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Pädiatrie
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Publiziert am: 01.11.2019

Pädiatrische Notfall- und Intensivmedizin

Verfasst von: Sebastian Brenner
Die pädiatrische Notfall- und Intensivmedizin hat in den vergangenen Jahren deutlich an Aufmerksamkeit hinzugewonnen. Sie umfasst Diagnose, Prävention sowie die Behandlung aller Formen des Versagens vitaler Funktionen. Das Management lebensbedrohlich erkrankter Kinder mit Krankheitsbildern aus allen pädiatrischen Fachbereichen (Allgemeinpädiatrie, Neuropädiatrie, Kinderkardiologie, Kinderonkologie, Kinderchirurgie, Neurochirurgie etc.) vom Säugling bis hin zum Jugendlichen ist komplex und in vieler Hinsicht herausfordernd. Die Betreuung kritisch kranker Kinder auf einer speziell dafür ausgelegten Station mit hochmoderner apparativer Ausstattung erfordert ein multiprofessionelles Team, das neben speziell geschulten und qualifizierten ärztlichen wie pflegerischen Mitarbeitern auch Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter, Greätetechniker u. v. m. umfasst.
Die pädiatrische Notfall- und Intensivmedizin hat in den vergangenen Jahren deutlich an Aufmerksamkeit hinzugewonnen. Sie umfasst Diagnose, Prävention sowie die Behandlung aller Formen des Versagens vitaler Funktionen. Das Management lebensbedrohlich erkrankter Kinder mit Krankheitsbildern aus allen pädiatrischen Fachbereichen (Allgemeinpädiatrie, Neuropädiatrie, Kinderkardiologie, Kinderonkologie, Kinderchirurgie, Neurochirurgie etc.) vom Säugling bis hin zum Jugendlichen ist komplex und in vieler Hinsicht herausfordernd. Die Betreuung kritisch kranker Kinder auf einer speziell dafür ausgelegten Station mit hochmoderner apparativer Ausstattung erfordert ein multiprofessionelles Team, das neben speziell geschulten und qualifizierten ärztlichen wie pflegerischen Mitarbeitern auch Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter, Greätetechniker u. v. m. umfasst.
In der Notfall- und Intensivmedizin ist ein strukturiertes Vorgehen Voraussetzung für eine effiziente und erfolgreiche Patientenversorgung. Der Erfolg einer Notfallversorgung hängt entscheidend von der Teamarbeit und der klaren Kommunikation im Team ab. Die meisten Fehler treten aufgrund unzureichender Kommunikation und nicht aufgrund fehlenden Wissens auf. Die ärztliche und pflegerische Betreuung der Patienten in Dreischichtsystemen erfordert lückenlose Detail-Übergaben. Klare Zuständigkeiten mit eindeutigen Festlegungen helfen Fehler zu vermeiden. Der Aufbau einer Fehlerkultur ist dabei unabdingbar. Auch können überzogene hierarchische Strukturen bei der medizinischen Versorgung in Stresssituation hinderlich sein und der Entwicklung einer Fehlerkultur entgegenstehen.
Der Fähigkeit, einen lebensbedrohlich erkrankten Patienten tatsächlich als kritisch krank zu erkennen, kommt eine zentrale Bedeutung zu. Nur wenn ein kritischer Krankheitszustand von dem versorgenden Team auch als solcher erkannt wird, kann der Patient schnell und zielgerichtet behandelt werden. In der Notfallversorgung wird dafür zwischen dem (1) Reanimations-Algorithmus bei einem Atem-Kreislaufstillstand und (2) dem Vorgehen nach dem ABCDE-Schema beim kritisch kranken Kind mit Lebenszeichen unterschieden (Abb. 1). Bei einer klinischen Zustandsänderung des Patienten muss gegebenenfalls vom einen in den anderen Algorithmus gewechselt werden. Bereits frühzeitig ist an die Notwendigkeit einer unmittelbaren Personalverstärkung zu denken. Häufig ist eine interdisziplinäre Behandlung notwendig. Für eine reibungslose und hochqualitative Versorgung der Patienten muss das Personal in regelmäßigen Teamtrainings geschult werden. Für die Versorgung akut lebensbedrohlich erkrankter Patienten auf Normalstation haben sich die Medical Emergency Teams (MET) etabliert, die für die Akutversorgung und Verlegung der Patienten auf die pädiatrische Intensivstation verantwortlich sind.
Dem ABCDE-Schema bzw. Reanimations-Algorithmus ist immer eine kurze Beurteilung des Bewusstseins vorgeschaltet, beispielsweise mit Hilfe des AVPU-Schemas (alert, verbal, pain, unresponsive; Kap. „Akute Bewusstseinsstörungen bei Kindern und Jugendlichen“). Reagiert der Patient nicht, werden die Atemwege geöffnet und die Atmung überprüft. Bei fehlender Atmung wird der Patient mit 5 initialen Atemhüben versorgt und bei ausbleibenden Lebenszeichen wird mit der Herzdruckmassage begonnen (Reanimation, Kap. „Akute Herzkreislaufinsuffizienz und Schock bei Kindern und Jugendlichen“).
Reagiert der Patient auf Stimulation, werden die Atemwege (ABCDE) überprüft und gegebenenfalls geöffnet. Hierzu steht der Esmarch-Handgriff oder die Stabilisierung der Atemwege mittels Wendl- oder Guedel-Tubus zur Verfügung. Handelt es sich um einen Trauma-Patienten, muss vor der Beurteilung der Atemwege die Halswirbelsäule stabilisiert werden. Nach den Atemwegen wird die Spontanatmung (ABCDE; B für Breathing) des Patienten evaluiert und dabei die Atemfrequenz, die Oxygenierung, die Atemtiefe und neben der Atemarbeit die Belüftung beider Lungen beurteilt und bei Bedarf entsprechende Interventionen (z. B. O2-Gabe; HFNC = high flow nasal cannula oder assistierte Beatmung) eingeleitet. Bei C (ABCDE) wird der Kreislauf untersucht. Hier werden die Herzfrequenz, der Blutdruck, die Kapillarfüllungszeit, die Vorlast und die Pulse evaluiert, nach einer aktiven Blutung gesucht und gegebenenfalls eine Kreislauf-stabilisierende Therapie (z. B. Volumengabe) initiiert. Nach Beurteilung der Atemwege, der Atmung und des Kreislaufs und Einleitung zielgerichteter Maßnahmen folgt die neurologische Evaluation (ABCDE, D für Disability). Die Bewusstseinslage wird eingeschätzt (AVPU bzw. Glasgow Coma Scale), die Pupillenweite und die Reaktion der Pupillen auf Licht beurteilt, auf das Vorliegen eines Meningismus getestet, gegebenenfalls die Motorik, Sensibilität und Reflexe überprüft und bei Bedarf eine Analgesie verabreicht oder z. B. eine antiepileptische Therapie begonnen. Das E (ABCDE) steht für Exploration bzw. Environment. Der Patient soll unter Beachtung des Wärmeerhalts entkleidet untersucht werden (Hinweise auf Trauma, Hauteffloreszenzen, Blutungen, abdominelle Auffälligkeiten?) und eine Kurz-Anamnese nach dem Akronym SAMPEL erfolgen:
  • Symptome (akut)
  • Allergien (z. B. Insektenstich?)
  • Medikamenteneinnahme
  • Past medical history (Vorerkrankungen, vor allem kardial, metabolisch, Immunsuppression, Nebennierenrindeninsuffizienz)
  • Ereignisse, die dem Vorfall vorangingen (Fieber, Erbrechen/Durchfall, Trauma etc.)
  • Letzte Nahrungsaufnahme
Nur eine bei Bedarf wiederholte Re-Evaluation nach Einleitung entsprechender Maßnahmen erlaubt dem Untersucher, die Dynamik der akuten Situation einzuschätzen und zielgerichtet zu agieren. Das Vorgehen nach ABCDE hilft dabei, Diagnostik und Therapie strukturiert und effizient zu gestalten.
Die nachfolgenden Kapitel zur pädiatrischen Notfall- und Intensivmedizin wurden ganz bewusst nach dem ABCDE Schema gegliedert, wobei das Management der Atemwege und der (Be)Atmung als gemeinsames Kapitel AB (Kap. „Atemwegsmanagement und Vorgehen bei respiratorischer Insuffizienz bei Kindern und Jugendlichen“) zusammengefasst wurden. In diesem Kapitel wird unter anderem auf die HFNC-Therapie (high flow nasal cannula), die invasive und nichtinvasive Beatmung eingegangen und wichtige, die Atemwege und Lunge (z. B. pädiatrisches ARDS) betreffenden Krankheitsbilder besprochen. In Kapitel C (Kap. „Akute Herzkreislaufinsuffizienz und Schock bei Kindern und Jugendlichen“) wird auf die verschiedenen Schockformen und ihre Therapie eingegangen. Im Kapitel D (Kap. „Akute Bewusstseinsstörungen bei Kindern und Jugendlichen“) werden die Diagnostik und Therapie der akuten Bewusstseinsstörungen erläutert mit Schwerpunkt auf Prävention und Therapie der Hirndruckerhöhung. In Kapitel E (Kap. „Akzidentelle Hypothermie und Hyperthermie bei Kindern und Jugendlichen: aktives Temperaturmanagement“) liegt der Fokus auf dem Management thermischer Verletzungen sowie dem Vorgehen bei Hypo- bzw. Hyperthermie. Alle Kapitel gehen gezielt auf Praxis-relevante Themen der pädiatrischen Intensivmedizin ein. Für spezielle Fragestellungen und differenzierte Therapien sei jedoch auf intensivmedizinische Spezialliteratur verwiesen.
Weiterführende Literatur
Maconochie IK et al (2015) European resuscitation council guidelines for resuscitation 2015: section 6. Paediatric life support. Resuscitation 95:223–248CrossRef