Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten angeborenen Fehlbildungen von intrathorakalen Atemwegen und Lungen und die primäre ziliäre Dyskinesie.
Fehlbildungen der extrathorakalen Atemwege (Nase, Pharynx, Larynx) sowie des pulmonalen Gefäßsystems werden hier nicht besprochen. Bezüglich ebenfalls hier nicht abgehandelter seltener Anomalien wird der Leser auf andere Werke verwiesen. In einigen Bereichen existieren Überschneidungen mit anderen Kapiteln dieses Werks (Kap. „Krankheiten des Kehlkopfes und der Trachea bei Kindern und Jugendlichen“).
Angeborene Malformationen werden durch Kenntnis der normalen Entwicklung oft besser verständlich. Bezüglich der pränatalen Phase von Lungenentwicklung und -wachstum wird auf Kap. „Morphologie der Lunge und Entwicklung des Gasaustauschapparates“ verwiesen. Ätiologie und Pathogenese einzelner Malformationen sind trotz neuerer Daten aus Tiermodellen nach wie vor unklar. Passagere
Hypoxämien, virale Infektionen, toxische Schäden und Atemwegsobstruktionen in utero werden als mögliche Ursachen angesehen.
Zur Häufigkeit einzelner Fehlbildungen liegen unterschiedliche Angaben vor, im Vergleich zur Gesamtzahl aller angeborenen Anomalien erscheint sie jedenfalls eher gering. Trotz ihres relativ seltenen Vorkommens sind Fehlbildungen des Respirationstrakts wichtige Krankheitsbilder, welche oft mit signifikanter Morbidität assoziiert sind und vereinzelt auch lebensbedrohend sein können.
Anomalien der Atemwege sind trotz ihres seltenen Auftretens wichtige Differenzialdiagnosen bei Kindern mit Stenosegeräuschen wie Stridor oder Giemen bzw. Pfeifen, mit rekurrierenden oder persistierenden entzündlichen Veränderungen des unteren Respirationstrakts und mit protrahierten oder atypischen Verläufen von Virusinfekten. Auch bei einer angeborenen Läsion mit primär nicht kritischem Stenosegrad ist durch Schleimhautschwellung und gesteigerte Sekretion im Rahmen von Infekten die Entwicklung eines bedrohlichen Zustandsbilds jederzeit möglich. Meist werden Luftwegsanomalien schon in der Neugeborenenperiode bzw. im Säuglingsalter symptomatisch, nur gelegentlich werden sie erst beim älteren Kind als Zufallsbefund entdeckt. Insbesondere Stenosen geringeren Ausmaßes verlieren wachstumsbedingt in den ersten Lebensjahren oft relativ an Bedeutung. Gerade hier ist die Indikation zu einer operativen Therapie äußerst sorgfältig zu prüfen und zurückhaltend zu stellen. Die Langzeitprognose ist bei adäquatem Management in der überwiegenden Mehrzahl dieser Fehlbildungen gut.
Angeborene Anomalien der Lunge werden heute gewöhnlich pränatal, in der Neugeborenenperiode, im Säuglingsalter oder im Kindesalter diagnostiziert und behandelt. Bei einigen Patienten können diese Fehlbildungen im Kindesalter unerkannt bleiben und führen erst durch Komplikationen wie rekurrierende lokalisierte
Pneumonie, Abszessbildung oder
Hämoptysen zur Diagnose in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter. Durch moderne, hoch entwickelte chirurgische Techniken und eine verbesserte perioperative
Intensivpflege können in zunehmendem Maße auch Patienten mit ausgeprägteren Defekten überleben, wenn auch oft um den Preis einer höheren Langzeitmorbidität.
Fehlbildungen von intrathorakalen Atemwegen und Lungen
Trachealagenesie, -aplasie und -atresie
Agenesie, Aplasie oder Atresie der Trachea sind sehr seltene Fehlbildungen, welche durch ein vollständiges oder teilweises Fehlen bzw. durch einen kurz- oder langstreckigen Verschluss der Trachea gekennzeichnet sind. In der Regel besteht eine broncho- oder
tracheoösophageale Fistel. Häufig sind diese Hemmungsfehlbildungen auch mit anderen Anomalien vergesellschaftet. Die Patienten zeigen unmittelbar nach Geburt eine massive Asphyxie, und die Diagnose kann vermutet werden, wenn eine
endotracheale Intubation nicht möglich ist oder zu keiner Besserung der Symptomatik führt. In der Regel sind diese Fehlbildungen nicht mit dem Leben vereinbar. Durch eine sofortige Intubation des Ösophagus und nachfolgende
Beatmung über eine Fistel (so vorhanden) bzw. durch eine sofortige Tracheostomie bei kurzstreckiger Atresie der proximalen Trachea kann der Tod des Patienten eventuell verhindert werden.
Primäre Trachealstenose
Eine fixierte angeborene Stenose der Trachea tritt seltener auf als eine dynamische Luftwegsstenose (Abschn.
1.3). Bindegewebige Stenosen (horizontale Segel) betreffen meist den zervikalen Abschnitt der Trachea. Zur Verhinderung einer Asphyxie ist eine rasche Diagnose dieser Segel wichtig. Oft kann durch eine
endotracheale Intubation mit Durchstoßung der Membran das Problem behoben werden. Fehlbildungen von Knorpelspangen, vor allem Knorpelringbildungen („Serviettenringknorpel“) treten häufiger auf. Meist finden sich diese Anomalien im kaudalen Abschnitt der Trachea, vereinzelt ist aber auch die gesamte Trachea betroffen.
Trachealstenosen sind häufig mit anderen Anomalien wie einer sog. Pulmonalisschlinge (Abschn.
1.4), aberrierenden Bronchien oder einer einseitigen Lungenhypoplasie assoziiert.
Tracheomalazie
Die Inzidenz von
Tracheomalazien wird auf etwa 1:2000 geschätzt. Einer Tracheomalazie liegen entweder (1) fehlende, hypoplastische, fehlgebildete oder abnorm weiche Trachealknorpel oder (2) eine Reduktion und/oder Atrophie longitudinaler elastischer Fasern der Pars membranacea zu Grunde. Sie kann ohne assoziierte Fehlbildungen vorkommen, wird jedoch häufiger bei Kindern mit
tracheoösophagealer Fistel oder bei Kompression der Trachea durch Gefäße oder mediastinale Tumoren gesehen. Darüber hinaus tritt sie typischerweise auch bei Kindern mit angeborenen
Bindegewebserkrankungen, wie z. B. kampomeler Dysplasie auf und ist nicht selten mit einer Laryngomalazie oder Bronchomalazie vergesellschaftet.
Trachealstenose und Tracheomalazie durch Gefäßanomalien
Als Differenzialdiagnose zur primären
Trachealstenose und zur isolierten
Tracheomalazie müssen Einengungen der Trachea durch Kompression von außen in Betracht gezogen werden. Diesbezüglich kommen u. a. eine angeborene
Struma, ein Hämangiom, eine bronchogene Zyste oder ein Megaösophagus, insbesondere aber Gefäßanomalien in Frage. Zahlreiche Abweichungen von der normalen Entwicklung des Aortenbogens, seiner Äste und der Pulmonalarterien sind bekannt. Nur wenige verursachen jedoch eine Kompression von Trachea und/oder Ösophagus, sodass viele Gefäßanomalien unentdeckt bleiben. So kann beispielsweise ein abnormer Abgang der rechten A. subclavia unterhalb des Abgangs der linken A. subclavia mit nachfolgender Kreuzung der Medianlinie hinter dem Ösophagus gelegentlich Schluckbeschwerden verursachen („Dysphagia lusoria“), führt aber meist zu keinerlei respiratorischen Problemen. Im Gegensatz dazu können Gefäßringe (am häufigsten Anomalien des Aortenbogens und seiner Äste) eine lebensbedrohende Kompression der Trachea verursachen. Mit diesen Gefäßanomalien sind gelegentlich Fehlbildungen des Respirationstrakts, wie z. B. eine angeborene Trachealstenose assoziiert. Abgesehen davon besteht in vielen Fällen eine Tracheomalazie, verursacht wahrscheinlich durch den bereits in der Fetalperiode bestehenden Druck eines abnorm verlaufenden Gefäßes und damit eine
Reifungsstörung der Knorpelspangen. Von klinischer Bedeutung sind insbesondere: ein doppelter Aortenbogen, ein rechter Aortenbogen mit linkem Lig. arteriosum (bzw. offenem Ductus arteriosus), ein abnormer Abgang des Truncus brachiocephalicus oder der linken A. carotis und eine aberrierende linke Pulmonalarterie (sog. Pulmonalisschlinge). Die Art der Gefäßanomalie und der Grad der Luftwegsstenose bestimmen, ob im Einzelfall ein konservatives oder ein chirurgisches Vorgehen angezeigt ist. Oft kann unter Durchführung physiotherapeutischer Maßnahmen zur Sekretmobilisation und damit Infektionsprophylaxe – zumindest vorübergehend – zugewartet werden. Darüber hinaus sind die unmittelbaren Ergebnisse nach einer Operation oft nicht zufriedenstellend, da Atemwegsmalazien bzw. -stenosen weiter Symptome verursachen. Die Prognose dieser Fehlbildungen wird praktisch ausschließlich durch den Respirationstrakt bestimmt. Erfreulicherweise sind die Langzeitergebnisse in der Regel gut. Weitere Einzelheiten, Kap. „Angeborene Gefäßanomalien“.
Tracheoösophageale Fistel ohne Ösophagusatresie (H-Fistel)
Isolierte
tracheoösophageale Fisteln treten sehr viel seltener auf als Fisteln in Kombination mit einer
Ösophagusatresie (Inzidenz etwa 1:80.000-90.000). Sie verlaufen von der Trachea nach kaudal zum Ösophagus, sind fast immer sehr eng, treten vor allem im extrathorakalen Bereich der Trachea auf und sind selten mit anderen Fehlbildungen assoziiert. Trotz eindeutiger Zeichen und Symptome (
Husten, Zyanose und Erstickungsanfälle bei Nahrungsaufnahme; häufig auch rekurrierende
Pneumonien ohne klar erkennbare Ursache) wird die Diagnose meist deutlich verzögert (in der späten Kindheit, gelegentlich sogar erst im Erwachsenenalter) gestellt, woraus eine beträchtliche respiratorische Morbidität resultiert. Die Fistelöffnungen lassen sich in der Regel endoskopisch (Tracheo- bzw. Ösophagoskopie) identifizieren. Eine Darstellung des Fistelgangs mittels Ösophagografie gelingt oft nicht. Die Therapie besteht in der chirurgischen Durchtrennung bzw. Abtragung der Fistel. Bei früher Diagnosestellung sind die Langzeitergebnisse gut.
Tracheoösophageale Fistel mit Ösophagusatresie
Die Fistelbildungen sind durch eine unvollständige Trennung von Trachea und Ösophagus durch das Septum oesophagotracheale erklärbar, die Atresie – zumindest in einem Teil der Fälle – durch eine ungenügende Gefäßversorgung im Rahmen von Begleitfehlbildungen. Die Inzidenz der
Ösophagusatresie beträgt etwa 1:3000–4000 Geburten. Rund 30 % der Patienten sind
Frühgeburten, Knaben sind häufiger betroffen als Mädchen, und bis zu 50 % haben auch andere schwere Fehlbildungen, wie z. B. eine
Duodenalatresie (VATER- bzw. VACTERL-Assoziation; VACTERL: „vertebral defects, anal atresia, cardiac anomalies, tracheo-esophageal fistula, renal anomalies, limb anomalies“). Sehr häufig (in 25–50 %) sind Strukturanomalien der Trachealwand wie deformierte oder hypoplastische Knorpelspangen und eine Zunahme des membranösen Anteils (d. h. eine
Tracheomalazie) vorhanden. In den ersten Lebensjahren sind chronische respiratorische Symptome häufig. Typisch ist ein blecherner, scheppernder
Husten [TOF („tracheo-oesophageal fistula“)-cough]. Bei vielen Patienten werden rekurrierende Bronchitis und
Pneumonie beobachtet, oftmals getriggert durch wiederholte Aspirationen. In der Regel stabilisiert sich die Situation mit dem Wachstum, sodass die meisten Patienten im Erwachsenenalter (nahezu) beschwerdefrei sind. Es werden verschiedene Typen der Ösophagusatresie unterschieden. Am häufigsten (85–90 %) kommt der Typ IIIb nach Vogt mit einem sackförmigen, großlumigen, hypertrophen oberen Blindsack und einer unteren
tracheoösophagealen Fistel, welche meist oberhalb der Bifurkation mündet, vor. Der untere Stumpf ist atroph, die Entfernung zwischen proximalem und distalem Stumpf ist variabel. Weitere Einzelheiten, Kap. „Angeborene Krankheiten des Gastrointestinaltrakts“.
Trachealbronchus und andere Verzweigungsanomalien
Ein Trachealbronchus wird bei 0,1–2 % der
Bronchoskopien gefunden und stellt einen aberrierenden oder akzessorischen Bronchus, welcher praktisch immer aus der rechts-seitlichen Wand der Trachea abgeht, dar. Meist ist der Trachealbronchus ein dislozierter rechter Oberlappenbronchus oder der Segmentbronchus des apikalen Oberlappensegments, selten ein zusätzlicher Bronchus, der einen eigenen, extra- oder intralobär liegenden „Tracheallappen“ versorgt. Wenn der rechte Oberlappenbronchus auf Höhe der Karina von der Trachea abgeht, spricht man von einer Trifurkation (rechter Oberlappen-, Intermediär- und linker Hauptbronchus). Oft ist der Trachealbronchus mit anderen Fehlbildungen im Bereich des Tracheobronchialsystems oder der Rippen assoziiert.
Es existieren ausgeprägte Variationen in der Aufzweigung des Bronchialbaums, sodass eine Unterscheidung von Variation und Anomalie bzw. die Definition einer Anomalie in diesem Zusammenhang schwierig ist. Verzweigungsanomalien sind die häufigsten Fehlbildungen des Tracheobronchialbaums und werden rechts häufiger als links und vor allem in den Ober- und Unterlappen beobachtet. Sie können asymptomatisch bleiben und zufällig gefunden werden. Nicht selten treten aber Bronchusabgangsstenosen bzw. Wanddefekte im Sinne einer Bronchomalazie im Bereich der Verzweigungsanomalien auf, welche dann zu rekurrierenden oder persistierenden
Pneumonien bzw.
Atelektasen im betroffenen Segment oder Lappen führen können.
Topografische Anomalien der gesamten Lunge (Situs inversus; bronchialer Isomerismus – bilaterale rechte oder bilaterale linke Lunge) sind in der Regel mit topografischen Anomalien des Herzens und/oder abdominaler Organe assoziiert (z. B. Ivemark Syndrom mit Asplenie).
Die Diagnose wird durch
Bronchoskopie und -grafie bzw. auch mittels CT bzw. MRT gestellt. Bei durch Stenosen symptomatischen Formen kann eine
Segmentresektion bzw.
Lobektomie erforderlich werden.
Bronchusstenose
Fixierte angeborene Bronchusstenosen treten selten auf, vorwiegend sind die Hauptbronchien (häufiger der linke) und der Mittellappenbronchus betroffen. Analog zur primären
Trachealstenose werden Schleimhautsegel bzw. -polster von Knorpelfehlbildungen unterschieden.
Bronchomalazie
Diese Instabilitätsläsion, welche besonders während einer forcierten Exspiration zu einer deutlichen Stenosierung des betroffenen Bronchusabschnitts bis hin zum vollständigen Kollaps führen kann, kommt bevorzugt umschrieben im linken Hauptbronchus vor. Primäre Bronchomalazien durch anlagebedingt abnorm weiche oder fehlende Bronchialknorpel sind abzugrenzen von sekundären Bronchomalazien als Folge einer Schädigung der Bronchialwand durch Kompression von außen (am häufigsten durch Gefäße, vor allem Pulmonalarterien). Bei nachgewiesener Bronchomalazie sind daher stets Herz- oder Gefäßanomalien auszuschließen.
Williams-Campbell Syndrom und Bronchiektasen
Das Williams-Campbell-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine generalisierte Aplasie oder Dysplasie der Bronchialknorpel in den Segment- und Subsegmentbronchien und stellt damit eine Variante der Bronchomalazie dar. Die betroffenen Kinder fallen bereits im Säuglings- bzw. Kleinkindesalter mit rekurrierender oder protrahierter
Bronchiolitis bzw. Bronchitis und mit den Zeichen und Symptomen
Husten, Giemen bzw. Pfeifen, Tachy- und Dyspnoe sowie Zyanose auf. Das Thoraxröntgen zeigt eine ausgeprägte und konstante Überblähung beider Lungen. Die durch In- und Exspiration verursachten Kaliberschwankungen der betroffenen Abschnitte des Bronchialsystems sind bronchografisch darstellbar. Der Nachweis von
Bronchiektasen ist weniger invasiv mittels CT möglich. Das therapeutische Vorgehen ist konservativ und besteht in Physiotherapie zur Verbesserung des Sekrettransports und der Belüftung und in großzügiger antibiotischer Therapie bei respiratorischen Infektionen. Bei milden Formen scheinen sich die Bronchialwände mit dem Älterwerden der Kinder etwas zu stabilisieren. Insgesamt ist die Prognose des Williams-Campbell-Syndroms jedoch eher schlecht im Sinne eines progredienten Verlaufs mit der Entwicklung ausgeprägter Bronchiektasen.
Angeborene Wanddefekte können auch lokalisiert zu einer irreversiblen Erweiterung von Bronchien führen. Diese kongenitalen
Bronchiektasen werden seltener beobachtet als erworbene Formen. Das führende Symptom ist chronischer
Husten; Infektionen treten häufig auf. Die Diagnose wird mittels CT gestellt. Neben einer konservativen Therapie (siehe oben) ist bei lokalisierten Bronchiektasen mit ausgeprägter Symptomatik eventuell auch an eine
Segmentresektion oder
Lobektomie zu denken (Kap. „Bronchiektasien und Lungenabszess bei Kindern und Jugendlichen“).
Lungenagenesie und -aplasie
Unter einer Lungenagenesie wird das vollständige Fehlen eines Bronchus samt Lungenparenchym verstanden, bei der Lungenaplasie ist ein rudimentärer Bronchus vorhanden. Bei beiden Anomalien fehlen Pulmonalgefäße, und beide können einen Lappen, eine Lunge oder auch sehr selten beide Lungen betreffen. Die unilaterale Aplasie stellt die häufigste Anomalie in dieser Gruppe dar. Etwa 50 % der Patienten mit Lungenagenesie bzw. -aplasie sterben im 1. Lebensjahr. Eine unilaterale Lungenagenesie oder -aplasie kann jedoch auch mit einer normalen Lebenserwartung vereinbar sein. Häufig werden assoziierte kongenitale Anomalien des kardiovaskulären Systems, Gastrointestinaltrakts, Urogenitaltrakts sowie des Skelettsystems beobachtet. Diese bestimmen oft auch die Prognose.
Lungenhypoplasie
Eine Lungenhypoplasie (ein- oder beidseitig) ist fast immer von einer Hypoplasie der korrespondierenden Pulmonalarterien begleitet. Typischerweise sind sowohl die Zahl der Alveolen als auch die Anzahl der Generationen von Luftwegen und Pulmonalarterien reduziert. Eine primäre Lungenhypoplasie ist selten. Häufiger findet sich eine zugrunde liegende Störung, welche das Lungenwachstum behindert. Hier sind vor allem intrathorakale Raumforderungen (z. B. Zysten, Pleuraergüsse etc.) und Anomalien des knöchernen Thoraxskeletts (z. B. „short-rib syndromes“) zu nennen. Darüber hinaus ist eine beidseitige Lungenhypoplasie als Folge eines Oligohydramnions Teil des Potter-Syndroms, assoziiert mit beidseitiger Nierenagenesie oder -dysplasie und einer Reihe von Dysmorphie-Merkmalen (Kap. „Fehlbildungen der Nieren (inklusive
zystischer Nephropathien) und ableitenden Harnwege“). Eine einseitige Lungenhypoplasie wird bei
Skoliose, angeborener
Zwerchfellhernie (hier meist linksseitig, Kap. „Zwerchfelldefekte bei Kindern und Jugendlichen“) und Scimitar-Syndrom (hier praktisch immer rechtsseitig) gefunden.
Parenchymatöse Fehlbildungen der Lunge
Diese Fehlbildungen werden in entwickelten Ländern in der Regel schon pränatal per Ultraschalluntersuchung entdeckt. Ihnen ist das Vorhandensein von Zysten, die einen prominenten Teil der Anomalie ausmachen können (aber nicht notwendigerweise müssen), gemeinsam. Zur Einteilung dieser Malformationen wurden unterschiedliche Nomenklaturen vorgeschlagen. Typischerweise werden Lungenzyste, kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation, Lungensequestration, kongenitales lobäres Emphysem und Vorderdarm-Zysten (speziell die bronchogene Zyste) unterschieden. Diese Einteilung spiegelt sich jedoch nicht in histopathologischen Befunden wider. Häufig werden sogenannte Hybridläsionen mit Aspekten verschiedener Fehlbildungen gesehen.
Auch zum Management dieser Fehlbildungen existieren kontroverse Meinungen. Malformationen, die Komplikationen verursachen oder zu maligner Entartung neigen, werden üblicherweise bereits im Säuglings- oder Kleinkindesalter reseziert. Dabei wird in den meisten Fällen ein Lappen oder zumindest ein Segment entfernt, gelegentlich ist auch eine
Pneumonektomie notwendig. Ein abwartendes Vorgehen wird häufig bei oligo- oder asymptomatischen Patienten mit einem kongenitalen lobären Emphysem gewählt, aber auch andere zystische Läsionen können sich für ein derartiges Vorgehen qualifizieren.
Lungenzyste
Diese Malformation wird auch als kongenitale parenchymale Zyste bezeichnet und stellt eine lokalisierte Fehlbildung der terminalen respiratorischen Einheit dar. Abhängig von ihrem embryonalen Ursprung kann eine Lungenzyste alveoläre Strukturen, aber auch Knorpel, glatte Muskulatur und Drüsen enthalten. Lungenzysten können als singuläre oder häufiger als multizystische Läsion vorkommen. Weiterhin können sie mit dem Bronchialbaum kommunizieren und daher Luft, Flüssigkeit oder beides enthalten.
Kongenitale zystisch-adenomatoide Malformation
Diese Fehlbildung besteht aus Zysten und/oder solidem luftlosen Gewebe. Stocker unterschied initial 3 Typen (makrozystisch; mikrozystisch; solid) und grenzte im Weiteren zusätzlich einen Typ 0 und einen Typ 4 ab. Es ist hervorzuheben, dass die verschiedenen Typen ein unterschiedliches Malignitätsrisiko haben. Beim Typ 1 besteht ein erhöhtes Risiko für ein bronchioloalveoläres Karzinom, beim Typ 4 histopathologisch eine erhebliche Überlappung mit dem pleuropulmonalen Blastom. Die Anomalie findet sich besonders häufig in den Unterlappen. Meist ist nur ein Lappen betroffen, gelegentlich jedoch auch 2 Lappen oder sogar der ganze Lungenflügel. Ein beidseitiges Auftreten ist sehr selten.
Lungensequestration
Diese Fehlbildung besteht aus bronchopulmonalem Gewebe mit abnormer oder fehlender Kommunikation zum Tracheobronchialbaum und besitzt eine normale oder abnorme arterielle Versorgung und/oder einen normalen oder abnormen venösen Abfluss. Zwei Typen von Sequestern werden unterschieden: Der häufigere „intralobäre“ Sequester liegt innerhalb der das angrenzende normale Lungengewebe umgebenden Pleura visceralis, der seltenere „extralobäre“ Typ ist von einer eigenen Pleura umgeben. In der Regel betrifft die Malformation einen ganzen Lappen oder auch nur einen Teil eines Lappens. Ungefähr zwei Drittel aller Sequester sind im posterobasalen Segment des linken Unterlappens lokalisiert. Die häufig gefundene abnorme arterielle Versorgung entspringt aus der unteren thorakalen oder oberen
abdominellen Aorta oder einem ihrer Hauptäste. Der venöse Abfluss erfolgt üblicherweise ins linke Atrium, gelegentlich auch ins rechte Atrium, zur V. cava inferior oder V. azygos. Nicht selten bestehen parenchymatöse Malformationen, die Aspekte einer kongenitalen zystisch-adenomatoiden Malformation mit denen einer Lungensequestration vereinen (sog. Hybridläsionen).
Kongenitales lobäres Emphysem
Diese Anomalie ist charakterisiert durch eine massive Überblähung eines Segments, eines Lappens oder mehrerer Lappen. Die Ätiologie ist unklar, scheint jedoch heterogen zu sein. Die Bezeichnung „Emphysem“ impliziert eine Lungengewebsdestruktion und ist irreführend. Als alternative Bezeichnung wurde daher „congenital large hyperlucent lobe“ vorgeschlagen. Ursächlich können hypoplastische, fehlgebildete oder abnorm weiche Knorpel, Schleimhautfalten oder eine Bronchuskompression (z. B. durch Gefäße) im Bereich eines Segment- oder Lappenbronchus gefunden werden. Als Variante kann eine deutliche Zunahme der Alveolenzahl (polyalveolärer Lappen) bestehen. Ungefähr die Hälfte dieser Anomalien ist im linken Oberlappen lokalisiert, der rechte Oberlappen und der Mittellappen sind ebenfalls häufig betroffen. In etwa 10 % der Fälle ist die Malformation mit angeborenen Herz- und Gefäßfehlbildungen assoziiert.
Bronchogene Zyste
Bronchogene Zysten stellen geschlossene, von Epithel ausgekleidete und in der Regel flüssigkeitsgefüllte Hohlräume dar und treten typischerweise einzeln auf. In der Mehrzahl der Fälle sind sie rechts paratracheal oder in der Nähe der Karina lokalisiert, es können aber auch intrapulmonale Formen vorkommen.
Primäre ziliäre Dyskinesie
Der Begriff primäre ziliäre Dyskinesie („primary ciliary dyskinesia“, PCD) bezeichnet eine Gruppe von Krankheiten, die durch kongenitale Defekte motiler Zilien verursacht werden. Diese Defekte führen zu einer Dysfunktion der Zilien, woraus unterschiedliche Krankheitsmanifestationen und damit komplexe Phänotypen der PCD resultieren können. Eine eingeschränkte mukoziliäre Clearance ist die Ursache rekurrierender oder chronischer Infektionen der Atemwege. Dyskinetische Zilien in den Eileitern können zu ektopen Schwangerschaften führen. Bei Männern kann aus immotilen Spermien eine Infertilität resultieren. Etwa 50 % der Patienten mit PCD weisen einen Situs inversus auf (
Kartagener-Syndrom). Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für Heterotaxien und komplexe Herzfehler (z. B. Fallot’sche Tetralogie). Andere Störungen wie Retinitis pigmentosa,
zystische Nierenerkrankungen, Hydrocephalus internus oder Innenohrschwerhörigkeit lassen sich ebenfalls auf Zilienfunktionsstörungen zurückführen. Von der PCD sind sekundäre Zilienfunktionsstörungen (als Folge entzündlicher Atemwegserkrankungen oder verursacht durch Exposition gegenüber Luftschadstoffen) zu unterscheiden.