Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland aktuell – ausgewählte Daten aus der neuen Welle der KiGGS-Studie
Die vom
Robert-Koch-Institut durchgeführte Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) liefert regelmäßig repräsentative Daten zum Gesundheitsstatus der Altersgruppe 0–17 Jahren. Den Ergebnissen der aktuellen Welle (KiGGS-Welle 2, 2014–2017) zur Folge sind nach Einschätzung der Eltern knapp 96 % der Kinder und Jugendlichen guter oder sehr guter Gesundheit. So liegt die
Prävalenz des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen bei 15,4 % und der
Adipositas bei 5,9 %, ohne Geschlechtsunterschiede, aber mit einem starken sozialen Gradienten. Diese Prävalenzen bleiben seit der KiGGS-Basiserhebung 2003–2006 auf einem hohen Niveau stabil. Allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen und
Asthma bronchiale zählen bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die ärztlich diagnostizierte Jahresprävalenz von Heuschnupfen (ca. 10 %) und von Asthma (ca. 4 %) hat sich seit der KiGGS-Basiserhebung auf einem hohen Niveau stabilisiert.
Körperliche Aktivität der Kinder und Jugendlichen in Deutschland aktuell im Kontext der Empfehlungen
Die 2017 erschienenen Deutschen Nationalen Bewegungsempfehlungen geben eine altersgruppenspezifische Empfehlung zum Umfang und Intensität gesundheitswirksamer Bewegung (90–180 Minuten pro Tag) an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt täglich mindestens 60 Minuten moderate bis intensive körperliche Aktivität bzw. Sport für Kinder und Jugendliche.
Die WHO-Empfehlungen erreichen ca. 22,4 % der Mädchen und 29,4 % der Jungen im Alter von 3–17 Jahren. Der beobachtete Geschlechterunterschied ist besonders in der Altersgruppe 14–17 stark ausgeprägt. Kinder und Jugendliche werden mit dem Alter tendenziell weniger aktiv. Im Zeitraum von 2009–2012 (Welle 1) bis 2014–2017 (Welle 2) zeigt sich eine leichte Abnahme der
Prävalenz für das Erreichen der WHO-Bewegungsempfehlungen bei Mädchen, nicht aber bei Jungen.
Das Motorik-Modul (MoMo), die bundesweit repräsentative Unterstichprobe der KiGGS-Studie besteht aus sportmotorischen Tests, anthropometrischen Messungen, der Erfassung des Aktivitätsverhaltens mittels Fragebogen und eines Bewegungsmessers. Die Ergebnisse der aktuellen Welle liegen noch nicht vor. Im Zeitraum von 2003–2006 (Basiserhebung) bis 2009–2012 (Welle 1) hat sich die motorische Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen nicht verschlechtert, sie hat sich sogar teilweise verbessert. Dies könnte dadurch erklärbar sein, dass die Kinder und Jugendlichen etwas aktiver in Sportvereinen und Sport-AGs sind.
Grundlagen der motorischen Leistungsfähigkeit, Training im Kindes- und Jugendalter
Die Ausbildung der motorischen Leistungsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter ist eng verknüpft mit der reifeabhängigen Entwicklung des Gesamtorganismus und kann durch vielfältige körperliche Aktivität, Sport und Training stark beeinflusst werden. Die Hauptbeanspruchungsformen Koordination, Flexibilität, Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer definieren die motorische Leistungsfähigkeit. Der quantitative Aspekt wird durch Intensität, Dauer und Häufigkeit der Aktivität beschrieben.
Im Kleinkind- und Schulkindalter dominieren koordinative und spielerische Bewegungsmuster. Die Entwicklung von Kraftausdauer und Maximalkraft ist an die hormonelle Umstellung und veränderte enzymatische Ausstattung der glykolytischen Energiebereitstellung gebunden. Diese Prozesse entwickeln sich auch phänomenologisch durch die spezielle muskuläre Entwicklung in der pubertären bzw. adoleszenten Phase.
Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und praktische Erfahrungen widerlegen den angenommenen mangelnden Effekt kindlichen Krafttrainings und die Gefahr von Beeinträchtigungen des Bewegungssystems. Der kindliche bzw. jugendliche Bewegungsapparat durchläuft Phasen geringerer Belastbarkeit und eingeschränkter Hypertrophiemöglichkeit der Muskulatur (bis zur
Pubertät). Die korrekte technische Ausführung des Krafttrainings ist daher die wirkungsvollste Maßnahme zur Verletzungsprophylaxe. Aus diesem Grund sollen die Bewegungsabläufe mit niedriger Belastung erlernt und erst bei korrekter Ausführung die Belastung gesteigert werden. Mehrgelenkige und komplexe Übungen werden vor isolierten Bewegungen einzelner Muskeln mit singulärer Gelenkbeteiligung durchgeführt. Es werden 1–2 Serien mit 10–15 Wiederholungen zu Beginn des Trainings und die Steigerung auf 2–3 Serien empfohlen.
Aufbauend auf der grundlegenden Entwicklung der Rumpf- und Gelenkstabilität sowie einer Belastungstoleranz der passiven und aktiven Strukturen, erfolgt eine Optimierung von Ziel- und Stützmotorik für komplexe Bewegungsmuster. Ist dieses allgemeine Krafttraining etabliert und sicher durchführbar, folgt ein spezielles disziplinspezifisches Training. Eine hohe Wiederholungszahl (12–18) zielt dabei auf eine Verbesserung der Kraftausdauer, wohingegen weniger Wiederholungen (6–12) bei gleichzeitig höherem Widerstand die Maximalkraft fördern. Krafttraining kann auch bei nicht primär kraftbetonten Sportarten notwendig werden, z. B. in Form des Stabilisationstrainings.
Vor dem Krafttraining erhöht ein dynamisches Aufwärmprogramm die generelle Bewegungsbereitschaft, die Erregbarkeit des neuromuskulären Systems sowie die Flexibilität des passiven Bewegungsapparates. Dehneinheiten zur Steigerung der
range of motion sollten zeitlich unabhängig vom Krafttraining durchgeführt werden, um die maximale Kraftentwicklung nicht einzuschränken.
Kinder und Jugendliche besitzen eine hohe motorische Lernfähigkeit. Ein zunächst allgemeines und dann spezifisches Koordinations- und Techniktraining sollte daher in dieser Entwicklungsphase ein wichtiger Bestandteil des Trainings sein.
Die physiologischen und biochemischen Grundlagen für Ausdauerleistungen sind bereits bei Kindern gut ausgeprägt. Um die Bewegungstechnik zu optimieren, die Koordinationsfähigkeit zu steigern und das individuelle Schnelligkeitspotenzial auszuschöpfen ohne Flüchtigkeitsfehler zu provozieren, sollte das Training über kürzere Distanzen beginnen und erst gesteigert werden, wenn eine ausreichende technische Durchführung möglich ist (z. B. Laufökonomie, Tritt- und Schwimmtechnik u. a.).
Gesundheitsfördernde Effekte der Bewegung bei Kindern und Jugendlichen
Im Vergleich zu Erwachsenen liegen bei Kindern und Jugendlichen, aus leicht nachvollziehbaren methodischen und pragmatischen Gründen, verhältnismäßig relativ wenige Studien zu harten krankheitsbezogenen Endpunkten vor. Die meisten Untersuchungen verwenden entwicklungsphysiologisch begründete Surrogatparameter, wie z. B. kardiorespiratorische und muskuläre Fitness und unterschiedliche Adipositas-Maße.
Die wenigen Langzeitbeobachtungsstudien lassen die Annahme zu, dass kardiorespiratorische und muskuläre Fitness bzw. körperliche Aktivität im Jugendalter das Risiko, im Erwachsenenalter metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln, senken kann.
Im Folgenden wird auf die aktuell umfassendste Literaturübersicht zu den Gesundheitseffekten regelmäßiger Bewegung, auf den im Auftrag des US-Amerikanischen Gesundheitsministeriums durchgeführten wissenschaftlichen Bericht der Physical Activity Guidelines Advisory Committee Bezug genommen.
Eine beachtliche Anzahl von Interventionsstudien zeugt davon, dass vermehrte körperliche Aktivität, Training und Sport die kardiorespiratorische sowie muskuläre Fitness bei Kindern und Jugendlichen steigern kann. Besonders effektiv scheinen organisierte Gruppenangebote mit spezifischen Trainingsvorgaben mit moderater-hoher Intensität. Unter Anleitung stattfindendes Training kann eine Zunahme der kardiorespiratorischen Fitness um 7–8 % bewirken. Auch aufgrund der Vielfältigkeit der Studien und der jeweiligen Studienpopulationen lässt sich eine genaue Dosis-Wirkung-Beziehung nicht beschreiben. Als gesichert gilt dagegen, dass Kinder und Jugendliche in allen Körpergewichtsklassen ihre Fitness durch Training verbessern können. Längsschnittstudien legen nahe, dass körperliche Aktivität mit günstigeren Körpergewichtsmaßen einhergeht. Auch bei diesem Endpunkt bleibt die Dosis-Wirkung aktuell nicht präzise beschreibbar. Die günstigen Effekte der Bewegung für die Knochengesundheit werden sowohl von Beobachtungs- als auch von Interventionsstudien untermauert. Die Zeit unmittelbar vor und während der
Pubertät scheint eine sensible Phase, in der die Effekte besonders deutlich sind. Bewegungsformen für die optimale Entwicklung von Knochenmasse und -struktur sind gewichtstragende Aktivitäten mit hoher Bodenreaktionskraft, wie z. B. Springen, Hüpfen, Tennis und Basketball.
Auch wenn die Datenlage etwas inkonsistent ist, deuten einige Studien darauf hin, dass körperliche Aktivität bestimmte Bereiche der Kognition (exekutive Funktionen, Gedächtnis) und die schulische Leistung verbessern kann.
Die Frage, ob das auch bei Kindern und Jugendlichen sehr verbreitete lange Sitzen ein eigenständiges gesundheitliches Risikofaktor darstellt, wird in den letzten Jahren immer intensiver beforscht. Die aktuelle wissenschaftliche Datenlage ergibt keine eindeutigen Nachweise für einen gesundheitsschädlichen Effekt des langen Sitzens.
Sport und Bewegung bei Kindern und Jugendlichen mit einer Erkrankung
Sportverletzungen und -schäden sowie akute Erkrankungen dominieren mit Abstand die Diagnosen im Kindes- und Jugendalter. Angeborene Erkrankungen innerer Organe oder des Bewegungsapparates sowie Stoffwechseldefekte treten selten, degenerative Störungen und erworbene Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems fast nie auf.
Krankheiten des Herzens und der Gefäße
Angeborene Herzfehler, mit einer Häufigkeit von ca. 0,8 % aller Geburten die häufigsten angeborenen Fehlbildungen, stellen nur in wenigen Fällen (
pulmonale Hypertonie, hochgradige
Aortenklappenstenose, Herzfehler mit rechtsventrikulärer
Hypertonie, belastungsabhängige Rhythmusstörungen) eine absolute Kontraindikation für Sport dar. Aufgrund etablierter erfolgreicher operativer Korrekturverfahren erreichen mehr als 85 % der herzkranken Kinder das Erwachsenenalter. Sportliche Betätigung und regelmäßige körperliche Aktivität sollten daher Bestandteil einer tertiären Prävention darstellen. Motorisch steht für die Zielgruppe im Vordergrund eine Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit zur Steigerung der Fitness, Ökonomisierung der Herz-Kreislauf-Arbeit, Vaskularisierung peripherer Gewebe (Nachlastsenkung) und Senkung der Herzfrequenz bei gleichzeitiger Zunahme des Schlagvolumens (verbesserte diastolische Regeneration). Langfristig führt dies zur Prävention arteriosklerotischer Erkrankungen, welche zu einer Belastung des Herz-Kreislauf-Systems führen würden.
Vor einer sportlichen Betätigung bei (operiertem) angeborenem Herzfehler sollte eine sportmedizinische Untersuchung einschließlich Echokardiografie und gegebenenfalls Leistungsdiagnostik zur Vermeidung von Überlastungen und Bestimmung der Trainingsherzfrequenzen erfolgen. Eine Pressatmung mit konsekutiver Reduktion der Vorlast sollte bei eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens vermieden werden.
Lungenkrankheiten
Die
Prävalenz von Asthma im Kindesalter ist hoch. Ausdauersport (insbesondere bei trockener Kälte und fehlendem Aufwärmprogramm) ist ein bekannter Risikofaktor für das Belastungsasthma. Dessen Prävalenz reicht abhängig von der ausgeübten Sportart von 11–50 % (im Erwachsenenalter) und wird vom betroffenen Sportler häufig als mangelnde Fitness oder Infekt missgedeutet. Hier sollten nach umfassender Aufklärung des Sportlers und gegebenenfalls Selbstbeobachtung bronchiale Provokationstests zur Diagnosesicherung erfolgen. Eine Abgrenzung zur kombiniert in- und exspiratorischen, pseudokruppähnlichen Luftnot bei „vocal chord dysfunction“ ist durch die geschilderte (und gegebenenfalls auf Smartphone aufgezeichnete) Symptomatik meist gut möglich.
Diabetes mellitus
Sportler mit
Diabetes mellitus Typ 1, der häufigsten endokrinologischen Erkrankung im Kindesalter, benötigen eine umfassende sportmedizinische Beratung und Therapie. Gelingt die Kooperation von Sportler, Eltern, Trainer und dem betreuenden Arzt, ist eine uneingeschränkte Teilnahme am Sport möglich. Um die während des Sports auftretende
Hypoglykämie zu vermeiden, müssen Ernährung, körperliche Aktivität und Insulintherapie aufeinander abgestimmt werden.
Muskuläre Aktivität bewirkt kurzfristig eine Erhöhung der Insulinsensitivität mit konsekutivem Blutzuckerabfall. Dadurch werden häufigere Kontrollen und eine Anpassung der Insulintherapie notwendig. Nach langdauernder sportlicher Belastung kann eine verzögerte
Hypoglykämie (ca. 6–10 Stunden nach Sportabbruch) aufgrund der Regeneration der Glykogenspeicher auftreten und kritische nächtliche Blutzuckerabfälle auslösen. Ebenso sind engmaschige Kontrollen und Therapieanpassungen notwendig bei verletzungsbedingten oder anderweitig ausgelöster Reduktion der sportlichen Belastung. Ohne sportärztliche Begleitung besteht die Gefahr, dass aus Angst vor kritischen Stoffwechselsituationen die körperliche Aktivität und Sportbeteiligung reduziert oder komplett eingestellt wird.
Eine wichtige Aufgabe der sportmedizinischen Beratung besteht darin, kindlichen und jugendlichen Diabetikern Spaß am Sport, insbesondere Ausdauersport zu vermitteln, um die präventiven Effekte des Sports gegenüber diabetischen Folgeerkrankungen (insbesondere der Angiopathie) auszunutzen.
Adipositas
Adipositas im Kindesalter beeinflusst das künftige persönliche Gesundheitsprofil in erheblichem Maße. Neben den internistischen Zivilisationskrankheiten (siehe oben), pathologischen Veränderungen des Bewegungsapparates und Effekten auf die psychische Entwicklung (u. a. Störungen des Körperkonzeptes), sind soziale Effekte, z. B. Mobbing in der Schule, gesellschaftliche Stellung und zukünftige berufliche Situation keine Seltenheit. Die Adipositas entwickelt sich u. a. auf der Basis eines multifaktoriellen Zusammenspiels aus gestörter Situationsbewältigung, ungesunden Ernährungsgewohnheiten und mangelhaftem Bewegungsverhalten. Multimodale Therapien setzen sich daher aus Ernährungsumstellung, Verhaltenstraining, ausreichender regelmäßiger körperlicher Aktivität und Einbeziehung des Umfeldes (Einbindung der Eltern) zusammen. Die sportliche Betätigung hat dabei, insbesondere bei einem wenig belastbaren Bewegungsapparat und geringer Fitness, unter kalorischen Gesichtspunkten nicht den entscheidenden Einfluss auf das Gewichtsverhalten, kann aber der Auslöser für eine stärker bewegungsorientierte Änderung des Lebensstiles sein. Alltagsaktivität als Teil der „non-exercise activity thermogenesis“ (NEAT) hat aufgrund ihrer wesentlich längeren Wirkzeit einen stärkeren Einfluss auf die Energiebilanz als zeitlich begrenzte sportliche Aktivitäten bei adipösen Patienten. Als Folge der Adipositas zeigen sich bei vielen Erkrankten Glukoseintoleranz und
Hypertonie, bedeutende Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen und damit erhöhte Letalität.
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS)
Aktuelle Studien deuten einen Zusammenhang zwischen regelmäßigem Sport und verbesserter Verhaltenskontrolle sowie gesteigerter kognitiver Leistungsfähigkeit bei Kindern mit
ADHS an. Sportarten mit hoher Anforderung an Koordination, Zielführungs- und Kontrollkompetenz, wie z. B. asiatische Kampfsportarten, Reiten, Akrobatik und einige Disziplinen der Leichtathletik werden dabei aufgrund der Kontrollnotwendigkeit für die Hyperaktivität und Impulsivität bei gleichzeitig hoher Konzentrationsanforderung als besonders günstig angesehen. Neben diesen primären Effekten des Sports kann regelmäßige körperliche Aktivität auch als Strukturierungshilfe im Tagesablauf positive Effekte auf die Symptomatik des ADHS haben, insbesondere wenn dadurch eine Verfestigung der (bei dieser Erkrankung unterrepräsentierten) Erholungs- und Regenerationsphasen erreicht werden kann. Neben diesen positiven Effekten bestehen jedoch auch Gefahren bei der sportlichen Betätigung hyperaktiver und aufmerksamkeitsgestörter Kinder, insbesondere eine höhere Unfallgefährdung und -häufigkeit durch mangelnde Regelakzeptanz, geringere Frustrationstoleranz und impulsiv-aggressives Verhalten.
Hämatologisch-onkologische Krankheiten
Kinder und Jugendliche mit onkologischen Erkrankungen sind sehr häufig körperlich inaktiv und verlieren ihre körperliche Leistungsfähigkeit. Aktuelle Untersuchungen, in erster Linie bei Kindern mit
akuter lymphatischer Leukämie (ALL) zeigen, dass körperliches Training als supportive Intervention in verschiedenen Settings der pädiatrischen Onkologie (Chemotherapie, Stammzelltransplantation, ambulante Betreuung) durchgeführt werden kann. Kinder mit ALL und Stammzelltransplantation sowie kardiotoxischer Therapie können in besonderem Maße Kraft und Flexibilität durch die
Sporttherapie verbessern. Ebenfalls positive Effekte zeigen sich bei einem Ausdauertraining. Unabhängig von diesen Effekten kann Sport während der Therapie krebskranker Kinder und Jugendlicher die
Lebensqualität anheben. Bei Trainingsprogrammen, in denen die Teilnehmer ihre körperliche Leistungsfähigkeit verbessern konnten, zeigten sich auch positive Effekte im Hinblick auf eine Reduzierung der Fatigue. Hinweise, dass es durch körperliches Training zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie z. B. einer Immunsuppression kommen könnte, liegen nicht vor.
Strukturierte Trainingsprogramme z. B. innerhalb der Klinik sind einfacher durchführbar als ein Heimtrainingsprogramm, welches aufgrund von Unsicherheiten nur sehr selten angewendet wird.
Die wachsende Zahl überlebender kindlicher Krebserkrankungen kann durch ein körperliches Training im Erwachsenenalter behandlungsbedingten Späteffekten vorbeugen bzw. diese kompensieren.
Sportmedizinische Untersuchungen und Leistungsdiagnostik
Sportmedizinische Vorsorgeuntersuchungen des kindlichen und jugendlichen Sportlers dienen primär der Erfassung individueller Prädispositionen für Verletzungen, Erkrankungen oder lebensbedrohlicher Zustände. Gleichzeitig bieten sie eine Gelegenheit zum frühzeitigen Aufbau von Gesundheitsressourcen durch Beratung und Implementierung von Bewegung zur Prävention von zivilisatorisch bedingten Krankheiten.
Mögliche gesundheitliche Risiken durch körperliche Aktivität sollten vor dem Hintergrund einer durch Wachstums- und Reifungsprozesse erhöhten organspezifischen Labilität und Vulnerabilität, andererseits aber auch vor dem ausgeprägten regenerativen Potenzial des jungen Organismus gesehen werden.
Risiken und Gefahren
Die häufigsten Sportverletzungen betreffen Knie und Sprunggelenke, gefolgt von Verletzungen der oberen Extremität und des Schultergürtelbereichs. Die Inzidenz von Knieverletzungen (35 % im Freizeit-, 33 % im Sportbereich) steigt mit dem Alter und dominiert beim männlichen Geschlecht. Bis zu 60 % der Verletzungen sind ebenerdige Stürze, gefolgt vom Fallen aus geringer Höhe.
Verletzungen der Sehnen und des Bindegewebes, insbesondere Verstauchungen (27–48 % aller Sportverletzungen), Prellungen, Zerrungen und Rupturen sind häufige Schadensereignisse im Sport, die durch eine übermäßige Belastung im Zusammenhang mit hohen Bewegungsgeschwindigkeiten ausgelöst werden. Fußball und Basketball bilden mit ca. 1,5 traumatischen Ereignissen pro 1000 Sportstunden im Bereich des Sprunggelenks die Spitze der Verletzungen. Überlastungen der Muskulatur durch zu hohe und schnellkräftige Kontraktionen und Überforderung bei der Haltearbeit, die zu Muskelzerrungen (Überdehnung) und Muskelfaser- bzw. Muskelrissen, insbesondere im muskulär-tendinösen Übergangsbereich führen, sind bei Kindern dagegen sehr selten.
Komplexere Verletzungen entstehen durch Überforderung von Bändern im direkten Gelenkbereich und resultieren in Verstauchungen, Luxationen und Kapsel-Band-Rupturen.
Die Therapie folgt den allgemeinen Leitlinien zur Behandlung und wird ergänzt durch eine sportartspezifische Rehabilitation mit dem Ziel der Wiedereingliederung in den Sport.
Sportschäden und Übertraining
Überlastungsschäden treten hauptsächlich an Strukturen des passiven Bewegungsapparates auf, wenn im Rahmen wiederholter sportlicher Beanspruchung die Erholungs- und Regenerationsphasen im Verhältnis zu Dauer und Intensität der Belastung zu kurz sind. Die Symptome reichen von einer vorübergehenden schmerzhaften Reizung direkt nach der Belastung bis zu aktivitätseinschränkenden dauerhaften Schmerzen.
Insbesondere wiederholt technisch falsch ausgeführte Bewegungen mit konsekutiv erhöhtem Kraftaufwand führen zu unphysiologischen Belastungen des im Wachstum befindlichen Knochens, Knorpels bzw. Sehnenansatzes.
Die höchste
Prävalenz der Tendinopathien, findet sich an der Tuberositas tibiae, der Insertionsstelle der Patellasehne und tritt insbesondere nach pubertären Wachstumsschüben bei gleichbleibender oder zunehmender Trainingsbelastung auf.
Im Gegensatz zu den lokal begrenzten Symptomen bei Sportschäden ist ein Übertraining ein generalisierter Zustand, der neben ausbleibenden Trainingsfortschritten durch Müdigkeit, Antriebslosigkeit sowie vegetativen Symptomen (Kopfschmerz, Schlafstörung, gegebenenfalls erhöhter Ruhepuls) charakterisiert ist. Auslösende Faktoren, insbesondere zu kurze Regeneration, unangepasste Trainingsanforderungen, inadäquate Umfangs- und Intensitätssteigerungen und psychische Belastungen (einseitiges Training) kumulieren meist über mehrere Monate. Die Diagnostik umfasst neben der ausführlichen Anamnese und normierten Fragebögen (z. B. Profile of Mood State, POMS) auch die standardisierte Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität, wenn Vergleichswerte von sicher gesunden Phasen des gleichen Sportlers vorliegen. Laborwerte des Eiweißstoffwechsels, Muskelenzyme und die Bestimmung von Kortison und
Testosteron können Hinweise geben, verfügen jedoch als isolierte Screeningmethode über keine ausreichende
Sensitivität.
Zur Prävention eines Übertrainings sollte im Kindes- und Jugendalter die Trainingshäufigkeit der Hauptsportart auf 5 Tage in der Woche begrenzt und mindestens 1 sportfreier Tag eingeplant werden. Eine 2- bis 3-wöchige Trainingspause mindestens 1-mal jährlich (z. B. am Saisonende) zur physischen und insbesondere psychischen Erholung ist empfehlenswert.
Umgebungsbedingungen
Hitze und Kälte haben bei Kindern aufgrund ihrer Körpergeometrie einen stärkeren Einfluss auf die
Thermoregulation als bei Erwachsenen. Ein höheres Oberfläche/Masse-Verhältnis, eine stärkere metabolische Wärmeproduktion, die deutlich geringere Schweißproduktion sowie eine geringere Steigerungsfähigkeit der kardialen Leistung bei körperlicher Belastung stellen bei mittleren Temperaturen, durch geringeren Wasser- und Elektrolytverlust, einen physiologischen Vorteil dar. Bei hohen (insbesondere strahlungsbedingten) Temperaturen kann die geringere Schweißproduktion bei gleichzeitig größerer relativer Absorptionsfläche für Wärmeeinstrahlung jedoch zur Überforderung der Thermoregulation führen. Andererseits kommt es in kalter Umgebung aufgrund des höheren Oberfläche/Masse-Verhältnisses sowie einer schwächeren Isolierung bei geringerem Unterhautfettgewebe und fehlender körperlicher Aktivität rascher zur Unterkühlung. Dieser Effekt tritt im Wasser aufgrund der höheren Wärmeleitfähigkeit verstärkt auf. Der Wärmeverlust ist beim Schwimmen bis zu 30-fach höher gegenüber Sport außerhalb des Wassers.
Für Trainer, Eltern und Betreuer gilt es daher zu beachten, dass die
Thermoregulation des kindlichen Organismus bei extremen Temperaturen im Gegensatz zum Erwachsenen schneller überfordert ist und dieser Effekt bei Wassersportlern in potenzierter Form eintreten kann.