |
Zink | 400–500 | 250 | 100 | 50 | 5 mg/Tag |
Kupfer | 40 | 20 | 20 | 20 | 0,5 mg/Tag |
Jod | 1–10 | 1 | 1 | 1 | |
Selen | 7 | 2–3 | 2–3 | 2–3 | 100 μg/Tag |
Mangan | ≤1 | ≤1 | ≤1 | ≤1 | 50 μg/Tag |
Molybdän | 1 | 0,25 | 0,25 | 0,25 | 5 μg/Tag |
Chrom | – | – | – | – | 5 μg/Tag |